L 8 AL 3880/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 1069/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 3880/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Juli 2008 sowie die Bescheide der Beklagten vom 24. Oktober 2006 und 27. Dezember 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Januar 2007 und 7. März 2007 sowie der Bescheid vom 22. Februar 2008 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von täglich 65,25 EUR zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung höheren Arbeitslosengeldes I (Alg) auf der Grundlage eines höheren Bemessungsentgeltes.

Der 1962 geborene Kläger ist verheiratet. Sein jüngstes Kind ist 1996 geboren. Auf seiner Lohnsteuerkarte 2006 ist die Steuerklasse III/2 eingetragen.

Der Kläger war ab 01.03.1990 mit einer Arbeitszeit von wöchentlich 37 Stunden bei der Firma Druckhaus B. als Versandarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Durch Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 01.05.2005 wurde die regelmäßige Arbeitszeit ab dem 01.05.2005 auf wöchentlich 30 Stunden reduziert. Der Kläger erzielte im Abrechnungszeitraum vom 01.03.2005 bis 31.08.2005 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 12.604,72 EUR und vom 01.09.2005 bis 01.02.2006 in Höhe von 10.944,87 EUR. Für die Zeit vom 02.02.2006 bis 31.07.2006 war der Kläger aufgrund eines bis zum 01.08.2006 befristeten Arbeitsvertrages bei der Firma "m. GmbH" mit einem beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 9.595,02 EUR mit einer Arbeitszeit von wöchentlich 30 Stunden versicherungspflichtig tätig. Anschließend stand der Kläger ab 01.08.2006 bis 22.09.2006 in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei der Firma R. D. GmbH mit einem beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelt von insgesamt 3.799,63 EUR und einer Arbeitszeit von wöchentlich 37,5 Stunden.

Am 20.07.2006 meldete sich der Kläger zum 23.09.2006 bei der Agentur für Arbeit Weinheim (AA) arbeitslos und beantragte Alg. Die AA berechnete aufgrund der vorgelegten Arbeitsbescheinigungen der Firma B. vom 07.06.2006, der m. GmbH vom 25.07.2006 und der R. D. GmbH vom 10.10.2006 (Blätter 07, 11 und 13 der Verwaltungsakte), ausgehend von einer einjährigen Rahmenfrist (01.09.2005 bis 22.09.2006), das Bruttoarbeitsentgelt mit 24.339,52 EUR (bezahlt an 378 Tagen) und das Bemessungsentgelt mit täglich 64,39 EUR. Auf dieser Grundlage bewilligte die AA dem Kläger mit Bescheid vom 24.10.2006 ab 23.09.2006 Alg in Höhe von täglich 33,43 EUR mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen.

Gegen den Bescheid vom 24.10.2006 legte der Kläger am 17.11.2006 Widerspruch ein und bat um Erläuterung der Berechnungsgrundlagen des bewilligten Alg. Auf Anforderung legte er außerdem seine Lohnabrechnungen für den Zeitraum von August 2004 bis August 2005 in Kopie vor. Mit Schreiben vom 29.11.2006 informierte die AA den Kläger über die Berechnungsgrundlagen. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2007 wies die AA den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der Berechnung des Alg sei von einem Bemessungsrahmen von einem Jahr auszugehen. Ein Ausnahmefall liege nicht vor.

Hiergegen erhob der Kläger am 14.02.2007 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage (S 8 AL 569/07). Mit Beschluss vom 03.04.2007 ordnete das SG das Ruhen des Verfahrens an.

Inzwischen hatte der Kläger in der Zeit vom 01.08.2006 bis 22.09.2006 und vom 06.11.2006 bis 15.12.2006 in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Am 14.12.2006 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 27.12.2006 wurde ihm ab 16.12.2006 mit einer Anspruchsdauer von 317 Tagen Alg in Höhe von täglich 33,43 EUR (bis 01.11.2007) weiterbewilligt.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 29.01.2007 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung geltend, bei der Festlegung des Bemessungszeitraums sei nicht von einem Bemessungsrahmen von lediglich ein Jahr auszugehen. Sein im Zweijahreszeitraum erzielter Verdienst sei der Bewilligung von Alg zugrunde zu legen, da eine unbillige Härte vorliege. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2007 wurde der Widerspruch des Klägers abgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 03.04.2007 Klage beim SG (S 8 AL 1227/07). Mit Beschluss vom 19.06.2007 ordnete das SG das Ruhen des Verfahrens an.

