S 53 AS 2451/06

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
53
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 53 AS 2451/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Bescheide der Beklagten vom 19.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.11.2006 werden insoweit aufgehoben, als sie den Bewilligungsbescheid vom 8.12.2005 für den Zeitraum vom 1.1. bis 30.4.2006 aufheben und die für diesen Zeitraum gewährten Leistungen zurückfordern. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt 10% der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Im Streit sind Aufhebungen und die Ablehnung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (§ 19 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), im Folgenden: Alg II) aus Anlass zweier Erbschaften sowie mit den Aufhebungen verbundene Erstattungsforderungen.

Der am XX.X.1949 geborene, alleinstehende Kläger bezog von der Beklagten seit Anfang 2005 Alg II in Höhe von monatlich 740,29 EUR. Dieses setzte sich zusammen aus der Regelleistung (§ 20 SGB II) in Höhe von 345,00 EUR sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 SGB II) in Höhe von 395,29 EUR (361,21 EUR Bruttokaltmiete zuzüglich Heizung in Höhe von 40,90 EUR abzüglich des in der Regelleistung enthaltenen Anteils für Warmwasseraufbereitung in Höhe von pauschal einem Sechstel, hier: 6,82 EUR (was der danach ergangenen neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts widerspricht, wonach lediglich 6,22 EUR hätten abgezogen werden dürfen, sich aber vorliegend nicht auswirkt)).

Nachdem ihm auf seinen Fortzahlungsantrag vom 29.11.2005 hin mit Bescheid vom 8.12.2005 derselbe Betrag für den Bewilligungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 als Alg II bewilligt worden war, teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er geerbt habe. Tatsächlich war er einer der gesetzlichen Erben der am 10.10.2004 verstorbenen M. L. geworden, deren Nachlass einen bezifferten Wert von 263.537,00 EUR hatte, wovon auf Grundbesitz 5.581,00 EUR entfielen. Der Anteil des Klägers an der Erbengemeinschaft, die sich bis heute nicht endgültig auseinandergesetzt hat, betrug bzw. beträgt 1/21, was rechnerisch einem Anteil von 12.549,38 EUR entsprach bzw. entspricht.

Aus dieser Erbschaft wurden Teilbeträge an den Kläger ausgekehrt. Am 7.12.2005 wurden ihm von dem Testamentsvollstrecker 3.427,44 EUR überwiesen. Aus einer weiteren Teilzahlung von 8.500,00 EUR über die damals bevollmächtigte Rechtsanwältin wurden seinem Konto am 12.6.2006 3.000,00 EUR gutgeschrieben, am 31.7.2006 überwies die Rechtsanwältin ihm nach Abzug von Honorar- und anderen Verbindlichkeiten einschließlich angefallener Guthabenzinsen 3.149,34 EUR.

Die Beklagte, die mit Bescheid vom 15.6.2006 auf den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 24.5.2006 für die Monate Juni und Juli 2006 Alg II in Höhe von monatlich 740,29 EUR darlehensweise bewilligt hatte, wogegen der Kläger mit dem Antrag auf zuschussweise Bewilligung Widerspruch eingelegt hatte, sah die erfolgten Teilzahlungen als in den Monaten der jeweiligen Gutschriften auf dem Konto des Klägers zugeflossenes einmaliges Einkommen im Sinne des § 11 SGB II an, berechnete die Zeiträume, für die das Einkommen jeweils den festgestellten Bedarf decke und erließ unter dem 19.9.2006 vier Bescheide: Sie lehnte den am 30.8.2006 eingegangenen Fortzahlungsantrag vom 1.7.2006 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab, hob die Entscheidung über die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 1.1. bis 30.4.2006 ganz nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Verbindung mit § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) wegen nach Bescheiderlass erzielten, die Hilfebedürftigkeit ausschließenden Einkommens auf, forderte die Erstattung der für diesen Zeitraum überzahlten Leistungen in Höhe von insgesamt 2.961,16 EUR nach § 50 Abs. 1 SGB X, hob die Entscheidung über die Bewilligung für den Monat Mai 2006 teilweise in Höhe von 408,84 EUR auf, forderte die Erstattung dieses Betrags und hob schließlich die darlehensweise Bewilligung für den Monat Juli 2006 ebenfalls auf.

