Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 2702/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 249/09 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 3. Dezember 2008 aufgehoben. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt E., Konstanz, gewährt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässigerweise erhobene Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt.
Gemäß § 73a SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Rechtsschutzverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1997, 1 BvR 391/93, NJW 1997, 2102, 2103; BGH, Beschluss vom 10. Dezember 1997, IV ZR 238/97, NJW 1998, 1154; BFH, Beschluss vom 27. November 1998, VI B 120/98, juris) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002, 1 BvR 1450/00, NJW-RR 2002, 1069; Beschluss vom 14. April 2003, 1 BvR 1998/02, NJW 2003, 2976, 2977).
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sind Personen versichert, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.
Es ist nach dem Stand des gegenwärtigen Sach- und Streitstands davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V im streitigen Zeitraum pflichtversichert war. Er war zuletzt bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, erfüllt also die Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB V. Im Zeitraum vom 1. April 2007 bis 7. April 2008 hatte er auch keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Er war weder gesetzlich noch privat krankenversichert. Ein Krankenhilfeanspruch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) scheidet hier schon mangels Antragstellung bzw. Kenntnis der Behörde (§ 18 SGB XII) aus (SG Wiesbaden, Beschluss vom 25. Oktober 2007, S 17 KR 248/07 ER, ZfF 2008, 271).
Etwas anderes wäre nur anzunehmen, wenn Sozialhilfeleistungen vor dem 1. Juli 2007 tatsächlich bezogen worden sind (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 23. Juli 2007, S5 V 1718/07; SG Frankfurt, Beschluss vom 30. Juli 2007, S 18 KR 416/07 ER; SG Dresden, Urteil vom 23. April 2008, S 25 KR 653/07). Denn der Gesetzgeber hat die Bezieher von Sozialhilfeleistungen (und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz) aus dem Kreis der Pflichtversicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V herausgenommen (vgl. § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V). Der Kläger gehört aber nicht zu diesen Leistungsbeziehern. Auch vorrangige Versicherungen (§ 5 Abs. 8a Satz 1 SGB V) scheiden aus. Der Kläger ist Deutscher, so dass auch die Ausschlussregelungen nach § 5 Abs. 11 SGB V idF durch das GKV-WSG vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) bzw. (ab 1. Januar 2008) durch § 5 Abs. 10 SGB V idF durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) keine Rolle spielen.
Bei der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V handelt es sich um eine Pflichtversicherung, was vom Gesetzgeber auch so gewollt war (s. die Erwägungen in BT-Drs. 16/3100, S. 94). Sie beginnt nach § 186 Abs. 11 Satz 1 SGB V am ersten Tag ohne anderweitige Absicherung im Krankheitsfall. Da die Vorschrift durch das GKV-WSG mit Wirkung zum 1. Juli 2007 eingeführt worden ist und der Kläger zu diesem Zeitpunkt ohne Krankenversicherungsschutz war, ist nach § 186 Abs. 11 Satz 2 SGB V auf dieses Datum abzustellen.
Das bedeutet aber nicht zwingend, dass die Beklagte auch für die Vergangenheit unbegrenzt Beiträge verlangen kann bzw. der Kläger diese letztlich bezahlen muss. § 186 Abs. 11 Satz 4 SGB V verpflichtet die Krankenkassen für den Fall, dass der Versicherte aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, das Vorliegen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach den in Satz 1 (erster Tag ohne anderweitigen Krankenversicherungsschutz) und Satz 2 (1. April 2007) genannten Zeitpunkten anzeigt, in ihrer Satzung vorzusehen, dass der für die Zeit seit dem Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlende Beitrag angemessen ermäßigt, gestundet oder von seiner Erhebung abgesehen werden kann. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte auch nachgekommen (siehe § 8b der Satzung der Beklagten in der derzeit gültigen Fassung des 8. Nachtrags; http://download.bkkgesundheit.de/download/pdf/2009/center/satzung 8 nachtrag.pdf).
Es bedarf der weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren, ob der Kläger die Voraussetzungen für eine Stundung, eine Niederschlagung oder einen Erlass nach § 8b der Satzung der Beklagten erfüllt, was jedenfalls nicht offensichtlich ausscheidet. Dabei bedarf es an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Stundung oder Niederschlagung auch zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führt - das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Stundung, eine Niederschlagung oder einen Erlass von Beiträgen nach § 76 Viertes Buch Sozialgesetzbuch macht den Beitragsbescheid an sich nicht rechtswidrig. Jedenfalls hätte die Beklagte den Kläger auf diese Möglichkeit hinweisen müssen, nachdem es diesem ersichtlich nicht darum ging, sich gegen die Versicherungspflicht an sich zu wenden, sondern nur darum, nicht durch Beiträge für die Vergangenheit belastet zu werden.
Der Kläger hat auch glaubhaft gemacht, nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage zu sei, die Kosten der Prozessführung aufbringen. Ihm ist Arbeitslosengeld nur bis Anfang Oktober 2008 bezahlt worden, seither lebt er von Ersparnissen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässigerweise erhobene Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt.