Mit Änderungsbescheid 22.02.2008 bewilligte die AA dem Kläger Alg in Höhe von täglich 33,43 EUR mit einer Anspruchsdauer von 321 Tagen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 14.03.2008 Widerspruch ein, mit dem er sich unter Bezug auf die beim SG anhängigen Klagen gegen den täglichen Leistungssatz von 33,43 EUR wandte. Der Kläger und die AA gingen davon aus, dass der Bescheid vom 22.02.2008 Gegenstand der Klageverfahren geworden sei.

Am 03.04.2008 rief der Kläger die ruhenden Klagen wieder an, die unter den Aktenzeichen S 8 AL 1069/08 und S 8 AL 1070/08 weitergeführt und zum Verfahren S 8 AL 1069/08 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden (Beschluss vom 23.06.2008). Der Kläger schilderte zur Begründung seiner Klagen seine berufliche Situation bis zum Eintritt der Arbeitslosigkeit. Weiter führte er aus, er begehre die Berechnung seines Alg nach dem zwei Jahre zurückliegenden höheren Verdienst, den er unter Bezug auf die Arbeitsbescheinigungen und die vorgelegten Lohnabrechnungen für die Zeit vom 23.09.2004 bis 22.09.2005 mit 27.549,79 EUR und für die Zeit vom 23.09.2005 bis 22.09.2006 mit 22.937,68 EUR bezifferte. Hieraus errechne sich eine Vergleichsbasis von 25.248,74 EUR. Der um 10% erhöhte Betrag im Regelbemessungszeitraum (25.231,45 EUR) sei um 17,34 EUR geringer als die Vergleichsbasis aus dem Zweijahreszeitraum. Nach der Durchführungsanordnung der AA sei damit eine unbillige Härte anzunehmen. Dies gelte nach der Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen auch dann, wenn der Gehaltsunterschied bei 5 % liege. Im Übrigen sei eine unbillige Härte auch darin zu sehen, dass er wegen einer wirtschaftlichen Schieflage seines Arbeitgebers zur Stabilisierung des Betriebes durch die Reduzierung seiner Arbeitszeit auf 30 Stunden auf Lohn verzichtet habe und dass sich durch den Übergang in eine Beschäftigungsgesellschaft der Firma m. die Arbeitslosmeldung bei weiter reduziertem Lohn verzögert habe. Insofern würde es zu einem Wertungswiderspruch führen, wenn seine pflichtgemäßen Anstrengungen, seine Arbeitslosigkeit hinauszuzögern, sich bei Eintritt des Versicherungsfalles zu seinen Lasten auswirkten. Eine doppelte Bestrafung durch den Lohnverzicht und durch das niedrige Alg sei ihm nicht zuzumuten.

Die Beklagte trat den Klagen entgegen. Sie hat auf Anforderung des SG unter Vorlage ihrer Durchführungsanweisungen zu § 130 SGB III vorgetragen, im erweiterten Bemessungszeitraum vom 01.09.2004 bis 22.09.2006 (743 Tage) errechne sich ein Einkommen des Klägers in Höhe von 51.667,29 EUR (täglich 69,54 EUR). Dieses Entgelt sei nicht um mindestens 10% höher als das Regelentgelt, sodass eine besondere Härte nicht in Betracht komme.

