L 10 AL 222/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 225/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 222/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 38/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Bezug zu einer "Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung" i.S.d. § 6 Abs.3 AlhiVO 1974 ist bei einfach zu kündigenden Anlageformen regelmäßig zu verneinen; dies gilt insbesondere für Aktien und Fondbeteiligungen, die jederzeit wieder verkauft werden können (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen 12.Senat vom 24.10.2001, Az: L 12 AL 236/00).
2. Auch ein Vermögen, welches aus Mitteln des Arbeitslosengeldes oder der Arbeitslosenhilfe unter Konsumverzicht zusammengespart wurde, ist bei der Prüfung der Bedürftigkeit nach § 6 Abs. AlhiVO 1974 zu berücksichtigen (vgl. BSG 11.Senat vom 29.01.1997,
Az: 11 Rar 63/96).
3. Beim Vermögen des Arbeitlosen sind Verbindlichkeiten nur dann mindernd zu berücksichtigen, wenn diese dergestalt miteinander verknüpft sind, dass davon auszugehen ist, dass sie eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Allein aus dem Bestehen anderweitiger Verbindlichkeiten des Arbeitslosen kann nicht grundsätzlich auf eine Unbilligkeit des Vermögenseinsatzes geschlossen werden (vgl. BSG 11.Senat vom 02.11.2000, Az: B 11 AL 35/00 R).
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.05.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) im Zeitraum vom 30.04.1997 bis 29.04.1998 und die Erstattung von Leistungen in Höhe von insgesamt 27.593,78 DM.

Der 1962 geborene Kläger bezog vom 01.05.1996 bis 29.04.1997 Arbeitslosengeld (Alg). Am 25.04.1997 beantragte er Alhi. Im Antrag gab er an, einen Freistellungsauftrag erteilt zu haben und über ein Vermögen in Höhe von 3.923,76 DM zu verfügen. Die Fragen zum Besitz von Wertpapieren (z.B. Sparbriefen, Aktien), Kapitallebensversicherungen und Bausparverträgen wurden vom Kläger mit "nein" angekreuzt und er bestätigte die Richtigkeit der Angaben mit seiner Unterschrift.

Am 05.05.1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab 30.04.1997 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 369,00 DM, ab 01.01.1998 mit einem Leistungssatz von 371,56 DM.

Nachdem die Beklagte erfahren hatte, dass der Kläger bei der Volksbank Raiffeisenbank in B-Stadt über ein Guthaben in Höhe von 108.061,09 DM verfügte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 26.02.1999 die Bewilligung von Alhi des Klägers ab 30.04.1997 auf. Unter Berücksichtigung der Freigrenze von 8.000,00 DM verbleibe dem Kläger ein Betrag von 100.061,09 DM, welcher bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen sei. Bei Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das wöchentliche Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Alhi richte (1.300,00 DM), ergebe sich, dass der Kläger für einen Zeitraum vom 76 Wochen nicht bedürftig sei. Er habe damit keinen Anspruch auf Alhi für den Zeitraum vom 30.04.1997 bis 29.04.1998. Die Überzahlung in Höhe von 19.293,02 DM sei vom Kläger nach § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erstatten, hinzu kämen Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 8.300,76 DM, somit insgesamt 27.593,78 DM.

Hiergegen legte der Kläger am 22.03.1999 Widerspruch ein. Gleichzeitig wandte er sich an den Direktor des Arbeitsamts B. und beklagte den angesichts jahrelanger Beitragsleistung unverhältnismäßigen Eingriff. Mit Schreiben vom 09.04.1999 erläuterte die Beklagte dem Kläger den Sachverhalt erneut, woraufhin er die Stundung der Erstattungsforderung beantragte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 11.05.2000 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Zur Begründung ist von der Klägerbevollmächtigten vorgetragen worden, dass das Vermögen des Klägers für die Alterssicherung bestimmt gewesen sei, da er am 18.09.1999 eine Rentenauskunft seines Rentenversicherungsträgers erhalten habe, wonach seine Altersrente nur 668,09 DM betragen würde. Das auf dem Girokonto vorhandene Geld dürfe nicht berücksichtigt werden, da es lediglich der Abwicklung des laufenden Lebensunterhaltes gedient habe. Das Guthaben auf dem Sparkonto Nr. 14913072 sei zur Anschaffung eines PKWs vorgesehen gewesen. Der vorhandene Bausparvertrag sei für die Absicherung eines 1996 erhaltenen Darlehens seiner Eltern angelegt gewesen. Das auf dem Sparkonto Nr.149613072 befindliche Guthaben sei ein Teil dieses Darlehens gewesen, welches er in bar erhalten habe.

