L 15 VG 1/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VG 8/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 1/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. September 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Der 1985 geborene Kläger begehrt Leistungen gemäß § 1 Abs.1 des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

Die AOK Bayern hat für den Kläger am 18.01.2005 Leistungen nach dem OEG beantragt, nachdem dieser im Rahmen einer Schlägerei am 29.05.2004 schwerste Verletzungen erlitten hatte, u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma dritten Grades. Der entsprechende Antrag des Klägers vom 20.01.2005 ist am 24.01.2005 bei dem Beklagten eingegangen.

Der Beklagte hat die Unterlagen der Strafverfolgungsbehörden beigezogen und ausgewertet. Der Täter G. H., geb. 1985 in M./Russland, ist mit Urteil des Jugend-Schöffen-gerichts bei dem Amtsgericht A-Stadt vom 26.01.2005 - 6 Ls 11 Js 9848/04 gö - wegen zweifacher vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Dem Streiturteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: In der Nacht vom 28. auf den 29.05.2004 feierte G. H. seinen 19. Geburtstag in der Wohnung seiner Eltern in der D. Straße in A-Stadt. Gegen 0.30 Uhr erschien der später Geschädigte A. zusammen mit einem Bekannten A. B. auf der Feierlichkeit und hielt sich dort bis in die frühen Morgenstunden auf. Etwa gegen 6.00 Uhr morgens begann der stark betrunkene Geschädigte A. den Angeklagten G. H. zu beleidigen, indem er ihn auf russisch als Hurensohn, Wichser und ähnliches bezeichnete. Dabei schlug der Geschädigte A. dem Angeklagten G. H. auch mehrmals mit der Hand ins Gesicht. Die Situation beruhigte sich jedoch zunächst wieder, nachdem der Angeklagte G. H. beruhigend auf den betrunkenen A. einsprach. Der Angeklagte G. H. begab sich sodann in sein Schlafzimmer, um einen anderen Partiegast aufzuwecken. Während der Angeklagte G. H. nun versuchte, den tief schlafenden W. G. zu wecken, trat ihm der Geschädigte A., welcher ihm gefolgt war, von hinten in den Gesäßbereich und beleidigte ihn dabei weiterhin. Es handele sich hierbei zunächst um relativ leichte Tritte, welche den Angeklagten G. H. eher provozieren sollten. Nachdem der Geschädigte A. den Angeklagten G. H. einmal an seinen Genitalien traf, was bei dem Angeklagten G. H. einen deutlichen Schmerz hervorrief, drehte sich dieser blitzschnell um und schlug dem Geschädigten A. unvermittelt mit der Faust ins Gesicht, worauf dieser nach rückwärts geworfen wurde und nach Anschlag des Kopfes gegen den Schreibtisch auf dem Rücken zum Liegen kam. Dem Angeklagten G. H. war hierbei bewusst, dass er von einem Volltrunkenen angegriffen worden war. Auch wusste er, dass er leistungssportmäßig Kickboxen betrieb und deshalb im Faustkampf ausgebildet war. Auch aufgrund des kurzfristigen Schmerzgefühls an den Hoden war der Angeklagte G. H. jedoch so verwirrt, dass er der Ansicht war, mit einem massiven Faustschlag reagieren zu dürfen, obwohl er den erkennbar volltrunkenen Geschädigten A. lediglich mit milderen Mitteln hätte abwehren dürfen. Nachdem der Geschädigte A. nunmehr hilflos am Boden lag, beugte sich der Angeklagte G. H. ohne rechtfertigenden oder entschuldigenden Grund über ihn und schlug ihm mehrmals mit der Faust ins Gesicht. Als er sich danach aufrichtete, trat er ihm noch zweimal mit dem Fuß in die Rippen. Deshalb wurde er von dem anwesenden Zeugen A. B. von hinten gepackt und trat in der Wut noch einmal mit dem Fuß in Richtung Gesicht, welches er auch an der linken Stirnseite traf. Durch die Schläge des Angeklagten G. H. wurde der geschädigte A. erheblich verletzt. Er erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit Blutergüssen im Stammhirn und war mehrere Wochen ohne Bewusstsein. Zusätzlich erlitt er eine Nasenbeinfraktur mit zahlreichen Hämatomen am Kopf. Er ist heute schwerbeschädigt und kann alltägliche Dinge des Lebens nicht selbst tun, sondern muss von seiner Mutter unterstützt werden. Auch ist es ihm nicht möglich, ganze Sätze auszusprechen. Es ist davon auszugehen, dass der Geschädigte A. hirnorganisch geschädigt bleibt. Ob die schwere hirnorganische Schädigung bereits durch den ersten Schlag oder durch einen der späteren Schläge verursacht worden ist, konnte nicht mehr sicher festgestellt werden.

