S 10 R 3819/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 3819/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für Beitragszeiträume ab 01.01.2003 gilt für die Beurteilung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgeltes im Sinne des § 6 SGB V im Hinblick auf Einmalzahlungen im Sinne des § 23a Abs. 1 SGB IV das Zuflussprinzip nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV und nicht mehr das Entstehungsprinzip.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer von der Beklagten verfügten Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 25.972,20 EUR.

Am 11.04.2006 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung gemäß § 28 p Abs. 1 SGB IV bei der Klägerin durch. Die Prüfung umfasste die Beitragsabführung im Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2005 und diente der Feststellung der bisher nicht verjährten Beitragsforderungen. Im Rahmen der Betriebsprüfung stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin für ihren Arbeitnehmer, den Beigeladenen Herrn ... R ..., bereits seit 2002 keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt habe, obwohl die Jahresentgeltgrenzen unterschritten worden seien; gleiches gelte für den beigeladenen Arbeitnehmer Herr ... B ..., dessen Jahresentgelt die maßgebliche Grenze seit 2004 unterschritten habe. Mit Bescheid vom 31.05.2006 forderte die Beklagte daraufhin einen Gesamtbetrag von 25.972,20 EUR ein (vgl. Bl. 1 - 15 d. Verw.-Akte). Dabei handelte es sich um eine Nacherhebung der Beiträge für Herrn R ... für den Zeitraum 01.01.2003 bis 31.12.2005 in Höhe von 19.595,48 EUR und für Herrn B ... für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2005 in Höhe von 6.376,72 EUR.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 14.06.2006 (vgl. Bl. 2 bis 27 d. Verw.-Akte). Zur Begründung führte die Klägerin aus, die beiden beigeladenen Arbeitnehmer hätten die maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenzen überschritten. Die beiden Arbeitnehmer hätten jedoch "jeweils erst im laufenden Jahr auf einen Teil ihrer Tantiemen mündlich verzichtet". Maßgebend für den regelmäßigen Jahresarbeitsverdienstes sei der bei normalem Verlauf zu erwartende Verdienst (Monatsverdienst; Weihnachtsgeld, soweit Auszahlung bei hinreichender Sicherheit; sonstige mit hinreichender Sicherheit einplanbare Gehaltsbestandteile). Bei Schwankungen habe eine Schätzung zu erfolgen. Der Arbeitnehmer ... R ... habe im maßgeblichen Zeitraum ein Monatsgehalt in Höhe von 2.904,14 EUR zuzüglich vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 39,88 EUR bezogen. Hinzu kämen Provisionen sowie jeweils in Höhe eines Monatsgehaltes eine Gratifikation und eine Tantieme. Dies sei auch arbeitsvertraglich so vereinbart worden unter Hinweis auf die Änderungsvereinbarung vom 01.09.2000 (vgl. Bl. 47 d. Verw.-Akte). Der Jahresarbeitsverdienst des Herrn R ... habe daher im Jahr 2003 42.074,19 EUR, für das Jahr 2004 42.453,77 EUR und für das Jahr 2005 43.027,18 EUR betragen. Insoweit seien die Jahresarbeitsentgeltgrenzen für 2003 (41.400,- EUR), für 2004 (41.850,- EUR) sowie für das Jahr 2005 (42.300,- EUR) jeweils überschritten worden. Der Arbeitnehmer ... B ... habe im Jahre 2005 einen Jahresarbeitsverdienst in Höhe von 43.427,06 EUR bezogen. Dieser Verdienst setze sich zusammen aus einem Monatsgehalt in Höhe von 3.067,75 EUR nebst vermögenswirksamer Leistungen in Höhe von 39,88 EUR zuzügl. einer Gratifikation und einer Tantieme jeweils in Höhe eines Monatsgehalts. Hierzu werde auf den Arbeitsvertrag vom 01.09.2000 (vgl. Bl. 41 d. Verw.-Akte) verwiesen. Nach Ansicht der Klägerin sei es jedoch unerheblich, ob das für das jeweilige maßgebende Jahr ermittelte regelmäßige zu erwartende Jahresarbeitsentgelt auch tatsächlich in voller Höhe zur Auszahlung gelange. Ein Verzicht auf Entgeltbestandteile habe keine Auswirkung auf die Beitragspflicht. Maßgebend sei das Entstehungsprinzip. Die Herren R ... und B ... hätten jeweils erst im laufenden Kalenderjahr auf einen Teil ihrer Tantiemen mündlich verzichtet, worauf die Tantiemen nicht in voller Höhe ausbezahlt worden seien. Eine schriftliche Vereinbarung über einen Verzicht auf Teile der Tantieme sei nicht getroffen worden. Aufgrund der Unwirksamkeit der lediglich mündlichen Verzichtserklärungen seien diese bei der Ermittlung der Jahresarbeitsentgelte nicht zu berücksichtigen gewesen. Zudem hätten sich die Verzichtserklärungen jeweils auf einen unterschiedlichen Betrag im Verhältnis zur geschuldeten Tantieme in Höhe eines Monatsgehalt bezogen, wobei über einen Verzicht und die Höhe der Verzichtsbeträge im laufendem Jahr entsprechend der allgemeinen wirtschaftlichen Situation jeweils hätte neu entschieden werden müssen. Aus diesem Grund sei im Vorjahr ein evtl. Verzicht