Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2642/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5408/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15.11.2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur Berufs-krankheitenverordnung - Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische - (BK 1317).
Der im Jahre 1960 geborene Kläger nahm im September 1975 eine Berufsausbildung zum Schlosser auf, die er im August 1978 abschloss. Anschließend arbeitete er bis April 1980 sowie von Juni 1981 bis Dezember 1988, von Februar 1989 bis März 1990, von Juli 1992 bis Septem-ber 1994, von September 1996 bis Dezember 1996, von Mai 1997 bis August 1997 und von Mai 1998 bis September 1998 sowie aushilfsweise an einzelnen Tagen im Oktober und November 1998 im erlernten Beruf, zeitweise als Abteilungsleiter der Stahlhalle bzw. als Montageleiter. Dabei war er gegenüber Trichlorethen, 1.1.1-Trichlorethen, Dichlormethan, Xylol, Toluol, 2-Butanon, n-Heptan, 2-Methoxyethanol und aromatenhaltigen Kohlenwasserstoffgemischen ex-poniert, wobei die Grenzwerte zeitweilig überschritten wurden.
Wegen seit der Lehrzeit auftretender LWS-Beschwerden und einem schließlich chronisch rezidi-vierenden Lumbalsyndrom erfolgten ab dem Jahre 1989 Rehabilitationsbehandlungen und in der Zeit von April 1990 bis Juli 1992 eine Umschulung des Klägers zum technischen Zeichner im Bereich Maschinenbau. Trotz erfolgreichen Abschlusses der Maßnahme kehrte er aufgrund der Arbeitsmarktsituation in den erlernten Schlosserberuf zurück. Im Dezember 1994 erfolgte eine Spondylodese (Versteifungsoperation) L5/S1. Eine im Juni 1995 aufgenommene Weiterbildung zur CAD-Fachkraft brach der Kläger im Dezember 1995 ab, nachdem er sich zuvor wegen eines chronischen HWS-Syndroms, Ohrgeräuschen und Konzentrationsschwierigkeiten in ortho-pädische und neurologisch-psychiatrische Behandlung begeben hatte. Wegen einer Scharlach-erkrankung brach der Kläger im März 1998 auch ein im Januar 1998 begonnenes erneutes Seminar zur CAD-Fachkraft ab. Im September 1998 nahm er eine Weiterbildung zum Techniker Maschinenbau auf, die auf Grund einer bei der oben angeführten Aushilfstätigkeit als Schlosser erlittenen Leistenverletzung im Dezember 1998 abgebrochen wurde. Eine schließlich im September 1999 begonnene erneute Weiterbildung zum Techniker, Fachrichtung Maschinenbau, wurde auf Grund eines Erschöpfungszustandes und unklaren Leistungsverfalls abgebrochen. Seither ist der Kläger arbeitslos.
Ab dem Jahre 1991 berichtete der Kläger den behandelnden Ärzten neben LWS-Beschwerden von Freudlosigkeit, Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und später auch von Gedächtnis-störungen sowie von Schwindel- und Tinnitusbeschwerden, Gleichgewichtsstörungen, "Black-outs", Gefühlsstörungen, Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, einer Gangunsicherheit und Seh-störungen; schließlich fiel auch eine psychomotorische Verlangsamung auf. Ein neurologisches Korrelat für diese Beschwerden fand sich ärztlicherseits zunächst nicht (Arztbriefe des Neuro-logen und Psychiaters Dr. D. vom 16.07.1991, vom 14.12.1992 und vom 28.12.1995, der Neurologin und Psychiaterin Ke. vom 28.06.1994 und des Neurologen und Psychiaters Dr. Ka. vom 16.01.1997, Entlassungsbericht der Klinik R vom 24.10.1997, Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Priv.-Doz. Dr. W. vom 08.12.1999 und vorläufiger Entlassungsbericht der Neurologischen Klinik des Rehabilitationskrankenhauses U. vom 14.06.2000).
Nachdem der Kläger im Jahre 1995 wegen seiner Lendenwirbelsäulenbeschwerden gegenüber der Beklagten erfolglos das Vorliegen einer BK 2108 geltend gemacht hatte (Bescheid vom 26.03.1996), zeigte der Allgemein-, Umwelt- und Betriebsmediziner Dr. H. der Beklagten unter dem 14.12.2000 den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit durch Metallrauche und Lösungsmittel an. In der Folgezeit gingen der Psychologe Dr. Kl. vom Vorliegen neuropsycho-logischer Defizite im mnestischen Bereich und im Bereich kognitiver Funktionen, die Nerven-ärztin Dr. F. von einem Verdacht auf Hirnstammprozess und der Nervenarzt Dr. B. von einer auffälligen Hirnleistungsstörung aus.
Im Zuge der daraufhin eingeleiteten Ermittlungen holte die Beklagte u. a. eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes einschließlich einer Gefährdungsanalyse ein, die der Kläger handschriftlich in Detailfragen vervollständigte. Die ihm zur ärztlichen Begutachtung von der Beklagten vorgeschlagenen insgesamt acht Sachverständigen lehnte er zum Teil unter Vorlage von Medienveröffentlichungen über deren Verbindungen zu Berufsgenossenschaften als partei-lich ab und schlug seinerseits sieben ärztliche Sachverständige für eine Begutachtung vor. Auf eine datenschutzrechtliche Eingabe des Klägers beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz beauftragte die Beklagte die vom Kläger vorgeschlagene Arbeitsmedizinerin Prof. Dr. E. mit der Erstattung eines Gutachtens. Diese diagnostizierte eine spätestens seit September 1999 vorlie-gende toxische Enzephalopathie (Schweregrad II A) i. S. der BK 1317, die auf die berufliche Lösungsmittelexposition zurückzuführen sei. Die weiteren Erkrankungen, insbesondere die be-klagten Beschwerden im peripheren Nervensystem, seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf eine Lösungsmittelexposition zurückzuführen. Es bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 30 v. H.
Die Beklagte holte daraufhin eine gewerbeärztliche Stellungnahme von Dr. Kr. ein. Dieser ver-trat die Auffassung, eine Enzephalopathie sei nicht im Vollbeweis gesichert; auch sei eine beruf-liche Verursachung der Erkrankung nicht wahrscheinlich. In einer ergänzenden Stellungnahme hielt Prof. Dr. E. an der in ihrem Gutachten vertretenen Auffassung fest. Auf Grund der berich-teten Beschwerden und der beschriebenen Befunde bestehe kein Zweifel am Vorliegen einer Enzephalopathie. Zwar habe ab Aufnahme der Umschulung eine verringerte Exposition, nicht aber eine Expositionskarenz gegenüber Lösungsmitteln vorgelegen.
Mit Bescheid vom 11.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2004 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass der Beschwerden des Klägers ab. Eine Berufskrankheit nach der Berufskrankheitenverordnung (BKV) liege nicht vor. Insbesondere sei eine Enzephalopathie i. S. der BK 1317 nicht nachzuweisen. Auch die An-erkennung der Erkrankungserscheinungen wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei nicht möglich, da eine berufliche Verursachung nicht wahrscheinlich sei. Leistungen nach § 3 BKV seien mangels konkreter Gefahr der Entstehung einer Berufskrankheit im Falle der Weiterbeschäftigung ebenfalls nicht zu erbringen.
