Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 863/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 174/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 94/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Psychische Störungen, wie posttraumatische Belastungsstörungen und depressive Episode nach einem Flugunfall bei einer Flugbegleiterin
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Dezember 2005 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 12. August 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2000 abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob psychische Störungen, deretwegen die Klägerin ab 1994 einer psychotherapeutischen Behandlung bedurfte und die ab 01.12.1994 zu erheblichen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit geführt hatten, Folgen eines Flugunfall vom 11.04.1992 sind bzw. waren.
Die 1963 geborene Klägerin war seit 15.12.1986 als Flugbegleiterin bei der H. Flug GmbH beschäftigt. Am 11.04.1992 war sie an Bord eines Airbus A 310 auf dem Flug von A-Stadt nach R. eingesetzt. Beim Versuch auf dem Flughafen R. zu landen bekam das Flugzeug bei starkem Seitenwind mit der rechten Tragfläche Bodenberührung. Der Pilot startete daraufhin die Maschine durch und flog den Flughafen H. auf K. an. Dort gelang die Landung ohne Probleme. Aufgabe der Klägerin war es dann, die verunsicherten und teilweise aufgebrachten Passagiere zu beruhigen und in einem Hotel unterzubringen. Verletzt war niemand worden. Anschließend wurde die Flugbesatzung einschließlich der Klägerin von einer Ersatzmaschine in H. abgeholt und nach A-Stadt geflogen. Eine medizinische oder psychologische Betreuung fand in unmittelbarer Folge nicht statt.
Das Luftfahrtbundesamt stufte den Vorgang nicht als Flugunfall ein. Die Klägerin konnte ihren Dienst als Flugbegleiterin weiter verrichten.
Vom 02.04.1993 bis 31.10.1993 war sie 213 Tage wegen einer Epikondylitis radialis rechts und eines Wurzelreizsyndroms arbeitsunfähig. Längere Arbeitsunfähigkeitszeiten sind vom 01.12.1994 bis 31.01.1995 (62 Tage) wegen eines psychischen Erschöpfungszustandes, sowie vom 05.04. bis 30.04.1995 (27 Tage) und vom 01.06.1995 bis 31.07.1995 (61 Tage) dokumentiert. Im Jahr 1996 war die Klägerin vom 05.02.1996 bis 08.09.1996 (213 Tage) wegen eines depressiven Syndroms und einer Agoraphobie arbeitsunfähig erkrankt und im Jahr 1998 vom 20.01.1998 bis 31.08.1998 wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach angeblichem Arbeitsunfall.
In einer Eignungsbeurteilung kam das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe am 20.01.1998 zum Ergebnis, die Klägerin sei zeitlich nicht geeignet für den Einsatz als Flugbegleiterin.
Am 23.01.1998 wandte sich die Betriebskrankenkasse der H. AG an die Beklagte und meldete einen Erstattungsanspruch an, nachdem die Klägerin gegenüber der Krankenkasse erklärt hatte, die vorübergehende Fluguntauglichkeit habe eine berufliche Ursache, nämlich das Ereignis vom 11.04.1992.
Die Klägerin legte eine eigene eidesstattliche Versicherung vom 08.06.1998 vor. Unter anderem versicherte sie darin, sie habe bei der missglückten Landung auf R. Todesangst gehabt. Zunächst sei sie für zirka ein Jahr weiter geflogen. 1993 seien psychische Beschwerden aufgetreten. Sie habe dann eine Psychotherapie begonnen. 1996 sei sie für drei Monate in einer Nervenklinik behandelt worden. Zuvor sei, wohl als Folge ihrer psychischen Fehleinstellung, ihre Partnerschaft zerbrochen, was auch zu finanziellen Problemen geführt habe. Sie sei danach wegen Fluguntauglichkeit im Bodendienst beschäftigt und Ende 1996 auch davon freigestellt worden. Seit März 1998 habe sie keine Dienstbezüge mehr erhalten. Inzwischen sei sie nach erfolgreicher psychologischer Behandlung wieder uneingeschränkt als Flugbegleiterin eingesetzt.
Das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe hatte am 02.10.1998 nach einer 20-stündigen Psychotherapie zur Behandlung einer PTBS sowie einer anschließenden Stabilisierungsphase wieder Flugtauglichkeit festgestellt.
Die Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein. In einem Arztbericht stellte der Nervenarzt Dr. H. am 07.07.1997 die Diagnose einer Panikstörung mit Agoraphobie. In der Anamnese wurde erwähnt, die Mutter der Klägerin habe unter depressiv-ängstlichen Verstimmungszuständen gelitten; der Bruder der Klägerin habe 1993 einen Suizidversuch unternommen, nachdem ihn seine Freundin verlassen hatte. Der Vater habe Alkoholprobleme gehabt. Vor ca. eineinhalb Jahren sei die Klägerin nach 14-jähriger Partnerschaft von ihrem Freund verlassen worden. Sie wolle den Freund wieder zurückgewinnen und rufe ihn täglich an. In einem Arztbrief vom 30.06.1996 der Nervenklinik G. wird über eine schwere depressive Episode bei dependenten, emotional instabilen Persönlichkeitsmerkmalen anlässlich der stationären Behandlung vom 05.02.1996 bis 25.05.96 berichtet. Unter anderem wird erwähnt, die Klägerin sei im Juni 1995 von ihrem Freund weggelaufen. Der Orthopäde Dr. S. schilderte die einmalige Behandlung der Klägerin wegen Epikondylits rechts am 09.11.1994. Prof. Dr. M. erklärte am 24.03.1999, er gebe keine Auskunft über die frühere Behandlung der Klägerin.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Neurologe Dr. K. am 27.05.1999 ein Gutachten. Mit einer zeitlichen Latenz habe sich ein psychisches Krankheitsbild entwickelt, welches sicherlich mehrere Einflussgrößen habe, vor allem das Ereignis vom 11.04.1992, aber auch die Trennung vom langjährigen Lebenspartner. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang mit dem angeschuldigten Vorfall spreche vor allem die zeitliche Latenz, zumal auch Partnerprobleme bestanden hatten.
Mit Bescheid vom 12.08.1999 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 11.04.1992 ab. Das erstmals ab 1994 behandlungsbedürftige neurologische Krankheitsbild sei nicht Folge des Geschehens vom 11.04.1992 sondern stehe mit persönlichen Lebenskonflikten in Zusammenhang. Ein rechtlich wesentlicher ursächlicher Zusammenhang mit dem angeschuldigten Geschehen lasse sich nach dem Gutachten des Dr. K. nicht begründen. Es habe sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt ; Entschädigungsansprüche bestünden nicht.
Den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung, eine traumatische Belastungsstörung sei, wenn auch zeitlich versetzt, ab 1993/1994 erkennbar gewesen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2000 zurück.
Dagegen erhob die Klägerin beim Sozialgericht München Klage mit dem Antrag, Entschädigungsleistungen zu gewähren. Sie stützte sich auf die Auffassung der Diplompsychologen W. und H., beide Flugmedizinisches Institut der Luftwaffe, vom 23.02.1998. Darin erklärten diese, der psychisch-physische Zustand der Klägerin, wie auch nahezu alle Veränderungen im privaten und beruflichen Umfeld nach dem Unfall stünden im ursächlichen Zusammenhang mit dem Flugunfall.
