Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 72/09 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 9. Februar 2009 (VK 4/09) bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 125.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin betreibt ein Krankenhaus in P. Die Antragsgegnerin ist eine gesetzliche Krankenkasse.
Ende Oktober 2008 unternahm die Antragsgegnerin eine Ausschreibung "für eine besondere ambulante augenärztliche Versorgung nach § 73 c SGB V für ausgewählte, operationsbedürftige Augenerkrankungen" mit dem Ziel der Vergabe eines Vertrages. Die Ausschreibung erfolgte nach vier regionalen und zwei fachlichen Losen. Das Regionallos 3 umfasste die "Neukreise" Havelland, Brandenburg a.d.H., Potsdam, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming; die beiden fachlichen Lose bestanden in ambulanten Katarakt-Operationen sowie ambulanten Glaskörper- und netzhautchirurgischen Eingriffen. Am 4. Dezember 2008 unterbreitete die Antragstellerin ein auf das Regionallos 3 und beide genannten Fachlose bezogenes Angebot. Zum Eröffnungstermin am 8. Dezember 2008 lag neben fünf weiteren Angeboten anderer Bieter und dem Angebot der Antragstellerin auch ein Angebot der Poliklinik EGmbH (E Poliklinik) vor, das sich ebenfalls auf das Regionallos 3 und beide Fachlose bezog.
Die E Poliklinik ist eine 100prozentige Tochter der Antragstellerin. Die Angebote der Antragstellerin und der E Poliklinik waren mit gleich lautenden Anschreiben versehen. Das Anschreiben zum Angebot der Antragstellerin war unterschrieben von ihrem Geschäftsführer G und ihrem Verwaltungsdirektor K; das Anschreiben zum Angebot der E Poliklinik war unterschrieben vom dortigen Geschäftsführer K und vom kaufmännischen Leiter S. Die Angebote selbst wiesen keine weitere Unterschrift auf.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, ihr Konzept von vornherein nicht berücksichtigen zu können, weil diese gegen das Prinzip des Geheimwettbewerbs zwischen den teilnehmenden Bewerbern verstoßen habe. Sowohl das Angebot der Antragstellerin als auch dasjenige der E Poliklinik sei von Herrn K unterzeichnet, einmal in seiner Eigenschaft als Verwaltungsdirektor der Antragstellerin, einmal in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der E Poliklinik. Beide im Übrigen auch sehr ähnlichen Konzepte könnten daher keine Berücksichtigung finden. Zudem sei in den eingereichten Unterlagen keine Eigenerklärung in Bezug auf die Bereitschaft enthalten, dass die von der Antragsgegnerin zu zahlende Vergütung mit befreiender Wirkung an den Vertragspartner zeitnah geleistet werde. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2008 rügte die Antragstellerin ihren Ausschluss aus dem Ausschreibungsverfahren; ein Verstoß gegen das Prinzip des Geheimwettbewerbs liege nicht vor.
Am 14. Januar 2009 beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg, das Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 102 ff. GWB einzuleiten. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs liege nicht vor, da keine Abstimmung mit dem Angebot der E Poliklinik erfolgt sei. Die Geschäftsführung der Antragstellerin und der E Poliklinik werde von verschiedenen Personen ausgeübt. Auch die von der Antragsgegnerin geforderte Eigenerklärung sei abgegeben worden.
Mit Beschluss vom 9. Februar 2009 wies die Vergabekammer des Landes Brandenburg den Nachprüfungsantrag ohne mündliche Verhandlung zurück. Der Nachprüfungsantrag sei – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – zulässig. Es gelte § 69 Abs. 2 SGB V i.d.F. des GKV-OrgWG mit seiner Bezugnahme auf die §§ 97 bis 115 GWB, da das Vergabeverfahren bei Inkrafttreten dieser Regelung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Die Antragsgegnerin sei öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB. Es liege auch ein öffentlicher Auftrag im Sinne von § 99 Abs. 1 GWB vor; insbesondere mangele es nicht an der erforderlichen Entgeltlichkeit. Der Antrag sei aber offensichtlich unbegründet, weil die Antragstellerin gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs verstoßen habe. Die Antragsgegnerin müsse sich im Rahmen der Ausschreibung an die wesentlichen Prinzipien des Vergaberechts halten (fairer Wettbewerb, Transparenz, Nichtdiskriminierung). Wesentlich und unverzichtbar sei daneben die Gewährleistung eines geheimen Wettbewerbs zwischen den an der Ausschreibung teilnehmenden Bietern; jeder Bieter müsse die ausgeschriebene Leistung in Unkenntnis der konkurrierenden Angebote anbieten. Hieran gemessen habe das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen werden müssen. Dass sie ihr Angebot in Kenntnis des konkurrierenden Angebots der E Poliklinik abgegeben habe, ergebe sich schon daraus, dass Herr K beide Angebote verantwortlich gezeichnet habe. Davon abgesehen wiesen beide Angebote weitgehende inhaltliche Gemeinsamkeiten auf bis hin zur identischen äußeren Gestaltung, so dass insgesamt der Anschein einer wettbewerbswidrigen Scheinkonkurrenz bestehe.