Mit Gerichtsbescheid vom 11.07.2008 wies das SG die Klagen ab. Es führte zur Begründung aus, ein Härtefall im Sinne des § 130 Abs. 3 Nr. 2 SGB III sei nicht gegeben. Die Ansicht des Klägers, das Bemessungsentgelt aus dem zweijährigen Bemessungsrahmen sei mindestens 10% höher als das Bemessungsentgelt aus dem einjährigen Bemessungsrahmen, sei unzutreffend. Die Vergleichsbasis seiner Verdienste vom 23.09.2004 bis 22.09.2006 betrage 25.067,86 EUR (50.135,72 EUR: 2). Der um 10% erhöhte Verdienst im normalen Bemessungszeitraum betrage 25.113,72 EUR und übersteige den Verdienst aus dem Zweijahreszeitraum. Auch unter Berücksichtigung des sonstigen Vorbringens des Klägers sei eine unbillige Härte nicht anzunehmen. Maßgeblich für die Härtefallregelung sei, dass das Entgelt, das im verlängerten Bemessungszeitraum verdient worden sei, gegenüber dem Entgelt, das nach dem normalen Bemessungszeitraum zu Grunde zu legen sei, überwiege. Dabei komme es nicht auf den Durchschnitt der letzten zwei Jahre, sondern auf den überwiegenden Verdienst in seiner vollen Höhe an. Dies sei beim Kläger nicht gegeben. Ein Überwiegen eines höheren Verdienstes bzw. eines unveränderten Arbeitsverhältnisses im erweiterten Bemessungszeitraum gegenüber dem einjährigen Bemessungszeitraum lasse sich nicht feststellen. Jedenfalls sei erforderlich, dass in der überwiegenden Zeit des erweiterten Bezugsrahmens die veränderten Umstände bzw. das veränderte Gehalt noch nicht vorgelegen habe. Auf den prozentualen Anteil eines Minderverdienstes um 10% oder nur um 5% komme es damit nicht an. Auch die Umstände der Verminderung der Arbeitszeit sowie einer verzögerten Arbeitslosmeldung könnten am Ergebnis nichts ändern. Die Prüfung der Härte erfolge mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen. Auf die Gründe, wie es zu dem veränderten Bemessungsentgelt gekommen sei, könne nicht abgestellt werden. Die Beklagte sei daher bei der Berechnung des Alg zu Recht vom einjährigen Bemessungszeitraum ausgegangen.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16.07.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.08.2008 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung vorgetragen, das SG habe für seine Ansicht keine höchstrichterliche Entscheidung zitiert. Soweit in einem Urteil des BSG verlangt worden sei, dass die Dauer der höher bezahlten Arbeit überwiegen müsse, sei das Urteil zu § 131 Abs. 1 SGB III alter Fassung ergangen, der darauf abgestellt habe, ob das höhere Entgelt "überwiegend" erzielt worden sei. Von der neuen Regelung des § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III sei diese Formulierung nicht übernommen. Ihm könne nicht verwehrt werden, dass der Berechnung seines Alg das höhere Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen zugrunde gelegt werde. Nach den vom SG angenommenen Verdiensten ergebe sich ein Bemessungsentgelt von 69,38 EUR täglich.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. Juli 2008 sowie die Bescheide der Beklagten vom 24. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2007, den Bescheid vom 27. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22. Februar 2008 abzuändern und ihm Arbeitslosengeld I auf der Grundlage eines Bemessungsentgeltes, errechnet aus dem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie ein Band Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz in der ab 01.04.2008 geltenden Fassung (SGG) statthaft. Der Kläger macht nach seinem Vorbringen im Berufungsverfahren auf der Grundlage eines Bemessungsentgeltes von täglich mindestens 69,38 EUR (statt 64,39 EUR) einen Anspruch auf Alg in Höhe von mindestens täglich 35,56 EUR statt 33,43 EUR für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen geltend. Damit übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR (mindestens 360 x 2,13 EUR =766,80 EUR). Außerdem ist die Berufung gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung ist auch teilweise begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 24.10.2006 und 27.12.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17.01.2007 und 07.03.2007 sowie der Änderungsbescheid vom 22.02.2008 sind teilweise rechtswidrig. Dem Kläger steht gegen die Beklagte Alg auf der Grundlage eines Bemessungsentgeltes in Höhe von täglich 65,25 EUR (statt 64,39 EUR) zu. Im Übrigen ist seine Berufung jedoch nicht begründet.