Hierauf gestützt hat der Beklagte den Antrag auf Beschädigtenversorgung mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberbayern II vom 09.08.2005 abgelehnt. Der Kläger sei am 29.05.2004 zwar Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 OEG geworden. Gemäß § 2 Abs.1 Satz 1 OEG seien Leistungen jedoch wegen Unbilligkeit zu versagen. Der Kläger habe den Schädiger zunächst verbal beleidigt und habe ihn später von hinten in den Gesäßbereich und auch in den Genitalbereich getreten. Daraufhin habe sich G. H. umgedreht und dem Kläger unvermittelt mit der Faust ins Gesicht geschlagen, woraufhin dieser nach rückwärts geworfen worden und nach Anschlag des Kopfes gegen einen Schreibtisch auf dem Rücken zum Liegen gekommen sei. Trotzdem, dass der Kläger hilflos am Boden gelegen habe, sei er von G. H. noch mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen und mit dem Fuß in die Rippen getreten worden. Durch diese Schläge sei der Kläger erheblich verletzt worden und sei heute schwerbeschädigt. Die Tätlichkeiten seien von dem Kläger ausgegangen und seien ursächlich für den ersten Faustschlag des G. H. gewesen. Letztendlich habe der Kläger sogar einen rechtswidrigen Angriff gegen G. H. durchgeführt, welcher lediglich wegen seiner Alkoholisierung nicht zu einem Notwehrrecht des G. H. geführt habe. Somit wäre es unbillig, zumindest für die Folgen des ersten Faustschlages Versorgung nach dem OEG zu gewähren. Da aber nicht mehr feststellbar sei, ob die schwere hirnorganische Schädigung bereits durch den ersten Schlag oder durch einen der späteren Schläge verursacht worden sei, sei Versorgung nach dem OEG in vollem Umfang nach § 2 Abs.1 OEG zu versagen.

Der Widerspruch vom 29.08.2005 gegen den Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberbayern II vom 09.08.2005 ist mit Widerspruchsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 15.02.2006 zurückgewiesen worden.

In dem sich anschließenden Klageverfahren haben die Bevollmächtigten des Klägers mit Klagebegründung vom 15.12.2006 vorgetragen, es sei unzutreffend, dass der Kläger die gesundheitlichen Schäden mitverursacht habe. Der Kläger habe sich in der Nacht vom 28. zum 29.05.2004 auf dem Geburtstag des Schädigers G. H. befunden, der wegen dieser Tat auch strafrechtlich verurteilt worden sei. In den frühen Morgenstunden des 29.05.2004 gegen ca. 6.00 Uhr sei es zwischen dem Kläger und G. H. zu nichtigen Reibereien gekommen, wobei der im Kampfsport geübte G. H. unvermittelt dem Kläger einen so heftigen Faustschlag ins Gesicht versetzt habe, dass dieser durch den Schlag nach rückwärts gefallen sei und sich dabei drehte, und während der Drehbewegung mit dem Kinn auf den dort befindlichen Tisch aufgeschlagen sei. Dann sei der Kläger auf den Rücken gefallen. Als er auf dem Rücken lag, habe G. H. weiter auf den Kläger eingeschlagen und ihm mit dem Fuß insbesondere gegen den Kopf getreten, wobei der Kläger noch die Arme nach oben genommen habe, um seinen Kopf zu schützen. Dann sei der Kläger bewusstlos geworden. Statt sich um den bewusstlosen Kläger zu kümmern, habe G. H. diesen liegen gelassen, bis letztendlich der Notarzt herbeigerufen worden sei. Entgegen der Beweiswürdigung des Amtsgerichts A-Stadt im Rahmen des Strafverfahrens sei entscheidend, dass zunächst versucht wurde, den Sachverhalt völlig anders zu schildern. Entsprechend der Erstmeldung der Polizeiinspektion A-Stadt sei davon auszugehen, dass es zu den schweren Verletzungen gar nicht in der Wohnung des Schädigers gekommen sei, sondern auf dem Volksfest, von dem der Geschädigte A. gegen 6.00 Uhr blutüberströmt gekommen sei. Wie bereits ausgeführt, habe der Kläger G. H. jedoch nicht provoziert. Selbst wenn man eine solche Provokation zugrunde legen sollte, sei diese, wie vom Amtsgericht A-Stadt ausgeführt, harmlos, die Reaktion des Schädigers jedoch von äußerster Brutalität und von einer Notwehrsituation nicht mehr gedeckt gewesen. Nach wie vor bestünden die schweren gesundheitlichen Einschränkungen weiter, insbesondere eine erhebliche Sprachstörung, eine erheblich eingeschränkte geistige Leistungsfähigkeit, das Angewiesensein auf einen Rollstuhl (der Kläger könne nur ganz kurze Strecken und nur sehr langsam an Krücken gehen), eine Einschränkung des Sehvermögens sowie das Angewiesensein auf die ständige Pflege durch die Eltern. Weder habe der Kläger seine schweren Verletzungen mitverursacht, noch sei es unbillig, dem Kläger Leistungen nach den Bestimmungen des OEG zu gewähren.