Mit der am 23. Februar 2009 zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhobenen sofortigen Beschwerde begehrt die Antragstellerin die Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer vom 9. Februar 2009 und verfolgt im Übrigen ihr Begehren weiter, nicht von der Ausschreibung ausgeschlossen zu werden. Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen vor: Ein Verstoß gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs liege nicht vor. Die Angebotserstellung sei bei Antragstellerin und E Poliklinik "jeweils gesondert" und ohne gegenseitige Kenntnis erfolgt, nämlich im Hause der Antragstellerin durch die Geschäftsführung und bei der E Poliklinik durch deren kaufmännischen Leiter und Prokuristen. Herr K habe bei Unterzeichnung des Angebots der Antragstellerin keine inhaltliche Kenntnis gehabt. Antragstellerin und E Poliklinik seien eigenständig wirtschaftende Unternehmungen mit eigenem Personal und eigenen Geschäftsräumen; zudem sei der Unternehmensgegen¬stand verschieden. Der Nachweis für eine wettbewerbswidrige Absprache sei nicht erbracht. Allein die Identität der Geschäftsführung zweier verbundener Unternehmen belege keine wechselseitige Kenntnis von Angebotsinhalten. Im Übrigen bestreitet die Antragstellerin die Zuständigkeit des erkennenden Senats und begehrt Verweisung an den Vergabesenat des Landessozialgerichts, hilfsweise an den 7., für Vertragsarztrecht zuständigen Senat.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Der Eilantrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB müsse zurückgewiesen werden, da die sofortige Beschwerde keine Erfolgsaussicht habe; sie sei – wie auch der Nachprüfungsantrag nach § 107 Abs. 1 GWB – schon unzulässig. Bei den anvisierten Verträgen über Dienstleistungen des Gesundheitswesens im Sinne von § 73 c SGB V handele es sich nicht um öffentliche Dienstleistungsaufträge im Sinne des Kartellvergaberechts, denn die Versicherten entschieden hier, ob sie die ausgeschriebenen Programme oder weiter die Regelversorgung in Anspruch nähmen. Sie sei als gesetzliche Krankenkasse zudem keine öffentliche Auftraggeberin im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB, denn sie werde nicht überwiegend staatlich finanziert. Von alldem abgesehen sei von der Antragstellerin jedenfalls gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs verstoßen worden.
II.
Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. a) Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wie auch über den damit verbundenen Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Dies folgt aus den mit Wirkung vom 18. Dezember 2008 durch Art. 2b Nr. 2 und Nr. 3 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG, BGBl. I S. 2426) eingeführten §§ 29 Abs. 5 und 142a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach entscheidet in Streitigkeiten über Entscheidungen von Vergabekammern, die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen, ausschließlich das für den Sitz der Vergabekammer zuständige Landessozialgericht (§ 29 Abs. 5 Satz 1 SGG). Dabei sind § 115 Abs. 2 Satz 2 bis 5, § 116 Abs. 1 und 2, die §§ 117 bis 123 sowie die §§ 125 und 126 GWB entsprechend anzuwenden (§ 142a Abs. 1 SGG).
b) Weil hier die Vergabekammer des Landes Brandenburg tatsächlich und in der Sache entschieden und damit den spezifischen vergaberechtlichen Rechtsschutz nach §§ 102 ff. bzw. 116 ff. GWB eröffnet hat, ist das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gemäß § 116 Abs. 1 GWB sowie den damit verbundenen Eilantrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB. Innerhalb des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg sind entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan (GVPl.) für das Jahr 2009 drei Senate für das Recht der Krankenversicherung zuständig (1., 9. und 24. Senat). Zum Fachgebiet der Krankenversicherung gehören nach Abschnitt I. Nr. 13. Buchst. h) GVPl. Vergabestreitigkeiten auf der Grundlage der §§ 69, 73 c SGB V, wie das Präsidium des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 5. März 2009 klarstellend auch für die vor dem 5. März 2009 eingegangenen Beschwerden entschieden hat.
c) Nach summarischer Prüfung hat die Vergabekammer sich auch zu Recht für zuständig gehalten, über den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin im Sinne von § 107 Abs. 1 GWB zu entscheiden, weil sie der Auffassung war, das Verfahren unterliege dem Kartellvergaberecht der §§ 97 ff. GWB. Der Nachprüfungsantrag war also nicht etwa unzulässig, weil der Weg zur Vergabekammer gar nicht eröffnet war. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen der Vergabekammer im angefochtenen Beschluss vom 9. Februar 2009. Ergänzend bleibt anzumerken: § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB V (eingeführt durch Art. 1 Nr. 1e Buchst. b GKV-OrgWG) erklärt u.a. für Vertragsschlüsse nach § 73 c SGB V die §§ 97 bis 115 GWB – mithin das dort geregelte "Vergaberecht" – für anwendbar, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Grundsätzlich wollte der Gesetzgeber mit der Einführung von § 69 Abs. 2 SGB V die Zweifel daran beseitigen, ob die Vorschriften, die die Pflicht zur Ausschreibung öffentlicher Aufträge und die konkrete Ausgestaltung dieser Verpflichtung regeln, auch auf Versorgungsverträge der Krankenkassen anzuwenden sind (vgl. BT-Drs. 16/10609, S. 65, r. Sp.). Diese Frage war Gegenstand vieler Rechtsstreitigkeiten sowie noch im Laufe des Jahres 2008 einer Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen (vgl. nur Engelmann, SGb 2008, S. 133; Kingreen, SGb 2008, S. 437; Goodarzi/Schmid, NZS 2008, S. 518; Klöck, NZS 2008, S. 178). Die Stoßrichtung des Gesetzes geht nach Auffassung des Senats damit eindeutig in die Richtung, Verträge von gesetzlichen Krankenkassen mit Leistungserbringern den §§ 97 ff. GWB unterfallen zu lassen mit der Konsequenz, dass unterlegene Bieter spezifischen Rechtsschutz vor den Vergabekammern und sodann bei den Landessozialgerichten finden; diese Intention kann nicht ohne Auswirkungen bleiben bei Beantwortung der Fragen, ob eine gesetzliche Krankenkasse – wie im vorliegenden Fall – "öffentlicher Auftraggeber" im Sinne von § 98 GWB ist und ob ein "entgeltlicher" Vertrag im Sinne von § 99 GWB in Rede steht (vgl. zu letzterem in Zusammenhang mit § 73 c SGB V – Entgeltlichkeit ausdrücklich bejahend – Goodarzi/Schmid, a.a.O., S. 522). Diese Fragen sind im Zweifel vergaberechtsfreundlich auszulegen, nachdem der Gesetzgeber eindeutig seine Absicht zum Ausdruck gebracht hat, das Kartellvergaberecht auf Verträge von gesetzlichen Krankenkassen mit Leistungserbringern anzuwenden. 2. Prozessual findet das Begehren nach Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde seine Grundlage in § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB. Danach kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde nach § 116 Abs. 1 GWB bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern. Ein Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung besteht, da die von der Antragstellerin eingelegte sofortige Beschwerde an sich nicht offensichtlich unzulässig ist. Nach § 116 Abs. 1 und 2 GWB ist gegen Entscheidungen der Vergabekammer die sofortige Beschwerde zulässig. Sie steht den am Verfahren vor der Vergabekammer Beteiligten zu. Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich bei dem Beschwerdegericht einzulegen; sie ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen und muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 GWB). All diese formalen Voraussetzungen sind erfüllt. Die Entscheidung der Vergabekammer ist der Antragstellerin am 9. Februar 2009 zugestellt worden, sodass die am 23. Februar 2009 bei dem Landessozialgericht eingegangene Beschwerde fristgerecht eingelegt worden ist. Ausdrücklich offen lässt der Senat die Frage, ob es einem Nachprüfungsantrag an der Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB und damit an der Zulässigkeit mangelt oder ob er stattdessen unbegründet ist, wenn der Antragsteller – wie hier – im Falle der erneuten Angebotswertung mit der Erteilung des Zuschlags oder zumindest mit der Verbesserung seiner Zuschlagchancen nicht rechnen kann (vgl. hierzu [zitiert jeweils nach juris]: OLG Thüringen, Beschluss vom 19. April 2004, 6 Verg 3/04, Rdnr. 15; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. September 2003, Verg 52/03, Rdnr. 4). Maßgeblich ist nämlich, dass der Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB hier jedenfalls unbegründet ist, weil die Antragstellerin zu Recht von der Wertung ausgeschlossen wurde.
3. a) Bei seiner Entscheidung über den Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB berücksichtigt das Gericht die Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde. Es lehnt den Antrag ab, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen (§ 118 Abs. 2 GWB). So liegt es hier. Die in der Hauptsache eingelegte sofortige Beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, denn die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag rechtsfehlerfrei als offensichtlich unbegründet behandelt. Daher kommt eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht in Betracht. Hierfür ist maßgeblich, dass die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin zu Recht von der Wertung ausgeschlossen hat, da diese im Zusammenwirken mit einer konkurrierenden Bieterin gegen das Gebot des geheimen Wettbewerbs zwischen den an einer Ausschreibung teilnehmenden Bietern verstoßen hat.
b) Eine wesentliche und unverzichtbare Grundvoraussetzung jeder öffentlichen Auftragsvergabe ist die Sicherstellung eines geheimen Wettbewerbs zwischen den beteiligten Bietern (vgl. OLG Thüringen. a.a.O. Rdnr. 17 m.w.N.; Dreher in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, 4. Aufl. 2007, Rdnr. 12 zu § 97 sowie Rdnr. 4 zu § 111). Nur dann, wenn jeder Bieter die ausgeschriebene Leistung in Unkenntnis der konkurrierenden Angebote, Angebotsgrundlagen und Angebotskalkulationen anbietet, kommt überhaupt ein echter Wettbewerb zustande. Besondere Bedeutung kommt deshalb der strikten (nach Aktenlage hier gewahrten) Einhaltung der vertraulichen Behandlung der Angebote zu. Vor dem Eröffnungstermin sind die schriftlich zugegangenen Angebote beim Eingang auf dem ungeöffneten Umschlag zu kennzeichnen und ungeöffnet unter Verschluss zu halten. Zu Beginn des Eröffnungstermins hat der Verhandlungsleiter festzustellen, ob der Verschluss der schriftlichen Angebote unversehrt ist. Selbst im Anschluss an den Eröffnungstermin sind die Angebote und ihre Anlagen sorgfältig zu verwahren und geheim zu halten.