und die Höhe eines möglichen Verzichts auf einen Teil der Tantiemen noch nicht absehbar gewesen, sodass ein nur möglicher, jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit zu erwartender Verzicht bei der Berechnung des Jahresentgeltes keine Berücksichtigung fände. Nach der Rechtsprechung des BSG sei auf die für das kommende Kalenderjahr geschuldete Vergütung abzustellen, wobei anderweitige Vereinbarungen über das Entgelt außer Betracht blieben. Es sei auf die tatsächlich geschuldete Vergütung abzustellen, nicht jedoch auf das im betreffenden Veranlagungsjahr tatsächlich ausbezahlte Arbeitsentgelt. Bei normalem Verlauf des Beschäftigungsverhältnisses hätten die Arbeitnehmer R ... und B ... jeweils eine Tantieme in der arbeitsvertraglich vereinbarten Höhe von einem Monatsgehalt erhalten. Nachträglich abgegebene mündliche Verzichtserklärungen seien mangels Einhaltung der vertraglich vorgesehenen Schriftform unwirksam und im Vornherein nicht absehbar. Es bestehe keine vertragliche Verpflichtung zur Erklärung eines Verzichts auf einen Teil der Tantiemen. Ein entsprechender Verzicht werde jährlich neu überdacht unter Berücksichtigung der allgemeinen wirtschaftlichen Situation. Es habe sich zudem um eine Entscheidung im Einzelfall gehandelt, die nicht planbar gewesen sei und damit mangels hinreichender Sicherheit eines Verzichts ebenso wie ein unregelmäßig erzieltes Einkommen nicht zur Berechnung des Jahresarbeitsentgelts habe herangezogen werden können. In Bezug auf die Aufschlüsselung der Verteilung der Tantieme wird voll inhaltlich auf Bl. 261 - 267 d. Verw.-Akte verwiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2006 (vgl. Bl. 12 - 18 d. SG-Akte) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass der Arbeitgeber anhand der als Arbeitsentgeltgrenze die Krankenversicherungspflicht des Arbeitnehmers bei Beginn des Dienstverhältnisses, bei Lohn- und Gehaltsänderungen sowie bei einer Erhöhung des Jahresarbeitsentgeltgrenze prüfen müsse. Maßgebend für die Prüfung der Jahresarbeitsentgeltgrenze sei das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt. Durch die jährliche Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze müsse der Arbeitgeber zu Beginn eines jeden Jahres prüfen, ob bisher krankenversicherungsfreie Arbeitnehmer auch weiterhin nicht der Krankenversicherungspflicht unterliegen. Werde die Jahresarbeitsentgeltgrenze im Laufe des Jahres unterschritten, setze die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sofort ein. Unter Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Jahresverdienste der Arbeitnehmer R ... und B ... hätten diese in den maßgebenden Jahren jeweils unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze gelegen. Die Besonderheiten von schwankendem Arbeitsentgelt bei der Schätzung der voraussichtlichen Jahresarbeitsentgeltes sei im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigen. In den zu beurteilenden Fällen schwanke nicht das monatliche Arbeitsentgelt, sondern es seien lediglich weitere Bezüge auf das Jahresarbeitsentgelt zu berücksichtigen bzw. anzurechnen. Bezüge, die jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden könnten, dürften auf das Jahresarbeitsentgelt nicht angerechnet werden. Bei Sonderzuwendungen liege eine Regelmäßigkeit nur vor, wenn die Zahlung mit hinreichender Sicherheit, die Zahlung mindestens einmal jährlich erfolge sowie die Höhe der Zahlung bestimmbar sei. Bei schwankenden Bezügen müsse das regelmäßige Arbeitsentgelt im Rahmen einer Schätzung ermittelt werden. Die tatsächliche Entwicklung sei dann mit der vorgenommenen Schätzung zu vergleichen. Erweise sich die Schätzung im Nachhinein als unzutreffend, dann sei eine Korrektur nur noch für die Zukunft möglich; für die Vergangenheit bleibe es bei der einmalig vorgenommenen versicherungsrechtlichen Beurteilung. Obwohl grundsätzlich ein häufiger Wechsel zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit vermieden werden solle, könne eine vorgenommene Prognose nicht unabhängig von tatsächlichen Änderungen der Verhältnisse maßgebend zur Beurteilung der Versicherungsverhältnisse bleiben. Stünden die Bezüge eines Arbeitnehmers nicht im voraus fest, z. B., weil Gewinnanteile und Provisionen nicht zahlenmäßig feststünden, so sei der voraussichtliche Jahresbetrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles gewissenhaft zu schätzen. Einen Anhalt für die Schätzung könnten die Ergebnisse der Vorjahre, die Erfolge gleichgestellter Vorgänger oder Mitbeschäftigter, besondere Aussichten für die Zukunft etc. bieten. In keinem der zu beurteilenden Fällen hätten die Arbeitnehmer R ... und B ... eine Tantieme in Höhe eines Monatsgehaltes erhalten. Die vorgenommene Schätzung sei deshalb nicht gewissenhaft vorgenommen worden.