Auf Antrag der Klägerin (§ 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG) erstattete der Neurologe und Psychiater Dr. B. am 05.12.2002 ein Gutachten. Er kam zum Ergebnis, auf Grund der Untersuchung der Klägerin am 06.09.2002 bestünden derzeit keine Hinweise auf aktuelle psychische Störungen, insbesondere keine feststellbaren Restsymptome einer durchgemachten PTBS. Nach dem Flugunfall habe sich aber eine PTBS entwickelt, daneben Angststörungen im Sinne einer Flugphobie und eine Depression. Die zeitliche Verzögerung, mit der die PTBS aufgetreten sei, spreche nicht gegen die Diagnose. Nach der ICD-10 Klassifizierung betrage die Latenz Wochen bis Monate, selten mehr als sechs Monate. Dass die psychischen Störungen erst wesentlich später aufgetreten seien, habe an der Kompensationsfähigkeit der Klägerin gelegen. Aus der Tatsache, dass erst die trauma-fokusierte Therapie durch Diplompsychologe W. eine Besserung erbracht habe, sei der Rückschluss erlaubt, das keine primär persönliche, neurotische oder aus dem Verlust der Partnerschaft resultierende Störung vorgelegen habe. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten von 1993 bis 1998 seien unfallbedingt gewesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) habe von Anfang 1993 bis Mitte 1998 40 v.H. betragen.
Die Beklagte wandte ein, die Diagnose einer PTBS sei nicht zutreffend. Das angeschuldigte Ereignis sei nicht außergewöhnlich bedrohlich oder katastrophenartig gewesen. Zudem fehlten Nachweise über charakteristische Symptome in zeitlicher Nähe zum Zwischenfall.
Im Auftrag des Sozialgerichts erstattete Privatdozent Dr. B. am 23.03.2005 ein weiteres Gutachten. Ab 1993/1994 habe eine deutliche posttraumatische Symptomatik vorgelegen. Es habe sich nachfolgend eine mittelschwere depressive Symptomatik entwickelt und in der Folge davon Partnerschaftskonflikte. Ab der Trennung vom Partner im Juli 1995 habe eine schwere depressive Episode bestanden, die zumindest rechtlich teilursächlich auf den Unfall von 1992 zurückzuführen sei. Auch das 1993 aufgetretene Wurzelreizsyndrom und die Epikondylitis mit 213 Tagen Arbeitsunfähigkeit seien bereits Ausdruck der sich anbahnenden PTBS gewesen. Die MdE sei von Mitte 1993 bis Mitte 1995 mit 20 v.H. und danach bis Oktober 1998 mit 30 v.H. zu bewerten.
Die Beklagte wandte ein, gegen eine PTBS spreche eindeutig, dass die Klägerin zunächst weiter im Flugdienst tätig sein konnte und nach ihren eigenen Angaben erst im Frühjahr 1994 alles angefangen habe, wie sie sich ausdrückte.
Zuletzt beantragte die Klägerin, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Unfalls vom 11.04.1992 dem Gutachten des Dr. B. vom 23.03.2005 entsprechend und unter Berücksichtigung des Leistungsauszugs der Betriebskrankenkasse der H. AG vom 14.09.1998 Verletztengeld bzw. Verletztenrente zu gewähren.
Mit Urteil vom 16.12.2005 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte diesem Antrag entsprechend. Es stützte sich auf das Gutachten des Dr. B ...
Dagegen legte die Beklagte Berufung ein. Die Entscheidung des Sozialgerichts könne keinen Bestand haben. Zum einen entspreche die Beweiswürdigung in tatsächlicher Hinsicht nicht den in der gesetzlichen Unfallversicherung maßgebenden Kriterien. Zum anderen sei die Frage des ursächlichen Zusammenhangs der festgestellten Gesundheitsschäden mit dem angeschuldigten Ereignis nicht zutreffend beantwortet worden. Über ihre Ängste während des Vorfalls vom 11.04.1992 habe die Klägerin erstmals während der stationären Behandlung in G. vom 05.02.1996 bis 25.05.1996 berichtet. Im privaten Umfeld hätten zumindest 1995 psychische Belastungen vorgelegen; aus der Familie (Mutter, Bruder) seien psychische Erkrankungen bekannt. Nicht einmal die Diagnose einer PTBS sei gesichert.
Am 30.10.2007 beauftragte der Senat den Neurologen und Psychiater Dr. S. mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage und falls erforderlich nach ambulanter Untersuchung. Nachdem die Klägerin erklärt hatte, einer Untersuchung nicht Folge leisten zu wollen, weil der behandelnde Psychotherapeut davon abgeraten habe, erstellte der Sachverständige das Gutachten nach Aktenlage. Im Gutachten vom 24.07.2008 führte er aus, durch den Vorfall vom 11.04.1992 sei auf psychiatrischem Gebiet keine überdauernde Gesundheitsstörung eingetreten. An der Diagnose einer PTBS bestehe erheblicher Zweifel auf Grund der zeitlichen Latenz zum ersten Auftreten einer typischen Symptomatik bei gleichzeitig bestehendem Partnerkonflikt und der zunächst im Vordergrund stehenden Angstsymptomatik.
Auf weiteren Antrag der Klägerin erstattete die Ärztin für Psychotherapie und Psychiatrie, Sozialmedizin Dr. C. am 27.09.2008 ein weiteres Gutachten nach Aktenlage; eine ambulanter Untersuchung hielt sie nicht für erforderlich. Sie legte dar, der Flugzwischenfall sei ein objektiv und subjektiv bedrohliches Ereignis gewesen, das geeignet gewesen sei, eine PTBS auszulösen. Der Unfall müsse als eine mögliche unmittelbare oder mittelbare Ursache für die spätere depressive Episode angesehen werden. Die zeitliche Latenz zwischen dem Ereignis und der ersten Schilderung entsprechender Symptome finde sich häufig. Das liege daran, dass den Untersuchern häufig Erfahrung mit der Diagnose PTBS fehle. Die Forderung, Störungen müssten spätestens innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Ereignis auftreten, sei kein Ausschlusskriterium, ebenso wenig das Fehlen von Brückensymptomen. Prämorbide Störungen und eine Schadensanlage kämen zwar als Alternativursachen in Betracht. Solche lägen aber nach den vorhandenen Unterlagen zu Biografie, psychischen Vorerkrankungen, familiärer Disposition und Reaktionen auf vorherige Belastungen sowie zu Persönlichkeitsmerkmalen nicht vor. Die Trennung vom Partner sei zwar ein wesentlicher Dekompensationsfaktor im traumatischen Prozess, aber kein bedeutsamer Ursachenfaktor. Vielmehr handle es sich um Faktoren, die zur Auslösung bzw. Verschlimmerung der Störung beigetragen hätten. Dem Unfall komme nicht nur für die PTBS sondern auch für die depressive Episode eine wesentliche Teilursache zu. Die MdE habe vom 01.02.1995 bis 30.11.1995 und vom 01.06.1996 bis 31.10.1998
30 v.H. betragen, dazwischen, nämlich vom 01.12.1995 bis 31.05.1996 40 v.H.