Mit der Klage ist eine Bestätigung seiner Eltern vom 20.09.1999 vorgelegt worden, wonach diese die Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 25.000,00 DM zuzüglich Zinsen bestätigten, welches der Kläger von diesen zum Aus- und Umbau seiner Wohnung im Elternhaus erhalten habe.
Die Bausparkasse S. AG hat hinsichtlich des Bausparvertrages Nr. 10 127 699 A 01 mitgeteilt, dass der Kläger bis zum 25.04.1997 Einzahlungen von 24.977,54 DM geleistet habe. Bei einer Kündigung des Vertrages zum 25.04.1997 wäre das Guthaben zuzüglich 3 % Zinsen für 115 Tage zur Auszahlung gekommen.

Die VR-Bank B-Stadt hat bestätigt, dass der Kläger am 25.04.1997 folgende Vermögenswerte hatte:
Girokonto 9613072 1.815,22 DM
Sparkonto 149613072 10.025,61 DM
- Sparkonto 249613072 4.323,76 DM
- Wachstumszertifikat 60449613072 45.000,00 DM
Depot 6331961307 10.000,00 DM

Die U. hat hinsichtlich des Union-Depot 990 / 39022280/02 zum 24.04.1997 einen Depot-Gesamtwert von 61.936,11 DM (31.667,43 EUR) bestätigt.

Das SG hat die Klage nach einer Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 17.05.2006 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass das beim Kläger bestehende Vermögen gemäß § 6 Abs. 1 iVm Abs. 2 und 3 AlhiVO 1974 bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen sei, da es verwertbar und seine Verwertung auch zumutbar sei. Das Bauspardarlehen bei der S. sei zu berücksichtigen, da der Kläger über diesen Betrag allein verfügungsberechtigt gewesen sei, die Ansprüche aus dem Bausparvertrag seien weder abgetreten noch sei der Kläger anderweitig in seiner Verfügung beschränkt gewesen. Hinsichtlich eines Darlehensvertrages mit seinen Eltern habe der Kläger weder eine entsprechende schriftliche Vereinbarung vorlegen können, noch die genauen Modalitäten der Darlehensgewährung benannt. Das restliche Vermögen sei auch nicht der Alterssicherung gewidmet gewesen. Eine solche Widmung sei auch nicht in den Begleitumständen objektiv zum Ausdruck gekommen. Bei den Vermögensanlagen Wachstumszertifikat Nr. 60449613072, Depot Nr. 6331961307 und D.-FOND Nr. 1 könne aufgrund der Anlageform (Laufzeit bzw. Fälligkeit, Anlagerisiko, Auszahlungsmodalitäten) nicht von einer entsprechenden Zweckbestimmung durch den Kläger ausgegangen werden.

