Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 1701/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 360/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Im Streit steht die Rechtmäßigkeit der Absenkung des Arbeitslosengelds (Alg) II um 30 v.H. sowie der Wegfall des Zuschlags zum Alg II nach Bezug von Alg I für Oktober bis Dezember 2005.
Der 1966 geborene Kläger bezog ab 1. Dezember 2004 Arbeitslosengeld I. Zuletzt war er als Maschinenbediener tätig. Arbeitslosengeld wurde ihm nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 550,04 EUR, ausgehend von einem Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 30. November 2004 in Höhe von 28.822,05 EUR bewilligt. Ab Februar 2005 wurden dem Kläger mehrere Stellenangebote als Maschineneinrichter, insbesondere bei Zeitarbeitsunternehmen angeboten.
Nach Anhörung des Klägers stellte die Beklagte mit Bescheid vom 15. August 2005 den Eintritt einer Sperrzeit vom 16. Juli bis 5. August 2005 fest. Mit weiterem Bescheid vom 15. August 2005 wurde, ebenfalls nach Anhörung des Klägers, eine weitere Sperrzeit vom 6. August bis 16. September 2005 festgestellt. Unter "wichtige Hinweise" ist in diesem Bescheid u.a. ausgeführt: "Bitte beachten Sie, dass Ihr gegenwärtiger Anspruch auf Leistungen vollständig erlischt, wenn Sie nach Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld Anlass zum Eintritt von mehreren Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 21 Wochen gegeben und über den Eintritt der einzelnen Sperrzeiten jeweils einen schriftlichen Bescheid erhalten haben." Weiter: "Soweit Sie kein Arbeitslosengeld (mehr) erhalten, können Sie bei Vorliegen der Voraussetzungen (Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beanspruchen. Mögliche Leistungen nach dem SGB II werden auf Grund der eingetretenen Sperrzeiten ggf. vermindert gewährt. Außerdem müssen Sie damit rechnen, dass entsprechende Leistungen ganz oder teilweise von Ihnen zurückzuzahlen sind".
Bereits am 19. Juli 2005 beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23. September 2005 bewilligte die Beklagte Leistungen für den Kläger und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau und das 2005 geborene Kind für die Zeit vom 1. bis 31. August 2005 in Höhe von 675,- EUR monatlich und vom 1. September bis 31. Dezember 2005 von 926,- EUR monatlich. Der Berechnung lag jeweils zugrunde ein Bedarf von 829,- EUR (2 x 311,- EUR Regelleistung für den Kläger und seine Ehefrau sowie 207,- EUR Sozialgeld für die Tochter unter Anrechnung von 154,- EUR Kindergeld, zuzüglich 251,- EUR monatlicher Zuschlag zum Alg II nach Bezug von Alg I).
Mit nicht aktenkundigem Vermittlungsvorschlag vom 15. August 2005 schlug die Beklagte dem Kläger eine Arbeit als Dreher bei der Firma Top-Work vor. Der Personaldisponent Muschter legte der Beklagten mit Schreiben vom 12. September 2005 das Bewerbungsschreiben des Klägers vor, in dem dieser eine Gehaltsvorstellung von 55.000,- EUR pro Jahr formuliert hatte.
Mit Bescheid vom 15. September 2005 stellte die Beklagte nach Anhörung des Klägers das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld fest, da der Kläger erneut Anlass für den Eintritt einer Sperrzeit gegeben habe. Durch die Angabe einer Gehaltsvorstellung von 55.000,- EUR habe er das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses verhindert. Ein wichtiger Grund für das Verhalten sei nicht mitgeteilt worden.
Mit Bescheid vom 22. September 2005 senkte die Beklagte Leistungen der Grundsicherung nach § 31 SGB II für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2005 um 30 v.H. der Regelleistung (103,50 EUR monatlich) ab und "hob die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung insoweit für diesen Zeitraum gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)" auf. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass für diesen Zeitraum kein Anspruch auf den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II bestehe.
Gegen die Bescheide vom 15. August 2005 legte der Kläger durch seine Bevollmächtigten am 28. September 2005 Widerspruch ein und führte mit Schreiben vom 10. Oktober 2005 weiter aus, dass auch der Bescheid vom 22. September 2005 angegriffen werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Bescheide vom 15. August 2008 als unzulässig zurück, mit weiterem Bescheid vom 23. März 2006 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. September 2005 (Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I) als unbegründet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2006 wies die Beklagte auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. September 2005 als unbegründet zurück. Inhaltlich wurde u.a. ausgeführt, der Absenkungsbetrag habe sich tatsächlich nur auf 93,30 EUR belaufen, beim im Sanktionsbescheid ausgewiesenen Betrag von 103,30 EUR habe es sich um einen Schreibfehler gehandelt. Der Kläger sei ausreichend auch über die Absenkung des Alg II im Vermittlungsvorschlag belehrt worden, die konkreten Auswirkungen der Pflichtverletzung seien darin zu erkennen gewesen.
