Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 67 U 618/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 U 489/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander weder für das erstinstanzliche noch das zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung eines monosegmentalen Bandscheibenschadens bei L4/5 als BK Nr. 2108 (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können).
Der 1948 geborene Kläger arbeitete seit 1964 als Straßenbauer, seit 1984 als bei der Beklagten versicherter Selbständiger. Seit 1989 leidet er unter rezidivierenden Rückenbeschwerden. Nachdem sich seit 1996 eine Symptomatik mit ischialgieformer Abstrahlung in das linke Bein entsprechend dem L5 Dermatom eingestellt hatte, kam es im Jahre 2002 zu einer massiven Verschlechterung der LWS Beschwerden beim Kläger. Ab dem 20. Dezember 2002 war er arbeitsunfähig; ein Versuch, im Sommer 2003 seinen Beruf wieder aufzunehmen, scheiterte nach sechs Monaten mit dauerhafter Arbeitsunfähigkeit ab dem 11. Dezember 2003. Nach einem im Frühjahr 2003 nachgewiesenen Bandscheibenprolaps bei L4/5 erfolgte eine operative Versorgung mit Vollprothesenimplantation am 13. Mai 2004 mit anschließender stationärer Rehabilitation.
Im Mai 2003 zeigte die Krankenkasse des Klägers bei der Beklagten eine BK Nr. 2108 an. Als Ursache schuldigte der Kläger die Hebe- und Tragebelastungen sowie die Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung als Straßenbauer an. Nach den Ermittlungen ihres Technischen Aufsichtsdienstes (Stellungnahme vom 16. Oktober 2003) befand die Beklagte, dass der Kläger als Straßenbauer seit 1964 insbesondere bei Steinsetzertätigkeiten erheblichen Hebe- und Tragebelastungen und Belastungen durch Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgesetzt gewesen sei. Nach Maßgabe des Mainz Dortmunder Dosismodells (MDD) errechne sich eine Gesamtbelastungsdosis von 28,51 x 106 Nh. Da dieses über dem Richtwert von 25,0 x 106 Nh lag, bejahte die Beklagte intern die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen.
Im Zusammenhangsgutachten vom 06. Januar 2004 führte Prof. Dr. P, ergänzt durch eine Stellungnahme vom 18. Mai 2004, aus, dass beim Kläger eine monosegmentale bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Segment L4/5 vorliege. Die übrige LWS befinde sich in einen unauffälligen altersentsprechenden Zustand. Das Segment L4/5 weise einen Segmentaufbrauch als degeneratives Leiden im Sinne einer Osteochondrosis intervertrebralis aus. Diese könne durch eine starke Beanspruchung der Bandscheibe oder durch eine entzündliche Komponente ausgelöst werden. Beides sei beim Kläger nachgewiesen. Es habe eine extreme berufliche Wirbelsäulenbelastung und eine geringentzündliche Komponente mit der Folge eines erosiven Aufbrauchs des Segments bestanden. Insgesamt sei die klinische Beschwerdesymptomatik mit dem Schaden bei L4/5 erklärt. Es sei von einer beruflichen Mitverursachung des Segmentaufbrauchs auszugehen. Der Umstand, dass lediglich ein monosegmentaler Schaden vorliege, erkläre sich durch die verminderte Belastbarkeit des Segments L4/5 durch die berufsunabhängige entzündliche Komponente (erosive Osteochondrose). Durch diese Vorerkrankung habe dieser Wirbelsäulenabschnitt die berufliche Belastung weniger gut toleriert als die übrigen Segmente.
Unter dem 16. März 2004 und 15. Juni 2004 führte der mit einem Gutachten nach Aktenlage beauftragte Dr. O aus, dass das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und die Bejahung der arbeitstechnischen Voraussetzungen noch nicht den Schluss zulasse, die Krankheit sei beruflich verursacht. Auch bei beruflich nicht belasteten Personen fänden sich weit verbreitet Bandscheibenerkrankungen wie sie beim Kläger vorlägen. Ein Kausalzusammenhang sei grundsätzlich auszuschließen, wenn die Erkrankung sich als mono- bzw. bisegmentaler Bandscheibenschaden darstelle. Etwas anderes könne nur gelten, wenn eine pathophysiologisch nachvollziehbare Begründung für den monosegmentalen Schaden gegeben werden könne. Es sei dann eine berufliche Belastung darzulegen, die gerade auf das geschädigte Segment eingewirkt habe. Dies sei vorliegend nicht gegeben. Eine geringere Belastungstoleranz der Bandscheibe L4/5, wie Prof. Dr. P sie postuliert habe, sei nicht nachgewiesen. Auch bei unterstellter verminderter Belastbarkeit des Segments L4/5 könne den beruflichen Belastungen keine wesentliche ursächliche Bedeutung zugesprochen werden, denn wenn eine solche bestünde, müssten auch die übrigen LWS Segmente geschädigt sein.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung wegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und etwaiger prophylaktischer Leistungen gemäß § 3 BKV ab.
Hiergegen hat der Kläger am 21. Oktober 2004 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und geltend gemacht, ihm stünde eine Entschädigungsleistung zu, da der Kausalitätsbewertung der Beklagten nicht gefolgt werden könne. Entgegen der Auffassung des Dr. O sei das Segment L4/5 bei seiner Tätigkeit als Straßenbaumeister extrem belastet gewesen, da er in extremer Rumpfbeugehaltung habe arbeiten müssen. Im Übrigen bestätigten die bildgebenden Verfahren, dass nicht nur das Segment L4/5 geschädigt sei, sondern auch die übrigen Segmente.
Das Sozialgericht hat ein orthopädisches Sachverständigengutachten des Dr. W vom 28. September 2005 eingeholt, in dem dieser ausgeführt hat, er schließe sich der Kausalitätsbewertung des Dr. O an. Eine berufliche Verursachung der LWS Erkrankung bei L4/5 sei nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. In der Etage unter L4/5, also der Etage L5/S1, sowie in den über dem geschädigten Segment liegenden Etagen finde sich ein unauffälliger altersentsprechender Befund. Solche Schäden seien nicht als überwiegend beruflich verursacht zu bewerten, wenn das 45. Lebensjahr überschritten sei. Zur Bejahung der Kausalitätsfrage fehle es an einem biomechanisch plausiblen Erklärungsmodell, wenn durch jahrzehntelange körperliche Überlastung nicht mindestens zwei weitere Segmente von Spondylosen betroffen seien. Die Erklärung von Prof. Dr. P, es bestehe eine anlagebedingte Minderbelastbarkeit des Segments L4/5, könne nicht überzeugen. Sie erkläre nicht, warum alle übrigen Segmente unauffällig blieben. Hinzuweisen sei weiter darauf, dass sich auch im Bereich der Halswirbels (HWS) bei C5/6 ein monosegmentaler Schaden in Gestalt einer hochgradigen Osteochondrose finde, der in keinem Fall durch berufliche Belastungen im Sinne der BK Nr. 2108 verursacht sein könne.