Hiergegen hat der Kläger am 12.06.2006 Berufung eingelegt. Zwar habe er am 25.04.1997 über Vermögenswerte in Höhe von 158.314,33 DM verfügt, dennoch sei Bedürftigkeit gegeben. Diesem Vermögen stünden Verbindlichkeiten in Höhe von 25.000,00 DM zuzüglich Zinsen aus einem Darlehensvertrag seiner Eltern gegenüber. Das Girokonto Nr. 9613072 habe der Abwicklung des laufenden Lebensunterhaltes des Klägers gedient und sei somit nicht anzugeben. Wegen des Sparkontos Nr. 249613072 habe der Kläger ab 01.11.1993 einen Ratensparvertrag mit einer monatlichen Sparrate von 100,00 DM abgeschlossen, die eingezahlten Sparraten stammten seit Beginn der Arbeitslosigkeit des Klägers aus dem Alg. Er habe dieses Geld gespart, um einen neuen PKW erwerben zu können, welcher für ihn aus beruflichen und privaten Gründen unentbehrlich gewesen sei. Der D.-FOND, das Wachstumszertifikat und das Aktiendepot in Höhe von insgesamt 116.936,00 DM habe der Kläger zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung angelegt. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts spreche diese Vermögensanlage nicht gegen eine Zweckbestimmung als Altersvorsorge. Das Anlagerisiko bei einem Wachstumszertifikat und auch bei einem offenen Immobilienfond sei gering. Es handele sich keinesfalls um kurzfristige Anlageformen. Zwar hätten sowohl das Wachstumszertifikat als auch der Immobilienfond gekündigt werden können, dies wäre jedoch für den Kläger mit einer niedrigeren Verzinsung verbunden gewesen. Das Wachstumszertifikat wäre nach Ablauf der Sonderzinsvereinbarung nach fünf Jahren wie eine normale Spareinlage weitergelaufen, auch das Engagement des Klägers im D.-FOND sei je besser verzinst gewesen, je länger es gedauert hätte. Die Höhe der Alterssicherung mit 106.936,00 DM sei auch angemessen.
Mit der Berufung ist eine Rückzahlungsbestätigung der Eltern des Klägers vom 20.09.1999 über ein Darlehen von 25.000,00 DM, ein Zahlungsauftrag an die Bausparkasse S. vom 21.07.1999, eine Bestätigung der S. vom 31.08.1999 sowie Konto- und Sparauszüge des Klägers vorgelegt worden; darüber hinaus die Kopie der Eröffnung eines Anlagekontos bei der D. vom 07.01.1993 sowie Wertpapierkauf - Abrechnungen und eine Rentenauskunft des Rentenversicherungsträgers vom 13.09.1999. Der Kläger hat eine handschriftliche Auflistung seiner für die Renovierung des Hauses notwendigen Ausgaben vorgelegt.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.05.2006
sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.02.1999 in der Gestalt des Wider-
spruchsbescheides vom 17.04.2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig. Der Kläger habe weder im Leistungs-antrag noch im Widerspruchsschreiben das vorhandene Vermögen als Alters-vorsorge dargestellt. Die Zweckbestimmung zur Alterssicherung lasse sich weder in subjektiver Hinsicht feststellen, noch nach objektiven Kriterien anerkennen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Beklagtenakten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 26.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 17.04.2000 ist rechtmäßig. Damit liegt auch eine Rechtsverletzung des Klägers nicht vor.

Das SG konnte den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 SGG entscheiden, die Streitsache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt war geklärt.

Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 26.02.1999 ist nicht bereits wegen einer unterbliebenen Anhörung des Klägers nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - begründet. Die vor Erlass des belastenden Verwaltungsaktes unterbliebene Anhörung ist durch das durchgeführte Widerspruchsverfahren geheilt worden, § 41 Abs.1 Nr.3 SGB X. Dem Kläger ist im Widerspruchsverfahren, insbesondere auch mit dem Schreiben vom 08.04.1999 die Möglichkeit eingeräumt worden, sich sachgerecht zu äußern. Im Widerspruchsbescheid hat die Beklagte die Einwendungen des Klägers zur Kenntnis genommen und abgewogen (vgl. Schütze in von Wulffen, SGB X 6.Aufl. 2008, § 41 Rdnr. 15).

Nach § 45 Abs.1 Satz 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt darf aber nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist, § 45 Abs.2 Satz 2 SGB X. Nach § 45 Abs.2 Nr.3 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Soweit die in § 45 Abs.2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtwidrigen begünstigenden Verwaltungsakt vorliegen, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 330 Abs.2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -. An die Stelle einer Ermessensentscheidung tritt somit eine gebundene Entscheidung (vgl. Niesel in Niesel SGB III 4. Auflage 2007, § 330 Rdnr.22).

Die ursprüngliche Alhi-Bewilligung ab dem 30.04.1997 mit Verfügung vom 05.05.1997 war rechtswidrig, denn der Kläger war nicht bedürftig im Sinne der
gesetzlichen Vorschriften. Er verfügte zum Zeitpunkt der Antragstellung am 25.04.1997 zumindest über ein Vermögen in Höhe von 156.499,11 DM.

Nach § 134 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der ab 01.04.1997 geltenden Fassung hatte Anspruch auf Alhi nur, wer u.a. bedürftig war, § 134 Abs.1 Nr.3 AFG. Nach § 137 Abs.2 AFG war ein Arbeitsloser nicht bedürftig, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder das Vermögen der Eltern eines minderjährigen unverheirateten Arbeitslosen die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt war. Nach Inkrafttreten des SGB III ab 01.01.1998 waren die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe hinsichtlich der Bedürftigkeit gemäß § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III iVm. 193 Abs. 2 SGB III in gleicher Weise geregelt.