Nachdem die Klagebegründung vom 15.12.2006 erst zwei Tage vor der bereits anberaumten öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts München vom 19.12.2006 eingegangen ist, hat das Sozialgericht München den Rechtsstreit vertagt. Im Folgenden hat das Sozialgericht München die Klage mit Urteil vom 12.09.2007 abgewiesen. Die Überreaktion von G. H. sei zwar nicht erlaubt gewesen, im Sinne des § 2 Abs.1 Satz 1 OEG aber immer noch unmittelbar kausal und in vorwerfbarer Weise vom Kläger verursacht. Das Gericht habe auch nicht dem speziellen Einwand nachgehen müssen, die Auseinandersetzung zwischen dem Schädiger und dem Kläger habe gar nicht in der Wohnung des Schädigers stattgefunden, sondern auf dem I. Volksfest. Es sei keinesfalls plausibel, dass der Kläger morgens um 6.00 Uhr blutüberströmt vom Volksfest gekommen sein soll. Ohne eine Erläuterung, wo die am Geschehen beteiligten Personen die Nacht verbracht haben sollten bzw. was sie auf dem stundenlangen verödeten Gelände des Volksfestes die Nacht über getan haben sollten, bleibe die "Variante Volksfest" inhaltsleer.

Die hiergegen gerichtete Berufung vom 07.01.2008 ging am selben Tag beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des BayLSG wurden die Versorgungs-Akten des Beklagten sowie die erstinstanzlichen Unterlagen beigezogen.

Ergänzend zu den erstinstanzlichen Ausführungen hoben die Bevollmächtigten des Klägers mit Berufungsbegründung vom 15.04.2008 hervor, dass der Kläger den Schädiger nicht provoziert habe. Das Sozialgericht sei nicht befugt gewesen, angesichts der geschilderten Ungereimtheiten und gar vorsätzlichen Falschvortrages durch die Zeugen und der Einlassung des Schädigers im Rahmen des Strafverfahrens die benannten Aussagen als Tatsachen anzunehmen und dem Urteil zugrunde zu legen. Gleichermaßen sei es nicht Aufgabe des Klägers, Zeugen zum Tathergang zu benennen, Zeugen die er nicht habe, sondern es wäre Aufgabe des Beklagten gewesen, entsprechenden Beweis anzutreten, was nicht erfolgt sei. Zumindest hätte das Sozialgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht, wenn es schon auf die Aussage des Schädigers besonderen Wert legte, eine entsprechende Beweisaufnahme selbst durchführen müssen. Auch hätte das Sozialgericht den in der Verhandlung anwesenden Kläger befragen können, habe das aber zu Unrecht unterlassen. Eine weitere Verhandlung war insofern nicht angebracht, zumal der Prozessbevollmächtigte den Inhalt der Klagebegründung mündlich vorgetragen und auf die wesentliche, den Bescheiden entgegenstehende Argumentation hingewiesen habe. Weiterhin habe das Sozialgericht zu Unrecht bei seiner Entscheidungsfindung die Ausführungen des strafrechtlichen Urteils übernommen und hierbei verkannt, dass das Sozialgericht keineswegs durch Urteile der Zivil- oder Strafgerichte präjudiziert werde. Nochmals werde darauf hingewiesen, dass der Kläger den Schädiger nicht provoziert habe. Selbst wenn der Kläger den Schädiger provoziert haben sollte, so wäre die Überreaktion des Schädigers keineswegs unmittelbar kausal und in vorwerfbarer Weise vom Kläger verursacht worden.