Gegen den Bescheid vom 15. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 2006 hat der Kläger am 18. April 2006 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben (Az.: S 6 AL 1701/06). Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 9. November 2006 hat der Kläger die Klage gegen den Versagungsbescheid zurückgenommen.
Auch gegen den Absenkungsbescheid vom 22. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2006 hat der Kläger am 18. April 2006 Klage zum SG erhoben (Az. S 6 AS 1701/06). Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 9. November 2006 hat der Vertreter der Beklagten einen Mustervordruck für Vermittlungsvorschläge vorgelegt, der dem an den Kläger unter dem 15. August 2005 übersandten entspreche. Als Rechtsfolgenbelehrung ist darin u.a. ausgeführt: "Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder nicht antreten oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch ihr Verhalten verhindern ( ) tritt eine Sperrzeit ein ( ) ... Erfüllen Sie eine der oben genannten Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit, so kann dies zu einer Absenkung des Arbeitslosengelds II gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) führen. Diese Sperrzeit kann für Sie unter Umständen das vollständige Erlöschen Ihres derzeitigen Anspruchs auf die genannten Leistungen zur Folge haben. Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld. erlischt nämlich vollständig, wenn Sie Anlass zum Eintritt von Sperrzeiten mit einer Dauer von zusammengerechnet 21 Wochen gegeben haben. In diesem Fall ruht Ihr Anspruch nicht ...".
Mit Urteil vom 9. November 2006 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt, aus § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II in der bis 31. Juli 2006 geltenden Fassung sei eine Belehrung des Arbeitslosen über die Rechtsfolgen der Sätze 1 bis 3 des Absatzes 6 auch im Fall des Erlöschens des Anspruchs auf Alg I wegen wiederholter Sperrzeit nach § 31 Abs. 4 SGB II erforderlich (anders die ab 1. August 2006 geltende Gesetzesfassung). Diese müsse sich auf die zu erwartende Dauer von Absenkung und Wegfall des Zuschlags nach Arbeitslosengeldbezug und des im Sanktionszeitraum fehlenden Anspruchs auf ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) beziehen. Ob sich darüber hinaus schon eine Belehrungspflicht aus der in Absatz 4 angeordneten entsprechenden Anwendung des Absatzes 1 ergebe, könne deshalb offen bleiben. Der Belehrungspflicht nach § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II sei die Beklagte nicht nachgekommen, da sie im Vermittlungsvorschlag lediglich den unvollständigen Text des § 31 SGB II wiedergegeben habe. Die Warn- und Erziehungsfunktion der Rechtsmittelbelehrung könne diese Formulierung, die zudem nicht anlassbezogen gefasst sei, nicht erfüllen.
Gegen das ihr am 22. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Januar 2007 Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, entgegen der Auffassung des SG sei für eine Sanktion nach § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchstabe a) SGB II eine Rechtsfolgenbelehrung nach dem SGB II nicht erforderlich. Der Verweis in § 31 Abs. 4 SGB II auf die Absätze 1 bis 3 des § 31 SGB II beziehe sich allein auf die Rechtsfolgenseite. Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Eintritt der Sanktion seien hingegen in § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchstabe a) SGB II abschließend geregelt. Auch § 31 Abs. 6 SGB II führe zu keiner abweichenden Beurteilung, da sich die Vorschrift allein auf die Sanktionstatbestände des § 31 Absätze 1 bis 3 und 5 SGB II beziehe. Diese Auffassung entspreche auch der gesetzlichen Systematik, wonach ein nicht verbrauchter Sanktionstatbestand im SGB III in den Leistungsbezug nach dem SGB II hineinwirke, so dass in diesen Fällen auf der Tatbestandsseite die Bestimmungen des SGB II nicht in vollem Umfang zum Tragen kommen könnten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und verweist zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Urteils.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der Gerichtsakten erster Instanz (S 6 AL 1702/06 und S 6 AS 1701/06) sowie der Gerichtsakten im Berufungsverfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichts (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist unbegründet. Die Beklagte hat den Kläger im Vermittlungsvorschlag nicht ausreichend über die Sanktionsfolgen des § 31 SGB II belehrt.
Gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 3 a) SGB II in der Fassung des Art. 1 Nr. 16 Buchstabe a des Gesetzes vom 31. Juli 2004 (BGBl I 2004 S. 2014), gültig vom 1. Januar 2005 bis 31. Juli 2006 gelten die Absätze 1 und 3 des § 31 SGB II entsprechend bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit den Eintritt einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat. Absenkung und Wegfall treten nach § 31 Abs. 6 SGB II mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Absenkung und Wegfall dauern drei Monate. Während der Absenkung oder des Wegfalls der Leistung besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches. Über die Rechtsfolgen nach den Sätzen 1 bis 3 ist der erwerbsfähige Hilfebedürftige vorher zu belehren (§ 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II).