Mit Urteil vom 30. Juni 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004 verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung seines Lendenwirbelsäulenleidens als BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger leide nach übereinstimmender Bewertung aller Gutachter unzweifelhaft unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Diese bestehe in Form eines über das Altersmaß hinausgehenden Bandscheibenschadens bei L4/5. Dass die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS des Klägers durch seine berufliche Hebe- und Tragebelastungen und Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung als Straßenbauer von 1964 bis Ende 2003, die die arbeitstechnischen Voraussetzungen unzweifelhaft erfüllten, verursacht worden sei, halte die Kammer im Sinne einer rechtlich wesentlichen Mitursächlichkeit für hinreichend wahrscheinlich. Nach zutreffender Auffassung könne wegen der Besonderheiten der BK Nr. 2108 die Beweiserleichterung des § 9 Abs. 3 Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (SGB VII) keine Anwendung finden. Der Grund hierfür liege darin, dass die Wirbelsäule einem natürlichen Verschleiß unterliege. Zum anderen seien über den natürlichen Verschleiß hinausgehende Bandscheibenschäden gerade im Bereich der unteren Wirbelsäule aufgrund einer Vielzahl von Faktoren, deren Wirkungsweise wissenschaftlich noch nicht geklärt sei, auch bei solchen Bevölkerungsgruppen weit verbreitet, die nicht belastend im Sinne der BK Nr. 2108 tätig geworden seien. Es sei immer noch herrschende medizinische Auffassung, dass sich das Schadensbild der Lendenwirbelsäule nicht in belastungstypische und belastungsuntypische Schadensbilder unterteilen lasse. Den erheblichen beruflichen Belastungen komme im vorliegenden Fall aber eine erhebliche Indizwirkung zu. Keiner der medizinischen Sachverständigen habe sich mit dem zeitlichen Verlauf der Erkrankung auseinandergesetzt, die ein wichtiges Indiz für die berufliche Verursachung im Sinne der BK Nr. 2108 darstelle. Da der Kläger bei Auftreten der ersten Wirbelsäulenschäden bereits 25 Jahre belastend im Straßenbau tätig gewesen sei und bis zur Aufgabe der Tätigkeit 35 Jahre lang in diesem Beruf gearbeitet habe, scheine es der Kammer nicht nachvollziehbar, dass ein anlagebedingter Faktor zum frühzeitigen Verschleiß des Segments L 4/5 geführt haben solle. In diesem Fall hätte es viel früher zu einer massiven chronischen Symptomatik und einem Nachweis schwerer degenerativer Veränderungen kommen müssen. Im Übrigen belegten die radiologischen Befunde seit 1996 eine Zunahme der Beschwerden, die nach Aufgabe der Tätigkeit nicht mehr festzustellen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten gehe die Kammer auch davon aus, dass das vorzufindende Schadensbild im Bereich der LWS belastungskonform sei. Nach Auffassung der Kammer seien degenerative Veränderungen in Gestalt einer Spondylosteochondrose und Spondylarthrose als Folge der beruflichen Belastungen des Klägers im MRT Befund vom 15. April 2003 befundet. Obwohl alle den Fall begutachtenden Mediziner ausgeführt hätten, es bestehe ein monosegmentaler Schaden bei L 4/5, weil die übrigen Bandscheibenetagen nur altersgemäß verändert seien, widerspreche dies nach Auffassung der Kammer den MRT Befunden. Dass lediglich das Segment L4/5 isoliert einen deutlich über das altersgemäße Ausmaß hinausgehenden Verschleiß der Bandscheibe aufweise, spreche nur auf den ersten Blick gegen eine berufliche Verursachung. Prof. Dr. P habe ausgeführt, dass die beruflichen Belastungen bei L4/5 auf ein LWS Segment getroffen seien, das wegen des nachgewiesenen berufunabhängigen erosiven Aufbruchs nur vermindert belastbar gewesen sei. Die Annahme des Prof. Dr. P, dass erst das Zusammentreffen der erheblichen und massiven beruflichen Belastungen mit einer berufsunabhängigen verminderten Belastbarkeit des Segments L4/5 den dortigen isolierten Schaden verursacht habe, sei für die Kammer überzeugend. Die gegenteilige Auffassung von einem alleine dominierenden anlagebedingten Faktor seitens des Dr. O und des Dr. W könne demgegenüber nicht das zeitliche Auftreten der Erkrankung erst nach 35 jähriger erheblicher beruflicher Belastung erklären. Im Übrigen sei zu beachten, dass Prof. Dr. P lediglich eine geringe entzündliche Komponente als berufsunabhängige Vorerkrankung festgestellt habe, während die berufsabhängigen Belastungen des Klägers erheblich gewesen seien. Weiter könne der Auffassung der Beklagten nicht gefolgt werden, dass ein belastungsadäquates Schadensbild nur bestehe, wenn auch die oberhalb L4/5 liegenden LWS Segmente Bandscheibenveränderungen aufwiesen und belastungsadaptive Reaktionen in Gestalt spondylotischer Veränderungen der oberen LWS und der unteren BWS vorlägen. Gefordert werde damit nicht nur ein belastungskonformes oder belastungsadäquates Schadensbild, sondern es seien Kriterien eines Schadensbildes formuliert worden, wie es in Abgrenzung von sonstigen Schäden typisch für durch schweres Heben und Tragen verursachte Bandscheibenschäden sei. Dies sei nicht zulässig und erwecke den Eindruck, es gebe entgegen der herrschenden medizinischen Meinung ein Schadensbild, das als belastungsabhängig identifiziert werden könne. Auch spreche es keineswegs gegen eine berufliche Verursachung, wenn ausschließlich zwei Segmente geschädigt seien, was auch bei nicht belastend arbeitenden Bevölkerungsgruppen ganz überwiegend der Fall sei. Durch epidemiologische Untersuchungen insbesondere an Krankenschwestern sei belegt, dass diese ein deutlich erhöhtes Risiko trügen, an einer BK Nr. 2108 zu erkranken, und zwar nahezu ausschließlich an mono- bzw. bisegmentalen Schäden. Dies belege, dass das von der Beklagten vorgegebene Erfordernis belastungsadaptiver Reaktionen nicht zutreffend sein könne. Gewisse Zweifel ergäben sich für die Kammer allerdings durch die Feststellung eines weiteren monosegmentalen Schadens der HWS auf der Etage C5/6. Allerdings seien dort nur knöcherne Veränderungen nachgewiesen. Eine Verschmälerung des Zwischenwirbelraums liege dort nicht vor, so dass auch dieser Befund nicht gegen die berufliche Verursachung des monosegmentalen Bandscheibenschadens bei L4/5 spreche.
Gegen dieses ihr am 08. August 2006 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 10. August 2006.
