L 7 B 729/07 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 463/07 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 729/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 1. August 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1967 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) bezieht von der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (Bg) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II. Mit Bescheid vom 15.02.2007 hob die Bg die Bewilligung des Alg II für die Zeit vom 01.03. bis 31.05.2007 teilweise in Höhe von monatlich 35,00 EUR auf mit der Begründung, die Regelleistung werde um 10 % abgesenkt, weil der Bf trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 01.02.2007 nicht erschienen sei. Den Widerspruch, mit dem der Bf auf eine Krankmeldung für die Zeit vom 29.01. bis 09.02.2007 verwies, wies die Bg mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2007 zurück. Der Bf hätte trotz seiner Arbeitsunfähigkeit den Meldetermin vom 01.02.2007 wahrnehmen können, da er - mangels Vorliegens eines gegenteiligen ärztlichen Attestes - als reisefähig einzustufen sei. Von der angebotenen Möglichkeit, die Reiseunfähigkeitsbescheinigung im Widerspruchsverfahren nachzureichen, habe er nicht Gebrauch gemacht.

Hiergegen hat der Bf beim Sozialgericht Regensburg (SG) die Klage S 16 AS 267/07 erhoben.

Die Bg bewilligte dem Bf mit Bescheid vom 22.05.2007 für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2007 monatlich 632,00 EUR. Auf die Aufforderung der Bg hin, bei ihr am 21.06.2007 vorzusprechen, verwies der Bf auf eine vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und wandte sich dagegen, dass von ihm eine Bescheinigung über Bettlägerigkeit und Reiseunfähigkeit gefordert werde. Es gehe niemandem etwas an, warum und wie schwer er vom Arzt krankgeschrieben worden sei.

Mit Bescheid vom 29.06.2007 hob die Bg die Bewilligung der Leistung für die Zeit vom 01.08. bis 31.10.2007 teilweise in Höhe von 20 % der Regelleistung, monatlich 69,00 EUR, auf. Trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen sei er zu dem Meldetermin am 21.06.2007 nicht erschienen.

Am 05.07.2007 hat der Bf beim SG einstweiligen Rechtsschutz beantragt und eine Bescheinigung über eine am 04.06.2007 festgestellte Arbeitsunfähigkeit in der vom 19.05. bis 22.06.2007 vorgelegt. Das SG hat einen Befundbericht des Dr. A. vom 27.07.2007 eingeholt und mit Beschluss vom 01.08.2007 den Antrag des Bf abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Absenkung um 20 % lägen vor. Ein wichtiger Grund für das Versäumen der Meldetermine am 01.02. bzw. 21.06.2007 sei nicht nachgewiesen. Das Gericht berücksichtige die amtsärztlich festgestellte volle Erwerbsfähigkeit bei im Wesentlichen altersentsprechender Belastbarkeit, die auch durch den Befundbericht des Dr. A. vom 27.07.2007 nicht widerlegt werde; dieser Arzt bescheinige hierin in krankheitsfreien Zeiten einen Normalbefund der Lungenfunktion. Angesichts der häufigen Fahrten des Bf nach W. , welche durch die zahlreichen dort erstellten AU-Bescheinigungen belegt seien, sei nicht nachvollziehbar, wieso der Bf nicht die 5 km von seinem Wohnort bis zum Bahnhof in F. überbrücken könne; vom Bahnhof aus bestehe eine gute Citybusverbindung zum Gebäude der Bg. Da der Bf seit zwei Jahren durch erneute Vorlage von AU-Bescheinigungen seiner Meldepflicht entzogen gewesen sei, sehe das Gericht die Anforderung einer ärztlichen Reiseunfähigkeitsbescheinigung als angemessenes und zweckmäßiges Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts an.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Bf, mit der er geltend macht, es dürfe nicht sein, dass ein Mensch, der krank sei, irgendwo zu einem Termin erscheinen müsse. Es sei auch ein großer Unterschied, ob er 5 km zu Fuß zum Bahnhof laufen müsse, dann mit dem Zug nach C. fahren, sodann bergauf zum Arbeitsamt gehen müsse und das Gleiche auch wieder zurück. Zum Arzt werde er gefahren. Bei dem ärztlichen Gutachten im Januar 2006 habe es sich um eine reine Routineuntersuchung gehandelt.

Auf Aufforderung des Gerichts hat die Bg ein Muster der von ihr verwendeten Meldeaufforderungen vorgelegt. Der Beschwerde hat das SG nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist sachlich nicht begründet. Im vorliegenden Fall kommt einstweiliger Rechtsschutz in Form der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG in Betracht. Die Entscheidung hierüber setzt eine Abwägung zwischen dem Interesse der Bg auf sofortigen Vollzug der Kürzung der Regelleistung mit dem Interesse des Bf, die Leistung zunächst bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den angefochtenen Bescheid ungekürzt zu erhalten, voraus. Im vorliegenden Fall ist dem Interesse der Bg der Vorzug zu geben.