Das Erlöschen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld I infolge des Eintritts von Sperrzeiten über 21 Wochen ist nach Rücknahme der gegen den Erlöschensbescheid gerichteten Klage bestandskräftig festgestellt, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II erfüllt sind.
Streitig ist vorliegend deshalb lediglich der Umfang der Belehrungspflicht der Beklagten vor Erlass des Sanktionsbescheids, insbesondere die Anwendbarkeit des § 31 Abs. 6 SGB II auch auf den Fall des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II und – für den Fall der Anwendbarkeit -, ob die Belehrung rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Dass der Sanktionsbescheid einen Tag vor dem eigentlichen Bewilligungsbescheid für die Leistungen nach dem SGB II erlassen worden ist, macht den Sanktionsbescheid nicht schon rechtswidrig, da der Empfänger der Bescheide unabhängig von ihrem Erlass
zeitpunkt nach dem objektiven Empfängerhorizont grundsätzlich ersehen kann, dass ihm zunächst eine Leistung bewilligt worden ist, ihm allerdings in einer bestimmten Höhe wegen der Erfüllung des Sanktionstatbestands des § 31 SGB II Leistungen nicht ausbezahlt werden.
Der Wortlaut des § 31 Abs. 6 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung sah keine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Absatzes 6 nur auf die Absätze 1 bis 3 und 5 vor. Vielmehr hat § 31 Abs. 6 SGB II seinem Wortlaut nach in den Sätzen 1 bis 3 den Beginn und die Dauer der Absenkung bzw. des Wegfalls des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen geregelt sowie den Umstand, dass ergänzend Ansprüche nach dem SGB XII nicht bestehen. Satz 4 nimmt bezüglich der Belehrungspflicht die Sätze 1 bis 3 uneingeschränkt in Bezug. Da durch die in § 31 Abs. 4 SGB II für entsprechend anwendbar erklärten Absätze 1 und 3 des § 31 SGB II der Wegfall des Zuschlags und die Absenkung des Arbeitslosengeld II auch Sanktionen bei Pflichtverletzungen im Sinne des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II darstellen, greift die Belehrungspflicht nach § 31 Abs. 6 SGB II ihrem Wortlaut nach uneingeschränkt auch in den Fällen des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II.
Aber auch unter Berücksichtigung der nachfolgenden Gesetzesänderungen, insbesondere den Wegfall des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II mit Wirkung zum 1. August 2006 ist nach Sinn und Zweck der Norm eine einschränkende teleologische Auslegung des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II bis zum 31. Juli 2006 nach Auffassung des Senats nicht angezeigt.
Durch § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II werden die Sanktionen des Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), nämlich Ruhens- und Erlöschenswirkung bestimmter Verhaltensweisen nach den §§ 144 und 147 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in das SGB II transferiert und damit verhindert, dass ein Versicherter, dessen Anspruch nach dem SGB III zeitweilig oder dauerhaft nicht erfüllt werden kann, seinen Bedarf uneingeschränkt über Leistungen nach dem SGB II deckt und damit die Rechtsfolgen der Sperrzeit faktisch umgeht (vgl. Rixen in Eicher/Spellbrink Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008 unter Verweis auf Valgolio in Hauck/Noftz SGB II § 31 Rn. 133). § 31 Abs. 4 Nr. 3a und 3b SGB II sahen in der damals maßgeblichen, insoweit aber auch noch derzeit geltenden Gesetzesfassung, anders als § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Absatz 2, Absatz 3 und Absatz 4 Nr. 2, keine eigenständige Rechtsmittelbelehrung als Tatbestandsvoraussetzung für den Eintritt der Sanktion vor. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I S. 1706) wurde mit Wirkung vom 1. August 2006 § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II mit der Begründung aufgehoben, dass schon in den Absätzen 1 und 4 geregelt sei, in welchen Fällen
der Jugendliche über die Rechtsfolgen von sanktionsbewehrten Pflichtverletzungen zu belehren sei. Weiterer Rechtsfolgenbelehrungen für Jugendliche bedürfe es daher nicht. Gleiches gelte für § 31 Abs. 6 Satz 5 (neu) [gemeint wohl § 31 Abs. 6 Satz 3 (neu), ein Satz 5 existiert nicht], der lediglich ergänzend auf den Inhalt der zu erteilenden Rechtsfolgenbelehrung verweise (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks 16/1410 S. 26). Ist für die Zeit ab 1. Juli 2006 davon auszugehen, dass auch für die Fälle des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II durch den Wegfall des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II und die fehlende Anordnung einer Rechtsfolgenbelehrung im Tatbestand des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II eine ausdrückliche Rechtsmittelbelehrung (bezogen auf die Rechtsfolgen des § 31 SGB II) vor Erlass des Sanktionsbescheids nicht mehr erforderlich ist, kann diese Auslegung für die Zeit vor