Hiergegen richtet sich die am 18.10.2006 beim Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage. Zur Begründung wiederholt die Klägerin ihren Vortrag im Widerspruch und führt ergänzend aus, dass es die Parteien eines Arbeitsvertrages in der Hand hätten, durch Vereinbarungen von Entgelt und dessen Höhe den Eintritt der Beitragspflicht auszulösen. Nach der Rechtsprechung des BSG sei das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und damit das Über- oder Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze im voraus für das kommende Kalenderjahr festzustellen im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise. Maßgeblich sei danach eine Prognose im Vorjahr für das Folgejahr anhand objektiver Kriterien, nicht dagegen das tatsächlich ausbezahlte Entgelt im jeweiligen Kalenderjahr. Dies ergebe sich aus der Bestimmung des regelmäßig zu erwartenden Verdienstes als dem Verdienst, bei dem zu erwarten sei, dass er bei normalem Verlauf, abgesehen von einer anderweitigen Vereinbarung über das Entgelt oder von nicht voraussehbaren Änderungen in der Beschäftigung der voraussichtlich ein Jahr anhalten werde. Hieraus folge, dass eine etwaige spätere anderweitige Vereinbarung über das Entgelt unbeachtlich sei. Nach der Rechtsprechung des BSG sei im Übrigen das Entstehungsprinzip und nicht das Zuflussprinzip maßgebend. Das Zuflussprinzip sei nur bei überobligatorischen Leistungen anzuwenden. Nach dem Entstehungsprinzip sei auf das vertraglich zustehende Arbeitsentgelt abzustellen und etwaige Kürzungen des geschuldeten Arbeitsentgelts, auch bei einem späteren Gehaltsverzicht der Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen. Insoweit verbleibe kein Entscheidungs- oder Einschätzungsspielraum des Arbeitgebers, sodass insofern für eine Schätzung und vorausschauende Betrachtung auf Basis der Zahlungen in der Vergangenheit aufgrund der eindeutigen einzelvertraglichen Regelung kein Raum bleibe. Die arbeitsvertragliche Regelung der Arbeitnehmer R ... und B ... sehe eine Tatiemezahlung in Höhe eines Monatsgehaltes vor. Eine hiervon abweichende vertragliche Regelung liege nicht vor. Die Herren B ... und R ... hätten jeweils erst im Laufe eines Jahres nach Vorliegen des Jahresabschlusses auf die Auszahlung eines Teils ihrer Tantieme in unterschiedlicher Höhe mündlich verzichtet. Hierdurch bliebe die vertragliche Regelung unberührt, sodass auch die auf Basis der vertraglichen Regelung erfolgte Prüfung des Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze hiervon unberührt bleibe. Auch stelle die Tantieme kein variabler Lohnbestandteil dar, da diese der Höhe nach feststehe.