Der Antrag vom 15.04.2008 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter gleichzeitiger Beiordnung des Bevollmächtigten des Klägers wurde mit Beschluss des BayLSG vom 12.08.2008 aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt (fehlende Vollmachtsvorlage, fehlende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse). Nach Ausräumung dieser verfahrensrechtlichen Hindernisse wurde der weitere Antrag vom 15.04.2008 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter gleichzeitiger Beiordnung des Bevollmächtigten des Klägers mit Beschluss des BayLSG vom 21.10.2008 erneut abgelehnt. Nach Aktenlage bestehe unverändert keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO).

In der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2009 ist für den Kläger niemand erschienen. Die Bevollmächtigten des Klägers haben bereits mit Berufungsbegründung vom 15.04.2008 beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 12.09.2007 sowie des Bescheides vom 29.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.20.2006 den Beklagten zu verpflichten, an dem Kläger Leistungen nach dem OEG seit Antragstellung zu erbringen.

Der Bevollmächtigte des Beklagten stellt den Antrag,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.09.2007 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 540 ZPO sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Unterlagen erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß den §§ 143, 144 und 151 SGG zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 12.09.2007 - S 30 VG 8/06 - zutreffend abgewiesen.

Der Kläger ist in den frühen Morgenstunden des 29.05.2004 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person geworden (§ 1 Abs.1 Satz 1 OEG). Leistungen sind hier jedoch zu versagen, weil der Geschädigte die Schädigung im Sinne von § 2 Abs.1 Satz 1 OEG durch sein Verhalten wesentlich mitverursacht hat. Der Geschädigte hat die Schädigung dann verursacht, wenn er dafür eine wesentliche Bedingung im Sinne der allgemeinen sozialrechtlichen und speziell versorgungsrechtlichen Ursachentheorie gesetzt hat. Diese Kausalitätsnorm gilt auch im Recht der Opferentschädigung (BSG, Urteil vom 07.11.1979 - 9 RVg 2/78).

Auch zur Überzeugung des erkennenden Senats steht aufgrund der beigezogenen Akten des Beklagten und der dort enthaltenen Unterlagen der Strafverfolgungsbehörden, die im Rahmen eines Urkundsbeweises ausgewertet wurden, fest, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat, wie von dem Jugend-Schöffengericht bei dem Amtsgericht A-Stadt mit Urteil vom 26.01.2005 - 6 Ls 11 Js 9848/04 gö - festgestellt wurde. Denn die Angabe, gegen 6.00 Uhr sei der Geschädigte A. blutüberströmt vom Volksfest nach Hause gekommen, beruht auf einer nachträglichen Angabe des Notarztes W. vom Klinikum A-Stadt vom 30.05.2004 als Zeuge vom Hörensagen, welche nicht weiter belegt ist.

Der weitere Zeuge Dr. V. S. hat als Oberarzt am Klinikum A-Stadt gegenüber der Kriminalpolizeiinspektion A-Stadt am 09.06.2004 bestätigt, aufgrund der vorliegenden Befunde und der festgestellten äußeren Verletzungen müsse man davon ausgehen, dass der Patient einen massiven Schlag gegen den Kopf - vermutlich auf das Kinn oder die Nase - erhalten habe, sodass dadurch der Kopf ruckartig zur Seite oder nach hinten geschleudert worden sei. Bei so einem Geschehensablauf müsse man sich vorstellen, dass der Kopf rotiere und das halbflüssig gelagerte Hirn sozusagen "stehen bleibe". Der Hirnstamm - die Kreuzung der Verbindung zu allen Hirnteilen - werde bei so einem Ablauf wie ein feuchtes Handtuch zusammengedreht, wodurch die oben genannten Prellungen entstünden. In so einem Fall würde der Patient sofort bewusstlos und handlungsunfähig werden. Es ist also aus seiner Warte schwer vorstellbar, dass der Patient nach den Schlägen noch nach Hause gegangen sein soll, wie das durch die Verwandten beim Erstzugriff geschildert worden sei.