Sie macht geltend, das Sozialgericht habe sich bei seiner Beweiswürdigung über die Erkenntnisse der herrschenden wissenschaftlichen Meinung, so wie sie in den Gutachten des Dr. O und des Dr. W zum Ausdruck kämen, ohne eigene medizinische Sachkunde hinweggesetzt. Soweit das Sozialgericht eine Parallele zur Verursachung monosegmentaler Bandscheibenschäden bei Krankenschwestern gezogen habe, so verkenne es, dass die Belastungen eines Straßenbauers anderer Art seien als die von Krankenschwestern. Bei seiner Beweiswürdigung habe das Sozialgericht die Konsensempfehlungen des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, welche aktuell den neuesten wissenschaftlichen Stand in der Beurteilung der BK Nr. 2108 darstellten, ohne nachvollziehbaren Grund außer Acht gelassen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, dass die Kausalitätsbewertung des Prof. Dr. P überzeugend sei. Angesichts seiner unstreitigen schweren körperlichen Belastungen, die den arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 entsprächen, sei an einem Kausalzusammenhang nicht zu zweifeln.
Der Senat hat ein fachorthopädisches Sachverständigengutachten vom 31. Januar 2008 des PD Dr. M eingeholt. Dieser hat im Ergebnis ausgeführt, die überdurchschnittliche berufliche Beanspruchung des Achsorgans und die vorliegende ausgeprägte monosegmentale Osteochondrose mit massiver knöcherner Umbaureaktion sowie die bandscheibenbedingte Erkrankung im LWS Segment L4/5 seien unzweifelhaft. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Erkrankung im Sinne des Kausalzusammenhanges auf der beruflichen Belastung beruhe. Bei den Konsensempfehlungen des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften handele es sich um die national und international gültige Fachmeinung zur Kausalitätsbeurteilung. Bei der Entstehung einer Wirbelsäulenerkrankung auf dem Boden überdurchschnittlicher körperlicher Beanspruchung finde sich regelhaft eine Beteiligung aller stark belasteten Segmente im betroffenen Abschnitt des Achsorgans. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Im Widerspruch zu dem erwartbaren Befund zeige sich das unter der geschädigten Etage liegende Segment L5/S1 bis zum heutigen Tage nicht über das altersentsprechende Durchschnittsmaß verändert. Dies sei umso bedeutender, als vielfach zu beobachten sei, dass es in der Folge eines ausgeprägten Verschleißes in einem Segment in den darauf folgenden Jahren zu einer schrittweisen Abnutzung der Anschlusssegmente durch die auftretende Mehrbelastung komme. Bei erheblich beruflich bedingter Vorschädigung der gesamten LWS sei wenigstens zu erwarten, dass sich nunmehr ein deutlicher, über das altersentsprechende Durchschnittsmaß hinausreichender Verschleiß in den Anschlusssegmenten finde. Ein wichtiger Hinweis für die Stützung der Theorie anlagebedingter Faktoren für die Entstehung der Erkrankung sei der radiologisch massiv ausgeprägte Befund der bandscheibenbedingten Degeneration der HWS bei C5/6. Auch dort finde sich ein monosegmentaler Verschleiß in der unteren, von diesem Krankheitsbild typischerweise betroffenen HWS ohne so genannte belastungsadaptive Begleiterkrankungen der Anschlusssegmente. Die Ausführungen des Prof. Dr. P hinsichtlich konkurrierender Krankheitsbilder (erosive Osteochondrose) könnten aus seiner Sicht einer eingehenden Prüfung nicht standhalten. In der überwiegenden Zahl der Fälle führe die zunächst auftretende Bandscheibendegeneration sekundär zu einer Osteochondrose mit Verschleiß der kleinen Wirbelgelenke. Primäre Osteochondrosen mit der Folge auftretender Bandscheibenschäden seien dagegen deutlich seltener, weil an eine Erkrankung des Wirbelkörpers gekoppelt. Im Nachhinein sei ein sicherer Nachweis einer primär entzündlichen bzw. nicht entzündlichen Wirbelkörpererkrankung des Klägers aufgrund fehlender Befunde aus der Anfangsphase der Erkrankung nicht möglich. Insgesamt erscheine ein solcher ursächlicher Zusammenhang jedoch unwahrscheinlich. Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass sämtliche beim Kläger auftretenden Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule durch den anlagebedingt relativ engen Spinalkanal ungünstig beeinflusst seien.
Der Kläger hat sich gegen das Gutachten des PD Dr. M mit dem Einwand gewandt, nicht dieser, sondern Herr Dr. A habe das Gutachten erstellt. Hierzu und zum Umfang der Mitarbeit des Dr. A hat PD Dr. M in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. März 2008 Position bezogen. Zu weiteren Einwänden hat PD Dr. M unter dem 05. Mai 2008 eine weitere Stellungnahme abgegeben.
Mit Schreiben vom 05. September 2008 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, dass weitere Amtsermittlungen nicht beabsichtigt seien, und die Möglichkeit gegeben, bis zum 17. Oktober 2008 einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu stellen. Ein entsprechender Antrag wurde nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, so dass das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2006 aufzuheben war.
Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche des Klägers ist § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. Nr. 2108 der Anlage zur BKVO. Diese BK Nr. 2108 lautet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Für die Anerkennung einer BK ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich sowie ggf. ein Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten. Für die umstrittene BK Nr. 2108 bedeutet dies, dass der Kläger aufgrund seiner versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben muss, dass sein Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5 eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS sein muss, dass diese Erkrankung durch die geschilderte versicherte Arbeit verursacht wurde und er deshalb seine Tätigkeit aufgeben musste sowie alle gefährdenden Tätigkeit unterlässt (vgl. zum Ganzen zuletzt Urteil des Bundessozialgerichts BSG vom 30. Oktober 2007, Az.: B 2 U 4/06 R, zitiert nach juris).
Vorliegend steht fest, dass der Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5 eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule ist. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Gutachten des Prof. Dr. P, des Dr. W und des PD Dr. M.
Zu Recht unstreitig ist zwischen den Beteiligten auch, dass der Kläger die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 erfüllt. Dies gilt erst recht nach dem zitierten Urteil des BSG (a. a. O.), das die früheren Werte des MDD aufgrund der Ergebnisse der "Deutschen Wirbelsäulenstudie" infrage gestellt und den Richtwert von 25 x 106 Nh als zu hoch bezeichnet hat. Darauf kommt es vorliegend aber nicht an, da der Kläger auch den früher geltenden Grenzwert von 25 x 106 Nh überschritten hatte. Auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen sind daher zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Damit steht fest, dass der Kläger im Sinne der Voraussetzungen der BK Nr. 2108 schwer gehoben und getragen und in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet hat.