Die Beklagte wandte ein, ihrer Auffassung nach sei dem Gutachten von Dr. S. zu folgen. Die Klägerin erklärte, Dr. S. sei ihrer Meinung nach nicht kompetent, weil ihm die Qualifikation für die Beurteilung psychotraumatischer Störungen fehle. Sie regte an, eine Entscheidung auf der Basis der von Dr. C. festgestellten MdE zu treffen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.12.2005 aufzuheben und die
Klage gegen den Bescheid vom 12.08.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 18.01.2000 abzuweisen,
sowie die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und auf ihre Anschlussberu-
fung das Ereignis vom 11.04.1992 als Arbeitsunfall mit PTBS sowie einer
mittelschweren bis schweren depressiven Episode als Unfallfolgen festzu-
stellen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 16.12.2005 und Abweisung der Klage gegen den Bescheid vom 12.08.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2000. Die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig gem. §§ 143, 202 SGG i. V. m. § 524 ZPO (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 143 Rdnr. 5), aber unbegründet.
Die Berufung der Beklagten muss schon deshalb zur Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts führen, weil zum einen der Tenor unbestimmt ist und keinen vollstreckbaren Inhalt hat und zum anderen die Klage, im Rahmen des zuletzt vor dem Sozialgericht gestellten Antrags unzulässig war. Im angefochtenen Bescheid vom 12.08.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2000 entschied die Beklagte lediglich darüber, dass das Ereignis vom 11.04.1992 kein Arbeitsunfall war und keine unfallbedingten Gesundheitsstörungen zurückgeblieben sind. Über Verletztengeld oder eine mögliche Rente liegt keine Entscheidung vor. Dies ist jedoch bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, als solche ist der Klageantrag zu verstehen, erforderlich. Richtige Klageart ist die Feststellungsklage (vgl. hierzu Bundessozialgericht 16.11.2005- B 2 U 28/04 R und 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R). Mit einer solchen Klage hätte die Klägerin die Feststellung begehren können, dass das Ereignis vom 11.04.1992 ein Arbeitsunfall war und bestimmte psychische Störungen Folgen dieses Arbeitsunfalls sind bzw. waren. Die als Anfechtungs- und Leistungsklage formulierte Klage war demnach unzulässig, weil hierzu keine Verwaltungsentscheidung vorlag. Sie hätte allein schon deswegen abgewiesen werden müssen.
Die im Wege der Anschlussberufung auf Feststellung geänderte Klage (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 99 Rdnr. 12) ist gem. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG - auch ohne Einwilligung der Beklagten - zulässig, weil ein Übergang von einer Anfechtungs- und Leistungsklage zu einer Feststellungsklage jederzeit möglich ist. Es ist daher von dem so geänderten Klageantrag auszugehen. Dieser ist gerichtet auf Aufhebung der vorgenannten Bescheide sowie Feststellung, dass das Ereignis vom 11.04.1992 ein Arbeitsunfall ist und eine PTBS sowie eine mittelschwere bzw. schwere depressive Episode Unfallfolgen sind. Auch die mit dem so geänderten Antrag erhobene Klage ist unbegründet, weil die Berufung der Beklagten durchgreift.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf entsprechende Feststellung (§ 55 SGG). Das Ereignis vom 11.04.1992 war kein Arbeitsunfall i.S.d. hier gem. § 212, 214 Abs. 3 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) noch anzuwendenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), hier der §§ 539, 548 RVO, weil davon Unfallfolgen oder Behandlungsbedürftigkeit nicht zurückgeblieben sind. Nach § 548 Abs. 1 S 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeit erleidet. Die Begriffsbestimmung in § 548 Abs. 1 RVO ist ungenau und ist durch den für Versicherungsfälle ab 01.01.1997 geltenden § 8 SGB VII präziser bestimmt worden. Unfälle sind danach zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden führen. Diese Definition entspricht den bereits früher von Rechtsprechung und Lehre aufgestellten Anforderungen und kann deshalb auch hier angewandt werden. Dass ein Arbeitsunfall auch dann vorliegt, wenn keine physischen sondern psychische Störungen zurückbleiben, ist nicht streitig. Streitig ist aber, ob die bei der Klägerin ab 1994 behandelten Störungen Folgen des Ereignisses waren. Der Senat vertritt die Auffassung, dass bereits die Diagnose PTBS nicht im hier erforderlichen Grad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bewiesen werden kann. Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen im Grad der Gewissheit bewiesen werden. Dies sind die versicherte Tätigkeit, die zum Unfall führende Verrichtung, der Gesundheitserstschaden und die - ev. erst späteren - Unfallfolgen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 Rn. 10.1. m.w.N.). Gewissheit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch keinen Zweifel hat.
In seiner Entscheidung vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R forderte das Bundessozialgericht als Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen und zwar auf Grund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen. Für die von der Klägerin geltend gemachte PTBS kommt nach der ICD-10-Klassifizierung
F. 43.1 in Betracht. Eine Besonderheit der PTBS besteht darin, dass die Definition der Erkrankung selbst eine Aussage über die Entstehungsursache enthält, nämlich Störungen, die nach einer traumatischen Belastung auftreten. Insoweit ist eine Klarstellung geboten, dass diese Kausalaussage nur der Diagnosestellung dient und noch nicht die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen einem als Arbeitsunfall angeschuldigten Ereignis und der als PTBS zu bezeichnenden Erkrankung beinhaltet oder sogar ersetzt.
Diagnostische Kriterien der PTBS sind nach DSM-IV oder ICD-10 ein lebensbedrohliches oder katastrophenähnliches Ereignis (A) , das wiederholte und sich aufdrängende Erinnerungen an das Ereignis (B) und ein Vermeidungsverhalten (C) hervorruft. Hinzukommen muss, dass vor dem Trauma Störungen wie Ein- und Durchschlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Hypervigilanz und übertriebene Schreckreaktionen nicht vorhanden waren (D). Der Senat schließt sich den insoweit übereinstimmenden Gutachten an, dass die Unfallsituation ein entsprechend belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung im Sinne der Diagnosestellung nach ICD-10 war. Insoweit bedarf es auch keines weiteren Eingehens mehr auf die Frage, ob ein objektives oder nur subjektives Belastungsmoment ausreicht und festgestellt werden muss.
Von wesentlicher Bedeutung ist die Tatsache, dass die Kriterien B und C erst mit erheblicher Latenz dokumentiert sind. Übereinstimmend berichten die im Verfahren gehörten Sachverständigen, dass die Kriterien in der Regel spätestens nach sechs Monaten aufzutreten pflegen. Im hier zu entscheidenden Fall hätten solche Symptome spätestens bis Oktober 1992 erkennbar sein müssen. Ärztlich dokumentierte entsprechende Beschwerdeschilderungen sind erst dem Entlassbericht der Nervenklinik G. vom 30.06.1996 zu entnehmen. Dort berichtete die Klägerin, sie habe in der Folgezeit Angstzustände entwickelt. Wenn man den späteren Angaben der Klägerin, die insoweit konsistent sind, Glauben geschenkt, so haben sich psychische Probleme im Laufe des Jahres 1994 entwickelt. Aus dem Bericht des Nervenarztes Dr. H. vom 07.07.1997 geht hervor, die Klägerin habe angegeben, ca. ein Jahr nach dem Unfall hätten sich zunehmend Ängste offenbart. Innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ist damit das Auftreten solcher PTBS spezifischer Kriterien nicht nachzuweisen.