Am 05.09.2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Ulm Klage erhoben. Das Sozialgericht hat ein nervenärztliches Gutachten von Dr. J. eingeholt, der den dringenden Verdacht auf das Vorliegen einer Pseudodemenz äußerte und eine Abklärung im Rahmen einer stationären Untersuchung empfohlen hat. Daraufhin hat das Sozialgericht den Neurologen und Psychiater Prof. Dr. Be. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat auf der Grundlage einer dreitägigen psy-chiatrischen Untersuchung des Klägers im Bezirkskrankenhaus G. eine Pseudodemenz i. S. ei-nes Münchhausen-Syndroms sowie eine depressiv-ängstlich unzufriedene Grundstimmung kom-plexer Genese diagnostiziert. Der Kläger habe eine dementielle Symptomatik stärksten Ausprä-gungsgrades dargestellt, besitze aber nachweisbar ausgezeichnete kognitive Fähigkeiten. Eine berufliche Verursachung seiner Gesundheitsstörungen sei nicht anzunehmen.
Hierauf gestützt hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 15.11.2005 abgewiesen.
Am 19.12.2005 hat der Kläger Berufung eingelegt.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten von Prof. Dr. Ko. , H. , nebst Zusatzgutachten und ergänzender Stellungnahme eingeholt. Die Logo-pädin A. hat in dem von ihr erstatteten Zusatzgutachten sowohl eine Dysarthrie (kombinierte Sprech- und Stimmstörung) als auch, mit Blick auf die Störung im Redefluss des Klägers, eine Aphasie (zentrale Sprachstörung) sowie ein Stottern im klassischen Sinn und ein aphasisches Stottern verneint. Die Diplompsychologin Dr. phil. V. hat anschließend ausgeführt, die Frage des Vorliegens einer hirnorganisch begründeten Störung der kognitiven Leistungsfähigkeit sei in Folge unklarer Anstrengungsbereitschaft des Klägers bzw. Zweifeln an der Validität der gezeig-ten Leistung nicht abschließend zu beurteilen. Daraufhin hat der Neurologe und Psychiater Dr. Ja. dargelegt, beim Kläger liege eine ausreichend gesicherte Enzephalopathie mit einer MdE um 30 v. H. vor, die in den späteren Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit durch simulativ-dementes Verhalten im Sinne eines Münchhausen-Syndroms überlagert worden sei. Prof. Dr. Ko. hat aus-geführt, ab 1991 seien mit ausreichender Wahrscheinlichkeit eine Enzephalopathie vom Typ II A und eine MdE um 30 v. H. anzunehmen, die seit etwa 2003 von einer psychogenen Verhaltens-störung mit Pseudodemenz und Redeflussstörung überlagert werde; mit hoher Wahrscheinlich-keit habe auch eine relevante Exposition durch neurotoxische Lösungsmittel bestanden, die in der Lage sei, cerebrale Langzeitschäden zu verursachen. Auf Einwendungen der Beklagten hat Prof. Dr. Ko. mitgeteilt, die Enzephalopathie sei im Vollbeweis gesichert und im Übrigen an seiner Einschätzung festgehalten.
Der Kläger trägt vor, die gem. § 109 SGG eingeholten Gutachten seien schlüssig und nachvoll-ziehbar. Auf Grund des krassen Widerspruchs zu den Feststellungen von Prof. Dr. Be. sei aller-dings eine erneute Begutachtung erforderlich.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 15.11.2005 seine Berufskrank-heit gem. der Listennummer 1317 anzuerkennen und die Beklagte zu verpflichten, ent-sprechend den gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Vorliegen einer Enzephalopathie sei nicht nachgewiesen und eine berufliche Verursachung nicht wahrscheinlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Ulm sowie die beigezogenen Akten der Be-klagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Beklagte jedwede Entschädigung mit der Begründung ablehnt, es sei kein Versi-cherungsfall, hier keine Berufskrankheit (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch SGB VII), eingetreten, ist sachdienliche Klageart vorliegend neben der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG mit dem Ziel der Aufhebung der ablehnenden - und auch einer zukünftigen Leistungsge-währung entgegenstehenden - Bescheide die auf gerichtliche Feststellung einer Berufskrankheit gerichtete Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Eine solche Feststellungsklage hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung (§ 123 SGG) seines Vorbringens (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) auch erhoben.
Die so gefasste Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das So-zialgericht die Klage abgewiesen. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 1317. Zutreffend hat die Beklagte daher eine solche mit Bescheid vom 11.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2004 verneint.
Rechtliche Grundlage für die zu treffende Entscheidung ist § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zu-stimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten erleiden. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsver-ordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirklungen verursacht sind, denen be-stimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erhebliche höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Hierzu zählt nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV die En-zephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Voraussetzung für die Feststellung einer Berufskrankheit ist zum einen, dass der schädigende Stoff ("Listenstoff") generell geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zum anderen muss die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende Einwirkungen des Listenstoffs wesentlich verursacht bzw. ver-schlimmert worden und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein. Dabei müssen im Unfallversicherungsrecht nach ständiger Rechtspre-chung die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Ge-sundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht ange-sehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicher-ten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichen-de Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a. a. O.); das bedeutet, dass bei ver-nünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursa-chen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtli-chen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn eine - hier allein in Betracht kommende - (toxische) Enzephalopathie i. S. der Nr. 1317 der Anlage zur BKV lässt sich nicht feststellen.
Bei der Enzephalopathie handelt es sich um eine nichtentzündliche diffuse Erkrankung oder Schädigung des Gehirns mit vielfältiger Ätiologie (Pschyrembel, 261. Aufl. 2007). Nach dem Merkblatt zur BK 1317 (Bekanntmachung des BMGS, BArbBl. 2005, H. 3 S. 49, abgedr. bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 1317) äußert sich eine toxische Enzephalopathie durch diffuse Störungen der Hirnfunktion. Konzentrations- und Merkschwä-chen, Auffassungsschwierigkeiten, Denkstörungen, Persönlichkeitsveränderungen oft mit An-triebsarmut, Reizbarkeit und Affektstörungen stehen im Vordergrund. Im klinischen Verlauf unterscheidet man Schweregrad I (Erschöpfung, Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwäche, Merk-schwäche, allgemeine Antriebsminderung), Schweregrad II A (ausgeprägte und dauerhafte Per-sönlichkeitsveränderungen, zunehmende Merk- und Konzentrationsschwäche, Stimmungs-schwankungen mit depressivem Einschlag, Affektlabilität; Nachweis testpsychologischer Leis-tungsminderungen), Schweregrad II B (zusätzlich zu den unter II A aufgeführten psychischen Störungen lassen sich leichte neurologische Befunde wie Tremor, Ataxie und andere Koordinati-onsstörungen nachweisen) und Schweregrad III (Demenz mit ausgeprägten Intelligenz- und Ge-dächtnisstörungen, Nachweis hirnatrophischer Veränderungen bei kranialer Computertomogra-phie oder Kernspintomographie).
Toxische Enzephalopathien treten in der Regel noch während des Expositionszeitraumes auf; die klinische Diagnose der lösungsmittelbedingten Enzephalopathie kann aber auch mehrere Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden. Denn die lösungsmittel-bedingte Enzephalopathie kann sich nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit bessern, kon-stant bleiben oder verschlechtern. Die Diagnose stützt sich auf die anamnestischen Angaben und den psychopathologischen Befund. Wichtige anamnestische Hinweise sind Alkoholintoleranz und häufige pränarkotische Symptome im unmittelbaren Zusammenhang mit der Lösungsmittel-exposition (Benommenheit, Trunkenheit, Müdigkeit, Übelkeit, Brechreiz, aber auch Zustände von Euphorie). Der psychopathologische Befund muss durch psychologische Testverfahren ob-jektiviert werden, die das Alter des Patienten berücksichtigen. Bei diesen Testverfahren sollen untersucht werden: die prämorbide Intelligenz, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen, Psychomotorik, Wesensveränderungen und Befindlichkeitsstörungen. Neurophysiologische Un-tersuchungen (EEG-evozierte Potenziale, Nervenleitgeschwindigkeit) sowie bildgebende Verfah-ren (Computertomogramm, Kernspintomogramm) ergeben bei den lösungsmittelverursachten Enzephalopathien in der Regel Normalbefunde. Sie sind jedoch für die Differenzialdiagnostik von Bedeutung. Erhöhte Werte im Biomonitoring (Lösungsmittel oder deren Metabolite im Blut oder Urin) können die Diagnose stützen. Differenzialdiagnostisch sind in erster Linie eine Multi-infarkt-Demenz, ein Morbus Alzheimer und eine alkoholtoxische Enzephalopathie auszuschlie-ßen. Darüber hinaus ist die gesamte Differenzialdiagnostik exogener und endogener toxischer Enzephalopathien, traumatischer Psychosyndrome, Affektpsychosen und neurotischer Fehlent-wicklungen zu berücksichtigen (vgl. auch hierzu das Merkblatt zur BK 1317 a. a. O.).