Das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen allein bei Vorliegen eines BK typischen Krankheitsbildes reicht zur Bejahung eines hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhanges im Sinne der im Sozialrecht herrschenden Theorie von der wesentlichen Bedingung nicht aus. Hinreichend wahrscheinlich in diesem Sinne ist ein Ursachenzusammenhang dann, wenn mehr für als gegen ihn spricht. Die bloße Möglichkeit der Verursachung reicht nicht. Ob ein Verursachungsbeitrag wesentlich im Sinne der im Sozialrecht herrschenden Theorie von der wesentlichen Bedingung ist, entscheidet sich nach den Auffassungen des praktischen Lebens über den Zusammenhang zwischen einer bestimmten Ursache und einem Gesundheitsschaden (vgl. z. B. BSGE 1, 72, 76; 2, 178, 181; aber auch BSG, SozR 3-2200, § 551 Nr. 16 m. w. N. und Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 34/03 R, zitiert nach juris).
Es ist in der medizinischen Wissenschaft anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle insbesondere der unteren Lendenwirbelsäule in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie der Kläger schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung BArbBl. 10 2006, S. 30 ff. ).
Darauf aufbauend war die medizinische Wissenschaft gezwungen, weitere Kriterien zu erarbeiten, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, die als Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind (vgl. Trauma und Berufskrankheit 2005, Springer Medizinverlag 2005, S. 211 ff). Danach ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen einem nicht existenten belastungstypischen Krankheitsbild und einem belastungskonformen Schadensbild.
PD Dr. M hat für den Senat noch einmal bestätigt, dass diese Konsensempfehlungen den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Lendenwirbelsäulenerkrankungen durch körperliche berufliche Belastungen darstellen. Zur Gewährleistung einer gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten im Geltungsbereich des SGB VII begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die befassten Gutachter und die Sozialgerichtsbarkeit diese Konsensempfehlungen anwenden. Danach überzeugt es im konkreten Fall den Senat, wenn Dr. O, Dr. W und PD Dr. M in Anwendung dieser Kriterien die Ablehnung eines Ursachenzusammenhanges vorgeschlagen haben. Insbesondere PD Dr. M hat in seinem überzeugenden Gutachten die Kriterien der Zusammenhangsbeurteilung, wie sie in den Konsensempfehlungen dargelegt sind, beachtet.
Auszugehen war daher davon, dass beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung in Form eines operierten Bandscheibenvorfalles bei L4/5 vorliegt. Dies entspricht der Konstellation B ab Seite 217 der Konsensempfehlungen (vgl. Trauma und Berufskrankheit 3 2005, Seite 217 ff.). Bei Vorliegen eines Bandscheibenvorfalls wird dabei in der Konstellation B 1 in allen diesen Konstellationen ist das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen unterstellt ein Ursachenzusammenhang als wahrscheinlich bejaht, wenn eine Begleitspondylose besteht. Eine solche liegt nach der insoweit übereinstimmenden Auffassung der Gutachter hier nicht vor. Dr. W hat auf Seite 12 seines Gutachtens unter Punkt 7 ausführlich ausgeführt, dass die Begleitspondylosen nicht vorliegen. Er hat ausgeführt, dass Begleitspondylosen weder an der LWS noch im gesamten Bereich der BWS vorliegen. PD Dr. M hat dieses im Ergebnis bestätigt. Soweit das Sozialgericht auf Seite 8/9 seines Urteils ausgeführt hat, dass entgegen der Auffassung aller bisher mit der Sache befassten Gutachter kein monosegmentaler Schaden vorliege und nach dem MRT begleitende degenerative Veränderungen im Sinne einer Spondylosteochondrose und Spondylarthrose vorlägen, ist seiner Beweiswürdigung nicht zu folgen. Das Sozialgericht hat weder dargelegt noch ist es ersichtlich, warum es über besseren Sachverstand als die bisher mit der Sache befassten sachverständigen Orthopäden verfügt. Es obliegt rein medizinischem Sachverstand, aus den vorliegenden Befunden die medizinisch richtigen Schlüsse zu ziehen und sie der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht, das insoweit nicht über eigenen ausreichenden Sachverstand verfügt, zur Verfügung zu stellen. Die Bewertung einer Diagnose als krankhaft oder altersentsprechend gesund und die Bewertung eines bestimmten Schweregrades einer Erkrankung ist medizinischem Sachverstand vorbehalten. Hätte das Sozialgericht insoweit Zweifel daran gehabt, dass trotz übereinstimmender Ablehnung aller Sachverständigen doch Indizienkraft besitzende Begleiterkrankungen vorliegen, so hätte es nachfragen müssen, aber nicht vorhandenen eigenen Sachverstand anstelle medizinischer Beweiserhebung setzen. Im Berufungsverfahren hat auch PD Dr. M bestätigt, dass ein monosegmentaler Schaden besteht und über das Altersmaß hinausgehende degenerative Veränderungen an der LWS, mit Ausnahme eines ebenfalls monosegmentalen Bandscheibenschadens an der HWS, gerade nicht vorliegen.
Insoweit entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Beklagte jedenfalls entsprechend den Konsensempfehlungen, die auch sie für zutreffend hält, nicht der Auffassung, dass fehlende Begleitspondylosen bereits zur Ablehnung eines Anspruchs führen. Denn dies betrifft die Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen. Dort ist bei Vorliegen eines Bandscheibenschadens bei L4/5 und Verneinung konkurrierender Ursachen und Verneinung einer Begleitspondylose gerade ausgeführt, dass ein Ursachenzusammenhang auch dann als wahrscheinlich anerkannt werden kann, wenn eines von drei Zusatzkriterien vorliegt. Ein solches Kriterium ist die Höhenminderung und/oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben, der im Magnetresonanztomogramm in mindestens zwei angrenzenden Segmenten nachgewiesen sein muss. Daran fehlt es. PD Dr. M hat ausgeführt, dass die Messung der Bandscheibenfächer beim Kläger gerade keine über das altersentsprechende Normalmaß hinausgehende Veränderung außer in den Segmenten C5/6 und L4/5 ergeben hat. Er hat hierzu beanstandungsfrei auf die Konsensempfehlungen zur Berechnung der Bandscheibenhöhe in Trauma und BK, Seite 224 226, verwiesen. Dem ist aus der Sicht des Senats nichts hinzuzufügen.
Danach steht fest, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der bei dem Kläger zweifelsfrei vorliegenden bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule und den ebenso zweifelsfrei verrichteten schweren körperlichen Arbeiten im Sinne der BK 2108 nicht besteht.
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung eines monosegmentalen Bandscheibenschadens bei L4/5 als BK Nr. 2108 (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können).