Unter welchen Voraussetzungen Bedürftigkeit vorlag, konkretisierten die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 137 Abs.3 AFG beruhenden §§ 6 ff der AlhiVO vom 07.08.1974 (BGBl I S.1129) in der Form des Gesetzes vom 18.12.1992 (BGBl I S. 2044).

Nach § 6 Abs.1 AlhiVO war u.a. das Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar, die Verwertung zumutbar und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar war, jeweils 8.000,00 DM überstieg. Mit dieser Regelung brachte der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens zu verwerten hatte, bevor er Leistungen der Alhi in Anspruch nehmen konnte (BSG vom 22.10.1998, Az: B 7 AL 118/97 R).

Nach § 6 Abs.3 AlhiVO war die Verwertung zumutbar, soweit sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich war und sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden konnte. Nicht zumutbar war insbesondere die Verwertung von Vermögen, das für eine alsbaldige Berufsausbildung, zum Aufbau oder zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage oder zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt war (Abs.3 Nr.3) oder die Verwertung von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich waren (Abs.3 Nr.4).

Unter welchen Voraussetzungen die Zweckbestimmung "Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung" zu bejahen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles sowie von Sinn und Zweck der Alhi-Bestimmungen beantworten. Ausgangspunkt der Prüfung hat dabei die vom Arbeitslosen (subjektiv) getroffene Zweckbestimmung zu sein. Im Anschluss daran ist zu prüfen, ob diese subjektive Zweckbestimmung mit den - ebenfalls festzustellenden - objektiven Begleitumständen (z.B. Vertragsgestaltung, Alter des Versicherten, Familienverhältnisse) in Einklang steht. Denn nur dann ist die Zweckbestimmung glaubhaft (vgl. BSG 7.Senat vom 17.10.1996, Az: 7 RAr 2/96).

Insoweit kann als ein Indiz zu werten sein, dass das Vertragsende einer Lebensversicherung in etwa mit dem möglichen Eintritt in das Rentenalter zusammentrifft; nicht Voraussetzung ist eine besondere, vor Eintritt des Ruhestandes nur unter erschwerten Voraussetzungen und Verlusten kündbare Anlageform (vgl. BSG Urteil vom 19.06.1996, Az: 7 Rar 116/95).

Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen sind die Anlagen des Klägers D.-FOND, Wachstumszertifikat und Aktiendepot mit einem Kapital von insgesamt 116.936,11 DM nicht glaubhaft zur Alterssicherung bestimmt.

Hierbei ist zum einen zu beachten, dass der Kläger weder im Leistungsantrag, noch im Widerspruchsschreiben vom 19.03.1999 und auch nicht im Beschwerdeschreiben an den Amtsleiter des Arbeitsamtes vom 22.03.1999 die Altersvorsorge als Grund für diese Vermögenswerte zur Sprache brachte. Der Kläger hat sich ausweislich seines Schreibens vom 18.09.1999 auch erst nach der Aufhebung des Alhi-Bescheides um die Klärung der Höhe seiner gesetzlichen Rentenansprüche bemüht, die erste vorgelegte Rentenauskunft des Rentenversicherungsträgers stammt vom 13.09.1999. Darüber hinaus ist von Bedeutung, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Vermögensanlage noch keinesfalls mit unterdurchschnittlichen Rentenauskünften rechnen konnte. Ausweislich der übersandten Rentenauskunft hat der Kläger nach der Ableistung seines Wehr-Zivildienstes vom 01.07.1983 bis 30.04.1996 ein Arbeitseinkommen erzielt, das bei durchschnittlich 1,2 Entgeltpunkten - bezogen auf die künftigen Rentenanwartschaften - pro Jahr lag. Damit lag zum damaligen Zeitpunkt beim Kläger eine deutlich überdurchschnittliche Rentenerwartung vor.