In Anwendung dieser Grundsätze vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger eine (toxische) Enzephalopathie vorliegt. Denn angesichts der zweifelsfrei bestehenden Pseudodemenz - Münchhausen-Syndrom - lässt sich nicht erweisen, dass von ihm demonstrierte Minderleistungen tatsächlich vorliegen oder gar auf Störungen der Hirnfunktion zurückzuführen sind.
Dass beim Kläger eine - erstmals von Dr. D. im Jahre 1992 diagnostizierte (vgl. hierzu den Arztbrief vom 14.12.1992) - Pseudodemenz in der Gestalt eines Münchhausen-Syndroms vor-liegt, haben Professor Dr. Be. im erstinstanzlichen erstatteten Gutachten und diesem folgend Dr. Ja. im nach § 109 SGG eingeholten Zusatzgutachten überzeugend dargelegt. Prof. Dr. Be. hat hierzu ausgeführt, der Kläger habe versucht, einen schwer dementen Eindruck zu hinterlassen. So habe er zu Beginn der dreitägigen Untersuchung auf einfachste Fragen - beispielsweise nach seinem Namen oder dem Grund seiner Anwesenheit - und Aufforderungen zunächst mit an-scheinend unverständlichem Augen- und Mundaufsperren sowie Ratlosigkeit reagiert, gestottert und unverständlich gesprochen. Nach Konfrontation mit der fehlenden Glaubhaftigkeit dieses Verhaltens sei er dann zunehmend auf Fragen auch zu seinem Lebenslauf folgerichtig eingegan-gen und habe selbst seine Sprache keine Auffälligkeiten mehr gezeigt. Im Rahmen der Untersu-chung hat Prof. Dr. Be. dann weitere Ungereimtheiten im Verhalten des Klägers aufgedeckt, so beispielsweise eine demonstrierte Unkenntnis seines gesamten Lebenslaufes bei gleichzeitiger sehr guter Orientierung über den Inhalt und die Fundstellen in seinen mitgebrachten Akten, ein-schließlich der Kenntnis von medizinischen Zusammenhängen im Hinblick auf die in Rede ste-hende Enzephalopathie. So hat der Kläger auf den Hinweis des Sachverständigen, dass ein Hirn-schaden in bestimmten Fällen in bildgebenden Verfahren nachweisbar sein müsse, aus seinen Unterlagen die Spect-Bilder herausgezogen und richtig auf die angeblichen Störungen gezeigt. Der Sachverständige hat den Eindruck gewonnen, der Kläger schildere Beschwerden entspre-chend angelesenem Wissen über Funktionsstörungen bei Demenz, eben so, wie eine Laie sich dies vorstellt. Schließlich hat der Kläger, nachdem ihn der Sachverständige immer wieder mit dem demonstrativen Charakter seines Verhaltens konfrontiert hatte, seine Versuche, einen de-menten Eindruck zu erwecken, am letzten Untersuchungstag aufgegeben (Gutachten Seite 7). Dass Prof. Dr. Be. auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger lägen keine kog-nitiven Störungen vor, ist überzeugend.
Das bei der Untersuchung durch Prof. Dr. Be. eingangs gezeigte Verhalten hat der Kläger teil-weise abgeschwächt dann auch gegenüber der Logopädin A. , der Diplompsychologin Dr. phil. V. und Dr. Ja. wiederholt, so dass Dr. Ja. das von Prof. Dr. Be. diagnostizierte Münchhausen-Syndrom ausdrücklich bestätigt hat.
In Übereinstimmung mit dem von Prof. Dr. Be. nach Konfrontation des Klägers mit der man-gelnden Glaubhaftigkeit seines Verhaltens beobachteten Verschwinden der Sprachstörungen hat die Logopädin A. in dem von ihr erstatteten Zusatzgutachten krankhafte Sprachstörungen, näm-lich eine Dysarthrie (kombinierte Sprech- und Stimmstörung), eine Aphasie (zentrale Sprachstö-rung), ein Stottern im klassischen Sinn und auch ein aphasisches Stottern verneint.
Darüber hinaus sprechen verschiedene Handlungen des Klägers im Verlaufe des Verfahrens für eine ungeminderte geistige und motorische Leistungsfähigkeit. Dies gilt beispielsweise für die handschriftlich im Detail vorgenommene Vervollständigung der Gefährdungsanalyse des Tech-nischen Aufsichtsdienstes der Beklagten. Gleichfalls Beachtung verdient in diesem Zusammen-hang, dass der Kläger nicht nur die ihm zur ärztlichen Begutachtung von der Beklagten vorge-schlagenen insgesamt acht Sachverständigen als parteilich ablehnte, sondern seine Auffassung zum Teil sogar durch Vorlage von Medienveröffentlichungen über deren Verbindungen zu Be-rufsgenossenschaften untermauerte, seinerseits sieben ärztliche Sachverständige für eine Begut-achtung vorschlug und schließlich mittels einer datenschutzrechtlichen Eingabe beim Bundesbe-auftragten für den Datenschutz sogar in der Lage war, eine Begutachtung durch die von ihm vor-geschlagene Sachverständige Prof. Dr. E. durchzusetzen. Dem entspricht es, dass er in der Lage war, zu einer Vielzahl von Untersuchungsterminen bei verschiedenen und zudem auswärtigen Sachverständigen pünktlich sowie größtenteils auf sich allein gestellt zu erscheinen. Schließlich zeigt der Umstand, dass der auch körperlich verlangsamt und verzögert auftretende Kläger im Rahmen der Untersuchung durch die Logopädin A. ein zuvor für einen Test benutztes rundes Plättchen mit einer für die Sachverständige erstaunlichen Schnelligkeit und Reaktionsgeschwin-digkeit daran hinderte, vom Tisch zu fallen, ein unauffälliges motorisches Leistungsvermögen.
In Übereinstimmung mit Prof. Dr. Be. ist die Diplompsychologin Dr. phil. V. daher auch schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger über gut erhaltene räumlich-konstruktive und figural-mnestische Fähigkeiten verfügt, gut zu Ort, Person und Situa-tion orientiert ist und dass keine Hinweise auf eine Störung der Planung und Steuerung motori-scher Funktionen bestehen. Darauf, dass sie die Frage nach einer Störung von zeitlicher Orientie-rung, Konzentration, Aufmerksamkeit und verbaler Mnestik wegen begründeter Zweifel an der Validität der gezeigten Leistung offen gelassen hat, lässt sich eine für den Kläger positive Ent-scheidung nicht stützen. Auch besteht insoweit angesichts des Demonstrationsverhaltens des Klägers keine Aussicht auf einen Erfolg weiterer Ermittlungen. Hiervon geht auch die genannte Sachverständige aus, die abschließend ausgeführt hat, dass die Frage des Vorliegens einer hirn-organisch begründeten Störung der kognitiven Leistungsfähigkeit in Folge unklarer Anstren-gungsbereitschaft des Klägers bzw. Zweifeln an der Validität der gezeigten Leistung nicht ab-schließend zu beurteilen ist.