Wenn einige Gutachter, darunter Dr. B. und Dr. C. einwenden, das Kriterium des zeitnahen Auftretens solcher Beschwerden führe nicht zum Ausschluss einer PTBS, so ist diesen zu entgegnen, dass hier nicht der Ausschluss genügt, sondern dass der positive Nachweis zu führen ist. Insofern helfen auch die Überlegungen nicht weiter, den Erstuntersuchern habe die Erfahrung im Umgang mit der Diagnosestellung einer PTBS gefehlt und die maßgeblichen Faktoren seien nicht exakt genug hinterfragt worden. Denn auch dann bleibt es dabei, dass eine diesbezügliche Feststellung nicht positiv getroffen werden kann. Hinzu kommt, dass das weitere Kriterium (B), nämlich das wiederholte unausweichliche Erinnern oder Wiederinszenieren des Ereignisses im Gedächtnis, in Tagträumen oder Träumen von der Klägerin zeitnah zum Geschehen vom 11.04.1992 nirgends berichtet wurde. Aus ihrem tatsächlichen Verhalten lässt sich eher das Gegenteil vermuten. Es steht fest, dass die Klägerin unmittelbar nach dem Vorfall ein Flugzeug betreten und in der nachfolgenden Zeit für ca. eineinhalb Jahre ihren Beruf als Flugbegleiterin ausüben konnte. Auch anlässlich des Aufenthalts in der Nervenklinik G. im Frühjahr 1996 wurden diesbezüglich von ihr keine typischen Situationen berichtet. Solche Schilderungen finden sich erst sehr viel später, wie etwa in dem Gutachten des Dr. B. vom März 2005. Ähnliches gilt für das Kriterium des Vermeidungsverhaltens, über das , so Dr. S., die Klägerin gegenüber Dr. B. im Dezember 2002 und damit nach mehr als 10 Jahren berichtet hatte. Somit ergeben sich bereits ernste Zweifel an einer gesicherten Diagnose einer PTBS.
Der Senat vermag sich auch nicht der Auffassung, insbesondere von Dr. C., anzuschließen, die spezifische Wirksamkeit der Psychotraumatherapie durch Diplompsychologe W. zwinge zu dem Schluss, es habe sich um eine PTBS und deren erfolgreiche Behandlung gehandelt. Für den Therapieerfolg können auch andere Ursachen zum Tragen gekommen sein. Ein zwingender Schluss wird nicht erläutert und folgt hieraus nicht. Ebenso wenig kann sich der Senat der Meinung anschließen, das Argument, die Störung sei nicht innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Unfall aufgetreten, sei kein Ausschlusskriterium für die Diagnose einer PTBS; es gebe auch eine Variante des Störungsverlaufs. Dies mag zutreffen, reicht jedoch nicht aus, um zu begründen, warum gerade im Falle der Klägerin diese Ausnahmesituation bestanden haben soll.
Ebenso wenig kann der Senat dem Gutachten von Dr. C. folgen, so weit darin eine depressive Episode sowie eine Agoraphobie mit Panikstörung als Folge des Ereignisses genannt wird. Die epidemiologisch gewonnene medizinische Erfahrung, dass zwischen PTBS und anderen psychischen Störungen eine häufig anzutreffende Verbindung bestehe, reicht nicht aus, um die Kausalität im Sinne der Unfallversicherung zwischen der depressiven Episode und dem angeschuldigten Ereignis im Grad der Wahrscheinlichkeit zu belegen. Dr. C. führte insoweit aus, der genaue Zusammenhang sei nach dem derzeitigem Wissensstand nicht beurteilbar. Es sei zu vermuten, dass es durch die unfallbedingten Angstsymptome zu Partnerschaftsproblemen und einem Verstärkerverlust mit folgender Einschränkung der kompensatorischen Fähigkeiten gekommen sei und die Trennung dann endgültig die depressive Episode ausgelöst habe. Wenn die Sachverständige im Anschluss ausführt, damit komme dem Unfall eine wesentliche Teilursache für die depressive Episode zu, so verkennt sie die Beweismaßstäbe für die Kausalität im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Danach ist die Annahme einer wesentlichen Teilursache nur dann zulässig, wenn die jeweils konkurrierenden Ursachen im Grad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können und sich bei der Abwägung ihrer Bedeutung für die Unfallfolgen ergibt, dass eine Ursache rechtlich wesentlich ist. Somit genügt es nicht, eine Mitursache lediglich zu vermuten und noch weniger, die vermutete Ursache als wahrscheinliche Mitursache zu betrachten.
Damit kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass das Gutachten von Dr. C. keine Grundlage bietet für die Anerkennung dauerhafter oder zumindest über einen längeren Zeitraum andauernder Gesundheitsstörungen als Folge des Ereignisses vom 11.04.1992. Für das Gutachten von Dr. B. vom 23.03.2005 und das Gutachten von Dr. B. vom 05.12.2002 gilt Ähnliches. Die beiden Sachverständigen unterscheiden ebenso nicht zwischen der Diagnosestellung einer PTBS und der Begründung des Kausalzusammenhanges zwischen der sicher festgestellten psychischen Erkrankung mit dem angeschuldigten Ereignis. Sie schließen beide aus der von ihnen getroffenen Diagnose einer PTBS auf eine zwingende Ursächlichkeit mit dem Flugunfall. Eine Abwägung mit anderen in Betracht kommenden Ursachen, die gerade bei einer psychischen Erkrankung von besonderer Bedeutung sind, wie Dr. S. ausführt, nehmen Sie nicht vor. Sie erklären vielmehr, Alternativursachen gäbe es nicht. Wie sie zu dieser Feststellung gelangten, erläutern sie nicht weiter, obwohl dies nahe gelegen hätte, zumal die in der Familie der Klägerin bekannten Störungen und die latenten Partnerprobleme genügend Anlass geboten hätten. In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen des Bundessozialgerichts (Urteil vom 09.05.2006 a.a.O.) von besonderer Bedeutung. Dort wird ausgeführt, im Bereich des Arbeitsunfalls gebe es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache sei, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Insofern genügt es nicht, lediglich die Kriterien für die Diagnosestellung einer PTBS zu benennen und zu belegen. Vielmehr müssen andere erkennbare Ursachen, wie sie sich hier aus der Lebensgeschichte der Klägerin anbieten, in die Kausalbetrachtung miteinbezogen werden.
Der Senat kommt damit zum Ergebnis, dass weder eine PTBS noch eine depressive Episode, sei sie mittelgradigen oder schweren Ausmaßes (IDD-10 F 32.1 oder F 32.2), als Folge des Ereignisses vom 11.04.1992 festzustellen ist. Die auf Feststellung eines Arbeitsunfalls und von Unfallfolgen geänderte Klage war auf die Berufung der Beklagten abzuweisen. Damit führt die Berufung der Beklagten zur Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 16.12.2005. Die Anschlussberufung der Klägerin war als Folge davon zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision sind Gründe gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob psychische Störungen, deretwegen die Klägerin ab 1994 einer psychotherapeutischen Behandlung bedurfte und die ab 01.12.1994 zu erheblichen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit geführt hatten, Folgen eines Flugunfall vom 11.04.1992 sind bzw. waren.