Der 1948 geborene Kläger arbeitete seit 1964 als Straßenbauer, seit 1984 als bei der Beklagten versicherter Selbständiger. Seit 1989 leidet er unter rezidivierenden Rückenbeschwerden. Nachdem sich seit 1996 eine Symptomatik mit ischialgieformer Abstrahlung in das linke Bein entsprechend dem L5 Dermatom eingestellt hatte, kam es im Jahre 2002 zu einer massiven Verschlechterung der LWS Beschwerden beim Kläger. Ab dem 20. Dezember 2002 war er arbeitsunfähig; ein Versuch, im Sommer 2003 seinen Beruf wieder aufzunehmen, scheiterte nach sechs Monaten mit dauerhafter Arbeitsunfähigkeit ab dem 11. Dezember 2003. Nach einem im Frühjahr 2003 nachgewiesenen Bandscheibenprolaps bei L4/5 erfolgte eine operative Versorgung mit Vollprothesenimplantation am 13. Mai 2004 mit anschließender stationärer Rehabilitation.
Im Mai 2003 zeigte die Krankenkasse des Klägers bei der Beklagten eine BK Nr. 2108 an. Als Ursache schuldigte der Kläger die Hebe- und Tragebelastungen sowie die Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung als Straßenbauer an. Nach den Ermittlungen ihres Technischen Aufsichtsdienstes (Stellungnahme vom 16. Oktober 2003) befand die Beklagte, dass der Kläger als Straßenbauer seit 1964 insbesondere bei Steinsetzertätigkeiten erheblichen Hebe- und Tragebelastungen und Belastungen durch Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgesetzt gewesen sei. Nach Maßgabe des Mainz Dortmunder Dosismodells (MDD) errechne sich eine Gesamtbelastungsdosis von 28,51 x 106 Nh. Da dieses über dem Richtwert von 25,0 x 106 Nh lag, bejahte die Beklagte intern die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen.
Im Zusammenhangsgutachten vom 06. Januar 2004 führte Prof. Dr. P, ergänzt durch eine Stellungnahme vom 18. Mai 2004, aus, dass beim Kläger eine monosegmentale bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS im Segment L4/5 vorliege. Die übrige LWS befinde sich in einen unauffälligen altersentsprechenden Zustand. Das Segment L4/5 weise einen Segmentaufbrauch als degeneratives Leiden im Sinne einer Osteochondrosis intervertrebralis aus. Diese könne durch eine starke Beanspruchung der Bandscheibe oder durch eine entzündliche Komponente ausgelöst werden. Beides sei beim Kläger nachgewiesen. Es habe eine extreme berufliche Wirbelsäulenbelastung und eine geringentzündliche Komponente mit der Folge eines erosiven Aufbrauchs des Segments bestanden. Insgesamt sei die klinische Beschwerdesymptomatik mit dem Schaden bei L4/5 erklärt. Es sei von einer beruflichen Mitverursachung des Segmentaufbrauchs auszugehen. Der Umstand, dass lediglich ein monosegmentaler Schaden vorliege, erkläre sich durch die verminderte Belastbarkeit des Segments L4/5 durch die berufsunabhängige entzündliche Komponente (erosive Osteochondrose). Durch diese Vorerkrankung habe dieser Wirbelsäulenabschnitt die berufliche Belastung weniger gut toleriert als die übrigen Segmente.
Unter dem 16. März 2004 und 15. Juni 2004 führte der mit einem Gutachten nach Aktenlage beauftragte Dr. O aus, dass das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und die Bejahung der arbeitstechnischen Voraussetzungen noch nicht den Schluss zulasse, die Krankheit sei beruflich verursacht. Auch bei beruflich nicht belasteten Personen fänden sich weit verbreitet Bandscheibenerkrankungen wie sie beim Kläger vorlägen. Ein Kausalzusammenhang sei grundsätzlich auszuschließen, wenn die Erkrankung sich als mono- bzw. bisegmentaler Bandscheibenschaden darstelle. Etwas anderes könne nur gelten, wenn eine pathophysiologisch nachvollziehbare Begründung für den monosegmentalen Schaden gegeben werden könne. Es sei dann eine berufliche Belastung darzulegen, die gerade auf das geschädigte Segment eingewirkt habe. Dies sei vorliegend nicht gegeben. Eine geringere Belastungstoleranz der Bandscheibe L4/5, wie Prof. Dr. P sie postuliert habe, sei nicht nachgewiesen. Auch bei unterstellter verminderter Belastbarkeit des Segments L4/5 könne den beruflichen Belastungen keine wesentliche ursächliche Bedeutung zugesprochen werden, denn wenn eine solche bestünde, müssten auch die übrigen LWS Segmente geschädigt sein.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung wegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und etwaiger prophylaktischer Leistungen gemäß § 3 BKV ab.
Hiergegen hat der Kläger am 21. Oktober 2004 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und geltend gemacht, ihm stünde eine Entschädigungsleistung zu, da der Kausalitätsbewertung der Beklagten nicht gefolgt werden könne. Entgegen der Auffassung des Dr. O sei das Segment L4/5 bei seiner Tätigkeit als Straßenbaumeister extrem belastet gewesen, da er in extremer Rumpfbeugehaltung habe arbeiten müssen. Im Übrigen bestätigten die bildgebenden Verfahren, dass nicht nur das Segment L4/5 geschädigt sei, sondern auch die übrigen Segmente.
Das Sozialgericht hat ein orthopädisches Sachverständigengutachten des Dr. W vom 28. September 2005 eingeholt, in dem dieser ausgeführt hat, er schließe sich der Kausalitätsbewertung des Dr. O an. Eine berufliche Verursachung der LWS Erkrankung bei L4/5 sei nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. In der Etage unter L4/5, also der Etage L5/S1, sowie in den über dem geschädigten Segment liegenden Etagen finde sich ein unauffälliger altersentsprechender Befund. Solche Schäden seien nicht als überwiegend beruflich verursacht zu bewerten, wenn das 45. Lebensjahr überschritten sei. Zur Bejahung der Kausalitätsfrage fehle es an einem biomechanisch plausiblen Erklärungsmodell, wenn durch jahrzehntelange körperliche Überlastung nicht mindestens zwei weitere Segmente von Spondylosen betroffen seien. Die Erklärung von Prof. Dr. P, es bestehe eine anlagebedingte Minderbelastbarkeit des Segments L4/5, könne nicht überzeugen. Sie erkläre nicht, warum alle übrigen Segmente unauffällig blieben. Hinzuweisen sei weiter darauf, dass sich auch im Bereich der Halswirbels (HWS) bei C5/6 ein monosegmentaler Schaden in Gestalt einer hochgradigen Osteochondrose finde, der in keinem Fall durch berufliche Belastungen im Sinne der BK Nr. 2108 verursacht sein könne.