Der Kläger legte Widersprüche gegen sämtliche dieser Bescheide ein und begründete diese damit, dass es sich bei der Erbschaft um Vermögen handele, das ihm mit dem Erbfall im Jahr 2004 zugeflossen sei. Die ihm zustehenden Vermögensfreibeträge nach § 12 SGB II seien zu keinem Zeitpunkt überschritten worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.11.2006 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide für die Monate Januar bis einschließlich Mai 2006 unter teilweiser Abhilfe zurück. Der am 7.12.2005 zugeflossene Teilbetrag in Höhe von 3.427,44 EUR sei als einmaliges Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 2 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) ab dem 1.1.2006 anzurechnen und auf einen angemessenen Zeitraum bis zum Ende des ursprünglichen Bewilligungszeitraums am 31.5.2006 aufzuteilen, so dass sich ein monatlicher Anrechnungsbetrag von 685,48 EUR ergebe, von dem noch die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR monatlich abzusetzen sei, so dass sich als monatliches anzurechnendes, eine entsprechende Teilaufhebung der Bewilligung nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X nach sich ziehendes Einkommen 655,48 EUR und mithin für den fünfmonatigen Anrechnungszeitraum eine Überzahlung von 3.277,40 EUR ergebe, die zu erstatten sei.

Dem Widerspruch gegen den die Leistungen für Juni und Juli 2006 lediglich darlehensweise bewilligenden Bescheid vom 15.6.2006 in der Fassung des die Bewilligung für Juli aufhebenden Änderungsbescheides vom 19.9.2006 half die Beklagte ebenfalls teilweise ab, indem sie die Leistung für Juni 2006 in eine Beihilfeleistung umwandelte, und wies ihn im Übrigen zurück. Der Zufluss der zweiten Teilzahlung aus dem Erbe am 12.6.2006 mache den Bewilligungsbescheid vom 15.6.2006 hinsichtlich des Monats Juli 2006 von Anfang an rechtswidrig. Weil der Kläger den Umstand der Auskehrung der zweiten Teilzahlung der Beklagten zu spät mitgeteilt habe, sei der Bewilligungsbescheid insoweit nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III in Verbindung mit § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X zurückzunehmen, die Überzahlung in Höhe von 740,29 EUR sei zu erstatten (Widerspruchsbescheid vom 10.11.2006).

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 10.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den die Leistungsgewährung auf den Fortzahlungsantrag vom 1.7.2006 hin ablehnenden Bescheid zurück und gab zur Begründung an, dass die am 31.7.2006 zugeflossene dritte Teilzahlung in Höhe von 3.149,34 EUR ab dem Monat August 2006 als einmalige Einnahme die Hilfebedürftigkeit ausschließe. Da der Kläger mitgeteilt habe, eine weitere Erbschaft zu erwarten, erscheine es unbillig, den Zahlbetrag auf sechs Monate aufzuteilen und ergänzend Sozialleistungen zu gewähren.

Mit den gegen diese drei Widerspruchsbescheide am 6.12.2006 unter den Aktenzeichen S 53 AS 2451, 2452 und 2453/06 erhobenen, durch Beschluss vom 27.6.2007 unter dem gemeinsamen Aktenzeichen S 53 AS 2451/06 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbundenen Klagen trägt der Kläger weiter vor, dass es sich bei der Erbschaft um zum Zeitpunkt des Erbfalls im Jahr 2004 zugeflossenes Vermögen handele, das seinen Freibetrag nicht überschreite. Von der ersten Teilzahlung im Dezember 2005 habe er noch im selben Monat etwa 1.000,00 EUR ausgegeben. Weiteres Vermögen sei zu diesem Zeitpunkt mit Ausnahme eines Sparguthabens von etwa 50,00 EUR nicht vorhanden gewesen. In der Folge bis einschließlich Januar 2007 habe er von den weiteren Zahlungen aus diesem Erbe gelebt. Am 13.5.2006 sei ein weiterer Erbfall eingetreten, diesmal nach M1 L ... Der Wert des Reinnachlasses hieraus betrage 226.052,00 EUR, von denen 128.442,00 EUR auf Grundbesitz entfielen. Sein Anteil an der Erbengemeinschaft betrage 1/14. Hieraus seien ihm am 20.8.2007 4.000 EUR gutgeschrieben worden und im Oktober 2007 weitere etwa 16.000 EUR. Wegen einer schweren Erkrankung des Nachlassverwalters seien beide Erbschaften noch nicht endgültig abgewickelt.