Die Klägerin erfüllt im streitigen Zeitraum ab 23.09.2006 die Anspruchsvoraussetzungen auf Alg gemäß § 118 Abs. 1 SGB III, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

Die Höhe des Alg richtet sich nach § 129 SGB III. Nach dieser Vorschrift beträgt das Arbeitslosengeld für Arbeitslose, die - wie der Kläger - mindestens ein Kind haben, 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt), für die übrigen Arbeitslosen 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz). Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 130 Abs. 1 SGB III in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 71 des Gesetzes vom 23.12.2003 (BGBl I S. 2848) die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr, er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Bemessungsentgelt ist nach § 131 Abs. 1 SGB III (i.d.F. des Art. 1 Nr. 71 Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003) das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Arbeitsentgelte, auf die der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind.

Der Jahreszeitraum umrahmt i.d.R. den Bemessungszeitraum (Brand in Niesel SGB III 4. Aufl. 2007 § 130 Rz 2). Beginnt jedoch ein berücksichtigungsfähiger Gehaltabrechnungszeitraum vor dem Bemessungsrahmen und reicht er teilweise in diesen hinein, wie dies beim Kläger zutrifft, so ist auch dieser Gehaltabrechnungszeitraum in vollem Umfang in den Bemessungszeitraum einzubeziehen, auch wenn schon ohne seine Berücksichtigung die erforderlichen Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erfüllt sind. Denn das Gesetz sieht nur die Berücksichtigung von vollen Lohn-, nicht aber von Teilabrechnungszeiträumen vor (BSG 25.01.1996 SozR 3-4100 § 112 Nr 24; SozR 4100 § 111 Nr. 3; Brand a.a.O.). Ausgehend hiervon umfasst der Bemessungszeitraum im konkreten Fall die Entgeltabrechnungszeiträume vom 01.09.2005 bis 22.09.2006, wovon im Übrigen auch die Beklagte ausgegangen ist.

Im Bemessungszeitraum hat der Kläger in 378 Kalendertagen (365 Tage in der Zeit vom 01.09.2005 bis 31.08.2006 + 22 Tage im September 2006 abzüglich 9 unbezahlte Arbeitstage im Juni 2006) nach den zu den Akten gelangten Arbeitsbescheinigungen ein Arbeitsentgelt von 24.339,52 EUR erzielt. Entgegen der Berechnungsmethode der Beklagten ist jedoch bei der Berechnung des täglichen Bemessungsentgeltes das Gesamtentgelt nicht durch die tatsächliche Zahl an Kalendertagen zu teilen. Denn sowohl für die Berechnung von Leistungen allgemein (§ 339 Abs. 1 Satz 1 SGB III) als auch für die Berechnung des Arbeitslosengeldes (§ 134 Satz 2 SGB III) sowie auch für die Berechnung der Beiträge (§ 341 Abs. 3 Satz 2 SGB III) ist der Monat zu 30 Tagen anzusetzen. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 13.06.2008 - L 8 AL 3829/07 -, veröffentlicht in juris) ist deshalb das Gesamtentgelt (24.339,52 EUR) nicht durch die tatsächliche Zahl an Kalendertagen (dies wären vorliegend 378 Kalendertage) zu teilen, sondern lediglich durch 373 Tage (für September 2005 bis Mai 2006 9 x 30 = 270 Tage; für Juni 2006 30 - 9 = 21 Tage; für Juli 2006 bis August 2006 2 x 30 = 60 Tage und September 2006 22 Tage). Daraus ergibt sich ein durchschnittliches Bemessungsentgelt von täglich 65,25 EUR. Insoweit erweist sich die Berufung des Klägers als begründet.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Gewährung von Alg unter Berücksichtigung eines zweijährigen Bemessungsrahmens (vom 01.09.2004 bis 22.09.2006).

Nach § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III wird der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre erweitert, wenn es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III liegen hier unstreitig nicht vor.