Inkrafttreten der Änderung nicht die einschränkende Auslegung des Wortlauts des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II rechtfertigen. Aus der Gesetzesbegründung, die zum Wegfall des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II geführt hat (BT Drucks 16/1410 S. 26), ist nicht zu ersehen, dass sich der Gesetzgeber der Problematik der fehlenden tatbestandlichen Anordnung einer Rechtsfolgenbelehrung in § 31 Abs. 4 Nr. 3 SGB II bewusst war. Ob sich der Gesetzgeber z.B. angesichts der möglichen Zuständigkeitsproblematik bewusst entschieden hat, in den Fällen des § 31 Abs. 4 Nr. 3 SGB II von einer Rechtsfolgenbelehrung abzusehen, ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Bezogen auf die Fälle des § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II, in denen es lediglich darauf ankommt, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt sind, ohne dass dies durch die zuständige Behörde per Verwaltungsakt festgestellt ist (sonst Abs. 4 Nr. 3a), könnte zwar möglicherweise eine einschränkende Auslegung schon deshalb geboten sein, weil ein Handeln des SGB III-Trägers, das mit einer vorherigen Rechtsfolgenbelehrung verbunden werden könnte, nicht zwingend vorliegen muss bzw. gar nicht vorliegen kann (besonders eindrücklich im Rahmen des § 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB II – Vermögensverschleuderung - ersichtlich) und insoweit von einer klarstellenden Änderung des § 31 Abs. 6 SGB II durch das Fortentwicklungsgesetz mit Wirkung vom 1. August 2006 auszugehen sein. Dies kann hier jedoch offen bleiben. Denn in den Fällen des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II ist es, bedingt durch die zuvor erfolgte Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit oder des Erlöschens des Anspruchs, gerade nicht ausgeschlossen, dass vor Eintritt dieser Rechtsfolgen auf die – insoweit zwingenden – Auswirkungen des Fehlverhaltens des Versicherten auch bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II hingewiesen wird, wie dies die Beklagte im Vermittlungsvorschlag und auch im Bescheid vom 15. August 2005 über den Eintritt der zweiten Sperrzeit getan hat. Daher ist, gestützt auf die Gesetzeshistorie, eine einschränkende Auslegung des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II für die Zeit vor dem 1. August 2006 nicht zu rechtfertigen.
Ist daher nach Wortlaut und Systematik des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II davon auszugehen, dass die Belehrungspflicht sich im damaligen Zeitpunkt jedenfalls auch auf die Fälle des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II erstreckte (die Beklagte hatte den Kläger tatsächlich auch belehrt), hatte die Beklagte den Kläger in dem in Absatz 6 Sätze 1 bis 3 normierten Umfang zu belehren. Die Belehrung muss konkret, richtig, vollständig und verständlich sein (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 18). Diese für die Sperrzeitsanktion umschriebenen Anforderungen gelten gleichermaßen für die Sanktionen des § 31 SGB II, da die Rechtsfolgenbelehrung nur auf diesem Weg ihre Warn- und Hinweisfunktion erfüllen kann.
Unabhängig davon, ob die Rechtsfolgenbelehrung auf dem aktenkundigen Muster-Vermittlungsvorschlag oder in dem als wichtiger Hinweis bezeichneten Sperrzeitbescheid als Maßstab genommen wird, erfüllt keine der Belehrungen die Anforderungen des § 31 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 SGB II.
Es erfolgte keine Belehrung über den Beginn oder die Dauer der Absenkung; es wurde nicht darüber belehrt, dass auch der Zuschlag nach § 24 SGB II ganz wegfällt. Auch die Dauer von Wegfall oder Absenkung sind nicht in die Belehrungen aufgenommen, die darüber hinaus den Anschein erwecken, als stünde es im Ermessen des Leistungsträgers, ob die Sanktionen des § 31 Abs. 4 Nr. 3 SGB II eintreten könne. Auch wurde nicht darüber belehrt, dass für den Zeitraum der Absenkung oder des Wegfalls der Leistung kein Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII besteht. Die tatsächlich erteilte Rechtsfolgenbelehrung im Vermittlungsvorschlag war deshalb tatsächlich nicht mehr als ein recht unbestimmter – wie im Sperrzeitbescheid so bezeichnet – Hinweis auf mögliche Folgen eines Fehlverhaltens im Rahmen des SGB III-Leistungsbezugs auf Leistungen nach dem SGB II. Ihrer Warn- und Hinweisfunktion genügte die Rechtsfolgenbelehrung daher nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG, insbesondere des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegen nicht vor, da es sich bei § 31 Abs. 6 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung um nicht mehr gültiges Gesetzesrecht handelt.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Im Streit steht die Rechtmäßigkeit der Absenkung des Arbeitslosengelds (Alg) II um 30 v.H. sowie der Wegfall des Zuschlags zum Alg II nach Bezug von Alg I für Oktober bis Dezember 2005.