Der Kläger beantragt:

1. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19.9.2006 über die Aufhebung des Bescheides vom 8.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.11.2006 (Zeitraum Januar bis Mai 2006) und der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19.9.2006 über die Aufhebung des Bescheides vom 8.12.2005 (Zeitraum 1.5.2006 bis 31.5.2006) ebenfalls in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.11.2006 über den Zeitraum Januar bis Mai 2005 werden aufgehoben.

2. Der Leistungsbescheid vom 15.6.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2006 (Zeitraum Juni bis Juli 2006) wird insoweit aufgehoben, als durch diesen Bescheid die Leistungen für den Zeitraum 1.7.2006 bis 31.7.2006 aufgehoben wurden und ihre Erstattung gefordert wird. Die Beklagte wird verpflichtet, auch die Leistungen für Juli 2006 als Beihilfe, und nicht lediglich als Darlehen, zu gewähren.

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19.9.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab 1.8.2006 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf die Begründung der angefochtenen Bescheide.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom 27.6.2007 (Erörterungstermin) und 12.11.2008 (mündliche Verhandlung), die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakten S 53 AS 2451, 2452 und 2453/07, der beigezogenen Gerichtsakte S 53 AS 1815/07 ER und der Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 54 Absätze 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene (§§ 87, 90 SGG) Klage ist nur zu einem kleinen Teil begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis überwiegend rechtmäßig - zum Teil rechtswidrig begünstigend - und verletzen den Kläger insoweit nicht in dessen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligungen von Alg II für die Monate Mai – wenn auch diesbezüglich zu Unrecht nur teilweise - und Juli 2006 mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben bzw. zurückgenommen, den Kläger zur Erstattung der danach überzahlten Leistungen in Höhe von 1.395,77 EUR (655,48 EUR und 740,29 EUR) aufgefordert und Leistungen auf den Fortzahlungsantrag vom 1.7.2006 hin abgelehnt. Zu Unrecht erfolgten lediglich die Aufhebungen bzw. Rücknahmen der Bewilligung für die Monate Januar bis April 2006 und die damit verbundene Erstattungsforderung in Höhe von 2.621,92 EUR (4 x 655,48 EUR). Dies ergibt sich aus Folgendem:

Nach Auffassung der erkennenden Kammer erzielte der Kläger mit den beiden Erbschaften aus den Erbfällen am 10.10.2004 einerseits und am 13.5.2006 andererseits entgegen der Ansicht des Klägers zwar Einkommen im Sinne des § 11 SGB II, das entgegen der Ansicht der Beklagten als solches jedoch zu den Zeitpunkten der jeweiligen Erbfälle und nicht zu den Zeitpunkten der Auszahlung der Teilbeträge zu berücksichtigen ist. Nach Ablauf der Bedarfszeiträume, in denen der jeweilige Zufluss erfolgte, also mangels normativer Verteilung (dazu unten) jeweils ab dem Monat nach den Erbfällen, hat die Berücksichtigung als Vermögen nach § 12 SGB II zu erfolgen.

Im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende erfolgt die Abgrenzung zwischen jeweils unter der Voraussetzung bedarfsbezogener Verwendungsmöglichkeit einzusetzendem Einkommen und Vermögen nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in Fortführung der früheren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte im Bereich des Sozialhilferechts mit Hilfe der so genannten Zuflusstheorie. Danach ist Einkommen alles das, was jemand in der Bedarfszeit - regelmäßig dem jeweiligen Kalendermonat - wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat; dabei ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (normativer Zufluss) (s. nur BSG 30.9.2008 – B 4 AS 29/07 R, SGb 2008, 658 (Kurzwiedergabe); BVerwG 18.2.1999 - 5 C 16/98, NJW 1999, 3210; Brühl, in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 11 Rdnr. 6 ff. m.w.N.).

Der Anfall einer Erbschaft erfolgt nach § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch im Wege der Gesamtrechtsnachfolge: Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.