Die 1963 geborene Klägerin war seit 15.12.1986 als Flugbegleiterin bei der H. Flug GmbH beschäftigt. Am 11.04.1992 war sie an Bord eines Airbus A 310 auf dem Flug von A-Stadt nach R. eingesetzt. Beim Versuch auf dem Flughafen R. zu landen bekam das Flugzeug bei starkem Seitenwind mit der rechten Tragfläche Bodenberührung. Der Pilot startete daraufhin die Maschine durch und flog den Flughafen H. auf K. an. Dort gelang die Landung ohne Probleme. Aufgabe der Klägerin war es dann, die verunsicherten und teilweise aufgebrachten Passagiere zu beruhigen und in einem Hotel unterzubringen. Verletzt war niemand worden. Anschließend wurde die Flugbesatzung einschließlich der Klägerin von einer Ersatzmaschine in H. abgeholt und nach A-Stadt geflogen. Eine medizinische oder psychologische Betreuung fand in unmittelbarer Folge nicht statt.
Das Luftfahrtbundesamt stufte den Vorgang nicht als Flugunfall ein. Die Klägerin konnte ihren Dienst als Flugbegleiterin weiter verrichten.
Vom 02.04.1993 bis 31.10.1993 war sie 213 Tage wegen einer Epikondylitis radialis rechts und eines Wurzelreizsyndroms arbeitsunfähig. Längere Arbeitsunfähigkeitszeiten sind vom 01.12.1994 bis 31.01.1995 (62 Tage) wegen eines psychischen Erschöpfungszustandes, sowie vom 05.04. bis 30.04.1995 (27 Tage) und vom 01.06.1995 bis 31.07.1995 (61 Tage) dokumentiert. Im Jahr 1996 war die Klägerin vom 05.02.1996 bis 08.09.1996 (213 Tage) wegen eines depressiven Syndroms und einer Agoraphobie arbeitsunfähig erkrankt und im Jahr 1998 vom 20.01.1998 bis 31.08.1998 wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach angeblichem Arbeitsunfall.
In einer Eignungsbeurteilung kam das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe am 20.01.1998 zum Ergebnis, die Klägerin sei zeitlich nicht geeignet für den Einsatz als Flugbegleiterin.
Am 23.01.1998 wandte sich die Betriebskrankenkasse der H. AG an die Beklagte und meldete einen Erstattungsanspruch an, nachdem die Klägerin gegenüber der Krankenkasse erklärt hatte, die vorübergehende Fluguntauglichkeit habe eine berufliche Ursache, nämlich das Ereignis vom 11.04.1992.
Die Klägerin legte eine eigene eidesstattliche Versicherung vom 08.06.1998 vor. Unter anderem versicherte sie darin, sie habe bei der missglückten Landung auf R. Todesangst gehabt. Zunächst sei sie für zirka ein Jahr weiter geflogen. 1993 seien psychische Beschwerden aufgetreten. Sie habe dann eine Psychotherapie begonnen. 1996 sei sie für drei Monate in einer Nervenklinik behandelt worden. Zuvor sei, wohl als Folge ihrer psychischen Fehleinstellung, ihre Partnerschaft zerbrochen, was auch zu finanziellen Problemen geführt habe. Sie sei danach wegen Fluguntauglichkeit im Bodendienst beschäftigt und Ende 1996 auch davon freigestellt worden. Seit März 1998 habe sie keine Dienstbezüge mehr erhalten. Inzwischen sei sie nach erfolgreicher psychologischer Behandlung wieder uneingeschränkt als Flugbegleiterin eingesetzt.
Das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe hatte am 02.10.1998 nach einer 20-stündigen Psychotherapie zur Behandlung einer PTBS sowie einer anschließenden Stabilisierungsphase wieder Flugtauglichkeit festgestellt.
Die Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Ärzte ein. In einem Arztbericht stellte der Nervenarzt Dr. H. am 07.07.1997 die Diagnose einer Panikstörung mit Agoraphobie. In der Anamnese wurde erwähnt, die Mutter der Klägerin habe unter depressiv-ängstlichen Verstimmungszuständen gelitten; der Bruder der Klägerin habe 1993 einen Suizidversuch unternommen, nachdem ihn seine Freundin verlassen hatte. Der Vater habe Alkoholprobleme gehabt. Vor ca. eineinhalb Jahren sei die Klägerin nach 14-jähriger Partnerschaft von ihrem Freund verlassen worden. Sie wolle den Freund wieder zurückgewinnen und rufe ihn täglich an. In einem Arztbrief vom 30.06.1996 der Nervenklinik G. wird über eine schwere depressive Episode bei dependenten, emotional instabilen Persönlichkeitsmerkmalen anlässlich der stationären Behandlung vom 05.02.1996 bis 25.05.96 berichtet. Unter anderem wird erwähnt, die Klägerin sei im Juni 1995 von ihrem Freund weggelaufen. Der Orthopäde Dr. S. schilderte die einmalige Behandlung der Klägerin wegen Epikondylits rechts am 09.11.1994. Prof. Dr. M. erklärte am 24.03.1999, er gebe keine Auskunft über die frühere Behandlung der Klägerin.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Neurologe Dr. K. am 27.05.1999 ein Gutachten. Mit einer zeitlichen Latenz habe sich ein psychisches Krankheitsbild entwickelt, welches sicherlich mehrere Einflussgrößen habe, vor allem das Ereignis vom 11.04.1992, aber auch die Trennung vom langjährigen Lebenspartner. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang mit dem angeschuldigten Vorfall spreche vor allem die zeitliche Latenz, zumal auch Partnerprobleme bestanden hatten.
Mit Bescheid vom 12.08.1999 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 11.04.1992 ab. Das erstmals ab 1994 behandlungsbedürftige neurologische Krankheitsbild sei nicht Folge des Geschehens vom 11.04.1992 sondern stehe mit persönlichen Lebenskonflikten in Zusammenhang. Ein rechtlich wesentlicher ursächlicher Zusammenhang mit dem angeschuldigten Geschehen lasse sich nach dem Gutachten des Dr. K. nicht begründen. Es habe sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt ; Entschädigungsansprüche bestünden nicht.
Den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung, eine traumatische Belastungsstörung sei, wenn auch zeitlich versetzt, ab 1993/1994 erkennbar gewesen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2000 zurück.
Dagegen erhob die Klägerin beim Sozialgericht München Klage mit dem Antrag, Entschädigungsleistungen zu gewähren. Sie stützte sich auf die Auffassung der Diplompsychologen W. und H., beide Flugmedizinisches Institut der Luftwaffe, vom 23.02.1998. Darin erklärten diese, der psychisch-physische Zustand der Klägerin, wie auch nahezu alle Veränderungen im privaten und beruflichen Umfeld nach dem Unfall stünden im ursächlichen Zusammenhang mit dem Flugunfall.