Für den erkennenden Senat steht aufgrund der vorstehenden Zeugenaussagen vor allem der behandelnden Ärzte zweifelsfrei fest, dass die "Variante Volksfest" völlig inhaltsleer ist, wie dies das Sozialgericht München mit Urteil vom 12.09.2007 bereits zutreffend dargelegt hat.

Zum eigentlichen Geschehen liegt vielmehr nur die Aussage des A. B., geb. 1986 in N., vor. Dieser hat im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vom 06.07.2004 den Sachverhalt wie folgt eingehend geschildert: Am Samstag, dem 29.05.2004, zwischen 24.00 Uhr und 0.30 Uhr sind der und ich nach dem Volksfestbesuch zur Geburtstagsfeier von G. H. gegangen. Anwesend waren auch noch der A. G., drei Mädchen, deren Namen ich nicht kenne. W. G. war da und noch ein Türke, den ich vom Namen her nicht kenne sowie G. H ... Wir saßen im Wohnzimmer und haben miteinander gequatscht, etwas gegessen und getrunken. Gegen 2.00 Uhr ist noch ein Freund von G., der R. M., gekommen. Er war etwa 20 Minuten da, gratulierte dem G. und trank eine Flasche Bier. Anschließend ist der R. wieder gegangen, weil er zur Arbeit musste. Wir sind dann noch ein wenig gesessen und A. G. hatte die drei Mädchen nach Hause gefahren und dieser Türke ist mit seinem eigenen Auto nach Hause gefahren. Anschließend waren noch neben mir der A. und W. G. sowie G. H. da. Auch A. war selbstverständlich noch da. Ich möchte noch ergänzen, dass R. M. mit seiner Freundin da war, aber, wie gesagt, etwa 20 Minuten später auch die Wohnung von G. H. wieder verlassen hatte. Zu diesem Zeitpunkt sind wir restlichen fünf immer noch im Wohnzimmer gesessen. Gegen 3.00 Uhr sind schließlich der A. G., W. G. und G. H. in eine Diskothek weggefahren. A. und ich sind noch in der Wohnung von G. H. geblieben. In welche Diskothek die drei gefahren sind, weiß ich nicht. A. G. hatte ein Auto. Das war das Auto, soweit ich weiß, von seinen Eltern. Mit diesem Auto sind die Drei weggefahren ... war voll zu und ich bin bei geblieben. Ich habe dann noch etwas getrunken und auch hat noch etwas getrunken. Wir beide sind die ganze Zeit im Wohnzimmer gesessen. Nur wir beide waren noch in der Wohnung von G. H ... Ich habe nicht mitbekommen, wer von den Dreien noch die Idee hatte, noch in die Diskothek zu fahren. Die Drei wollten einfach noch Spaß haben. Gegen 4.30 Uhr sind die Drei wieder zurückgekommen. A. G. hatte sich aber dann gleich verabschiedet und ist nach Hause gefahren. W. und G. sind geblieben. Im Zimmer von G. haben sich dann der W. und der G. schlafen gelegt. und ich sind immer noch im Wohnzimmer gesessen. Ich habe nichts mehr getrunken, der hat aber weiter Alkohol getrunken ... hat die meiste Zeit Whisky (Jim Beam) mit Cola getrunken. Insgesamt kann ich nur grob abschätzen, ich meine aber, dass der A. etwa eine viertel Flasche Whisky getrunken hatte. war sehr stark betrunken. An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass die genannten Personen bis auf G. H. mit mir weder verwandt noch verschwägert sind. Den Verwandtschaftsgrad zu G. H. kann ich nur als sehr entfernten Verwandten bezeichnen ... Im Zimmer von G. H. legte sich der G. in sein Bett und W. hat auf der Couch von G. geschlafen. Es müsste gegen 6.00 Uhr gewesen sein, dann ist A. ausgerastet. Das ist bei ihm schon öfters vorgekommen, wenn er stark betrunken war. war böse bzw. verärgert, weil wir schließlich auf der Geburtstagsfeier von G. waren. Die Beiden haben sich einfach schlafen gelegt. Schließlich ist A. zum G. ins Zimmer gegangen und hat ihn aufgeweckt. Er sagte zu mir, dass er jetzt zum G. hinginge und ihn aufwecken würde. Ich bin im Wohnzimmer sitzen geblieben. Kurz darauf kehrte der mit dem G. wieder zurück ins Wohnzimmer. Ich habe beobachtet, dass der dem G. gegenüber handgreiflich wurde. Er beleidigte den G. mit russischen Schimpfworten. Übersetzt wäre der Sinn und die Bedeutung von "Hurensohn", "Wichser" und ähnliches gewesen ... Der ist immer so. Wenn er betrunken ist, dann rastet er auf Kleinigkeiten hin aus. Ich habe auch gesehen, dass der seine Uhr abgenommen hatte und den G. mit der Faust einfach so ins Gesicht geschlagen hat. Er fragte den G. auch vorher, ob er ihn ins Gesicht schlagen dürfe. G. sagte natürlich nein. Und trotzdem hat der ihm ins Gesicht geschlagen. legte seine Armbanduhr auf dem Tisch ab. Ich zeichne auf der beiliegenden Skizze ein, wie wir damals so im Wohnzimmer gesessen waren. Wir Drei sind am Wohnzimmertisch gesessen. G. ist noch auf dem Stuhl gesessen, als auf ihn eingeschlagen hatte. G. versuchte noch, den zu beruhigen ... Einen konkreten Grund kann ich nicht nennen. sucht immer Streit, wenn