Mit Urteil vom 30. Juni 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004 verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung seines Lendenwirbelsäulenleidens als BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger leide nach übereinstimmender Bewertung aller Gutachter unzweifelhaft unter einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Diese bestehe in Form eines über das Altersmaß hinausgehenden Bandscheibenschadens bei L4/5. Dass die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS des Klägers durch seine berufliche Hebe- und Tragebelastungen und Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung als Straßenbauer von 1964 bis Ende 2003, die die arbeitstechnischen Voraussetzungen unzweifelhaft erfüllten, verursacht worden sei, halte die Kammer im Sinne einer rechtlich wesentlichen Mitursächlichkeit für hinreichend wahrscheinlich. Nach zutreffender Auffassung könne wegen der Besonderheiten der BK Nr. 2108 die Beweiserleichterung des § 9 Abs. 3 Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (SGB VII) keine Anwendung finden. Der Grund hierfür liege darin, dass die Wirbelsäule einem natürlichen Verschleiß unterliege. Zum anderen seien über den natürlichen Verschleiß hinausgehende Bandscheibenschäden gerade im Bereich der unteren Wirbelsäule aufgrund einer Vielzahl von Faktoren, deren Wirkungsweise wissenschaftlich noch nicht geklärt sei, auch bei solchen Bevölkerungsgruppen weit verbreitet, die nicht belastend im Sinne der BK Nr. 2108 tätig geworden seien. Es sei immer noch herrschende medizinische Auffassung, dass sich das Schadensbild der Lendenwirbelsäule nicht in belastungstypische und belastungsuntypische Schadensbilder unterteilen lasse. Den erheblichen beruflichen Belastungen komme im vorliegenden Fall aber eine erhebliche Indizwirkung zu. Keiner der medizinischen Sachverständigen habe sich mit dem zeitlichen Verlauf der Erkrankung auseinandergesetzt, die ein wichtiges Indiz für die berufliche Verursachung im Sinne der BK Nr. 2108 darstelle. Da der Kläger bei Auftreten der ersten Wirbelsäulenschäden bereits 25 Jahre belastend im Straßenbau tätig gewesen sei und bis zur Aufgabe der Tätigkeit 35 Jahre lang in diesem Beruf gearbeitet habe, scheine es der Kammer nicht nachvollziehbar, dass ein anlagebedingter Faktor zum frühzeitigen Verschleiß des Segments L 4/5 geführt haben solle. In diesem Fall hätte es viel früher zu einer massiven chronischen Symptomatik und einem Nachweis schwerer degenerativer Veränderungen kommen müssen. Im Übrigen belegten die radiologischen Befunde seit 1996 eine Zunahme der Beschwerden, die nach Aufgabe der Tätigkeit nicht mehr festzustellen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten gehe die Kammer auch davon aus, dass das vorzufindende Schadensbild im Bereich der LWS belastungskonform sei. Nach Auffassung der Kammer seien degenerative Veränderungen in Gestalt einer Spondylosteochondrose und Spondylarthrose als Folge der beruflichen Belastungen des Klägers im MRT Befund vom 15. April 2003 befundet. Obwohl alle den Fall begutachtenden Mediziner ausgeführt hätten, es bestehe ein monosegmentaler Schaden bei L 4/5, weil die übrigen Bandscheibenetagen nur altersgemäß verändert seien, widerspreche dies nach Auffassung der Kammer den MRT Befunden. Dass lediglich das Segment L4/5 isoliert einen deutlich über das altersgemäße Ausmaß hinausgehenden Verschleiß der Bandscheibe aufweise, spreche nur auf den ersten Blick gegen eine berufliche Verursachung. Prof. Dr. P habe ausgeführt, dass die beruflichen Belastungen bei L4/5 auf ein LWS Segment getroffen seien, das wegen des nachgewiesenen berufunabhängigen erosiven Aufbruchs nur vermindert belastbar gewesen sei. Die Annahme des Prof. Dr. P, dass erst das Zusammentreffen der erheblichen und massiven beruflichen Belastungen mit einer berufsunabhängigen verminderten Belastbarkeit des Segments L4/5 den dortigen isolierten Schaden verursacht habe, sei für die Kammer überzeugend. Die gegenteilige Auffassung von einem alleine dominierenden anlagebedingten Faktor seitens des Dr. O und des Dr. W könne demgegenüber nicht das zeitliche Auftreten der Erkrankung erst nach 35 jähriger erheblicher beruflicher Belastung erklären. Im Übrigen sei zu beachten, dass Prof. Dr. P lediglich eine geringe entzündliche Komponente als berufsunabhängige Vorerkrankung festgestellt habe, während die berufsabhängigen Belastungen des Klägers erheblich gewesen seien. Weiter könne der Auffassung der Beklagten nicht gefolgt werden, dass ein belastungsadäquates Schadensbild nur bestehe, wenn auch die oberhalb L4/5 liegenden LWS Segmente Bandscheibenveränderungen aufwiesen und belastungsadaptive Reaktionen in Gestalt spondylotischer Veränderungen der oberen LWS und der unteren BWS vorlägen. Gefordert werde damit nicht nur ein belastungskonformes oder belastungsadäquates Schadensbild, sondern es seien Kriterien eines Schadensbildes formuliert worden, wie es in Abgrenzung von sonstigen Schäden typisch für durch schweres Heben und Tragen verursachte Bandscheibenschäden sei. Dies sei nicht zulässig und erwecke den Eindruck, es gebe entgegen der herrschenden medizinischen Meinung ein Schadensbild, das als belastungsabhängig identifiziert werden könne. Auch spreche es keineswegs gegen eine berufliche Verursachung, wenn ausschließlich zwei Segmente geschädigt seien, was auch bei nicht belastend arbeitenden Bevölkerungsgruppen ganz überwiegend der Fall sei. Durch epidemiologische Untersuchungen insbesondere an Krankenschwestern sei belegt, dass diese ein deutlich erhöhtes Risiko trügen, an einer BK Nr. 2108 zu erkranken, und zwar nahezu ausschließlich an mono- bzw. bisegmentalen Schäden. Dies belege, dass das von der Beklagten vorgegebene Erfordernis belastungsadaptiver Reaktionen nicht zutreffend sein könne. Gewisse Zweifel ergäben sich für die Kammer allerdings durch die Feststellung eines weiteren monosegmentalen Schadens der HWS auf der Etage C5/6. Allerdings seien dort nur knöcherne Veränderungen nachgewiesen. Eine Verschmälerung des Zwischenwirbelraums liege dort nicht vor, so dass auch dieser Befund nicht gegen die berufliche Verursachung des monosegmentalen Bandscheibenschadens bei L4/5 spreche.
Gegen dieses ihr am 08. August 2006 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 10. August 2006.