Darüber hinaus waren die jederzeit verfügbaren Anlagen des Klägers auch objektiv nicht geeignet, der Altersvorsorge zu dienen. Bei diesen einfach zu kündigenden Anlagenformen fehlt jeglicher Bezug zu einer behaupteten Alterssicherung. Bei Aktendepots und Fond-Beteiligungen handelt es sich regelmäßig um Vermögensanlagen, die der Vermögensmehrung dienen sollen und teilweise bis gänzlich spekulativ sind. Außerdem können Aktien und auch Fond-Beteiligungen jederzeit verkauft werden, sodass auch hier ein Bezug zur Alterssicherung nicht erkennbar ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen 12.Senat vom 24.10.2001, Az: L 12 AL 236/00). Bei Bausparverträgen, Sparkontenguthaben bzw. Anlageformen mit allenfalls mittelfristiger Laufzeit bzw. Kündigungsfrist kann grundsätzlich nicht auf eine subjektive Zweckbestimmung zur Altersicherung bei Erhalt der Verfügungsgewalt über die Gelder geschlossen werden (vgl. LSG für das Saarland 6. Senat vom 24.01.2006, Az: L 6 AL 19/04).

Dieser Auffassung steht auch nicht die vom Kläger genannte Rechtsprechung des BSG SozR 3-4100 § 137 Nr. 4 entgegen. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das BSG in dieser Entscheidung die Verwertbarkeit von Bundesschatzbriefen nicht wegen der Laufzeit oder der Kündigungsmöglichkeit der Anlageform verneint. Im damals entschiedenen Fall hatte der (damalige) Kläger einen Unfall erlitten und die Bundesschatzbriefe aus den Leistungen des privaten Unfallversicherungsträgers erworben, eine Unzumutbarkeit ergab sich nach dem BSG aus den (persönlichen) Gesamtumständen beim (damaligen) Kläger.

Die 10.025,61 DM auf dem Sparkonto 149613072 der VR-Bank sind in vollem Umfange zu berücksichtigen. Hierbei kann dahinstehen, ob der Vortrag, es habe sich hierbei um nicht benötigtes Geld aus dem Darlehen der Eltern gehandelt, glaubhaft ist oder nicht. Der Kläger hat jedenfalls vorgetragen, er habe von seinen Eltern ein Darlehen von 25.000,00 DM erhalten, welches er in Höhe von 10.000,00 DM nicht benötigt habe. Die dagegen stehende Darlehensverbindlichkeit von 25.000,00 DM macht der Kläger bereits als Verbindlichkeit gegenüber dem Bausparvertrag bei der S. AG geltend, sodass eine doppelte Berücksichtigung nicht stattfinden kann.

Andererseits ist auch der 1995 geschlossene Bausparvertrag bei der S. Bausparnummer 10 127 688 A 01 mit einem verwertbaren Vermögen von 25.213,63 DM (inkl. Zinsen) zu berücksichtigen. Hiermit ist ein eventuelles Darlehen der Eltern des Klägers nicht verrechenbar. Die Bedürftigkeitsprüfung der AlhiVO verwirklicht den Grundsatz der Subsidiarität der Alhi, wonach jemanden kein Anspruch auf Alhi zusteht, solange und soweit er für sich und seine Angehörigen aktuell selbst sorgen kann (vgl. BSG 11.Senat vom 02.11.2000 Az: B 11 AL 35/00 R). Im Hinblick darauf, dass die Alhi aus allgemeinen Steuermitteln gezahlt wird, kann nicht bereits aus dem Bestehen anderweitiger Verbindlichkeiten des Arbeitslosen ohne nähere Prüfung auf eine Unbilligkeit des Vermögenseinsatzes geschlossen werden. Vielmehr wird grundsätzlich jedes Vermögen ohne Rücksicht auf die näheren Umstände des Erwerbs erfasst (vgl. BSG 11.Senat aaO).

Eine Ausnahme ist lediglich dann zu machen, wenn Vermögensbestandteile und Verbindlichkeiten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als eine Einheit anzusehen sind. Diese Verbindung ist gegeben, wenn Vermögensbestandteil und Verbindlichkeit miteinander dergestalt verknüpft sind, dass jeweils ein zeitlicher und ursächlicher Zusammenhang, der die Beurteilung erlaubt, Vermögensbestandteil und Verbindlichkeit würden eine wirtschaftliche Einheit bilden, gegeben ist.