Die Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 31.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält an der getroffenen Entscheidung fest und verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Aufgrund gerichtlicher Aufklärungsverfügung vom 05.07.2007 über die näheren Einzelheiten der Vereinbarung über die Höhe der jährlichen Tantieme der Herren B ... und R ... teilte die Klägerin mit Schreiben vom 06.08.2007 (vgl. Bl. 41/42 SG-Akte) mit, dass es hierzu schriftliche Unterlagen nicht gebe. Die Herren B ... und R ... hätten zunächst Tantiemen als freiwillige Leistungen ohne Rechtsanspruch hierauf erhalten. Aufgrund ihrer Verbundenheit zum Unternehmen und der daraus resultierenden langjährigen Betriebszugehörigkeit hätten die Arbeitnehmer R ... und B ... eine Sonderstellung im Unternehmen erlangt, die der damalige Geschäftsführer der Klägerin durch die Zusage einer verbindlichen Tantieme mit einem Rechtsanspruch hierauf habe dokumentieren wollen. Dies sei bei Herrn B ... mit dem Anstellungsvertrag vom 01.09.2000 und bei Herrn R ... mit Vertragsänderung vom 01.09.2000 erfolgt. Sowohl Herr B ... als auch Herr R ... hätten bei der Vereinbarung der diesbezüglichen Vertragsvereinbarung erklärt, dass sie sich durch die höhere Gehaltseinstufung und sonstige freiwillige soziale Unternehmensleistungen ausreichend belohnt gefühlt hätten und daher zu diesem Zeitpunkt lediglich ein Tantieme nach Maßgabe der bisherigen Tantiemeverteilung durch Beiratsbeschluss der Klägerin beanspruchen würden, soweit diese unterhalb eines Bruttomonatsgehalts liege. In den Folgejahren seien keine ausdrücklichen, etwa schriftlichen Verzichtserklärungen der Herren B ... und R ... erfolgt, sondern es sei jeweils ein konkludenter Verzicht erfolgt, indem Herr B ..., der die Beiratsbeschlüsse rechnerisch umgesetzt habe und Herr R ... darauf verzichteten, einen gegenüber der nach Beiratsbeschluss verteilten höheren Tantiemenanspruch geltend zu machen. Eine Änderung der arbeitsvertraglichen Regelung sei damit nicht verbunden gewesen, vielmehr sollte die getroffene vertragliche Vereinbarungen den beiden Arbeitnehmern ihren Tantiemeanspruch dauerhaft sichern. Andernfalls hätte man auf eine solche Vereinbarung von vornherein verzichtet.

Mit Beiladungsbeschluss vom 23.10.2007 wurden die Herren ... B ... und ... R ... sowie die kaufmännische Krankenkasse gemäß § 75 Abs. 2 SGG zum Verfahren beigeladen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage ist zulässig.

II.

Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der mit der Anfechtungsklage angefochtene Bescheid der Beklagten vom 31.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die darin getroffene Feststellung, dass der Beigeladene zu 1. im Jahr 2005 und der Beigeladene zu 2. in den Jahren 2003 bis 2005 in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig gewesen sind, ist ebenso wenig zu beanstanden wie die darauf fußende Nachforderung von Beiträgen i.H.v. insgesamt 25.972,20 EUR.