Ebenso wie die testpsychologische Untersuchung der Diplompsychologin Dr. phil. V. lassen auch die entsprechenden Testungen durch Dr. B. und Prof. Dr. E. nicht den Schluss auf eine Hirnleistungsstörung zu. Denn auch diese im Jahre 2002 durchgeführten Untersuchungen sind unter Berücksichtigung des Münchhausen-Syndroms des Klägers - worauf Prof. Dr. Be. in sei-nem erstinstanzlich erstatteten Gutachten überzeugend hingewiesen hat - nicht aussagekräftig.
Soweit Dr. Ja. die Auffassung vertritt, diese in der Vergangenheit durchgeführten Untersuchun-gen könnten der Beurteilung zu Grunde gelegt werden, da eine Überlagerung mäßig ausgeprägter kognitiver Störungen des Klägers als Antwort auf eine existenzielle Frustrationskrise und als Reaktion auf eine frustrierende Probanden-Karriere erst in späteren Jahren erfolgt sei, und Prof. Dr. Ko. dies in seiner ergänzenden Stellungnahme auf den Zeitraum ab 2001 (von Dr. Kl. fo-rensisch ausdrücklich in Abrede gestellte Verfälschungsneigungen) präzisiert, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zum einen lässt sich die "Frustrationskrise" des Klägers unter Berücksich-tigung seiner ab dem Jahre 1990 aufgenommenen, allerdings im Ergebnis jeweils fehlgeschlage-nen Versuche, den seit seiner Lehrzeit auftretenden LWS-Beschwerden durch Wechsel des Be-rufsfeldes zu entkommen (abgeschlossene Umschulung zum technischen Zeichner im Bereich Maschinenbau mit wegen der Arbeitsmarktsituation nicht vollzogenem Berufswechsel, je zwei-mal fehlgeschlagene Weiterbildung zur CAD-Fachkraft und zum Techniker Maschinenbau) und seiner ab dem Jahre 1991 zunehmenden Schilderung von insbesondere neurologischen Be-schwerden ohne objektivierbares Korrelat (vgl. hierzu die Tatbestand angeführten Arztbriefe der Neurologen und Psychiater Dr. D. , Ke. , Dr. Ka. und Priv.-Doz. Dr. W. sowie die Entlassungs-berichte der Klinik R und der Neurologischen Klinik des Rehabilitationskrankenhauses U. ) bereits ab Beginn der 90er Jahre feststellen. Demgemäß wurde die Pseudodemenz des Klägers - wie ausgeführt - bereits im Jahre 1992 von Dr. D. diagnostiziert und fiel auch im Rahmen der Behandlung in der Neurologischen Klinik des Rehabilitationskrankenhauses U. im Jahre 2000 eine deutlich demonstrative Schilderung einer Vielzahl von neurologischen und internistischen Symptomen auf (vgl. hierzu den vorläufigen Entlassungsbericht vom 14.06.2000). Zum anderen vermag selbst die Annahme einer "Frustationskrise" das von Prof. Dr. Be. nachgewiesene Feh-len kognitiver Einschränkungen und Vorliegen eines simulativen Verhaltens nicht zu widerlegen.
In Ansehung dessen ergeben sich auch im Übrigen aus dem vom Kläger im Rahmen von ärztli-chen Untersuchungen gezeigten Leistungen keine eindeutigen Hinweise auf eine Störung der Hirnfunktion. Soweit Leistungseinschränkungen in der Vergangenheit nicht bezweifelt wurden, genügt dies mit Blick auf die Ausführungen zum Beginn der "Frustrationskrise" und der ersten Diagnose der Pseudodemenz sowie dem Fehlen kognitiver Einschränkungen nicht für die An-nahme einer Enzephalopathie.
Auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Prof. Dr. E. lässt sich daher das Begehren des Klägers nicht mit Erfolg stützen. Denn die in diesem Gutachten vertretene Auffas-sung, beim Kläger liege eine Enzephalopathie vor, beruht im Wesentlichen auf der angeführten, von der Sachverständigen durchgeführten testpsychologischen Untersuchung, deren Ergebnis maßgebend von der Mitarbeit des Klägers abhängig war und ohne jede kritische Hinterfragung der Beurteilung zu Grunde gelegt wurde.
Die von Dr. Ja. im nach § 109 SGG erstatteten Zusatzgutachten mitgeteilten Anhaltspunkte für eine durch das Münchhausen-Syndrom überlagerte Enzephalopathie genügen für deren Feststel-lung nicht.
Dass der Kläger noch vor Erwägung eines denkbaren arbeitsmedizinisch relevanten Zusammen-hangs mit toxischer Exposition enzephalopathie-typische Beschwerden schilderte, vermag ange-sichts der oben gemachten Ausführungen zur Frage des Beginns der "Frustrationskrise" des Klä-gers und der bereits im Jahre 1992 von Dr. D. diagnostizierten Pseudodemenz sowie des Fehlens kognitiver Einschränkungen schon nicht davon zu überzeugen, dass seinerzeit eine (noch nicht überlagerte) Hirnleistungsstörung vorlag.
Nichts anderes gilt im Ergebnis für die von Dr. Ja. im Gegensatz zu Prof. Dr. Be. als patholo-gisch angesehenen bildmorphologischen Befunde (bei einer Positronen-Emissions-Tomografie des ZNS durch den Radiologen Dr. Hö. diagnostizierte Minderung der Glukose-Utilisation). Denn auch Dr. Ja. sieht dies lediglich als Hinweis, nicht jedoch als Nachweis für eine Enzepha-lopathie.
Der Hinweis von Prof. Dr. Ko. auf im Rahmen einer kernspintomografischen Untersuchung gefundene kleine gliöse Herde geht fehl. Denn diese waren lediglich im Jahre 2000 aufgefallen (MRT vom 31.05.2000, vgl. den vorläufigen Entlassungsbericht der Neurologischen Klinik des Rehabilitationskrankenhauses U. vom 14.06.2000), wurden bei einer Kernspintomografie des Schädels im Jahre 2001 hingegen nicht mehr beschrieben (vgl. den Bericht des Radiologen Dr. R. vom 25.10.2001). Dies hat bereits Dr. Be. im erstinstanzlich erstatteten Gutachten darge-legt. Darauf, dass sich die Glia-Herde nach den Ausführungen von Prof. Dr. Ko. lediglich mög-licherweise auf organische Lösungsmittel zurückführen lassen, eine berufliche Verursachung mithin nicht - wie für das Vorliegen einer Berufskrankheit aber erforderlich - im Rechtssinne wahrscheinlich sein dürfte, kommt es nicht an.
Soweit Prof. Dr. Ko. in seiner ergänzenden Stellungnahme eine in der Vergangenheit erfolgte Angabe von Brückensymptomen durch den Kläger vermutet, genügt dies für die Feststellung einer Enzephalopathie nicht. Gleiches gilt mit Blick auf seinen Hinweis, eine Enzephalopathie sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie nach dem Expositionszeitraum aufgetreten sei oder weil die Validität von kognitiven Fehl- und Mangelleistungen nicht habe gesichert werden kön-nen. Schließlich lässt sich das Vorliegen einer Enzephalopathie auch nicht durch eine Exposition gegenüber Lösungsmitteln mit neurotoxischem Potenzial nachweisen.
Eine weitere Sachaufklärung ist nicht erforderlich. Das Gutachten von Prof. Dr. Be. ist überzeu-gend und hat die relevanten Fragen geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur Berufs-krankheitenverordnung - Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische - (BK 1317).