Der 1966 geborene Kläger bezog ab 1. Dezember 2004 Arbeitslosengeld I. Zuletzt war er als Maschinenbediener tätig. Arbeitslosengeld wurde ihm nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 550,04 EUR, ausgehend von einem Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 30. November 2004 in Höhe von 28.822,05 EUR bewilligt. Ab Februar 2005 wurden dem Kläger mehrere Stellenangebote als Maschineneinrichter, insbesondere bei Zeitarbeitsunternehmen angeboten.
Nach Anhörung des Klägers stellte die Beklagte mit Bescheid vom 15. August 2005 den Eintritt einer Sperrzeit vom 16. Juli bis 5. August 2005 fest. Mit weiterem Bescheid vom 15. August 2005 wurde, ebenfalls nach Anhörung des Klägers, eine weitere Sperrzeit vom 6. August bis 16. September 2005 festgestellt. Unter "wichtige Hinweise" ist in diesem Bescheid u.a. ausgeführt: "Bitte beachten Sie, dass Ihr gegenwärtiger Anspruch auf Leistungen vollständig erlischt, wenn Sie nach Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld Anlass zum Eintritt von mehreren Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 21 Wochen gegeben und über den Eintritt der einzelnen Sperrzeiten jeweils einen schriftlichen Bescheid erhalten haben." Weiter: "Soweit Sie kein Arbeitslosengeld (mehr) erhalten, können Sie bei Vorliegen der Voraussetzungen (Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beanspruchen. Mögliche Leistungen nach dem SGB II werden auf Grund der eingetretenen Sperrzeiten ggf. vermindert gewährt. Außerdem müssen Sie damit rechnen, dass entsprechende Leistungen ganz oder teilweise von Ihnen zurückzuzahlen sind".
Bereits am 19. Juli 2005 beantragte der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23. September 2005 bewilligte die Beklagte Leistungen für den Kläger und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau und das 2005 geborene Kind für die Zeit vom 1. bis 31. August 2005 in Höhe von 675,- EUR monatlich und vom 1. September bis 31. Dezember 2005 von 926,- EUR monatlich. Der Berechnung lag jeweils zugrunde ein Bedarf von 829,- EUR (2 x 311,- EUR Regelleistung für den Kläger und seine Ehefrau sowie 207,- EUR Sozialgeld für die Tochter unter Anrechnung von 154,- EUR Kindergeld, zuzüglich 251,- EUR monatlicher Zuschlag zum Alg II nach Bezug von Alg I).
Mit nicht aktenkundigem Vermittlungsvorschlag vom 15. August 2005 schlug die Beklagte dem Kläger eine Arbeit als Dreher bei der Firma Top-Work vor. Der Personaldisponent Muschter legte der Beklagten mit Schreiben vom 12. September 2005 das Bewerbungsschreiben des Klägers vor, in dem dieser eine Gehaltsvorstellung von 55.000,- EUR pro Jahr formuliert hatte.
Mit Bescheid vom 15. September 2005 stellte die Beklagte nach Anhörung des Klägers das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld fest, da der Kläger erneut Anlass für den Eintritt einer Sperrzeit gegeben habe. Durch die Angabe einer Gehaltsvorstellung von 55.000,- EUR habe er das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses verhindert. Ein wichtiger Grund für das Verhalten sei nicht mitgeteilt worden.
Mit Bescheid vom 22. September 2005 senkte die Beklagte Leistungen der Grundsicherung nach § 31 SGB II für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2005 um 30 v.H. der Regelleistung (103,50 EUR monatlich) ab und "hob die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung insoweit für diesen Zeitraum gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)" auf. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass für diesen Zeitraum kein Anspruch auf den befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II bestehe.
Gegen die Bescheide vom 15. August 2005 legte der Kläger durch seine Bevollmächtigten am 28. September 2005 Widerspruch ein und führte mit Schreiben vom 10. Oktober 2005 weiter aus, dass auch der Bescheid vom 22. September 2005 angegriffen werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Bescheide vom 15. August 2008 als unzulässig zurück, mit weiterem Bescheid vom 23. März 2006 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. September 2005 (Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I) als unbegründet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2006 wies die Beklagte auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. September 2005 als unbegründet zurück. Inhaltlich wurde u.a. ausgeführt, der Absenkungsbetrag habe sich tatsächlich nur auf 93,30 EUR belaufen, beim im Sanktionsbescheid ausgewiesenen Betrag von 103,30 EUR habe es sich um einen Schreibfehler gehandelt. Der Kläger sei ausreichend auch über die Absenkung des Alg II im Vermittlungsvorschlag belehrt worden, die konkreten Auswirkungen der Pflichtverletzung seien darin zu erkennen gewesen.