Gemäß § 73a SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Rechtsschutzverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 1997, 1 BvR 391/93, NJW 1997, 2102, 2103; BGH, Beschluss vom 10. Dezember 1997, IV ZR 238/97, NJW 1998, 1154; BFH, Beschluss vom 27. November 1998, VI B 120/98, juris) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002, 1 BvR 1450/00, NJW-RR 2002, 1069; Beschluss vom 14. April 2003, 1 BvR 1998/02, NJW 2003, 2976, 2977).
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sind Personen versichert, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.
Es ist nach dem Stand des gegenwärtigen Sach- und Streitstands davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V im streitigen Zeitraum pflichtversichert war. Er war zuletzt bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, erfüllt also die Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB V. Im Zeitraum vom 1. April 2007 bis 7. April 2008 hatte er auch keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Er war weder gesetzlich noch privat krankenversichert. Ein Krankenhilfeanspruch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) scheidet hier schon mangels Antragstellung bzw. Kenntnis der Behörde (§ 18 SGB XII) aus (SG Wiesbaden, Beschluss vom 25. Oktober 2007, S 17 KR 248/07 ER, ZfF 2008, 271).
Etwas anderes wäre nur anzunehmen, wenn Sozialhilfeleistungen vor dem 1. Juli 2007 tatsächlich bezogen worden sind (vgl. VG Bremen, Beschluss vom 23. Juli 2007, S5 V 1718/07; SG Frankfurt, Beschluss vom 30. Juli 2007, S 18 KR 416/07 ER; SG Dresden, Urteil vom 23. April 2008, S 25 KR 653/07). Denn der Gesetzgeber hat die Bezieher von Sozialhilfeleistungen (und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz) aus dem Kreis der Pflichtversicherten nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V herausgenommen (vgl. § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V). Der Kläger gehört aber nicht zu diesen Leistungsbeziehern. Auch vorrangige Versicherungen (§ 5 Abs. 8a Satz 1 SGB V) scheiden aus. Der Kläger ist Deutscher, so dass auch die Ausschlussregelungen nach § 5 Abs. 11 SGB V idF durch das GKV-WSG vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) bzw. (ab 1. Januar 2008) durch § 5 Abs. 10 SGB V idF durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) keine Rolle spielen.
Bei der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V handelt es sich um eine Pflichtversicherung, was vom Gesetzgeber auch so gewollt war (s. die Erwägungen in BT-Drs. 16/3100, S. 94). Sie beginnt nach § 186 Abs. 11 Satz 1 SGB V am ersten Tag ohne anderweitige Absicherung im Krankheitsfall. Da die Vorschrift durch das GKV-WSG mit Wirkung zum 1. Juli 2007 eingeführt worden ist und der Kläger zu diesem Zeitpunkt ohne Krankenversicherungsschutz war, ist nach § 186 Abs. 11 Satz 2 SGB V auf dieses Datum abzustellen.
Das bedeutet aber nicht zwingend, dass die Beklagte auch für die Vergangenheit unbegrenzt Beiträge verlangen kann bzw. der Kläger diese letztlich bezahlen muss. § 186 Abs. 11 Satz 4 SGB V verpflichtet die Krankenkassen für den Fall, dass der Versicherte aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, das Vorliegen der Voraussetzungen der Versicherungspflicht nach den in Satz 1 (erster Tag ohne anderweitigen Krankenversicherungsschutz) und Satz 2 (1. April 2007) genannten Zeitpunkten anzeigt, in ihrer Satzung vorzusehen, dass der für die Zeit seit dem Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlende Beitrag angemessen ermäßigt, gestundet oder von seiner Erhebung abgesehen werden kann. Dieser Verpflichtung ist die Beklagte auch nachgekommen (siehe § 8b der Satzung der Beklagten in der derzeit gültigen Fassung des 8. Nachtrags; http://download.bkkgesundheit.de/download/pdf/2009/center/satzung 8 nachtrag.pdf).
Es bedarf der weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren, ob der Kläger die Voraussetzungen für eine Stundung, eine Niederschlagung oder einen Erlass nach § 8b der Satzung der Beklagten erfüllt, was jedenfalls nicht offensichtlich ausscheidet. Dabei bedarf es an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Stundung oder Niederschlagung auch zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führt - das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Stundung, eine Niederschlagung oder einen Erlass von Beiträgen nach § 76 Viertes Buch Sozialgesetzbuch macht den Beitragsbescheid an sich nicht rechtswidrig. Jedenfalls hätte die Beklagte den Kläger auf diese Möglichkeit hinweisen müssen, nachdem es diesem ersichtlich nicht darum ging, sich gegen die Versicherungspflicht an sich zu wenden, sondern nur darum, nicht durch Beiträge für die Vergangenheit belastet zu werden.
Der Kläger hat auch glaubhaft gemacht, nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage zu sei, die Kosten der Prozessführung aufbringen. Ihm ist Arbeitslosengeld nur bis Anfang Oktober 2008 bezahlt worden, seither lebt er von Ersparnissen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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