Diese strenge Ausprägung, die der Vertraulichkeitsgrundsatz im geltenden Vergaberecht erfahren hat, dient einerseits dem Schutz der Bieter insoweit, als die Kenntnis der Angebotskalkulation eines Unternehmens einen Einblick in das Betriebs- und Wirtschaftlichkeitskonzept ermöglicht. Über diese individualschützende Zielrichtung hinaus bietet der Vertraulichkeitsgrundsatz jedoch auch die Gewähr dafür, dass der öffentliche Auftraggeber seiner gesetzlichen Pflicht zur wirtschaftlichen Beschaffung gerecht werden kann. Fehlen die Grundstrukturen eines geheimen Wettbewerbs, gibt es keinen Mechanismus, der die handelnden Institutionen zu wirtschaftlichem Angebots- und Nachfrageverhalten zwingt. Auf Seiten der öffentlichen Hand folgt dieser Zwang aus der Bindungswirkung des Vergaberechts. Auf Seiten der Bieter folgt er – nach marktwirtschaftlichen Regeln – aus der Unkenntnis der Preisgestaltung der konkurrierenden Angebote. Gerade weil der einzelne Bieter nicht weiß, welche Konditionen der Konkurrent seiner Offerte zugrunde legt, wird er, um seine Aussichten auf Erhalt des Zuschlags zu steigern, bis an die Rentabilitätsgrenze seiner individuell berechneten Gewinnzone kalkulieren. Auf diesem natürlichen Preis- und Wettbewerbsdruck beruht die in den Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder verankerte Maxime wirtschaftlichen Handelns; sozialrechtlich entspricht dem das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 Abs. 1 SGB V. Diesem Druck entzieht sich aber auf Bieterseite ohne weiteres, wer die Geheimhaltungsschranken missachtet. Kennt ein Bieter Leistungsumfang und Preise seines Konkurrenten, muss er nicht mehr potenziell preisgünstigere Limits unterbieten, sondern braucht sich nur noch an den ihm bekannten Bedingungen auszurichten. Das Zustandekommen einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache impliziert mithin nicht die ausdrückliche Verständigung zwischen zwei Bietern in einem Vergabeverfahren darüber, wer welche Leistung zu welchem Preis anbietet. Sie ist vielmehr in aller Regel schon dann verwirklicht, wenn ein Angebot in Kenntnis der Bedingungen eines Konkurrenzangebots erstellt wird (vgl. OLG Thüringen, a.a.O. Rdnr. 18 sowie OLG Düsseldorf, a.a.O., Rdnr. 10).
c) Hieran gemessen hat die Antragstellerin in wettbewerbsbeschränkender Weise ihr Angebot in Kenntnis des von der E Poliklinik abgegebenen Angebots erstellt. Nach dem Inhalt der Akten sieht der Senat es als erwiesen an, dass beide Angebote – dasjenige der Antragstellerin und das der E Poliklinik – in wesentlichen Zügen aus derselben Feder stammen. Das ergibt sich schon daraus, dass für beide Angebote ausweislich der Unterschrift dieselbe Person, nämlich K als Verwaltungsdirektor bzw. Geschäftsführer, verantwortlich zeichnet. Während die beiden abgegebenen Angebote nicht gesondert unterschrieben sind, tragen die beiden gesonderten wortgleichen Anschreiben jeweils auch die Unterschrift von Herrn K. Auch oben rechts im Adressfeld des Absenders ist er – in seiner jeweiligen Eigenschaft – als verantwortlich benannt, seine jeweilige e-mail-Adresse ist bezeichnet, identische Telefonnummern werden angegeben. Dies lässt darauf schließen, dass er auch für den Inhalt der Angebote verantwortlich ist. Der Senat hält es für schlechthin nicht nachvollziehbar, dass ein Verwaltungsdirektor einer Klinik, bestätigt durch seine Unterschrift, ein Angebot wie das vorliegende überreicht, das Umsatz in Millionenhöhe nach sich ziehen könnte, gleichzeitig aber für sich reklamiert, mit dem Angebot inhaltlich nichts zu tun haben zu wollen. Unabhängig davon sprechen viele Anhaltspunkte dafür, dass beide Angebote in Kenntnis des jeweiligen Konkurrenzangebots abgegeben worden sind. Bis ins Detail und hin zu Schreibfehlern (jeweils Bl. 8: "Augeheilkunde") sind die Angebote wortgleich. Das kann nur als Beleg dafür genommen werden, dass auch die Verantwortung für die inhaltliche Erarbeitung der Angebote in einer Person konzentriert war. Sie unterscheiden sich nur im Hinblick auf die geringfügig von einander abweichenden Preisvorstellungen; so errechnet etwa die Antragstellerin für eine Katarakt- OP rund 6,50 Euro weniger als die E Poliklinik. Mehr Anhaltspunkte für gegenseitige Kenntnis vom Angebotsinhalt sind kaum vorstellbar.
Weil die konkurrierenden Angebote sich auf dasselbe Fach- und Regionallos beziehen, die beiden gesellschaftsrechtlich mit einander verflochtenen Bieterinnen mithin in einer echten wettbewerblichen Konkurrenzsituation stehen, ist die Kenntnis des jeweiligen Konkurrenzangebots auch erheblich und begründet die Konstellation einer wettbewerbswidrigen Scheinkonkurrenz.
Angebote von Bietern, die eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Abrede getroffen haben, sind auszuschließen. Der Nachprüfungsantrag ist deshalb offensichtlich unzulässig bzw. unbegründet. Die sofortige Beschwerde hat daher nach Aktenlage keine Aussicht auf Erfolg. Der Antragstellerin wird aufgegeben, sich binnen drei Wochen zu erklären, ob die sofortige Beschwerde zurückgenommen wird.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 50 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Der Senat hält es für angemessen, im Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB den Wert des Verfahrensgegenstandes auf die Hälfte des Gegenstandswerts der sofortigen Beschwerde festzusetzen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§§ 142 a, 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin betreibt ein Krankenhaus in P. Die Antragsgegnerin ist eine gesetzliche Krankenkasse.