1.) Versicherungsfrei sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der seit 1. Januar 2003 insoweit unverändert geltenden Fassung Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze (im Folgenden JAEG) nach den Absätzen 6 oder 7 übersteigt; Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, bleiben unberücksichtigt. Die JAEG nach Abs. 1 Nr. 1 beträgt gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 SGB V in der ab 1. Januar 2003 maßgeblichen Fassung im Jahr 2003 45.900 EUR. Sie ändert sich gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 SGB V zum 1. Januar eines jeden Jahres in dem Verhältnis, in dem die Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer im vergangenen Kalenderjahr zur entsprechenden Bruttolohn- und -gehaltssumme im vergangenen Kalenderjahr steht. Die veränderten Beträge werden nur für das Kalenderjahr, für das die JAEG bestimmt wird, auf das nächst höhere Vielfache von 450 aufgerundet (§ 6 Abs. 6 Satz 3 SGB V). Die Bundesregierung setzt die JAEG in der Rechtsverordnung nach § 160 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches fest (§ 6 Abs. 6 Satz 4 SGB V). Im Jahr 2003 betrug die JAEG 45.900 EUR im Jahr 2004 46.350 EUR und im Jahr 2005 46.800 EUR.

Nach § 6 Abs. 7 Satz 1 SGB V in der seit 1. Januar 2003 unverändert geltenden Fassung beträgt die JAEG abweichend von Abs. 6 Satz 1 für Arbeiter und Angestellte, die am 31. Dezember 2002 wegen Überschreitens der an diesem Tag geltenden JAEG versicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert waren, im Jahr 2003 41.400 EUR, im Jahr 2004 41.850 EUR und im Jahr 2005 42.300 EUR. Abs. 6 Satz 2 bis Satz 4 gilt entsprechend (§ 6 Abs. 7 Satz 2 SGB V).

Das maßgebende regelmäßige Jahresarbeitsentgelt ist das Arbeitsentgelt, auf das jemand im Laufe des auf den Beurteilungszeitpunkt folgenden Jahres (nicht notwendig des Kalenderjahres) einen Anspruch hat oder das ihm sonst mit hinreichender Sicherheit zufließen wird. Bei schwankenden Bezügen ist zu schätzen (siehe Peters im Kasseler Kommentar § 6 SGB V Rdnr. 10 m. w. N.).

Da die Entscheidung über den Eintritt von Versicherungsfreiheit für das Folgejahr jedoch bereits am Jahresanfang zu treffen ist, kommt es bei der Prüfung des § 6 SGB V nicht darauf an, ob bei rückschauender Betrachtung die einschlägige JAEG tatsächlich überschritten wurde. Vielmehr ist entscheidend, ob zum Jahreswechsel davon ausgegangen werden musste, dass das von den Beigeladenen für das Folgejahr zu erwartende regelmäßige Arbeitsentgelt die jeweils gültige JAEG überschreiten wird. Diese Frage ist nach Überzeugung der erkennenden Kammer zu verneinen.

Grundlage einer Prognose über die Höhe des Arbeitsentgelts im Folgejahr kann entweder eine Berechnung oder aber eine Schätzung sein. Bei einer Berechnung werden lediglich die monatlichen Entgeltansprüche des Versicherten auf ein Jahr hochgerechnet (i.d.R. mittels einer Multiplikation mit 12, vgl. hierzu etwa: Großer Senat des BSG, Beschluss vom 30. Juni 1965 - GS 2/64, BSGE 23, 129, 131). Eine solche Berechnung stellt die übliche Verfahrensweise für diejenigen Fälle dar, in denen der Betroffene ein festes Arbeitseinkommen bezieht und etwaige Ansprüche auf Sonderzahlungen (z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) aufgrund arbeitsvertraglicher, tarifvertraglicher oder gesetzlicher Regelungen bzw. aufgrund betrieblicher Übung feststehen.

Steht dagegen die Höhe der für das Folgejahr zu erwartenden Arbeitsentgelte nicht mit hinreichender Sicherheit fest oder fehlen hinreichende Ansatzpunkte für eine Berechnung, erfolgt die Prognoseentscheidung für das Folgejahr auf der Grundlage einer Schätzung. Grundlage einer solchen Schätzung sind die Gesamtumstände des Einzelfalls unter Heranziehung der in den Vorjahren erzielten Einkünfte bzw. des Verdienstes vergleichbarer Personen (vgl. Großer Senat des BSG, a.a.O., S. 131). Eine Schätzung (anstatt Berechnung) ist in diesen Fällen deshalb geboten, damit nicht das für die Prüfung der Versicherungspflicht bzw. -freiheit maßgebliche Jahresentgelt in einer den tatsächlichen Verhältnissen widersprechenden Weise durch einfache Multiplikation ermittelt wird (Großer Senat des BSG, a.a.O.).