Eine unbillige Härte, die die Erweiterung des Bemessungsrahmens auf zwei Jahre rechtfertigt, ist hier nicht gegeben. Ein Härtefall ist grundsätzlich nur dann zu bejahen, wenn eine erhebliche Verschlechterung in der Entgeltsituation vorliegt, welche die Anknüpfung der Bemessung an die allgemeinen Regeln als im Einzelfall unzumutbar erscheinen lässt. Dabei ist darauf abzustellen, ob eine Vergleichsberechnung ein Missverhältnis zwischen dem im Bemessungsrahmen nach § 130 Abs. 1 SGB III und im erweiterten Bemessungsrahmen erzielten Arbeitsentgelt ergibt, das nach einer Erweiterung verlangt, um die Indizfunktion des Bemessungsentgeltes zu gewährleisten (vgl. zum Vorstehenden Coseriu/Jakob in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, Großkommentar, 3. Auflage, § 130 RdNr. 83; Lütdtke in LPK-SGB III, § 130 RdNr. 10). Ob entsprechend der Dienstanweisung der Beklagten (zu § 130 SGB III Nr. 4.2, Stand 01/2005) ein Härtefall jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen (zwei Jahre) das aus dem Regelbemessungsrahmen (ein Jahr) um weniger als 10% übersteigt (zustimmend vgl. auch Coseriu/Jakob in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, a.a.O., § 130 RdNr. 86; Lütdtke in LPK-SGB III, § 130 RdNr. 10; Marschner in GK-SGB III, § 130 RdNr. 49), kann offen bleiben. Der Ansicht im Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 31.05.2006 - L 1 AL 10/06 - (vgl. auch Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 130 RdNr. 71), auf das sich der Kläger beruft, schließt sich der Senat nicht an. Die Ansicht des LSG Nordrhein-Westfalen hat auch das BSG in seiner zum Urteil vom 31.05.2006 ergangenen Revisionsentscheidung (Urteil vom 29.01.2008 - B 7/7a AL 40/06 R -) nicht bestätigt, sondern die Frage der prozentualen Höhe des Arbeitsentgeltverlusts für die Annahme eines Härtefalles als nicht entscheidungserheblich offen gelassen. Jedenfalls ist bei einer Diskrepanz von 8 %, wie vorliegend, eine unbillige Härte nicht zu erkennen. Der Gesetzgeber erachtet Lohnminderungen nach § 130 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGB III als noch zumutbar, wenn sie auf einer 20 % der Regelarbeitszeit nicht übersteigenden Teilzeitbeschäftigung beruhen. Bei einer Diskrepanz von 8 % kann - auch mit Blick auf § 130 Abs. 2 Nr. 4 SGB III - nicht davon ausgegangen werden, die Indizfunktion des Bemessungsentgeltes sei nicht mehr gewährleistet.

Nach der zum Vergleich der Entgelte vorzunehmenden Vergleichsberechnung (vgl. hierzu Coseriu/Jakob in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, a.a.O., § 130 RdNr. 79ff) beträgt das Bemessungsentgelt im zweijährigen Bemessungsrahmen 51.667,29 EUR, wie sich aus den zu den Akten gelangten Arbeitsbescheinigungen und den vom Kläger vorgelegten Lohnabrechnungen ergibt, wie auch die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren zutreffend ausgeführt hat (Blatt 13 SG-Akte). Ausgehend von der oben dargelegten - vom Senat für richtig erachteten - Berechnungsmethode ergibt sich im erweiterten Bemessungsrahmen ein Bemessungsentgelt von täglich 70,48 EUR (51.667,29 EUR: 733 Tage [373 + 360 Tage]), das das Bemessungsentgelt im Regelbemessungsrahmen in Höhe von täglich 65,25 EUR lediglich um 8 % übersteigt.

Eine unbillige Härte ist auch nicht darin zu sehen, dass der Kläger seine Arbeitszeit auf 30 Stunden reduziert hat und dass sich durch den Übergang in eine Beschäftigungsgesellschaft die Arbeitslosmeldung bei weiter reduziertem Lohn verzögert hat, wie der Kläger außerdem geltend macht. Nach der Systematik des § 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III will die Billigkeitsprüfung allein einen Vergleich von Entgelten aus länger zurückliegenden Zeiträumen zwecks Ausweitung des Bemessungsrahmens ermöglichen, ohne dass es auf die Gründe des Minderverdienstes ankommt. Dieser Normzweck lässt die Berücksichtigung anderer Härtegesichtspunkte nicht zu (vgl. Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 130 RdNr. 70; Brand in Niesel, SGB III, 4. Auflage, § 130 RdNr. 16; so - wohl - auch BSG, Urteil vom 29.01.2008 a.a.O.).

Die Berufung des Klägers war daher insoweit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der entschiedenen Rechtsfragen zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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