Der im Jahre 1960 geborene Kläger nahm im September 1975 eine Berufsausbildung zum Schlosser auf, die er im August 1978 abschloss. Anschließend arbeitete er bis April 1980 sowie von Juni 1981 bis Dezember 1988, von Februar 1989 bis März 1990, von Juli 1992 bis Septem-ber 1994, von September 1996 bis Dezember 1996, von Mai 1997 bis August 1997 und von Mai 1998 bis September 1998 sowie aushilfsweise an einzelnen Tagen im Oktober und November 1998 im erlernten Beruf, zeitweise als Abteilungsleiter der Stahlhalle bzw. als Montageleiter. Dabei war er gegenüber Trichlorethen, 1.1.1-Trichlorethen, Dichlormethan, Xylol, Toluol, 2-Butanon, n-Heptan, 2-Methoxyethanol und aromatenhaltigen Kohlenwasserstoffgemischen ex-poniert, wobei die Grenzwerte zeitweilig überschritten wurden.
Wegen seit der Lehrzeit auftretender LWS-Beschwerden und einem schließlich chronisch rezidi-vierenden Lumbalsyndrom erfolgten ab dem Jahre 1989 Rehabilitationsbehandlungen und in der Zeit von April 1990 bis Juli 1992 eine Umschulung des Klägers zum technischen Zeichner im Bereich Maschinenbau. Trotz erfolgreichen Abschlusses der Maßnahme kehrte er aufgrund der Arbeitsmarktsituation in den erlernten Schlosserberuf zurück. Im Dezember 1994 erfolgte eine Spondylodese (Versteifungsoperation) L5/S1. Eine im Juni 1995 aufgenommene Weiterbildung zur CAD-Fachkraft brach der Kläger im Dezember 1995 ab, nachdem er sich zuvor wegen eines chronischen HWS-Syndroms, Ohrgeräuschen und Konzentrationsschwierigkeiten in ortho-pädische und neurologisch-psychiatrische Behandlung begeben hatte. Wegen einer Scharlach-erkrankung brach der Kläger im März 1998 auch ein im Januar 1998 begonnenes erneutes Seminar zur CAD-Fachkraft ab. Im September 1998 nahm er eine Weiterbildung zum Techniker Maschinenbau auf, die auf Grund einer bei der oben angeführten Aushilfstätigkeit als Schlosser erlittenen Leistenverletzung im Dezember 1998 abgebrochen wurde. Eine schließlich im September 1999 begonnene erneute Weiterbildung zum Techniker, Fachrichtung Maschinenbau, wurde auf Grund eines Erschöpfungszustandes und unklaren Leistungsverfalls abgebrochen. Seither ist der Kläger arbeitslos.
Ab dem Jahre 1991 berichtete der Kläger den behandelnden Ärzten neben LWS-Beschwerden von Freudlosigkeit, Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und später auch von Gedächtnis-störungen sowie von Schwindel- und Tinnitusbeschwerden, Gleichgewichtsstörungen, "Black-outs", Gefühlsstörungen, Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, einer Gangunsicherheit und Seh-störungen; schließlich fiel auch eine psychomotorische Verlangsamung auf. Ein neurologisches Korrelat für diese Beschwerden fand sich ärztlicherseits zunächst nicht (Arztbriefe des Neuro-logen und Psychiaters Dr. D. vom 16.07.1991, vom 14.12.1992 und vom 28.12.1995, der Neurologin und Psychiaterin Ke. vom 28.06.1994 und des Neurologen und Psychiaters Dr. Ka. vom 16.01.1997, Entlassungsbericht der Klinik R vom 24.10.1997, Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Priv.-Doz. Dr. W. vom 08.12.1999 und vorläufiger Entlassungsbericht der Neurologischen Klinik des Rehabilitationskrankenhauses U. vom 14.06.2000).
Nachdem der Kläger im Jahre 1995 wegen seiner Lendenwirbelsäulenbeschwerden gegenüber der Beklagten erfolglos das Vorliegen einer BK 2108 geltend gemacht hatte (Bescheid vom 26.03.1996), zeigte der Allgemein-, Umwelt- und Betriebsmediziner Dr. H. der Beklagten unter dem 14.12.2000 den Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit durch Metallrauche und Lösungsmittel an. In der Folgezeit gingen der Psychologe Dr. Kl. vom Vorliegen neuropsycho-logischer Defizite im mnestischen Bereich und im Bereich kognitiver Funktionen, die Nerven-ärztin Dr. F. von einem Verdacht auf Hirnstammprozess und der Nervenarzt Dr. B. von einer auffälligen Hirnleistungsstörung aus.
Im Zuge der daraufhin eingeleiteten Ermittlungen holte die Beklagte u. a. eine Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes einschließlich einer Gefährdungsanalyse ein, die der Kläger handschriftlich in Detailfragen vervollständigte. Die ihm zur ärztlichen Begutachtung von der Beklagten vorgeschlagenen insgesamt acht Sachverständigen lehnte er zum Teil unter Vorlage von Medienveröffentlichungen über deren Verbindungen zu Berufsgenossenschaften als partei-lich ab und schlug seinerseits sieben ärztliche Sachverständige für eine Begutachtung vor. Auf eine datenschutzrechtliche Eingabe des Klägers beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz beauftragte die Beklagte die vom Kläger vorgeschlagene Arbeitsmedizinerin Prof. Dr. E. mit der Erstattung eines Gutachtens. Diese diagnostizierte eine spätestens seit September 1999 vorlie-gende toxische Enzephalopathie (Schweregrad II A) i. S. der BK 1317, die auf die berufliche Lösungsmittelexposition zurückzuführen sei. Die weiteren Erkrankungen, insbesondere die be-klagten Beschwerden im peripheren Nervensystem, seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf eine Lösungsmittelexposition zurückzuführen. Es bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 30 v. H.
Die Beklagte holte daraufhin eine gewerbeärztliche Stellungnahme von Dr. Kr. ein. Dieser ver-trat die Auffassung, eine Enzephalopathie sei nicht im Vollbeweis gesichert; auch sei eine beruf-liche Verursachung der Erkrankung nicht wahrscheinlich. In einer ergänzenden Stellungnahme hielt Prof. Dr. E. an der in ihrem Gutachten vertretenen Auffassung fest. Auf Grund der berich-teten Beschwerden und der beschriebenen Befunde bestehe kein Zweifel am Vorliegen einer Enzephalopathie. Zwar habe ab Aufnahme der Umschulung eine verringerte Exposition, nicht aber eine Expositionskarenz gegenüber Lösungsmitteln vorgelegen.
Mit Bescheid vom 11.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2004 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass der Beschwerden des Klägers ab. Eine Berufskrankheit nach der Berufskrankheitenverordnung (BKV) liege nicht vor. Insbesondere sei eine Enzephalopathie i. S. der BK 1317 nicht nachzuweisen. Auch die An-erkennung der Erkrankungserscheinungen wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei nicht möglich, da eine berufliche Verursachung nicht wahrscheinlich sei. Leistungen nach § 3 BKV seien mangels konkreter Gefahr der Entstehung einer Berufskrankheit im Falle der Weiterbeschäftigung ebenfalls nicht zu erbringen.
Am 05.09.2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Ulm Klage erhoben. Das Sozialgericht hat ein nervenärztliches Gutachten von Dr. J. eingeholt, der den dringenden Verdacht auf das Vorliegen einer Pseudodemenz äußerte und eine Abklärung im Rahmen einer stationären Untersuchung empfohlen hat. Daraufhin hat das Sozialgericht den Neurologen und Psychiater Prof. Dr. Be. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat auf der Grundlage einer dreitägigen psy-chiatrischen Untersuchung des Klägers im Bezirkskrankenhaus G. eine Pseudodemenz i. S. ei-nes Münchhausen-Syndroms sowie eine depressiv-ängstlich unzufriedene Grundstimmung kom-plexer Genese diagnostiziert. Der Kläger habe eine dementielle Symptomatik stärksten Ausprä-gungsgrades dargestellt, besitze aber nachweisbar ausgezeichnete kognitive Fähigkeiten. Eine berufliche Verursachung seiner Gesundheitsstörungen sei nicht anzunehmen.