er betrunken ist. G. war zu dieser Zeit selber besoffen. Der hatte auf den G. geschätzt fünf- bis siebenmal eingeschlagen. Dabei traf er auch den Bereich vom rechten Oberarm des G ... Geblutet hat G. nicht, soweit ich das gesehen habe. Soweit ich das sagen kann, hatte der auf den G. mit voller Wucht eingeschlagen. G. versuchte, den zu beruhigen. In dieser Phase hat der G. den nicht geschlagen. Zur Erklärung, der hatte nicht die ganze Zeit eingeschlagen. Er hat sich zwischendurch immer wieder mal hingesetzt. Dann ist er wieder aufgestanden und hat wieder auf den G. eingeschlagen. Zurückgeschlagen hatte der G. nicht. Der ganze Sachverhalt dürfte sich auf etwa 20 oder 30 Minuten hingezogen haben. Das dürfte so zwischen 6.00 Uhr und 6.30 Uhr gewesen sein. Der W. hat von der ganzen Sache nichts mitbekommen. Er hat die ganze Zeit im Wohnzimmer von G. geschlafen. Über mein Handy habe ich dann bei mir zu Hause meine Mutter angerufen. Ich wollte, dass die Mutter mich und den W. abholen würde ...Ich hatte schon, bevor ich zur Geburtstagsfeier von G. gegangen war, eine Magengrippe. Ich fühlte mich nicht besonders. Deshalb wollte ich dann auch nach Hause. Ich wusste auch, dass der W. nach Hause musste, wegen seinem Kind. Sein Kind ist etwa ein Jahr alt. Ich weiß nur, dass er wegen seinem Kind eigentlich nach Hause hätte müssen. Als ich zu Hause bei meiner Mutter angerufen hatte, bin ich noch im Wohnzimmer gestanden. Als Nächstes bin ich dann ins Zimmer von G. gegangen und versuchte, den W. aufzuwecken. Er lag immer noch auf der Couch im Zimmer von G ... Ich habe den W. einfach nicht wach bekommen. Zu dem Zeitpunkt war es dämmerig. Es waren die Rollos von dem Zimmer nicht heruntergelassen. Im Zimmer von G. brannte auch das Licht. Somit war es im Zimmer hell. Anschließend bin ich wieder ins Wohnzimmer gegangen und habe den G. geholt. Er sollte mir helfen, den W. wach zu bekommen. G. ist dann mit mir in sein Zimmer gegangen und der folgte uns ... Ich stand neben der Couch und neben mir stand der G ... Der ist immer hinter uns von der einen zur anderen Seite zur Couch gegangen. Er ist immer hin und her gegangen. Weitere Personen waren zu diesem Zeitpunkt nicht im Zimmer von G ... Der W. lag auf seiner linken Körperseite, hatte seine beiden Hände unter dem Kopf und seine Beine waren angezogen. Er war auch durch den G. nicht wach zu bekommen. Auch der G. schüttelte den W. und er wurde einfach nicht wach. Während der Zeit, als G. versuchte, den W. wach zu bekommen, hatte der den G. immer von hinten getreten. Dabei traf er auch den Gesäßbereich von G ... Der schlug auch mit seinem Knie in Richtung G ... Der hat einfach keine Ruhe gegeben und den G. auch weiter beleidigt. Ich wurde vom nicht beleidigt. Auf mich hat er überhaupt nicht reagiert. Da es sinnlos war, bin ich in dieser Situation auch nicht dazwischen gegangen. Allgemein gesehen war es dann so, dass der G. immer versuchte, den W. wach zu bekommen und der von hinten auf den G. in irgendeiner Form immer einschlug oder ihn beleidigte. Das Ganze ging dann so etwa vier oder fünf Minuten lang. Schließlich drehte sich der G. um und hat auf den eingeschlagen. fiel nach hinten und ist in Rückenlage zum Liegen gekommen. Er lag im Bereich des Computers. Seine Beine zeigten in Richtung Bett vom G ... Der Kopf zeigte in Richtung Computer. Zunächst hatte der G. nur einmal auf den eingeschlagen. Dabei lag der noch wach auf dem Bogen. Er war noch bei Bewusstsein ... Der G. hatte aus der Drehung heraus den mit der Faust direkt ins Gesicht geschlagen. Dabei traf er Mund und Nase von. G. war meiner Einschätzung nach nicht so sehr betrunken wie der. nervte schließlich die ganze Zeit. Nachdem der so in Rückenlage gelegen war, ist der G. zum hingegangen, packte den im vorderen Bereich seines T-Shirts, zog den ein Stück zu sich her und schlug mehrmals mit der Faust dem ins Gesicht. versuchte in dieser Situation mit seinen Armen die Schläge abzuwehren. Der G. dürfte zwei- oder dreimal kräftig den so am Boden liegenden mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Ich bin dann zum G. hin und versuchte, ihn von wegzuziehen. Beim Wegziehen des G. habe ich mit meinen beiden Armen den G. unter dessen Schultern gegriffen und ihn so rückwärts weggezogen. Beim Wegziehen schlug der G. auch mit seinem linken Bein nochmals in Richtung Kopf des am Boden liegenden. Dieser Fußtritt war aus meiner Sicht nicht mehr ganz so kräftig. Er hatte ihn aber getroffen. Durch dessen Fußtritt traf der G. den auf dessen linken Stirnseite. Zuvor war der Kopf von noch nach rechts in unsere Richtung geneigt ...