Auf Antrag der Klägerin (§ 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG) erstattete der Neurologe und Psychiater Dr. B. am 05.12.2002 ein Gutachten. Er kam zum Ergebnis, auf Grund der Untersuchung der Klägerin am 06.09.2002 bestünden derzeit keine Hinweise auf aktuelle psychische Störungen, insbesondere keine feststellbaren Restsymptome einer durchgemachten PTBS. Nach dem Flugunfall habe sich aber eine PTBS entwickelt, daneben Angststörungen im Sinne einer Flugphobie und eine Depression. Die zeitliche Verzögerung, mit der die PTBS aufgetreten sei, spreche nicht gegen die Diagnose. Nach der ICD-10 Klassifizierung betrage die Latenz Wochen bis Monate, selten mehr als sechs Monate. Dass die psychischen Störungen erst wesentlich später aufgetreten seien, habe an der Kompensationsfähigkeit der Klägerin gelegen. Aus der Tatsache, dass erst die trauma-fokusierte Therapie durch Diplompsychologe W. eine Besserung erbracht habe, sei der Rückschluss erlaubt, das keine primär persönliche, neurotische oder aus dem Verlust der Partnerschaft resultierende Störung vorgelegen habe. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten von 1993 bis 1998 seien unfallbedingt gewesen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) habe von Anfang 1993 bis Mitte 1998 40 v.H. betragen.
Die Beklagte wandte ein, die Diagnose einer PTBS sei nicht zutreffend. Das angeschuldigte Ereignis sei nicht außergewöhnlich bedrohlich oder katastrophenartig gewesen. Zudem fehlten Nachweise über charakteristische Symptome in zeitlicher Nähe zum Zwischenfall.
Im Auftrag des Sozialgerichts erstattete Privatdozent Dr. B. am 23.03.2005 ein weiteres Gutachten. Ab 1993/1994 habe eine deutliche posttraumatische Symptomatik vorgelegen. Es habe sich nachfolgend eine mittelschwere depressive Symptomatik entwickelt und in der Folge davon Partnerschaftskonflikte. Ab der Trennung vom Partner im Juli 1995 habe eine schwere depressive Episode bestanden, die zumindest rechtlich teilursächlich auf den Unfall von 1992 zurückzuführen sei. Auch das 1993 aufgetretene Wurzelreizsyndrom und die Epikondylitis mit 213 Tagen Arbeitsunfähigkeit seien bereits Ausdruck der sich anbahnenden PTBS gewesen. Die MdE sei von Mitte 1993 bis Mitte 1995 mit 20 v.H. und danach bis Oktober 1998 mit 30 v.H. zu bewerten.
Die Beklagte wandte ein, gegen eine PTBS spreche eindeutig, dass die Klägerin zunächst weiter im Flugdienst tätig sein konnte und nach ihren eigenen Angaben erst im Frühjahr 1994 alles angefangen habe, wie sie sich ausdrückte.
Zuletzt beantragte die Klägerin, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Unfalls vom 11.04.1992 dem Gutachten des Dr. B. vom 23.03.2005 entsprechend und unter Berücksichtigung des Leistungsauszugs der Betriebskrankenkasse der H. AG vom 14.09.1998 Verletztengeld bzw. Verletztenrente zu gewähren.
Mit Urteil vom 16.12.2005 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte diesem Antrag entsprechend. Es stützte sich auf das Gutachten des Dr. B ...
Dagegen legte die Beklagte Berufung ein. Die Entscheidung des Sozialgerichts könne keinen Bestand haben. Zum einen entspreche die Beweiswürdigung in tatsächlicher Hinsicht nicht den in der gesetzlichen Unfallversicherung maßgebenden Kriterien. Zum anderen sei die Frage des ursächlichen Zusammenhangs der festgestellten Gesundheitsschäden mit dem angeschuldigten Ereignis nicht zutreffend beantwortet worden. Über ihre Ängste während des Vorfalls vom 11.04.1992 habe die Klägerin erstmals während der stationären Behandlung in G. vom 05.02.1996 bis 25.05.1996 berichtet. Im privaten Umfeld hätten zumindest 1995 psychische Belastungen vorgelegen; aus der Familie (Mutter, Bruder) seien psychische Erkrankungen bekannt. Nicht einmal die Diagnose einer PTBS sei gesichert.
Am 30.10.2007 beauftragte der Senat den Neurologen und Psychiater Dr. S. mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage und falls erforderlich nach ambulanter Untersuchung. Nachdem die Klägerin erklärt hatte, einer Untersuchung nicht Folge leisten zu wollen, weil der behandelnde Psychotherapeut davon abgeraten habe, erstellte der Sachverständige das Gutachten nach Aktenlage. Im Gutachten vom 24.07.2008 führte er aus, durch den Vorfall vom 11.04.1992 sei auf psychiatrischem Gebiet keine überdauernde Gesundheitsstörung eingetreten. An der Diagnose einer PTBS bestehe erheblicher Zweifel auf Grund der zeitlichen Latenz zum ersten Auftreten einer typischen Symptomatik bei gleichzeitig bestehendem Partnerkonflikt und der zunächst im Vordergrund stehenden Angstsymptomatik.
Auf weiteren Antrag der Klägerin erstattete die Ärztin für Psychotherapie und Psychiatrie, Sozialmedizin Dr. C. am 27.09.2008 ein weiteres Gutachten nach Aktenlage; eine ambulanter Untersuchung hielt sie nicht für erforderlich. Sie legte dar, der Flugzwischenfall sei ein objektiv und subjektiv bedrohliches Ereignis gewesen, das geeignet gewesen sei, eine PTBS auszulösen. Der Unfall müsse als eine mögliche unmittelbare oder mittelbare Ursache für die spätere depressive Episode angesehen werden. Die zeitliche Latenz zwischen dem Ereignis und der ersten Schilderung entsprechender Symptome finde sich häufig. Das liege daran, dass den Untersuchern häufig Erfahrung mit der Diagnose PTBS fehle. Die Forderung, Störungen müssten spätestens innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Ereignis auftreten, sei kein Ausschlusskriterium, ebenso wenig das Fehlen von Brückensymptomen. Prämorbide Störungen und eine Schadensanlage kämen zwar als Alternativursachen in Betracht. Solche lägen aber nach den vorhandenen Unterlagen zu Biografie, psychischen Vorerkrankungen, familiärer Disposition und Reaktionen auf vorherige Belastungen sowie zu Persönlichkeitsmerkmalen nicht vor. Die Trennung vom Partner sei zwar ein wesentlicher Dekompensationsfaktor im traumatischen Prozess, aber kein bedeutsamer Ursachenfaktor. Vielmehr handle es sich um Faktoren, die zur Auslösung bzw. Verschlimmerung der Störung beigetragen hätten. Dem Unfall komme nicht nur für die PTBS sondern auch für die depressive Episode eine wesentliche Teilursache zu. Die MdE habe vom 01.02.1995 bis 30.11.1995 und vom 01.06.1996 bis 31.10.1998
30 v.H. betragen, dazwischen, nämlich vom 01.12.1995 bis 31.05.1996 40 v.H.