Hierauf gestützt hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 15.11.2005 abgewiesen.
Am 19.12.2005 hat der Kläger Berufung eingelegt.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Gutachten von Prof. Dr. Ko. , H. , nebst Zusatzgutachten und ergänzender Stellungnahme eingeholt. Die Logo-pädin A. hat in dem von ihr erstatteten Zusatzgutachten sowohl eine Dysarthrie (kombinierte Sprech- und Stimmstörung) als auch, mit Blick auf die Störung im Redefluss des Klägers, eine Aphasie (zentrale Sprachstörung) sowie ein Stottern im klassischen Sinn und ein aphasisches Stottern verneint. Die Diplompsychologin Dr. phil. V. hat anschließend ausgeführt, die Frage des Vorliegens einer hirnorganisch begründeten Störung der kognitiven Leistungsfähigkeit sei in Folge unklarer Anstrengungsbereitschaft des Klägers bzw. Zweifeln an der Validität der gezeig-ten Leistung nicht abschließend zu beurteilen. Daraufhin hat der Neurologe und Psychiater Dr. Ja. dargelegt, beim Kläger liege eine ausreichend gesicherte Enzephalopathie mit einer MdE um 30 v. H. vor, die in den späteren Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit durch simulativ-dementes Verhalten im Sinne eines Münchhausen-Syndroms überlagert worden sei. Prof. Dr. Ko. hat aus-geführt, ab 1991 seien mit ausreichender Wahrscheinlichkeit eine Enzephalopathie vom Typ II A und eine MdE um 30 v. H. anzunehmen, die seit etwa 2003 von einer psychogenen Verhaltens-störung mit Pseudodemenz und Redeflussstörung überlagert werde; mit hoher Wahrscheinlich-keit habe auch eine relevante Exposition durch neurotoxische Lösungsmittel bestanden, die in der Lage sei, cerebrale Langzeitschäden zu verursachen. Auf Einwendungen der Beklagten hat Prof. Dr. Ko. mitgeteilt, die Enzephalopathie sei im Vollbeweis gesichert und im Übrigen an seiner Einschätzung festgehalten.
Der Kläger trägt vor, die gem. § 109 SGG eingeholten Gutachten seien schlüssig und nachvoll-ziehbar. Auf Grund des krassen Widerspruchs zu den Feststellungen von Prof. Dr. Be. sei aller-dings eine erneute Begutachtung erforderlich.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 15.11.2005 seine Berufskrank-heit gem. der Listennummer 1317 anzuerkennen und die Beklagte zu verpflichten, ent-sprechend den gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Vorliegen einer Enzephalopathie sei nicht nachgewiesen und eine berufliche Verursachung nicht wahrscheinlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Ulm sowie die beigezogenen Akten der Be-klagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Beklagte jedwede Entschädigung mit der Begründung ablehnt, es sei kein Versi-cherungsfall, hier keine Berufskrankheit (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch SGB VII), eingetreten, ist sachdienliche Klageart vorliegend neben der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG mit dem Ziel der Aufhebung der ablehnenden - und auch einer zukünftigen Leistungsge-währung entgegenstehenden - Bescheide die auf gerichtliche Feststellung einer Berufskrankheit gerichtete Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Eine solche Feststellungsklage hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung (§ 123 SGG) seines Vorbringens (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) auch erhoben.
Die so gefasste Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das So-zialgericht die Klage abgewiesen. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 1317. Zutreffend hat die Beklagte daher eine solche mit Bescheid vom 11.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2004 verneint.
Rechtliche Grundlage für die zu treffende Entscheidung ist § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zu-stimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten erleiden. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsver-ordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirklungen verursacht sind, denen be-stimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erhebliche höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Hierzu zählt nach Nr. 1317 der Anlage zur BKV die En-zephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.
Voraussetzung für die Feststellung einer Berufskrankheit ist zum einen, dass der schädigende Stoff ("Listenstoff") generell geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zum anderen muss die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende Einwirkungen des Listenstoffs wesentlich verursacht bzw. ver-schlimmert worden und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein. Dabei müssen im Unfallversicherungsrecht nach ständiger Rechtspre-chung die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Ge-sundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht ange-sehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicher-ten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichen-de Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a. a. O.); das bedeutet, dass bei ver-nünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursa-chen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtli-chen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn eine - hier allein in Betracht kommende - (toxische) Enzephalopathie i. S. der Nr. 1317 der Anlage zur BKV lässt sich nicht feststellen.
Bei der Enzephalopathie handelt es sich um eine nichtentzündliche diffuse Erkrankung oder Schädigung des Gehirns mit vielfältiger Ätiologie (Pschyrembel, 261. Aufl. 2007). Nach dem Merkblatt zur BK 1317 (Bekanntmachung des BMGS, BArbBl. 2005, H. 3 S. 49, abgedr. bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 1317) äußert sich eine toxische Enzephalopathie durch diffuse Störungen der Hirnfunktion. Konzentrations- und Merkschwä-chen, Auffassungsschwierigkeiten, Denkstörungen, Persönlichkeitsveränderungen oft mit An-triebsarmut, Reizbarkeit und Affektstörungen stehen im Vordergrund. Im klinischen Verlauf unterscheidet man Schweregrad I (Erschöpfung, Ermüdbarkeit, Konzentrationsschwäche, Merk-schwäche, allgemeine Antriebsminderung), Schweregrad II A (ausgeprägte und dauerhafte Per-sönlichkeitsveränderungen, zunehmende Merk- und Konzentrationsschwäche, Stimmungs-schwankungen mit depressivem Einschlag, Affektlabilität; Nachweis testpsychologischer Leis-tungsminderungen), Schweregrad II B (zusätzlich zu den unter II A aufgeführten psychischen Störungen lassen sich leichte neurologische Befunde wie Tremor, Ataxie und andere Koordinati-onsstörungen nachweisen) und Schweregrad III (Demenz mit ausgeprägten Intelligenz- und Ge-dächtnisstörungen, Nachweis hirnatrophischer Veränderungen bei kranialer Computertomogra-phie oder Kernspintomographie).
Toxische Enzephalopathien treten in der Regel noch während des Expositionszeitraumes auf; die klinische Diagnose der lösungsmittelbedingten Enzephalopathie kann aber auch mehrere Jahre nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit erstmals gestellt werden. Denn die lösungsmittel-bedingte Enzephalopathie kann sich nach Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit bessern, kon-stant bleiben oder verschlechtern. Die Diagnose stützt sich auf die anamnestischen Angaben und den psychopathologischen Befund. Wichtige anamnestische Hinweise sind Alkoholintoleranz und häufige pränarkotische Symptome im unmittelbaren Zusammenhang mit der Lösungsmittel-exposition (Benommenheit, Trunkenheit, Müdigkeit, Übelkeit, Brechreiz, aber auch Zustände von Euphorie). Der psychopathologische Befund muss durch psychologische Testverfahren ob-jektiviert werden, die das Alter des Patienten berücksichtigen. Bei diesen Testverfahren sollen untersucht werden: die prämorbide Intelligenz, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen, Psychomotorik, Wesensveränderungen und Befindlichkeitsstörungen. Neurophysiologische Un-tersuchungen (EEG-evozierte Potenziale, Nervenleitgeschwindigkeit) sowie bildgebende Verfah-ren (Computertomogramm, Kernspintomogramm) ergeben bei den lösungsmittelverursachten Enzephalopathien in der Regel Normalbefunde. Sie sind jedoch für die Differenzialdiagnostik von Bedeutung. Erhöhte Werte im Biomonitoring (Lösungsmittel oder deren Metabolite im Blut oder Urin) können die Diagnose stützen. Differenzialdiagnostisch sind in erster Linie eine Multi-infarkt-Demenz, ein Morbus Alzheimer und eine alkoholtoxische Enzephalopathie auszuschlie-ßen. Darüber hinaus ist die gesamte Differenzialdiagnostik exogener und endogener toxischer Enzephalopathien, traumatischer Psychosyndrome, Affektpsychosen und neurotischer Fehlent-wicklungen zu berücksichtigen (vgl. auch hierzu das Merkblatt zur BK 1317 a. a. O.).