Das hat zur Folge, dass die Erben mit dem Erbfall Eigentümer von Grundstücken, aber auch anderen Gegenständen werden, was zu einer sofortigen bedarfsbezogenen Verwendungsmöglichkeit führt (ebenso: LSG Mecklenburg-Vorpommern 19.11.2008 - L 8 B 298/08). Das mit dem Erbfall erworbene Eigentum kann veräußert oder belastet werden; im Falle einer Erbengemeinschaft gilt Entsprechendes für die erworbenen Miteigentumsanteile. Dabei sind ererbte aktive und passive Vermögenswerte zu saldieren.

Entgegen der Auffassung der Beklagten, die in Übereinstimmung mit der wohl herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung steht (vergleiche nur LSG Niedersachsen-Bremen 19.6.2008 – L 7 AS 663/07) ist Zuflusszeitpunkt nicht derjenige der Auskehrung von Bestandteilen der Erbschaft.

Abgesehen davon, dass eine derartige Sichtweise bereits dann zu kaum lösbaren Zuordnungsproblemen führt, wenn die Erbschaft nicht nur aus Barmitteln, Konto- oder Versicherungsguthaben besteht, sondern z. B. auch - wie vorliegend - aus Grundbesitz oder auch aus Unternehmensanteilen, ist nicht ersichtlich, wie die Berücksichtigung von gegebenenfalls mit geerbten Verbindlichkeiten dogmatisch schlüssig erfolgen soll.

Wesentlich erscheint der Kammer jedoch, dass die mit dem Erbfall übergegangenen (Mit-)Eigentumsrechte beziehungsweise die Miterbenanteile einerseits - zu Recht - bereits vor der Auszahlung konkreter Beträge als verwertbares Vermögen angesehen werden (vergleiche nur LSG Hamburg 31.5.2007 – L 5 AS 42/06; Brühl, a.a.O., § 12 Rdnr. 10), andererseits die Auszahlung der Zuflusszeitpunkt von Einkommen sein soll. Hierbei handelt es sich jedoch um die bloße Umwandlung von Vermögen.

Der Kammer erschließt sich auch nicht, wie beim Abstellen auf die Auszahlungen der Teilbeträge aus den Erbschaften als Zuflusszeitpunkte der vorliegend zum Teil gegebene Umstand der Auskehrung auf ein Fremdkonto ohne Zugriffsmöglichkeit des Erben bewertet werden soll. Bei Eingang auf dem von der Rechtsanwältin eingerichteten Konto nimmt die Beklagte mangels konkreter bedarfsbezogener Verwendungsmöglichkeit noch keinen Zufluss an. Jedoch erscheint der Zeitpunkt der Weiterleitung der Teilbeträge an den Kläger ebenfalls für die Anknüpfung als ungeeignet, weil die Rechtsanwältin von dem Erbschaftsanteil des Klägers vor der Weiterleitung mehrere Verbindlichkeiten abgezogen hatte, die zum Teil nicht einmal mit der Abwicklung der Erbschaftsangelegenheit selbst zu tun hatten. Die nach Auffassung der Beklagten konsequente Berücksichtigung lediglich des weitergeleiteten Betrages führt dann jedoch dazu, dass die Tilgung privater Schulden mittelbar über Grundsicherungsleistungen finanziert wird.

Die aufgezeigten Wertungswidersprüche lassen sich vermeiden, wenn bei Erbschaften ausschließlich auf den Erbfall als Zuflusszeitpunkt abgestellt wird.

Danach floss dem Kläger vorliegend am 10.10.2004 Einkommen in Höhe von gut 12.500 EUR zu, am 13.5.2006 ein solches in Höhe von gut 16.000 EUR.

Da die hier streitbefangenen Zeiträume mit dem Monat Januar 2006 als Bedarfszeitraum beginnen, handelt es sich bei der Erbschaft aus dem Erbfall 2004 in jedem Fall um bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu berücksichtigendes Vermögen.

Der Freibetrag des Klägers nach § 12 SGB II betrug Anfang des Jahres 2006 11.950 EUR (56 Lebensjahre à 200 EUR nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der damals geltenden Fassung zuzüglich 750 EUR nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II). Dieser Freibetrag erhöhte sich ab XX.X.2006 mit Vollendung des 57. Lebensjahres des Klägers auf 12.150 EUR, reduzierte sich jedoch ab 1.8.2006 mit der Änderung des Grundfreibetrages in § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II auf 150 EUR je vollendetem Lebensjahr auf 9.300 EUR.