Die Beklagte wandte ein, ihrer Auffassung nach sei dem Gutachten von Dr. S. zu folgen. Die Klägerin erklärte, Dr. S. sei ihrer Meinung nach nicht kompetent, weil ihm die Qualifikation für die Beurteilung psychotraumatischer Störungen fehle. Sie regte an, eine Entscheidung auf der Basis der von Dr. C. festgestellten MdE zu treffen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.12.2005 aufzuheben und die
Klage gegen den Bescheid vom 12.08.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 18.01.2000 abzuweisen,
sowie die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und auf ihre Anschlussberu-
fung das Ereignis vom 11.04.1992 als Arbeitsunfall mit PTBS sowie einer
mittelschweren bis schweren depressiven Episode als Unfallfolgen festzu-
stellen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 16.12.2005 und Abweisung der Klage gegen den Bescheid vom 12.08.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2000. Die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig gem. §§ 143, 202 SGG i. V. m. § 524 ZPO (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., § 143 Rdnr. 5), aber unbegründet.
Die Berufung der Beklagten muss schon deshalb zur Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts führen, weil zum einen der Tenor unbestimmt ist und keinen vollstreckbaren Inhalt hat und zum anderen die Klage, im Rahmen des zuletzt vor dem Sozialgericht gestellten Antrags unzulässig war. Im angefochtenen Bescheid vom 12.08.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 18.01.2000 entschied die Beklagte lediglich darüber, dass das Ereignis vom 11.04.1992 kein Arbeitsunfall war und keine unfallbedingten Gesundheitsstörungen zurückgeblieben sind. Über Verletztengeld oder eine mögliche Rente liegt keine Entscheidung vor. Dies ist jedoch bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage, als solche ist der Klageantrag zu verstehen, erforderlich. Richtige Klageart ist die Feststellungsklage (vgl. hierzu Bundessozialgericht 16.11.2005- B 2 U 28/04 R und 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R). Mit einer solchen Klage hätte die Klägerin die Feststellung begehren können, dass das Ereignis vom 11.04.1992 ein Arbeitsunfall war und bestimmte psychische Störungen Folgen dieses Arbeitsunfalls sind bzw. waren. Die als Anfechtungs- und Leistungsklage formulierte Klage war demnach unzulässig, weil hierzu keine Verwaltungsentscheidung vorlag. Sie hätte allein schon deswegen abgewiesen werden müssen.
Die im Wege der Anschlussberufung auf Feststellung geänderte Klage (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 99 Rdnr. 12) ist gem. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG - auch ohne Einwilligung der Beklagten - zulässig, weil ein Übergang von einer Anfechtungs- und Leistungsklage zu einer Feststellungsklage jederzeit möglich ist. Es ist daher von dem so geänderten Klageantrag auszugehen. Dieser ist gerichtet auf Aufhebung der vorgenannten Bescheide sowie Feststellung, dass das Ereignis vom 11.04.1992 ein Arbeitsunfall ist und eine PTBS sowie eine mittelschwere bzw. schwere depressive Episode Unfallfolgen sind. Auch die mit dem so geänderten Antrag erhobene Klage ist unbegründet, weil die Berufung der Beklagten durchgreift.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf entsprechende Feststellung (§ 55 SGG). Das Ereignis vom 11.04.1992 war kein Arbeitsunfall i.S.d. hier gem. § 212, 214 Abs. 3 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) noch anzuwendenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), hier der §§ 539, 548 RVO, weil davon Unfallfolgen oder Behandlungsbedürftigkeit nicht zurückgeblieben sind. Nach § 548 Abs. 1 S 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeit erleidet. Die Begriffsbestimmung in § 548 Abs. 1 RVO ist ungenau und ist durch den für Versicherungsfälle ab 01.01.1997 geltenden § 8 SGB VII präziser bestimmt worden. Unfälle sind danach zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden führen. Diese Definition entspricht den bereits früher von Rechtsprechung und Lehre aufgestellten Anforderungen und kann deshalb auch hier angewandt werden. Dass ein Arbeitsunfall auch dann vorliegt, wenn keine physischen sondern psychische Störungen zurückbleiben, ist nicht streitig. Streitig ist aber, ob die bei der Klägerin ab 1994 behandelten Störungen Folgen des Ereignisses waren. Der Senat vertritt die Auffassung, dass bereits die Diagnose PTBS nicht im hier erforderlichen Grad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bewiesen werden kann. Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen im Grad der Gewissheit bewiesen werden. Dies sind die versicherte Tätigkeit, die zum Unfall führende Verrichtung, der Gesundheitserstschaden und die - ev. erst späteren - Unfallfolgen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 Rn. 10.1. m.w.N.). Gewissheit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch keinen Zweifel hat.
In seiner Entscheidung vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R forderte das Bundessozialgericht als Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen und zwar auf Grund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen. Für die von der Klägerin geltend gemachte PTBS kommt nach der ICD-10-Klassifizierung
F. 43.1 in Betracht. Eine Besonderheit der PTBS besteht darin, dass die Definition der Erkrankung selbst eine Aussage über die Entstehungsursache enthält, nämlich Störungen, die nach einer traumatischen Belastung auftreten. Insoweit ist eine Klarstellung geboten, dass diese Kausalaussage nur der Diagnosestellung dient und noch nicht die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen einem als Arbeitsunfall angeschuldigten Ereignis und der als PTBS zu bezeichnenden Erkrankung beinhaltet oder sogar ersetzt.
Diagnostische Kriterien der PTBS sind nach DSM-IV oder ICD-10 ein lebensbedrohliches oder katastrophenähnliches Ereignis (A) , das wiederholte und sich aufdrängende Erinnerungen an das Ereignis (B) und ein Vermeidungsverhalten (C) hervorruft. Hinzukommen muss, dass vor dem Trauma Störungen wie Ein- und Durchschlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Hypervigilanz und übertriebene Schreckreaktionen nicht vorhanden waren (D). Der Senat schließt sich den insoweit übereinstimmenden Gutachten an, dass die Unfallsituation ein entsprechend belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung im Sinne der Diagnosestellung nach ICD-10 war. Insoweit bedarf es auch keines weiteren Eingehens mehr auf die Frage, ob ein objektives oder nur subjektives Belastungsmoment ausreicht und festgestellt werden muss.
Von wesentlicher Bedeutung ist die Tatsache, dass die Kriterien B und C erst mit erheblicher Latenz dokumentiert sind. Übereinstimmend berichten die im Verfahren gehörten Sachverständigen, dass die Kriterien in der Regel spätestens nach sechs Monaten aufzutreten pflegen. Im hier zu entscheidenden Fall hätten solche Symptome spätestens bis Oktober 1992 erkennbar sein müssen. Ärztlich dokumentierte entsprechende Beschwerdeschilderungen sind erst dem Entlassbericht der Nervenklinik G. vom 30.06.1996 zu entnehmen. Dort berichtete die Klägerin, sie habe in der Folgezeit Angstzustände entwickelt. Wenn man den späteren Angaben der Klägerin, die insoweit konsistent sind, Glauben geschenkt, so haben sich psychische Probleme im Laufe des Jahres 1994 entwickelt. Aus dem Bericht des Nervenarztes Dr. H. vom 07.07.1997 geht hervor, die Klägerin habe angegeben, ca. ein Jahr nach dem Unfall hätten sich zunehmend Ängste offenbart. Innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ist damit das Auftreten solcher PTBS spezifischer Kriterien nicht nachzuweisen.