In Anwendung dieser Grundsätze vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass beim Kläger eine (toxische) Enzephalopathie vorliegt. Denn angesichts der zweifelsfrei bestehenden Pseudodemenz - Münchhausen-Syndrom - lässt sich nicht erweisen, dass von ihm demonstrierte Minderleistungen tatsächlich vorliegen oder gar auf Störungen der Hirnfunktion zurückzuführen sind.
Dass beim Kläger eine - erstmals von Dr. D. im Jahre 1992 diagnostizierte (vgl. hierzu den Arztbrief vom 14.12.1992) - Pseudodemenz in der Gestalt eines Münchhausen-Syndroms vor-liegt, haben Professor Dr. Be. im erstinstanzlichen erstatteten Gutachten und diesem folgend Dr. Ja. im nach § 109 SGG eingeholten Zusatzgutachten überzeugend dargelegt. Prof. Dr. Be. hat hierzu ausgeführt, der Kläger habe versucht, einen schwer dementen Eindruck zu hinterlassen. So habe er zu Beginn der dreitägigen Untersuchung auf einfachste Fragen - beispielsweise nach seinem Namen oder dem Grund seiner Anwesenheit - und Aufforderungen zunächst mit an-scheinend unverständlichem Augen- und Mundaufsperren sowie Ratlosigkeit reagiert, gestottert und unverständlich gesprochen. Nach Konfrontation mit der fehlenden Glaubhaftigkeit dieses Verhaltens sei er dann zunehmend auf Fragen auch zu seinem Lebenslauf folgerichtig eingegan-gen und habe selbst seine Sprache keine Auffälligkeiten mehr gezeigt. Im Rahmen der Untersu-chung hat Prof. Dr. Be. dann weitere Ungereimtheiten im Verhalten des Klägers aufgedeckt, so beispielsweise eine demonstrierte Unkenntnis seines gesamten Lebenslaufes bei gleichzeitiger sehr guter Orientierung über den Inhalt und die Fundstellen in seinen mitgebrachten Akten, ein-schließlich der Kenntnis von medizinischen Zusammenhängen im Hinblick auf die in Rede ste-hende Enzephalopathie. So hat der Kläger auf den Hinweis des Sachverständigen, dass ein Hirn-schaden in bestimmten Fällen in bildgebenden Verfahren nachweisbar sein müsse, aus seinen Unterlagen die Spect-Bilder herausgezogen und richtig auf die angeblichen Störungen gezeigt. Der Sachverständige hat den Eindruck gewonnen, der Kläger schildere Beschwerden entspre-chend angelesenem Wissen über Funktionsstörungen bei Demenz, eben so, wie eine Laie sich dies vorstellt. Schließlich hat der Kläger, nachdem ihn der Sachverständige immer wieder mit dem demonstrativen Charakter seines Verhaltens konfrontiert hatte, seine Versuche, einen de-menten Eindruck zu erwecken, am letzten Untersuchungstag aufgegeben (Gutachten Seite 7). Dass Prof. Dr. Be. auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, beim Kläger lägen keine kog-nitiven Störungen vor, ist überzeugend.
Das bei der Untersuchung durch Prof. Dr. Be. eingangs gezeigte Verhalten hat der Kläger teil-weise abgeschwächt dann auch gegenüber der Logopädin A. , der Diplompsychologin Dr. phil. V. und Dr. Ja. wiederholt, so dass Dr. Ja. das von Prof. Dr. Be. diagnostizierte Münchhausen-Syndrom ausdrücklich bestätigt hat.
In Übereinstimmung mit dem von Prof. Dr. Be. nach Konfrontation des Klägers mit der man-gelnden Glaubhaftigkeit seines Verhaltens beobachteten Verschwinden der Sprachstörungen hat die Logopädin A. in dem von ihr erstatteten Zusatzgutachten krankhafte Sprachstörungen, näm-lich eine Dysarthrie (kombinierte Sprech- und Stimmstörung), eine Aphasie (zentrale Sprachstö-rung), ein Stottern im klassischen Sinn und auch ein aphasisches Stottern verneint.
Darüber hinaus sprechen verschiedene Handlungen des Klägers im Verlaufe des Verfahrens für eine ungeminderte geistige und motorische Leistungsfähigkeit. Dies gilt beispielsweise für die handschriftlich im Detail vorgenommene Vervollständigung der Gefährdungsanalyse des Tech-nischen Aufsichtsdienstes der Beklagten. Gleichfalls Beachtung verdient in diesem Zusammen-hang, dass der Kläger nicht nur die ihm zur ärztlichen Begutachtung von der Beklagten vorge-schlagenen insgesamt acht Sachverständigen als parteilich ablehnte, sondern seine Auffassung zum Teil sogar durch Vorlage von Medienveröffentlichungen über deren Verbindungen zu Be-rufsgenossenschaften untermauerte, seinerseits sieben ärztliche Sachverständige für eine Begut-achtung vorschlug und schließlich mittels einer datenschutzrechtlichen Eingabe beim Bundesbe-auftragten für den Datenschutz sogar in der Lage war, eine Begutachtung durch die von ihm vor-geschlagene Sachverständige Prof. Dr. E. durchzusetzen. Dem entspricht es, dass er in der Lage war, zu einer Vielzahl von Untersuchungsterminen bei verschiedenen und zudem auswärtigen Sachverständigen pünktlich sowie größtenteils auf sich allein gestellt zu erscheinen. Schließlich zeigt der Umstand, dass der auch körperlich verlangsamt und verzögert auftretende Kläger im Rahmen der Untersuchung durch die Logopädin A. ein zuvor für einen Test benutztes rundes Plättchen mit einer für die Sachverständige erstaunlichen Schnelligkeit und Reaktionsgeschwin-digkeit daran hinderte, vom Tisch zu fallen, ein unauffälliges motorisches Leistungsvermögen.
In Übereinstimmung mit Prof. Dr. Be. ist die Diplompsychologin Dr. phil. V. daher auch schlüssig und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger über gut erhaltene räumlich-konstruktive und figural-mnestische Fähigkeiten verfügt, gut zu Ort, Person und Situa-tion orientiert ist und dass keine Hinweise auf eine Störung der Planung und Steuerung motori-scher Funktionen bestehen. Darauf, dass sie die Frage nach einer Störung von zeitlicher Orientie-rung, Konzentration, Aufmerksamkeit und verbaler Mnestik wegen begründeter Zweifel an der Validität der gezeigten Leistung offen gelassen hat, lässt sich eine für den Kläger positive Ent-scheidung nicht stützen. Auch besteht insoweit angesichts des Demonstrationsverhaltens des Klägers keine Aussicht auf einen Erfolg weiterer Ermittlungen. Hiervon geht auch die genannte Sachverständige aus, die abschließend ausgeführt hat, dass die Frage des Vorliegens einer hirn-organisch begründeten Störung der kognitiven Leistungsfähigkeit in Folge unklarer Anstren-gungsbereitschaft des Klägers bzw. Zweifeln an der Validität der gezeigten Leistung nicht ab-schließend zu beurteilen ist.