Sie macht geltend, das Sozialgericht habe sich bei seiner Beweiswürdigung über die Erkenntnisse der herrschenden wissenschaftlichen Meinung, so wie sie in den Gutachten des Dr. O und des Dr. W zum Ausdruck kämen, ohne eigene medizinische Sachkunde hinweggesetzt. Soweit das Sozialgericht eine Parallele zur Verursachung monosegmentaler Bandscheibenschäden bei Krankenschwestern gezogen habe, so verkenne es, dass die Belastungen eines Straßenbauers anderer Art seien als die von Krankenschwestern. Bei seiner Beweiswürdigung habe das Sozialgericht die Konsensempfehlungen des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften, welche aktuell den neuesten wissenschaftlichen Stand in der Beurteilung der BK Nr. 2108 darstellten, ohne nachvollziehbaren Grund außer Acht gelassen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, dass die Kausalitätsbewertung des Prof. Dr. P überzeugend sei. Angesichts seiner unstreitigen schweren körperlichen Belastungen, die den arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2108 entsprächen, sei an einem Kausalzusammenhang nicht zu zweifeln.
Der Senat hat ein fachorthopädisches Sachverständigengutachten vom 31. Januar 2008 des PD Dr. M eingeholt. Dieser hat im Ergebnis ausgeführt, die überdurchschnittliche berufliche Beanspruchung des Achsorgans und die vorliegende ausgeprägte monosegmentale Osteochondrose mit massiver knöcherner Umbaureaktion sowie die bandscheibenbedingte Erkrankung im LWS Segment L4/5 seien unzweifelhaft. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Erkrankung im Sinne des Kausalzusammenhanges auf der beruflichen Belastung beruhe. Bei den Konsensempfehlungen des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften handele es sich um die national und international gültige Fachmeinung zur Kausalitätsbeurteilung. Bei der Entstehung einer Wirbelsäulenerkrankung auf dem Boden überdurchschnittlicher körperlicher Beanspruchung finde sich regelhaft eine Beteiligung aller stark belasteten Segmente im betroffenen Abschnitt des Achsorgans. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Im Widerspruch zu dem erwartbaren Befund zeige sich das unter der geschädigten Etage liegende Segment L5/S1 bis zum heutigen Tage nicht über das altersentsprechende Durchschnittsmaß verändert. Dies sei umso bedeutender, als vielfach zu beobachten sei, dass es in der Folge eines ausgeprägten Verschleißes in einem Segment in den darauf folgenden Jahren zu einer schrittweisen Abnutzung der Anschlusssegmente durch die auftretende Mehrbelastung komme. Bei erheblich beruflich bedingter Vorschädigung der gesamten LWS sei wenigstens zu erwarten, dass sich nunmehr ein deutlicher, über das altersentsprechende Durchschnittsmaß hinausreichender Verschleiß in den Anschlusssegmenten finde. Ein wichtiger Hinweis für die Stützung der Theorie anlagebedingter Faktoren für die Entstehung der Erkrankung sei der radiologisch massiv ausgeprägte Befund der bandscheibenbedingten Degeneration der HWS bei C5/6. Auch dort finde sich ein monosegmentaler Verschleiß in der unteren, von diesem Krankheitsbild typischerweise betroffenen HWS ohne so genannte belastungsadaptive Begleiterkrankungen der Anschlusssegmente. Die Ausführungen des Prof. Dr. P hinsichtlich konkurrierender Krankheitsbilder (erosive Osteochondrose) könnten aus seiner Sicht einer eingehenden Prüfung nicht standhalten. In der überwiegenden Zahl der Fälle führe die zunächst auftretende Bandscheibendegeneration sekundär zu einer Osteochondrose mit Verschleiß der kleinen Wirbelgelenke. Primäre Osteochondrosen mit der Folge auftretender Bandscheibenschäden seien dagegen deutlich seltener, weil an eine Erkrankung des Wirbelkörpers gekoppelt. Im Nachhinein sei ein sicherer Nachweis einer primär entzündlichen bzw. nicht entzündlichen Wirbelkörpererkrankung des Klägers aufgrund fehlender Befunde aus der Anfangsphase der Erkrankung nicht möglich. Insgesamt erscheine ein solcher ursächlicher Zusammenhang jedoch unwahrscheinlich. Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass sämtliche beim Kläger auftretenden Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule durch den anlagebedingt relativ engen Spinalkanal ungünstig beeinflusst seien.
Der Kläger hat sich gegen das Gutachten des PD Dr. M mit dem Einwand gewandt, nicht dieser, sondern Herr Dr. A habe das Gutachten erstellt. Hierzu und zum Umfang der Mitarbeit des Dr. A hat PD Dr. M in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. März 2008 Position bezogen. Zu weiteren Einwänden hat PD Dr. M unter dem 05. Mai 2008 eine weitere Stellungnahme abgegeben.
Mit Schreiben vom 05. September 2008 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, dass weitere Amtsermittlungen nicht beabsichtigt seien, und die Möglichkeit gegeben, bis zum 17. Oktober 2008 einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu stellen. Ein entsprechender Antrag wurde nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, so dass das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2006 aufzuheben war.
Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche des Klägers ist § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. Nr. 2108 der Anlage zur BKVO. Diese BK Nr. 2108 lautet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Für die Anerkennung einer BK ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich sowie ggf. ein Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten. Für die umstrittene BK Nr. 2108 bedeutet dies, dass der Kläger aufgrund seiner versicherten Tätigkeit langjährig schwer gehoben und getragen bzw. in Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben muss, dass sein Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5 eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS sein muss, dass diese Erkrankung durch die geschilderte versicherte Arbeit verursacht wurde und er deshalb seine Tätigkeit aufgeben musste sowie alle gefährdenden Tätigkeit unterlässt (vgl. zum Ganzen zuletzt Urteil des Bundessozialgerichts BSG vom 30. Oktober 2007, Az.: B 2 U 4/06 R, zitiert nach juris).
Vorliegend steht fest, dass der Bandscheibenvorfall im Bereich L4/5 eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule ist. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Gutachten des Prof. Dr. P, des Dr. W und des PD Dr. M.
Zu Recht unstreitig ist zwischen den Beteiligten auch, dass der Kläger die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 erfüllt. Dies gilt erst recht nach dem zitierten Urteil des BSG (a. a. O.), das die früheren Werte des MDD aufgrund der Ergebnisse der "Deutschen Wirbelsäulenstudie" infrage gestellt und den Richtwert von 25 x 106 Nh als zu hoch bezeichnet hat. Darauf kommt es vorliegend aber nicht an, da der Kläger auch den früher geltenden Grenzwert von 25 x 106 Nh überschritten hatte. Auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen sind daher zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Damit steht fest, dass der Kläger im Sinne der Voraussetzungen der BK Nr. 2108 schwer gehoben und getragen und in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet hat.