Diese Verbindung ist zwischen der Bausparsumme und dem behaupteten Darlehen nicht vorhanden. Auch wenn die Eltern des Klägers diesem im Jahr 1996 ein Darlehen von 25.000,00 DM zugewandt hätten, steht die beim Kläger als Vermögen zu berücksichtigende Bausparsumme diesem nicht als wirtschaftliche Einheit gegenüber. Der Bausparvertrag ist lange vor der angeblichen Inanspruchnahme des Darlehens geschlossen worden. Nach Auskunft der Bausparkasse S. war der Kläger auch in der Vermögensverwertung frei; ihm oblag es, ob er die Auszahlung an sich oder einen Dritten vornehmen lassen wollte. Aktiva und Passiva bildeten damit jedenfalls keine Einheit. Die Tatsache, dass die Eltern des Klägers mit Schreiben vom 20.09.1999 die Rückzahlung bestätigten und die Auszahlung im Jahre 1999 an die Mutter des Klägers erfolgt ist, vermag hieran nichts zu ändern.

Darüber hinaus ist auch das Vermögen in Höhe von 4.323,76 DM auf dem Sparkonto 249613072 bei der Volksbank Raiffeisen Bank B-Stadt zu berücksichtigen. Unerheblich ist, ob und dass der Kläger diesen Betrag aus seinen Einkünften aus Alg oder Alhi zusammengespart hat. Auch ein unter Konsumverzicht erworbenes Vermögen ist zu verwerten, eine andere Auffassung findet im Gesetz keine Grundlage (vgl. BSG 11. Senat vom 29.01.1997 Az: 11 RAr 63/96).
Hinsichtlich dieses Betrages ergibt sich der Ausschluss der Verwertung auch nicht aus § 6 Abs.3 Nr.4 AlhiVO. Auch wenn der Vortrag des Klägers zutreffend wäre, dass diese Beträge der Anschaffung eines Kfz s in der Zukunft hätten dienen sollen, führt dies nicht zur Unverwertbarkeit des Geldbetrages. Nach § 6 Abs.3 Nr.4 sind von der Verwertung "Gegenstände" ausgenommen, nicht Vermögen.

Im Ergebnis verfügte der Kläger somit zumindest über ein verwertbares Vermögen in Höhe von 156.499,11DM. Damit kann dahinstehen, ob das Girokonto Nr. 9613072 mit einem Guthaben von 1.815,22 DM zu berücksichtigen ist oder nicht. Nach Abzug des Freibetrages nach § 6 Abs.1 AlhiVO in Höhe von 8.000,00 DM errechnet sich ein anrechenbares Vermögen des Klägers in Höhe von 148.499,11 DM. Bei einem zugrunde zu legenden Arbeitsentgelt in Höhe von 1.300,00 DM wöchentlich ergibt sich damit gemäß § 9 AlhiVO fehlende Bedürftigkeit für 114 Wochen und somit für den gesamten Bewilligungszeitraum vom 30.04.1997 bis zum 29.04.1998. Die Alhi-Bewilligung für diesen Zeitraum war somit rechtswidrig.

Der Kläger kann sich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, da er die Rechtswidrigkeit der Alhi-Bewilligung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, § 45 Abs. 2 S. 3 Nr.2 2.HS SGB X. Maßgebend dafür ist die persönliche Einsichtsfähigkeit des Begünstigten, also ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab (Schütze aaO § 45 Rdnr. 52 mwN). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt danach, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (st. Rspr. seit BSGE 42, 184).

Vorliegend hat der Kläger vorsätzlich die im Antragsformular gestellten Fragen zu Vermögenswerten unrichtig beantwortet, obwohl allein schon durch die Fragestellung offensichtlich war, dass die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen zu Vermögenswerten für die Bewilligung der Alhi entscheidend war. Außerdem hat der Kläger den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblatts 1 für Arbeitslose mit seiner Unterschrift bestätigt. Der Kläger ist gelernter Bauzeichner, und war damit ohne jeden Zweifel subjektiv in der Lage, die an ihn gestellten Anforderungen zu verstehen und umzusetzen. Dies belegen auch die vom Kläger selbst verfassten Schreiben vom 19.03.1999 (Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.02.1999), 22.03.1999 (Dienstaufsichtsbeschwerde an den Direktor des Arbeitsamts B-Stadt) und 14.04.1999 (Stundungsantrag).

Gemäß § 50 SGB X hat der Kläger die für den Zeitraum vom 30.04.1997 bis 29.04.1998 überbezahlte Alhi in Höhe von 19.293,02 DM zu erstatten. Die Erstattung der für diesen Zeitraum entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 8.300, 76 DM ergibt sich aus § 335 Abs. 1 SGB III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG,

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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