Gegen den Bescheid vom 15. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 2006 hat der Kläger am 18. April 2006 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben (Az.: S 6 AL 1701/06). Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 9. November 2006 hat der Kläger die Klage gegen den Versagungsbescheid zurückgenommen.
Auch gegen den Absenkungsbescheid vom 22. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2006 hat der Kläger am 18. April 2006 Klage zum SG erhoben (Az. S 6 AS 1701/06). Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 9. November 2006 hat der Vertreter der Beklagten einen Mustervordruck für Vermittlungsvorschläge vorgelegt, der dem an den Kläger unter dem 15. August 2005 übersandten entspreche. Als Rechtsfolgenbelehrung ist darin u.a. ausgeführt: "Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder nicht antreten oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch ihr Verhalten verhindern ( ) tritt eine Sperrzeit ein ( ) ... Erfüllen Sie eine der oben genannten Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit, so kann dies zu einer Absenkung des Arbeitslosengelds II gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) führen. Diese Sperrzeit kann für Sie unter Umständen das vollständige Erlöschen Ihres derzeitigen Anspruchs auf die genannten Leistungen zur Folge haben. Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld. erlischt nämlich vollständig, wenn Sie Anlass zum Eintritt von Sperrzeiten mit einer Dauer von zusammengerechnet 21 Wochen gegeben haben. In diesem Fall ruht Ihr Anspruch nicht ...".
Mit Urteil vom 9. November 2006 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt, aus § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II in der bis 31. Juli 2006 geltenden Fassung sei eine Belehrung des Arbeitslosen über die Rechtsfolgen der Sätze 1 bis 3 des Absatzes 6 auch im Fall des Erlöschens des Anspruchs auf Alg I wegen wiederholter Sperrzeit nach § 31 Abs. 4 SGB II erforderlich (anders die ab 1. August 2006 geltende Gesetzesfassung). Diese müsse sich auf die zu erwartende Dauer von Absenkung und Wegfall des Zuschlags nach Arbeitslosengeldbezug und des im Sanktionszeitraum fehlenden Anspruchs auf ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) beziehen. Ob sich darüber hinaus schon eine Belehrungspflicht aus der in Absatz 4 angeordneten entsprechenden Anwendung des Absatzes 1 ergebe, könne deshalb offen bleiben. Der Belehrungspflicht nach § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II sei die Beklagte nicht nachgekommen, da sie im Vermittlungsvorschlag lediglich den unvollständigen Text des § 31 SGB II wiedergegeben habe. Die Warn- und Erziehungsfunktion der Rechtsmittelbelehrung könne diese Formulierung, die zudem nicht anlassbezogen gefasst sei, nicht erfüllen.
Gegen das ihr am 22. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Januar 2007 Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, entgegen der Auffassung des SG sei für eine Sanktion nach § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchstabe a) SGB II eine Rechtsfolgenbelehrung nach dem SGB II nicht erforderlich. Der Verweis in § 31 Abs. 4 SGB II auf die Absätze 1 bis 3 des § 31 SGB II beziehe sich allein auf die Rechtsfolgenseite. Die Tatbestandsvoraussetzungen für den Eintritt der Sanktion seien hingegen in § 31 Abs. 4 Nr. 3 Buchstabe a) SGB II abschließend geregelt. Auch § 31 Abs. 6 SGB II führe zu keiner abweichenden Beurteilung, da sich die Vorschrift allein auf die Sanktionstatbestände des § 31 Absätze 1 bis 3 und 5 SGB II beziehe. Diese Auffassung entspreche auch der gesetzlichen Systematik, wonach ein nicht verbrauchter Sanktionstatbestand im SGB III in den Leistungsbezug nach dem SGB II hineinwirke, so dass in diesen Fällen auf der Tatbestandsseite die Bestimmungen des SGB II nicht in vollem Umfang zum Tragen kommen könnten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und verweist zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Urteils.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der Gerichtsakten erster Instanz (S 6 AL 1702/06 und S 6 AS 1701/06) sowie der Gerichtsakten im Berufungsverfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichts (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist unbegründet. Die Beklagte hat den Kläger im Vermittlungsvorschlag nicht ausreichend über die Sanktionsfolgen des § 31 SGB II belehrt.
Gemäß § 31 Abs. 4 Nr. 3 a) SGB II in der Fassung des Art. 1 Nr. 16 Buchstabe a des Gesetzes vom 31. Juli 2004 (BGBl I 2004 S. 2014), gültig vom 1. Januar 2005 bis 31. Juli 2006 gelten die Absätze 1 und 3 des § 31 SGB II entsprechend bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, dessen Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist, weil die Agentur für Arbeit den Eintritt einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat. Absenkung und Wegfall treten nach § 31 Abs. 6 SGB II mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung oder den Wegfall der Leistung feststellt, folgt. Absenkung und Wegfall dauern drei Monate. Während der Absenkung oder des Wegfalls der Leistung besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Zwölften Buches. Über die Rechtsfolgen nach den Sätzen 1 bis 3 ist der erwerbsfähige Hilfebedürftige vorher zu belehren (§ 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II).