Das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen allein bei Vorliegen eines BK typischen Krankheitsbildes reicht zur Bejahung eines hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhanges im Sinne der im Sozialrecht herrschenden Theorie von der wesentlichen Bedingung nicht aus. Hinreichend wahrscheinlich in diesem Sinne ist ein Ursachenzusammenhang dann, wenn mehr für als gegen ihn spricht. Die bloße Möglichkeit der Verursachung reicht nicht. Ob ein Verursachungsbeitrag wesentlich im Sinne der im Sozialrecht herrschenden Theorie von der wesentlichen Bedingung ist, entscheidet sich nach den Auffassungen des praktischen Lebens über den Zusammenhang zwischen einer bestimmten Ursache und einem Gesundheitsschaden (vgl. z. B. BSGE 1, 72, 76; 2, 178, 181; aber auch BSG, SozR 3-2200, § 551 Nr. 16 m. w. N. und Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 34/03 R, zitiert nach juris).
Es ist in der medizinischen Wissenschaft anerkannt, dass Bandscheibenschäden und Bandscheibenvorfälle insbesondere der unteren Lendenwirbelsäule in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Sie sind von multifaktorieller Ätiologie. Da diese Bandscheibenerkrankungen ebenso in Berufsgruppen vorkommen, die während ihres Arbeitslebens keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetzt waren, genauso wie in solchen, die wie der Kläger schwere körperliche Arbeiten geleistet haben, kann allein die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne des MDD die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines wesentlichen Kausalzusammenhanges nicht begründen (vgl. Merkblatt zu der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung BArbBl. 10 2006, S. 30 ff. ).
Darauf aufbauend war die medizinische Wissenschaft gezwungen, weitere Kriterien zu erarbeiten, die zumindest in ihrer Gesamtschau für oder gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Diese sind niedergelegt in den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, die als Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung auf Anregung der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe anzusehen sind (vgl. Trauma und Berufskrankheit 2005, Springer Medizinverlag 2005, S. 211 ff). Danach ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen einem nicht existenten belastungstypischen Krankheitsbild und einem belastungskonformen Schadensbild.
PD Dr. M hat für den Senat noch einmal bestätigt, dass diese Konsensempfehlungen den aktuellen Stand der nationalen und internationalen Diskussion zur Verursachung von Lendenwirbelsäulenerkrankungen durch körperliche berufliche Belastungen darstellen. Zur Gewährleistung einer gleichen und gerechten Behandlung aller Versicherten im Geltungsbereich des SGB VII begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die befassten Gutachter und die Sozialgerichtsbarkeit diese Konsensempfehlungen anwenden. Danach überzeugt es im konkreten Fall den Senat, wenn Dr. O, Dr. W und PD Dr. M in Anwendung dieser Kriterien die Ablehnung eines Ursachenzusammenhanges vorgeschlagen haben. Insbesondere PD Dr. M hat in seinem überzeugenden Gutachten die Kriterien der Zusammenhangsbeurteilung, wie sie in den Konsensempfehlungen dargelegt sind, beachtet.
Auszugehen war daher davon, dass beim Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung in Form eines operierten Bandscheibenvorfalles bei L4/5 vorliegt. Dies entspricht der Konstellation B ab Seite 217 der Konsensempfehlungen (vgl. Trauma und Berufskrankheit 3 2005, Seite 217 ff.). Bei Vorliegen eines Bandscheibenvorfalls wird dabei in der Konstellation B 1 in allen diesen Konstellationen ist das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen unterstellt ein Ursachenzusammenhang als wahrscheinlich bejaht, wenn eine Begleitspondylose besteht. Eine solche liegt nach der insoweit übereinstimmenden Auffassung der Gutachter hier nicht vor. Dr. W hat auf Seite 12 seines Gutachtens unter Punkt 7 ausführlich ausgeführt, dass die Begleitspondylosen nicht vorliegen. Er hat ausgeführt, dass Begleitspondylosen weder an der LWS noch im gesamten Bereich der BWS vorliegen. PD Dr. M hat dieses im Ergebnis bestätigt. Soweit das Sozialgericht auf Seite 8/9 seines Urteils ausgeführt hat, dass entgegen der Auffassung aller bisher mit der Sache befassten Gutachter kein monosegmentaler Schaden vorliege und nach dem MRT begleitende degenerative Veränderungen im Sinne einer Spondylosteochondrose und Spondylarthrose vorlägen, ist seiner Beweiswürdigung nicht zu folgen. Das Sozialgericht hat weder dargelegt noch ist es ersichtlich, warum es über besseren Sachverstand als die bisher mit der Sache befassten sachverständigen Orthopäden verfügt. Es obliegt rein medizinischem Sachverstand, aus den vorliegenden Befunden die medizinisch richtigen Schlüsse zu ziehen und sie der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht, das insoweit nicht über eigenen ausreichenden Sachverstand verfügt, zur Verfügung zu stellen. Die Bewertung einer Diagnose als krankhaft oder altersentsprechend gesund und die Bewertung eines bestimmten Schweregrades einer Erkrankung ist medizinischem Sachverstand vorbehalten. Hätte das Sozialgericht insoweit Zweifel daran gehabt, dass trotz übereinstimmender Ablehnung aller Sachverständigen doch Indizienkraft besitzende Begleiterkrankungen vorliegen, so hätte es nachfragen müssen, aber nicht vorhandenen eigenen Sachverstand anstelle medizinischer Beweiserhebung setzen. Im Berufungsverfahren hat auch PD Dr. M bestätigt, dass ein monosegmentaler Schaden besteht und über das Altersmaß hinausgehende degenerative Veränderungen an der LWS, mit Ausnahme eines ebenfalls monosegmentalen Bandscheibenschadens an der HWS, gerade nicht vorliegen.
Insoweit entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Beklagte jedenfalls entsprechend den Konsensempfehlungen, die auch sie für zutreffend hält, nicht der Auffassung, dass fehlende Begleitspondylosen bereits zur Ablehnung eines Anspruchs führen. Denn dies betrifft die Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen. Dort ist bei Vorliegen eines Bandscheibenschadens bei L4/5 und Verneinung konkurrierender Ursachen und Verneinung einer Begleitspondylose gerade ausgeführt, dass ein Ursachenzusammenhang auch dann als wahrscheinlich anerkannt werden kann, wenn eines von drei Zusatzkriterien vorliegt. Ein solches Kriterium ist die Höhenminderung und/oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben, der im Magnetresonanztomogramm in mindestens zwei angrenzenden Segmenten nachgewiesen sein muss. Daran fehlt es. PD Dr. M hat ausgeführt, dass die Messung der Bandscheibenfächer beim Kläger gerade keine über das altersentsprechende Normalmaß hinausgehende Veränderung außer in den Segmenten C5/6 und L4/5 ergeben hat. Er hat hierzu beanstandungsfrei auf die Konsensempfehlungen zur Berechnung der Bandscheibenhöhe in Trauma und BK, Seite 224 226, verwiesen. Dem ist aus der Sicht des Senats nichts hinzuzufügen.
Danach steht fest, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der bei dem Kläger zweifelsfrei vorliegenden bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule und den ebenso zweifelsfrei verrichteten schweren körperlichen Arbeiten im Sinne der BK 2108 nicht besteht.
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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