2.) Zwischen den Beteiligten war im Hinblick auf die Höhe des Jahresarbeitsentgelts der Beigeladenen zu 1. und 2. lediglich die Einordnung und Behandlung der arbeitsvertraglich vereinbarten jährlich in Höhe eines Monatsgehalts zu zahlenden Tantieme streitig.

Maßgebend für die JAEG ist das Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV (vgl. Becker / Kingreen-Just, SGB V, 1. Auflage 2008, § 6 Rn. 6). Arbeitsentgelt sind demnach alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. § 23a Abs. 1 SGB IV definiert nicht nur für die Beitragspflicht und -höhe, sondern auch für die generelle Versicherungspflicht den Begriff des "einmalig gezahlten Arbeitsentgelts". Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind demnach Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt gelten nicht Zuwendungen nach Satz 1, wenn sie (1.) üblicherweise zur Abgeltung bestimmter Aufwendungen des Beschäftigten, die auch im Zusammenhang mit der Beschäftigung stehen, (2.) als Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Beschäftigten hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und monatlich in Anspruch genommen werden können, (3.) als sonstige Sachbezüge oder (4.) als vermögenswirksame Leistungen vom Arbeitgeber erbracht werden.

Die arbeitsvertraglich vereinbarte jährlich in Höhe eines Monatsgehalts zu zahlenden Tantieme entsteht unabhängig von der erbrachten Arbeitsleistung und ist daher als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt im Sinne des § 23a Abs. 1 SGB IV zu bewerten.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sobald dieses ausgezahlt worden ist. Mit Satz 2, der inhaltlich auf dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 beruht, hat der Gesetzgeber für Einmalzahlungen das Zuflussprinzip eingeführt. Beitragsansprüche bestehen für einmal gezahltes Arbeitsentgelt nur, wenn das einmalig zu zahlende Arbeitsentgelt dem Beschäftigten auch zugeflossen ist. Es ist unerheblich, warum das einmalig zu zahlende Entgelt nicht zugeflossen ist und ob das Unterbleiben der Zahlung zivil- oder arbeitsrechtlich zulässig ist. Die Neuregelung durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ist mit Wirkung vom 01.01.2003 in Kraft getreten. Sie gilt also für Beschäftigungszeiträume ab 01.01.2003. Die bis dahin ergangene Rechtsprechung, die auch bei einmaligen Sonderzahlungen vom Entstehungsprinzip ausging, ist daher für Zeiträume ab 01.01.2003 nicht mehr heranzuziehen.

Obgleich § 22 SGB IV an sich ausschließlich beitragsrechtliche Grundsätze regelt, bleibt die Neuregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht ohne Folgen auch für die versicherungsrechtliche Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses. Denn für die Frage, ob eine Beschäftigung in allen oder einigen Zweigen versicherungsfrei ist bzw. ob Besonderheiten für die Beitragsermittlung gelten, kommt es in einigen Fällen auf das "regelmäßige Arbeitsentgelt" an. Für dessen Ermittlung sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung Einmalzahlungen, deren Gewährung mit hinreichender Sicherheit mindestens einmal jährlich zu erwarten ist (z.B. aufgrund eines für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages oder aufgrund von Gewohnheitsrecht wegen betrieblicher Übung) zu berücksichtigen. Auswirkungen des Übergangs zum Zuflussprinzip für Einmalzahlungen ergeben sich damit – weil hier jeweils das "regelmäßige Arbeitsentgelt" maßgeblich ist – hinsichtlich der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (400,00 EUR) und für die Jahresarbeitsentgeltgrenze in der Krankenversicherung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 6 oder Abs. 7 SGB V). Auch für die Gleitzonengrenze des § 20 Abs. 2 SGB IV (800,00 EUR) spielt das "regelmäßige Arbeitsentgelt" eine Rolle. Versicherungsrechtliche Beurteilungen sind im Wege einer vorausschauenden Betrachtung vorzunehmen; ändern sich die tatsächlichen Verhältnisse, ist ab dem Zeitpunkt, zu dem dies erkennbar wird, eine Neubewertung erforderlich. Steht einem Beschäftigten ein einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu, muss für das "regelmäßige Arbeitsentgelt" und damit für die Frage der Versicherungspflicht also prognostiziert werden, ob der Arbeitgeber diesen Anspruch auch tatsächlich erfüllen wird. Eindeutig ist dabei die Rechtslage, wenn der Beschäftigte auf seinen Erfüllungsanspruch schriftlich verzichtet hat. Von diesem Zeitpunkt ab ist davon auszugehen, dass die Einmalzahlung nicht zur Auszahlung gelangen wird. Unabhängig von der arbeitsrechtlichen Wirksamkeit einer dahin gehenden Vereinbarung ist dann eine versicherungsrechtliche Beurteilung ohne Berücksichtigung der Einmalzahlung bei der Ermittlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts vorzunehmen. Hat der Arbeitgeber schon in der Vergangenheit seine Pflicht zur Zahlung von Sonderzahlungen regelmäßig nicht erfüllt, wird aus dem bisherigen Verstoß gegen arbeits- oder tarifrechtliche Bestimmungen regelmäßig auf eine dahin gehende Handhabung in der Zukunft geschlossen werden können.