Das Erlöschen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld I infolge des Eintritts von Sperrzeiten über 21 Wochen ist nach Rücknahme der gegen den Erlöschensbescheid gerichteten Klage bestandskräftig festgestellt, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II erfüllt sind.
Streitig ist vorliegend deshalb lediglich der Umfang der Belehrungspflicht der Beklagten vor Erlass des Sanktionsbescheids, insbesondere die Anwendbarkeit des § 31 Abs. 6 SGB II auch auf den Fall des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II und – für den Fall der Anwendbarkeit -, ob die Belehrung rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Dass der Sanktionsbescheid einen Tag vor dem eigentlichen Bewilligungsbescheid für die Leistungen nach dem SGB II erlassen worden ist, macht den Sanktionsbescheid nicht schon rechtswidrig, da der Empfänger der Bescheide unabhängig von ihrem Erlass
zeitpunkt nach dem objektiven Empfängerhorizont grundsätzlich ersehen kann, dass ihm zunächst eine Leistung bewilligt worden ist, ihm allerdings in einer bestimmten Höhe wegen der Erfüllung des Sanktionstatbestands des § 31 SGB II Leistungen nicht ausbezahlt werden.
Der Wortlaut des § 31 Abs. 6 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung sah keine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Absatzes 6 nur auf die Absätze 1 bis 3 und 5 vor. Vielmehr hat § 31 Abs. 6 SGB II seinem Wortlaut nach in den Sätzen 1 bis 3 den Beginn und die Dauer der Absenkung bzw. des Wegfalls des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen geregelt sowie den Umstand, dass ergänzend Ansprüche nach dem SGB XII nicht bestehen. Satz 4 nimmt bezüglich der Belehrungspflicht die Sätze 1 bis 3 uneingeschränkt in Bezug. Da durch die in § 31 Abs. 4 SGB II für entsprechend anwendbar erklärten Absätze 1 und 3 des § 31 SGB II der Wegfall des Zuschlags und die Absenkung des Arbeitslosengeld II auch Sanktionen bei Pflichtverletzungen im Sinne des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II darstellen, greift die Belehrungspflicht nach § 31 Abs. 6 SGB II ihrem Wortlaut nach uneingeschränkt auch in den Fällen des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II.
Aber auch unter Berücksichtigung der nachfolgenden Gesetzesänderungen, insbesondere den Wegfall des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II mit Wirkung zum 1. August 2006 ist nach Sinn und Zweck der Norm eine einschränkende teleologische Auslegung des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II bis zum 31. Juli 2006 nach Auffassung des Senats nicht angezeigt.
Durch § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II werden die Sanktionen des Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), nämlich Ruhens- und Erlöschenswirkung bestimmter Verhaltensweisen nach den §§ 144 und 147 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in das SGB II transferiert und damit verhindert, dass ein Versicherter, dessen Anspruch nach dem SGB III zeitweilig oder dauerhaft nicht erfüllt werden kann, seinen Bedarf uneingeschränkt über Leistungen nach dem SGB II deckt und damit die Rechtsfolgen der Sperrzeit faktisch umgeht (vgl. Rixen in Eicher/Spellbrink Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008 unter Verweis auf Valgolio in Hauck/Noftz SGB II § 31 Rn. 133). § 31 Abs. 4 Nr. 3a und 3b SGB II sahen in der damals maßgeblichen, insoweit aber auch noch derzeit geltenden Gesetzesfassung, anders als § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Absatz 2, Absatz 3 und Absatz 4 Nr. 2, keine eigenständige Rechtsmittelbelehrung als Tatbestandsvoraussetzung für den Eintritt der Sanktion vor. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I S. 1706) wurde mit Wirkung vom 1. August 2006 § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II mit der Begründung aufgehoben, dass schon in den Absätzen 1 und 4 geregelt sei, in welchen Fällen
der Jugendliche über die Rechtsfolgen von sanktionsbewehrten Pflichtverletzungen zu belehren sei. Weiterer Rechtsfolgenbelehrungen für Jugendliche bedürfe es daher nicht. Gleiches gelte für § 31 Abs. 6 Satz 5 (neu) [gemeint wohl § 31 Abs. 6 Satz 3 (neu), ein Satz 5 existiert nicht], der lediglich ergänzend auf den Inhalt der zu erteilenden Rechtsfolgenbelehrung verweise (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks 16/1410 S. 26). Ist für die Zeit ab 1. Juli 2006 davon auszugehen, dass auch für die Fälle des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II durch den Wegfall des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II und die fehlende Anordnung einer Rechtsfolgenbelehrung im Tatbestand des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II eine ausdrückliche Rechtsmittelbelehrung (bezogen auf die Rechtsfolgen