Ebenso wie die testpsychologische Untersuchung der Diplompsychologin Dr. phil. V. lassen auch die entsprechenden Testungen durch Dr. B. und Prof. Dr. E. nicht den Schluss auf eine Hirnleistungsstörung zu. Denn auch diese im Jahre 2002 durchgeführten Untersuchungen sind unter Berücksichtigung des Münchhausen-Syndroms des Klägers - worauf Prof. Dr. Be. in sei-nem erstinstanzlich erstatteten Gutachten überzeugend hingewiesen hat - nicht aussagekräftig.
Soweit Dr. Ja. die Auffassung vertritt, diese in der Vergangenheit durchgeführten Untersuchun-gen könnten der Beurteilung zu Grunde gelegt werden, da eine Überlagerung mäßig ausgeprägter kognitiver Störungen des Klägers als Antwort auf eine existenzielle Frustrationskrise und als Reaktion auf eine frustrierende Probanden-Karriere erst in späteren Jahren erfolgt sei, und Prof. Dr. Ko. dies in seiner ergänzenden Stellungnahme auf den Zeitraum ab 2001 (von Dr. Kl. fo-rensisch ausdrücklich in Abrede gestellte Verfälschungsneigungen) präzisiert, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zum einen lässt sich die "Frustrationskrise" des Klägers unter Berücksich-tigung seiner ab dem Jahre 1990 aufgenommenen, allerdings im Ergebnis jeweils fehlgeschlage-nen Versuche, den seit seiner Lehrzeit auftretenden LWS-Beschwerden durch Wechsel des Be-rufsfeldes zu entkommen (abgeschlossene Umschulung zum technischen Zeichner im Bereich Maschinenbau mit wegen der Arbeitsmarktsituation nicht vollzogenem Berufswechsel, je zwei-mal fehlgeschlagene Weiterbildung zur CAD-Fachkraft und zum Techniker Maschinenbau) und seiner ab dem Jahre 1991 zunehmenden Schilderung von insbesondere neurologischen Be-schwerden ohne objektivierbares Korrelat (vgl. hierzu die Tatbestand angeführten Arztbriefe der Neurologen und Psychiater Dr. D. , Ke. , Dr. Ka. und Priv.-Doz. Dr. W. sowie die Entlassungs-berichte der Klinik R und der Neurologischen Klinik des Rehabilitationskrankenhauses U. ) bereits ab Beginn der 90er Jahre feststellen. Demgemäß wurde die Pseudodemenz des Klägers - wie ausgeführt - bereits im Jahre 1992 von Dr. D. diagnostiziert und fiel auch im Rahmen der Behandlung in der Neurologischen Klinik des Rehabilitationskrankenhauses U. im Jahre 2000 eine deutlich demonstrative Schilderung einer Vielzahl von neurologischen und internistischen Symptomen auf (vgl. hierzu den vorläufigen Entlassungsbericht vom 14.06.2000). Zum anderen vermag selbst die Annahme einer "Frustationskrise" das von Prof. Dr. Be. nachgewiesene Feh-len kognitiver Einschränkungen und Vorliegen eines simulativen Verhaltens nicht zu widerlegen.
In Ansehung dessen ergeben sich auch im Übrigen aus dem vom Kläger im Rahmen von ärztli-chen Untersuchungen gezeigten Leistungen keine eindeutigen Hinweise auf eine Störung der Hirnfunktion. Soweit Leistungseinschränkungen in der Vergangenheit nicht bezweifelt wurden, genügt dies mit Blick auf die Ausführungen zum Beginn der "Frustrationskrise" und der ersten Diagnose der Pseudodemenz sowie dem Fehlen kognitiver Einschränkungen nicht für die An-nahme einer Enzephalopathie.
Auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Prof. Dr. E. lässt sich daher das Begehren des Klägers nicht mit Erfolg stützen. Denn die in diesem Gutachten vertretene Auffas-sung, beim Kläger liege eine Enzephalopathie vor, beruht im Wesentlichen auf der angeführten, von der Sachverständigen durchgeführten testpsychologischen Untersuchung, deren Ergebnis maßgebend von der Mitarbeit des Klägers abhängig war und ohne jede kritische Hinterfragung der Beurteilung zu Grunde gelegt wurde.
Die von Dr. Ja. im nach § 109 SGG erstatteten Zusatzgutachten mitgeteilten Anhaltspunkte für eine durch das Münchhausen-Syndrom überlagerte Enzephalopathie genügen für deren Feststel-lung nicht.
Dass der Kläger noch vor Erwägung eines denkbaren arbeitsmedizinisch relevanten Zusammen-hangs mit toxischer Exposition enzephalopathie-typische Beschwerden schilderte, vermag ange-sichts der oben gemachten Ausführungen zur Frage des Beginns der "Frustrationskrise" des Klä-gers und der bereits im Jahre 1992 von Dr. D. diagnostizierten Pseudodemenz sowie des Fehlens kognitiver Einschränkungen schon nicht davon zu überzeugen, dass seinerzeit eine (noch nicht überlagerte) Hirnleistungsstörung vorlag.
Nichts anderes gilt im Ergebnis für die von Dr. Ja. im Gegensatz zu Prof. Dr. Be. als patholo-gisch angesehenen bildmorphologischen Befunde (bei einer Positronen-Emissions-Tomografie des ZNS durch den Radiologen Dr. Hö. diagnostizierte Minderung der Glukose-Utilisation). Denn auch Dr. Ja. sieht dies lediglich als Hinweis, nicht jedoch als Nachweis für eine Enzepha-lopathie.
Der Hinweis von Prof. Dr. Ko. auf im Rahmen einer kernspintomografischen Untersuchung gefundene kleine gliöse Herde geht fehl. Denn diese waren lediglich im Jahre 2000 aufgefallen (MRT vom 31.05.2000, vgl. den vorläufigen Entlassungsbericht der Neurologischen Klinik des Rehabilitationskrankenhauses U. vom 14.06.2000), wurden bei einer Kernspintomografie des Schädels im Jahre 2001 hingegen nicht mehr beschrieben (vgl. den Bericht des Radiologen Dr. R. vom 25.10.2001). Dies hat bereits Dr. Be. im erstinstanzlich erstatteten Gutachten darge-legt. Darauf, dass sich die Glia-Herde nach den Ausführungen von Prof. Dr. Ko. lediglich mög-licherweise auf organische Lösungsmittel zurückführen lassen, eine berufliche Verursachung mithin nicht - wie für das Vorliegen einer Berufskrankheit aber erforderlich - im Rechtssinne wahrscheinlich sein dürfte, kommt es nicht an.
Soweit Prof. Dr. Ko. in seiner ergänzenden Stellungnahme eine in der Vergangenheit erfolgte Angabe von Brückensymptomen durch den Kläger vermutet, genügt dies für die Feststellung einer Enzephalopathie nicht. Gleiches gilt mit Blick auf seinen Hinweis, eine Enzephalopathie sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie nach dem Expositionszeitraum aufgetreten sei oder weil die Validität von kognitiven Fehl- und Mangelleistungen nicht habe gesichert werden kön-nen. Schließlich lässt sich das Vorliegen einer Enzephalopathie auch nicht durch eine Exposition gegenüber Lösungsmitteln mit neurotoxischem Potenzial nachweisen.
Eine weitere Sachaufklärung ist nicht erforderlich. Das Gutachten von Prof. Dr. Be. ist überzeu-gend und hat die relevanten Fragen geklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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