Ende Oktober 2008 unternahm die Antragsgegnerin eine Ausschreibung "für eine besondere ambulante augenärztliche Versorgung nach § 73 c SGB V für ausgewählte, operationsbedürftige Augenerkrankungen" mit dem Ziel der Vergabe eines Vertrages. Die Ausschreibung erfolgte nach vier regionalen und zwei fachlichen Losen. Das Regionallos 3 umfasste die "Neukreise" Havelland, Brandenburg a.d.H., Potsdam, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming; die beiden fachlichen Lose bestanden in ambulanten Katarakt-Operationen sowie ambulanten Glaskörper- und netzhautchirurgischen Eingriffen. Am 4. Dezember 2008 unterbreitete die Antragstellerin ein auf das Regionallos 3 und beide genannten Fachlose bezogenes Angebot. Zum Eröffnungstermin am 8. Dezember 2008 lag neben fünf weiteren Angeboten anderer Bieter und dem Angebot der Antragstellerin auch ein Angebot der Poliklinik EGmbH (E Poliklinik) vor, das sich ebenfalls auf das Regionallos 3 und beide Fachlose bezog.
Die E Poliklinik ist eine 100prozentige Tochter der Antragstellerin. Die Angebote der Antragstellerin und der E Poliklinik waren mit gleich lautenden Anschreiben versehen. Das Anschreiben zum Angebot der Antragstellerin war unterschrieben von ihrem Geschäftsführer G und ihrem Verwaltungsdirektor K; das Anschreiben zum Angebot der E Poliklinik war unterschrieben vom dortigen Geschäftsführer K und vom kaufmännischen Leiter S. Die Angebote selbst wiesen keine weitere Unterschrift auf.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2008 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, ihr Konzept von vornherein nicht berücksichtigen zu können, weil diese gegen das Prinzip des Geheimwettbewerbs zwischen den teilnehmenden Bewerbern verstoßen habe. Sowohl das Angebot der Antragstellerin als auch dasjenige der E Poliklinik sei von Herrn K unterzeichnet, einmal in seiner Eigenschaft als Verwaltungsdirektor der Antragstellerin, einmal in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der E Poliklinik. Beide im Übrigen auch sehr ähnlichen Konzepte könnten daher keine Berücksichtigung finden. Zudem sei in den eingereichten Unterlagen keine Eigenerklärung in Bezug auf die Bereitschaft enthalten, dass die von der Antragsgegnerin zu zahlende Vergütung mit befreiender Wirkung an den Vertragspartner zeitnah geleistet werde. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2008 rügte die Antragstellerin ihren Ausschluss aus dem Ausschreibungsverfahren; ein Verstoß gegen das Prinzip des Geheimwettbewerbs liege nicht vor.
Am 14. Januar 2009 beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg, das Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 102 ff. GWB einzuleiten. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs liege nicht vor, da keine Abstimmung mit dem Angebot der E Poliklinik erfolgt sei. Die Geschäftsführung der Antragstellerin und der E Poliklinik werde von verschiedenen Personen ausgeübt. Auch die von der Antragsgegnerin geforderte Eigenerklärung sei abgegeben worden.
Mit Beschluss vom 9. Februar 2009 wies die Vergabekammer des Landes Brandenburg den Nachprüfungsantrag ohne mündliche Verhandlung zurück. Der Nachprüfungsantrag sei – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – zulässig. Es gelte § 69 Abs. 2 SGB V i.d.F. des GKV-OrgWG mit seiner Bezugnahme auf die §§ 97 bis 115 GWB, da das Vergabeverfahren bei Inkrafttreten dieser Regelung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Die Antragsgegnerin sei öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB. Es liege auch ein öffentlicher Auftrag im Sinne von § 99 Abs. 1 GWB vor; insbesondere mangele es nicht an der erforderlichen Entgeltlichkeit. Der Antrag sei aber offensichtlich unbegründet, weil die Antragstellerin gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs verstoßen habe. Die Antragsgegnerin müsse sich im Rahmen der Ausschreibung an die wesentlichen Prinzipien des Vergaberechts halten (fairer Wettbewerb, Transparenz, Nichtdiskriminierung). Wesentlich und unverzichtbar sei daneben die Gewährleistung eines geheimen Wettbewerbs zwischen den an der Ausschreibung teilnehmenden Bietern; jeder Bieter müsse die ausgeschriebene Leistung in Unkenntnis der konkurrierenden Angebote anbieten. Hieran gemessen habe das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen werden müssen. Dass sie ihr Angebot in Kenntnis des konkurrierenden Angebots der E Poliklinik abgegeben habe, ergebe sich schon daraus, dass Herr K beide Angebote verantwortlich gezeichnet habe. Davon abgesehen wiesen beide Angebote weitgehende inhaltliche Gemeinsamkeiten auf bis hin zur identischen äußeren Gestaltung, so dass insgesamt der Anschein einer wettbewerbswidrigen Scheinkonkurrenz bestehe.