Wenn einige Gutachter, darunter Dr. B. und Dr. C. einwenden, das Kriterium des zeitnahen Auftretens solcher Beschwerden führe nicht zum Ausschluss einer PTBS, so ist diesen zu entgegnen, dass hier nicht der Ausschluss genügt, sondern dass der positive Nachweis zu führen ist. Insofern helfen auch die Überlegungen nicht weiter, den Erstuntersuchern habe die Erfahrung im Umgang mit der Diagnosestellung einer PTBS gefehlt und die maßgeblichen Faktoren seien nicht exakt genug hinterfragt worden. Denn auch dann bleibt es dabei, dass eine diesbezügliche Feststellung nicht positiv getroffen werden kann. Hinzu kommt, dass das weitere Kriterium (B), nämlich das wiederholte unausweichliche Erinnern oder Wiederinszenieren des Ereignisses im Gedächtnis, in Tagträumen oder Träumen von der Klägerin zeitnah zum Geschehen vom 11.04.1992 nirgends berichtet wurde. Aus ihrem tatsächlichen Verhalten lässt sich eher das Gegenteil vermuten. Es steht fest, dass die Klägerin unmittelbar nach dem Vorfall ein Flugzeug betreten und in der nachfolgenden Zeit für ca. eineinhalb Jahre ihren Beruf als Flugbegleiterin ausüben konnte. Auch anlässlich des Aufenthalts in der Nervenklinik G. im Frühjahr 1996 wurden diesbezüglich von ihr keine typischen Situationen berichtet. Solche Schilderungen finden sich erst sehr viel später, wie etwa in dem Gutachten des Dr. B. vom März 2005. Ähnliches gilt für das Kriterium des Vermeidungsverhaltens, über das , so Dr. S., die Klägerin gegenüber Dr. B. im Dezember 2002 und damit nach mehr als 10 Jahren berichtet hatte. Somit ergeben sich bereits ernste Zweifel an einer gesicherten Diagnose einer PTBS.
Der Senat vermag sich auch nicht der Auffassung, insbesondere von Dr. C., anzuschließen, die spezifische Wirksamkeit der Psychotraumatherapie durch Diplompsychologe W. zwinge zu dem Schluss, es habe sich um eine PTBS und deren erfolgreiche Behandlung gehandelt. Für den Therapieerfolg können auch andere Ursachen zum Tragen gekommen sein. Ein zwingender Schluss wird nicht erläutert und folgt hieraus nicht. Ebenso wenig kann sich der Senat der Meinung anschließen, das Argument, die Störung sei nicht innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Unfall aufgetreten, sei kein Ausschlusskriterium für die Diagnose einer PTBS; es gebe auch eine Variante des Störungsverlaufs. Dies mag zutreffen, reicht jedoch nicht aus, um zu begründen, warum gerade im Falle der Klägerin diese Ausnahmesituation bestanden haben soll.
Ebenso wenig kann der Senat dem Gutachten von Dr. C. folgen, so weit darin eine depressive Episode sowie eine Agoraphobie mit Panikstörung als Folge des Ereignisses genannt wird. Die epidemiologisch gewonnene medizinische Erfahrung, dass zwischen PTBS und anderen psychischen Störungen eine häufig anzutreffende Verbindung bestehe, reicht nicht aus, um die Kausalität im Sinne der Unfallversicherung zwischen der depressiven Episode und dem angeschuldigten Ereignis im Grad der Wahrscheinlichkeit zu belegen. Dr. C. führte insoweit aus, der genaue Zusammenhang sei nach dem derzeitigem Wissensstand nicht beurteilbar. Es sei zu vermuten, dass es durch die unfallbedingten Angstsymptome zu Partnerschaftsproblemen und einem Verstärkerverlust mit folgender Einschränkung der kompensatorischen Fähigkeiten gekommen sei und die Trennung dann endgültig die depressive Episode ausgelöst habe. Wenn die Sachverständige im Anschluss ausführt, damit komme dem Unfall eine wesentliche Teilursache für die depressive Episode zu, so verkennt sie die Beweismaßstäbe für die Kausalität im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung. Danach ist die Annahme einer wesentlichen Teilursache nur dann zulässig, wenn die jeweils konkurrierenden Ursachen im Grad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können und sich bei der Abwägung ihrer Bedeutung für die Unfallfolgen ergibt, dass eine Ursache rechtlich wesentlich ist. Somit genügt es nicht, eine Mitursache lediglich zu vermuten und noch weniger, die vermutete Ursache als wahrscheinliche Mitursache zu betrachten.
Damit kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass das Gutachten von Dr. C. keine Grundlage bietet für die Anerkennung dauerhafter oder zumindest über einen längeren Zeitraum andauernder Gesundheitsstörungen als Folge des Ereignisses vom 11.04.1992. Für das Gutachten von Dr. B. vom 23.03.2005 und das Gutachten von Dr. B. vom 05.12.2002 gilt Ähnliches. Die beiden Sachverständigen unterscheiden ebenso nicht zwischen der Diagnosestellung einer PTBS und der Begründung des Kausalzusammenhanges zwischen der sicher festgestellten psychischen Erkrankung mit dem angeschuldigten Ereignis. Sie schließen beide aus der von ihnen getroffenen Diagnose einer PTBS auf eine zwingende Ursächlichkeit mit dem Flugunfall. Eine Abwägung mit anderen in Betracht kommenden Ursachen, die gerade bei einer psychischen Erkrankung von besonderer Bedeutung sind, wie Dr. S. ausführt, nehmen Sie nicht vor. Sie erklären vielmehr, Alternativursachen gäbe es nicht. Wie sie zu dieser Feststellung gelangten, erläutern sie nicht weiter, obwohl dies nahe gelegen hätte, zumal die in der Familie der Klägerin bekannten Störungen und die latenten Partnerprobleme genügend Anlass geboten hätten. In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen des Bundessozialgerichts (Urteil vom 09.05.2006 a.a.O.) von besonderer Bedeutung. Dort wird ausgeführt, im Bereich des Arbeitsunfalls gebe es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache sei, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Insofern genügt es nicht, lediglich die Kriterien für die Diagnosestellung einer PTBS zu benennen und zu belegen. Vielmehr müssen andere erkennbare Ursachen, wie sie sich hier aus der Lebensgeschichte der Klägerin anbieten, in die Kausalbetrachtung miteinbezogen werden.
Der Senat kommt damit zum Ergebnis, dass weder eine PTBS noch eine depressive Episode, sei sie mittelgradigen oder schweren Ausmaßes (IDD-10 F 32.1 oder F 32.2), als Folge des Ereignisses vom 11.04.1992 festzustellen ist. Die auf Feststellung eines Arbeitsunfalls und von Unfallfolgen geänderte Klage war auf die Berufung der Beklagten abzuweisen. Damit führt die Berufung der Beklagten zur Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 16.12.2005. Die Anschlussberufung der Klägerin war als Folge davon zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision sind Gründe gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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