des § 31 SGB II) vor Erlass des Sanktionsbescheids nicht mehr erforderlich ist, kann diese Auslegung für die Zeit vor Inkrafttreten der Änderung nicht die einschränkende Auslegung des Wortlauts des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II rechtfertigen. Aus der Gesetzesbegründung, die zum Wegfall des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II geführt hat (BT Drucks 16/1410 S. 26), ist nicht zu ersehen, dass sich der Gesetzgeber der Problematik der fehlenden tatbestandlichen Anordnung einer Rechtsfolgenbelehrung in § 31 Abs. 4 Nr. 3 SGB II bewusst war. Ob sich der Gesetzgeber z.B. angesichts der möglichen Zuständigkeitsproblematik bewusst entschieden hat, in den Fällen des § 31 Abs. 4 Nr. 3 SGB II von einer Rechtsfolgenbelehrung abzusehen, ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Bezogen auf die Fälle des § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II, in denen es lediglich darauf ankommt, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt sind, ohne dass dies durch die zuständige Behörde per Verwaltungsakt festgestellt ist (sonst Abs. 4 Nr. 3a), könnte zwar möglicherweise eine einschränkende Auslegung schon deshalb geboten sein, weil ein Handeln des SGB III-Trägers, das mit einer vorherigen Rechtsfolgenbelehrung verbunden werden könnte, nicht zwingend vorliegen muss bzw. gar nicht vorliegen kann (besonders eindrücklich im Rahmen des § 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB II – Vermögensverschleuderung - ersichtlich) und insoweit von einer klarstellenden Änderung des § 31 Abs. 6 SGB II durch das Fortentwicklungsgesetz mit Wirkung vom 1. August 2006 auszugehen sein. Dies kann hier jedoch offen bleiben. Denn in den Fällen des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II ist es, bedingt durch die zuvor erfolgte Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit oder des Erlöschens des Anspruchs, gerade nicht ausgeschlossen, dass vor Eintritt dieser Rechtsfolgen auf die – insoweit zwingenden – Auswirkungen des Fehlverhaltens des Versicherten auch bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II hingewiesen wird, wie dies die Beklagte im Vermittlungsvorschlag und auch im Bescheid vom 15. August 2005 über den Eintritt der zweiten Sperrzeit getan hat. Daher ist, gestützt auf die Gesetzeshistorie, eine einschränkende Auslegung des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II für die Zeit vor dem 1. August 2006 nicht zu rechtfertigen.
Ist daher nach Wortlaut und Systematik des § 31 Abs. 6 Satz 4 SGB II davon auszugehen, dass die Belehrungspflicht sich im damaligen Zeitpunkt jedenfalls auch auf die Fälle des § 31 Abs. 4 Nr. 3a SGB II erstreckte (die Beklagte hatte den Kläger tatsächlich auch belehrt), hatte die Beklagte den Kläger in dem in Absatz 6 Sätze 1 bis 3 normierten Umfang zu belehren. Die Belehrung muss konkret, richtig, vollständig und verständlich sein (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 18). Diese für die Sperrzeitsanktion umschriebenen Anforderungen gelten gleichermaßen für die Sanktionen des § 31 SGB II, da die Rechtsfolgenbelehrung nur auf diesem Weg ihre Warn- und Hinweisfunktion erfüllen kann.
Unabhängig davon, ob die Rechtsfolgenbelehrung auf dem aktenkundigen Muster-Vermittlungsvorschlag oder in dem als wichtiger Hinweis bezeichneten Sperrzeitbescheid als Maßstab genommen wird, erfüllt keine der Belehrungen die Anforderungen des § 31 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 SGB II.
Es erfolgte keine Belehrung über den Beginn oder die Dauer der Absenkung; es wurde nicht darüber belehrt, dass auch der Zuschlag nach § 24 SGB II ganz wegfällt. Auch die Dauer von Wegfall oder Absenkung sind nicht in die Belehrungen aufgenommen, die darüber hinaus den Anschein erwecken, als stünde es im Ermessen des Leistungsträgers, ob die Sanktionen des § 31 Abs. 4 Nr. 3 SGB II eintreten könne. Auch wurde nicht darüber belehrt, dass für den Zeitraum der Absenkung oder des Wegfalls der Leistung kein Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB XII besteht. Die tatsächlich erteilte Rechtsfolgenbelehrung im Vermittlungsvorschlag war deshalb tatsächlich nicht mehr als ein recht unbestimmter – wie im Sperrzeitbescheid so bezeichnet – Hinweis auf mögliche Folgen eines Fehlverhaltens im Rahmen des SGB III-Leistungsbezugs auf Leistungen nach dem SGB II. Ihrer Warn- und Hinweisfunktion genügte die Rechtsfolgenbelehrung daher nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG, insbesondere des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegen nicht vor, da es sich bei § 31 Abs. 6 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung um nicht mehr gültiges Gesetzesrecht handelt.
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