Nach alledem war zum Jahreswechsel 2002/2003, 2003/2004 und 2004/2005 hinsichtlich des Beigeladenen zu 2. und zum Jahreswechsel 2004/2005 bei dem Beigeladenen zu 1. bei gewissenhafter bzw. sorgfältiger Prognose eine Überschreitung der jeweiligen JAEG nicht zu erwarten. Dem Beigeladene zu 2. wurde im Jahr 2002 eine Tantieme in Höhe von 360,25 EUR, im Jahr 2003 in Höhe von 994,89 EUR und im Jahr 2004 in Höhe von 633,80 EUR ausbezahlt. Der Beigeladene zu 1. erhielt im Jahr 2004 eine Tantieme in Höhe von 826,70 EUR. Diese Werte wären bei einer gewissenhaften und sorgfältigen Prognose des jeweiligen Folgejahres zu Grunde zu legen gewesen mit der besagten Folge, dass dann eine Überschreitung der jeweiligen JAEG nicht zu erwarten gewesen wäre. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass bei der arbeitsvertraglichen Vereinbarung der Tantieme die Beigeladenen erklärten, dass sie sich durch die höhere Gehaltseinstufung und sonstige freiwillige soziale Unternehmensleistungen ausreichend belohnt gefühlt haben und daher zu diesem Zeitpunkt lediglich ein Tantieme nach Maßgabe der bisherigen Tantiemeverteilung durch Beiratsbeschluss der Klägerin beanspruchen werden, soweit diese unterhalb eines Bruttomonatsgehalts liegt. In den Folgejahren sind zwar keine ausdrücklichen, etwa schriftlichen Verzichtserklärungen der Beigeladenen zu 1. und 2. erfolgt, sondern es ist jeweils ein konkludenter Verzicht erfolgt, indem der Beigeladene zu 1, der die Beiratsbeschlüsse rechnerisch umgesetzt hat und der Beigeladene zu 2. darauf verzichteten, einen gegenüber der nach Beiratsbeschluss verteilten höheren Tantiemenanspruch geltend zu machen. Im Hinblick auf die bisherigen Tantiemezahlungen war daher abzusehen, dass es in den maßgeblichen Jahren nicht zu einer Auszahlung der Tantieme in Höhe eines Monatsgehaltes kommen werde.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das regelmäßige Jahresentgelt der Beigeladenen zu 1. und 2. bei einer gewissenhaften bzw. sorgfältigen Prognose in den streitgegenständlichen Jahren die jeweils geltende JAEG nicht überschritten hätten und tatsächlich auch nicht überschritten haben.

3.) Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu den nach den vorstehenden Ausführungen zu zahlenden Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ist § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach hat der Arbeitgeber den die Beiträge zu den vorgenannten Versicherungszweigen nach § 28 d SGB IV umfassenden Gesamtversicherungsbeitrag zu zahlen. Dass die Beklagte die gegenüber der Klägerin geltend gemachte Beitragsschuld i.H.v. insgesamt 25.972,20 EUR fehlerhaft festgesetzt haben könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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