Da der Kläger von den gut 12.500 EUR, die auf den Erbfall am 10.10.2004 entfielen, nach seinen glaubhaften, unwiderlegten Angaben bereits im Dezember 2005 etwa 1.000 EUR ausgegeben hatte und daneben nur weiteres Vermögen in Höhe eines Sparguthabens von etwa 50 EUR vorhanden war, lag er Anfang des Jahres 2006 unter seinem Vermögensfreibetrag, so dass er hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II war und die Aufhebung der Bewilligung für die Monate Januar bis April 2006 in jedem Fall rechtswidrig ist. Entsprechendes gilt für die darauf beruhende Erstattungsforderung.

Die (Teil-)Aufhebung der Bewilligung für den Monat Mai 2006 ist hingegen rechtmäßig bzw. sogar rechtswidrig begünstigend, weil keine vollständige Aufhebung erfolgte. Denn am 13.5.2006 trat der zweite Erbfall ein und das daraus dem Kläger nach obigen Ausführungen im Monat Mai zufließende Einkommen in Höhe von gut 16.000 EUR schloss eine Hilfebedürftigkeit in diesem Monat aus, weil es seinen Bedarf in Höhe von etwa 740 EUR monatlich bei Weitem überstieg. Eine Aufteilung dieses Einkommens auf einen angemessenen Zeitraum nach § 2 Abs. 3 Alg II-V ist angesichts der erheblichen Höhe nicht angezeigt. Ein Leistungsanspruch bestand demnach nicht; die Aufhebung der Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit rechtfertigt sich aus § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III in Verbindung mit § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X, weil der Kläger nach Erlass des Bewilligungsbescheids für den Monat Mai Einkommen erzielt hat, das zum Wegfall des Alg II-Anspruchs geführt haben würde.

Da keine normative Aufteilung dieses einmaligen Einkommens auf einen längeren Zeitraum erfolgt, ist die zweite Erbschaft ab dem folgenden Monat, in dem nächsten Bedarfszeitraum, als Vermögen zu berücksichtigen, das für sich genommen in den Monaten Juni und Juli den einschlägigen Vermögensfreibetrag um etwa 4.000 EUR und ab August 2006 sogar um etwa 7.000 EUR überstieg.

Von daher stellt sich die nach Teilabhilfe des Widerspruchs zuschussweise Bewilligung für den Monat Juni als insgesamt rechtswidrig begünstigend dar. Die Aufhebung der im Hinblick auf vorhandenes, aber nicht sofort verwertbares Vermögen darlehensweise Bewilligung für den Monat Juli 2006 nebst Rückforderung der gewährten 740,29 EUR ist vor dem Hintergrund rechtmäßig, dass durch die Auszahlung von Teilbeträgen aus den Erbschaften liquide Mittel vorhanden waren, so dass der Bedarf für die Gewährung eines Darlehens weggefallen war. Die Zahlung in Höhe von 3.000 EUR am 12.6.2006 hätte der Kläger vor Bescheiderlass mitteilen müssen (§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III in Verbindung mit § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X).

Die Ablehnung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II auf den Antrag vom 1.7.2006 hin ist unter dem Gesichtspunkt rechtmäßig, dass zu diesem Zeitpunkt das gesamte Vermögen aus dem zweiten Erbfall sowie große Teile des Vermögens aus dem ersten Erbfall vorhanden waren, mithin ein solches in Höhe von wohl über 25.000 EUR, das die Hilfebedürftigkeit jedenfalls bis weit in das Jahr 2008 hinein auszuschließen geeignet war. Da der Kläger - wie aufgezeigt - auch noch zu Unrecht Leistungen der Beklagten erhielt, er nach eigenen Angaben noch bis Januar 2007 seinen Lebensunterhalt aus den bis dahin ausgekehrten Mitteln der ersten Erbschaft bestritt und im Oktober 2007 jedenfalls noch Vermögen aus der zweiten Erbschaft in Höhe des zu diesem Zeitpunkt ausgezahlten Teilbetrags von 16.000 EUR vorhanden war, geht die erkennende Kammer davon aus, dass die Hilfebedürftigkeit ausschließendes Vermögen auch noch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung vorhanden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.
Rechtskraft
Aus
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