Mit der am 23. Februar 2009 zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhobenen sofortigen Beschwerde begehrt die Antragstellerin die Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer vom 9. Februar 2009 und verfolgt im Übrigen ihr Begehren weiter, nicht von der Ausschreibung ausgeschlossen zu werden. Zur Begründung bringt sie im Wesentlichen vor: Ein Verstoß gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs liege nicht vor. Die Angebotserstellung sei bei Antragstellerin und E Poliklinik "jeweils gesondert" und ohne gegenseitige Kenntnis erfolgt, nämlich im Hause der Antragstellerin durch die Geschäftsführung und bei der E Poliklinik durch deren kaufmännischen Leiter und Prokuristen. Herr K habe bei Unterzeichnung des Angebots der Antragstellerin keine inhaltliche Kenntnis gehabt. Antragstellerin und E Poliklinik seien eigenständig wirtschaftende Unternehmungen mit eigenem Personal und eigenen Geschäftsräumen; zudem sei der Unternehmensgegen¬stand verschieden. Der Nachweis für eine wettbewerbswidrige Absprache sei nicht erbracht. Allein die Identität der Geschäftsführung zweier verbundener Unternehmen belege keine wechselseitige Kenntnis von Angebotsinhalten. Im Übrigen bestreitet die Antragstellerin die Zuständigkeit des erkennenden Senats und begehrt Verweisung an den Vergabesenat des Landessozialgerichts, hilfsweise an den 7., für Vertragsarztrecht zuständigen Senat.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Der Eilantrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB müsse zurückgewiesen werden, da die sofortige Beschwerde keine Erfolgsaussicht habe; sie sei – wie auch der Nachprüfungsantrag nach § 107 Abs. 1 GWB – schon unzulässig. Bei den anvisierten Verträgen über Dienstleistungen des Gesundheitswesens im Sinne von § 73 c SGB V handele es sich nicht um öffentliche Dienstleistungsaufträge im Sinne des Kartellvergaberechts, denn die Versicherten entschieden hier, ob sie die ausgeschriebenen Programme oder weiter die Regelversorgung in Anspruch nähmen. Sie sei als gesetzliche Krankenkasse zudem keine öffentliche Auftraggeberin im Sinne von § 98 Nr. 2 GWB, denn sie werde nicht überwiegend staatlich finanziert. Von alldem abgesehen sei von der Antragstellerin jedenfalls gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs verstoßen worden.
II.
Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. a) Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wie auch über den damit verbundenen Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Dies folgt aus den mit Wirkung vom 18. Dezember 2008 durch Art. 2b Nr. 2 und Nr. 3 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG, BGBl. I S. 2426) eingeführten §§ 29 Abs. 5 und 142a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach entscheidet in Streitigkeiten über Entscheidungen von Vergabekammern, die Rechtsbeziehungen nach § 69 SGB V betreffen, ausschließlich das für den Sitz der Vergabekammer zuständige Landessozialgericht (§ 29 Abs. 5 Satz 1 SGG). Dabei sind § 115 Abs. 2 Satz 2 bis 5, § 116 Abs. 1 und 2, die §§ 117 bis 123 sowie die §§ 125 und 126 GWB entsprechend anzuwenden (§ 142a Abs. 1 SGG).
b) Weil hier die Vergabekammer des Landes Brandenburg tatsächlich und in der Sache entschieden und damit den spezifischen vergaberechtlichen Rechtsschutz nach §§ 102 ff. bzw. 116 ff. GWB eröffnet hat, ist das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gemäß § 116 Abs. 1 GWB sowie den damit verbundenen Eilantrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB. Innerhalb des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg sind entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan (GVPl.) für das Jahr 2009 drei Senate für das Recht der Krankenversicherung zuständig (1., 9. und 24. Senat). Zum Fachgebiet der Krankenversicherung gehören nach Abschnitt I. Nr. 13. Buchst. h) GVPl. Vergabestreitigkeiten auf der Grundlage der §§ 69, 73 c SGB V, wie das Präsidium des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 5. März 2009 klarstellend auch für die vor dem 5. März 2009 eingegangenen Beschwerden entschieden hat.
c) Nach summarischer Prüfung hat die Vergabekammer sich auch zu Recht für zuständig gehalten, über den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin im Sinne von § 107 Abs. 1 GWB zu entscheiden, weil sie der Auffassung war, das Verfahren unterliege dem Kartellvergaberecht der §§ 97 ff. GWB. Der Nachprüfungsantrag war also nicht etwa unzulässig, weil der Weg zur Vergabekammer gar nicht eröffnet war. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen der Vergabekammer im angefochtenen Beschluss vom 9. Februar 2009. Ergänzend bleibt anzumerken: § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB V (eingeführt durch Art. 1 Nr. 1e Buchst. b GKV-OrgWG) erklärt u.a. für Vertragsschlüsse nach § 73 c SGB V die §§ 97 bis 115 GWB – mithin das dort geregelte "Vergaberecht" – für anwendbar, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Grundsätzlich wollte der Gesetzgeber mit der Einführung von § 69 Abs. 2 SGB V die Zweifel daran beseitigen, ob die Vorschriften, die die Pflicht zur Ausschreibung öffentlicher Aufträge und die konkrete Ausgestaltung dieser Verpflichtung regeln, auch auf Versorgungsverträge der Krankenkassen anzuwenden sind (vgl. BT-Drs. 16/10609, S. 65, r. Sp.). Diese Frage war Gegenstand vieler Rechtsstreitigkeiten sowie noch im Laufe des Jahres 2008 einer Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen (vgl. nur Engelmann, SGb 2008, S. 133; Kingreen, SGb 2008, S. 437; Goodarzi/Schmid, NZS 2008, S. 518; Klöck, NZS 2008, S. 178). Die Stoßrichtung des Gesetzes geht nach Auffassung des Senats damit eindeutig in die Richtung, Verträge von gesetzlichen Krankenkassen mit Leistungserbringern den §§ 97 ff. GWB unterfallen zu lassen mit der Konsequenz, dass unterlegene Bieter spezifischen Rechtsschutz vor den Vergabekammern und sodann bei den Landessozialgerichten finden; diese Intention kann nicht ohne Auswirkungen bleiben bei Beantwortung der Fragen, ob eine gesetzliche Krankenkasse – wie im vorliegenden Fall – "öffentlicher Auftraggeber" im Sinne von § 98 GWB ist und ob ein "entgeltlicher" Vertrag im Sinne von § 99 GWB in Rede steht (vgl. zu letzterem in Zusammenhang mit § 73 c SGB V – Entgeltlichkeit ausdrücklich bejahend – Goodarzi/Schmid, a.a.O., S. 522). Diese Fragen sind im Zweifel vergaberechtsfreundlich auszulegen, nachdem der Gesetzgeber eindeutig seine Absicht zum Ausdruck gebracht hat, das Kartellvergaberecht auf Verträge von gesetzlichen Krankenkassen mit Leistungserbringern anzuwenden. 2. Prozessual findet das Begehren nach Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde seine Grundlage in § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB. Danach kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde nach § 116 Abs. 1 GWB bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern. Ein Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung besteht, da die von der Antragstellerin eingelegte sofortige Beschwerde an sich nicht offensichtlich unzulässig ist. Nach § 116 Abs. 1 und 2 GWB ist gegen Entscheidungen der Vergabekammer die sofortige Beschwerde zulässig. Sie steht den am Verfahren vor der Vergabekammer Beteiligten zu. Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich bei dem Beschwerdegericht einzulegen; sie ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen und muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 GWB). All diese formalen Voraussetzungen sind erfüllt. Die Entscheidung der Vergabekammer ist der Antragstellerin am 9. Februar 2009 zugestellt worden, sodass die am 23. Februar 2009 bei dem Landessozialgericht eingegangene Beschwerde fristgerecht eingelegt worden ist. Ausdrücklich offen lässt der Senat die Frage, ob es einem Nachprüfungsantrag an der Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB und damit an der Zulässigkeit mangelt oder ob er stattdessen unbegründet ist, wenn der Antragsteller – wie hier – im Falle der erneuten Angebotswertung mit der Erteilung des Zuschlags oder zumindest mit der Verbesserung seiner Zuschlagchancen nicht rechnen kann (vgl. hierzu [zitiert jeweils nach juris]: OLG Thüringen, Beschluss vom 19. April 2004, 6 Verg 3/04, Rdnr. 15; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. September 2003, Verg 52/03, Rdnr. 4). Maßgeblich ist nämlich, dass der Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB hier jedenfalls unbegründet ist, weil die Antragstellerin zu Recht von der Wertung ausgeschlossen wurde.
3. a) Bei seiner Entscheidung über den Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB berücksichtigt das Gericht die Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde. Es lehnt den Antrag ab, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen (§ 118 Abs. 2 GWB). So liegt es hier. Die in der Hauptsache eingelegte sofortige Beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, denn die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag rechtsfehlerfrei als offensichtlich unbegründet behandelt. Daher kommt eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht in Betracht. Hierfür ist maßgeblich, dass die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin zu Recht von der Wertung ausgeschlossen hat, da diese im Zusammenwirken mit einer konkurrierenden Bieterin gegen das Gebot des geheimen Wettbewerbs zwischen den an einer Ausschreibung teilnehmenden Bietern verstoßen hat.
b) Eine wesentliche und unverzichtbare Grundvoraussetzung jeder öffentlichen Auftragsvergabe ist die Sicherstellung eines geheimen Wettbewerbs zwischen den beteiligten Bietern (vgl. OLG Thüringen. a.a.O. Rdnr. 17 m.w.N.; Dreher in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, 4. Aufl. 2007, Rdnr. 12 zu § 97 sowie Rdnr. 4 zu § 111). Nur dann, wenn jeder Bieter die ausgeschriebene Leistung in Unkenntnis der konkurrierenden Angebote, Angebotsgrundlagen und Angebotskalkulationen anbietet, kommt überhaupt ein echter Wettbewerb zustande. Besondere Bedeutung kommt deshalb der strikten (nach Aktenlage hier gewahrten) Einhaltung der vertraulichen Behandlung der Angebote zu. Vor dem Eröffnungstermin sind die schriftlich zugegangenen Angebote beim Eingang auf dem ungeöffneten Umschlag zu kennzeichnen und ungeöffnet unter Verschluss zu halten. Zu Beginn des Eröffnungstermins hat der Verhandlungsleiter festzustellen, ob der Verschluss der schriftlichen Angebote unversehrt ist. Selbst im Anschluss an den Eröffnungstermin sind die Angebote und ihre Anlagen sorgfältig zu verwahren und geheim zu halten.