Hiervon ausgehend ist für den erkennenden Senat von Bedeutung, dass die Feststellungen des Jugend-Schöffengerichts bei dem Amtsgericht A-Stadt mit Urteil vom 26.01.2005 zum eigentlichen Geschehensablauf den Aussagen des A. B. in vollem Umfang entsprechen. In Würdigung der vorliegenden Unterlagen steht daher entgegen den Ausführungen der Klägerbevollmächtigten zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, dass der alkoholisierte, zu tätlichen Auseinandersetzungen neigende Kläger G. H. anfänglich verbal und später auch körperlich erheblich provoziert hatte. Diese Provokationen gipfelten in Tritten in den Gesäßbereich. Wenn A. B. ausgeführt hat, der schlug auch mit einem Knie in Richtung G., korrespondiert dies mit den Feststellungen des Jugend-Schöffengerichts beim Amtsgericht A-Stadt, dass G. H. einmal an seinen Genitalien getroffen worden ist.

Die hieraus resultierende Überreaktion des G. H., die mit einem blitzschnellen Faustschlag in das Gesicht des Klägers begann und mit einem Fußtritt an die linke Stirnseite des am Boden liegenden Geschädigten endete, ist somit von dem Kläger im Sinne von § 2 Abs.1 OEG wesentlich mitverursacht worden (BSG, Urteil vom 07.11.1979 - 9 RVg 2/78). Der Beklagte hat daher zutreffend Leistungen nach dem OEG versagt.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.09.2007 zurückzuweisen. Die Anwesenheit des Klägers oder seiner Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 03.02.2009 ist hierbei nicht erforderlich gewesen (§ 110 Abs.1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 173, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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