Diese strenge Ausprägung, die der Vertraulichkeitsgrundsatz im geltenden Vergaberecht erfahren hat, dient einerseits dem Schutz der Bieter insoweit, als die Kenntnis der Angebotskalkulation eines Unternehmens einen Einblick in das Betriebs- und Wirtschaftlichkeitskonzept ermöglicht. Über diese individualschützende Zielrichtung hinaus bietet der Vertraulichkeitsgrundsatz jedoch auch die Gewähr dafür, dass der öffentliche Auftraggeber seiner gesetzlichen Pflicht zur wirtschaftlichen Beschaffung gerecht werden kann. Fehlen die Grundstrukturen eines geheimen Wettbewerbs, gibt es keinen Mechanismus, der die handelnden Institutionen zu wirtschaftlichem Angebots- und Nachfrageverhalten zwingt. Auf Seiten der öffentlichen Hand folgt dieser Zwang aus der Bindungswirkung des Vergaberechts. Auf Seiten der Bieter folgt er – nach marktwirtschaftlichen Regeln – aus der Unkenntnis der Preisgestaltung der konkurrierenden Angebote. Gerade weil der einzelne Bieter nicht weiß, welche Konditionen der Konkurrent seiner Offerte zugrunde legt, wird er, um seine Aussichten auf Erhalt des Zuschlags zu steigern, bis an die Rentabilitätsgrenze seiner individuell berechneten Gewinnzone kalkulieren. Auf diesem natürlichen Preis- und Wettbewerbsdruck beruht die in den Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder verankerte Maxime wirtschaftlichen Handelns; sozialrechtlich entspricht dem das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 Abs. 1 SGB V. Diesem Druck entzieht sich aber auf Bieterseite ohne weiteres, wer die Geheimhaltungsschranken missachtet. Kennt ein Bieter Leistungsumfang und Preise seines Konkurrenten, muss er nicht mehr potenziell preisgünstigere Limits unterbieten, sondern braucht sich nur noch an den ihm bekannten Bedingungen auszurichten. Das Zustandekommen einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache impliziert mithin nicht die ausdrückliche Verständigung zwischen zwei Bietern in einem Vergabeverfahren darüber, wer welche Leistung zu welchem Preis anbietet. Sie ist vielmehr in aller Regel schon dann verwirklicht, wenn ein Angebot in Kenntnis der Bedingungen eines Konkurrenzangebots erstellt wird (vgl. OLG Thüringen, a.a.O. Rdnr. 18 sowie OLG Düsseldorf, a.a.O., Rdnr. 10).
c) Hieran gemessen hat die Antragstellerin in wettbewerbsbeschränkender Weise ihr Angebot in Kenntnis des von der E Poliklinik abgegebenen Angebots erstellt. Nach dem Inhalt der Akten sieht der Senat es als erwiesen an, dass beide Angebote – dasjenige der Antragstellerin und das der E Poliklinik – in wesentlichen Zügen aus derselben Feder stammen. Das ergibt sich schon daraus, dass für beide Angebote ausweislich der Unterschrift dieselbe Person, nämlich K als Verwaltungsdirektor bzw. Geschäftsführer, verantwortlich zeichnet. Während die beiden abgegebenen Angebote nicht gesondert unterschrieben sind, tragen die beiden gesonderten wortgleichen Anschreiben jeweils auch die Unterschrift von Herrn K. Auch oben rechts im Adressfeld des Absenders ist er – in seiner jeweiligen Eigenschaft – als verantwortlich benannt, seine jeweilige e-mail-Adresse ist bezeichnet, identische Telefonnummern werden angegeben. Dies lässt darauf schließen, dass er auch für den Inhalt der Angebote verantwortlich ist. Der Senat hält es für schlechthin nicht nachvollziehbar, dass ein Verwaltungsdirektor einer Klinik, bestätigt durch seine Unterschrift, ein Angebot wie das vorliegende überreicht, das Umsatz in Millionenhöhe nach sich ziehen könnte, gleichzeitig aber für sich reklamiert, mit dem Angebot inhaltlich nichts zu tun haben zu wollen. Unabhängig davon sprechen viele Anhaltspunkte dafür, dass beide Angebote in Kenntnis des jeweiligen Konkurrenzangebots abgegeben worden sind. Bis ins Detail und hin zu Schreibfehlern (jeweils Bl. 8: "Augeheilkunde") sind die Angebote wortgleich. Das kann nur als Beleg dafür genommen werden, dass auch die Verantwortung für die inhaltliche Erarbeitung der Angebote in einer Person konzentriert war. Sie unterscheiden sich nur im Hinblick auf die geringfügig von einander abweichenden Preisvorstellungen; so errechnet etwa die Antragstellerin für eine Katarakt- OP rund 6,50 Euro weniger als die E Poliklinik. Mehr Anhaltspunkte für gegenseitige Kenntnis vom Angebotsinhalt sind kaum vorstellbar.
Weil die konkurrierenden Angebote sich auf dasselbe Fach- und Regionallos beziehen, die beiden gesellschaftsrechtlich mit einander verflochtenen Bieterinnen mithin in einer echten wettbewerblichen Konkurrenzsituation stehen, ist die Kenntnis des jeweiligen Konkurrenzangebots auch erheblich und begründet die Konstellation einer wettbewerbswidrigen Scheinkonkurrenz.
Angebote von Bietern, die eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Abrede getroffen haben, sind auszuschließen. Der Nachprüfungsantrag ist deshalb offensichtlich unzulässig bzw. unbegründet. Die sofortige Beschwerde hat daher nach Aktenlage keine Aussicht auf Erfolg. Der Antragstellerin wird aufgegeben, sich binnen drei Wochen zu erklären, ob die sofortige Beschwerde zurückgenommen wird.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 50 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Der Senat hält es für angemessen, im Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB den Wert des Verfahrensgegenstandes auf die Hälfte des Gegenstandswerts der sofortigen Beschwerde festzusetzen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§§ 142 a, 177 SGG).
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