Zu berücksichtigen ist die Grundentscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr.1 SGB II, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einem Verwaltungsakt, der über Leistungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung haben. Demgegenüber kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung vor allem in Betracht, wenn gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides grundlegende Bedenken bestehen. Solche sind gegenwärtig nicht ersichtlich.

Die Voraussetzungen für eine Absenkung um 20 % der Regelleistung nach § 31 Abs.3 Satz 3 SGB II in der seit 01.01.2007 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20.07.2006, BGBl.I S.1706, liegen bei summarischer Prüfung vor. Der Kläger ist trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung, sich bei der Bg zu melden, am 21.06.2007 zum zweiten Mal nicht nachgekommen. Er ist in diesem Aufforderungsschreiben auf die Absenkung um 20 % bei wiederholter Verletzung der Meldepflicht hingewiesen worden. Dass er für das Meldeversäumnis einen wichtigen Grund gehabt hat, ist gegenwärtig jedenfalls nicht nachgewiesen.

Die vom Bf vorgelegte AU-Bescheinigung und sein Verweis auf § 309 Abs.3 Satz 3 SGB III sind für sich allein noch nicht geeignet, einen wichtigen Grund glaubhaft zu machen. Bei Leistungsbeziehern nach dem SGB II sowie solchen nach dem SGB III richtet sich die Frage der Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit nach der Vermittelbarkeit in eine zumutbare Tätigkeit (vgl. Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, Rn 33 zu § 126). Zumutbar ist dem Bf gem. § 8 Abs.1 SGB II jede, also auch leichte Tätigkeit von mindestens drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Zudem ist § 309 Abs.3 Satz 3 SGB III dahingehend auszulgegen, dass eine AU-Bescheinigung ein Indiz für das Entfallen der Meldepflicht ist, dass es aber letztlich - jedenfalls im Rahmen von § 31 Abs.2 SGB II - darauf ankommt, ob die Erkrankung der Wahrnehmung des Meldetermins tatsächlich entgegensteht (vgl. Düe in Niesel, SGB III, 4. Auflage, Rn 21 zu § 309; LSG NRW vom 18.04.2007, L 19 B 42/06 AL). Denn letztlich ist das Vorliegen von AU bzw. Unfähigkeit, einen Meldetermin wahrzunehmen, von der Bg bzw. dem Gericht zu prüfen, ohne dass einer AU-Bescheinigung eine präjudizielle Wirkung zukommt.

Deshalb hat die Bg zu Recht in ihrer Meldeaufforderung darauf hingewiesen, dass eine Vorsprache auch bei Arbeitsunfähigkeit erforderlich ist, außer der Arzt bescheinigt Bettlägrigkeit/Reiseunfähigkeit. Dies war dem Kläger auch bereits aus dem Vorgang bezüglich des Meldeversäumnisses am 01.02.2007 bekannt.

Der die Arbeitsunfähigkeit bis 22.06.2007 bescheinigende Dr. A. konnte auf die Anfrage des SG hin in seinem Befundbericht vom 27.07.2007 die Frage, ob der Bf am 21.06.2007 unfähig war, von G. bis ins nahegelegene C. zur Wahrnehmung eines Meldetermines zu kommen, nicht konkret beantworten. Sein Hinweis, dass der Bf an diesen Tagen krankgeschrieben war und eine Einschränkung seiner körperlichen Belastbarkeit vorlag, ist insoweit nicht schlüssig. Es wäre Aufgabe des Bf gewesen, nach Erhalt der Meldeaufforderung sich an Dr. A. wegen einer Bescheinigung über die Reiseunfähigkeit, falls eine solche tatsächlich vorlag, zu wenden. Dass der Bf wegen ungünstiger Verkehrsbedingungen die Meldetermine nicht wahrnehmen konnte, ist gegenwärtig jedenfalls ebenfalls nicht nachgewiesen. Hiergegen sprechen seine häufigen Fahrten nach W. zur Wahrnehmung der Untersuchungstermine, wie sie aus den zahlreichen AU-Bescheinigungen ersichtlich sind. Es ist in der Tat nicht nachvollziehbar, dass der Bf einerseits diese Reisen zurücklegen kann, andererseits aber nicht in der Lage sein soll, die wenigen Kilometer bis zur Dienststelle der Bg zurückzulegen. Auch der Hinweis, dass er selbst nicht über ein Kfz verfüge und von seiner Mutter zum Arzt gefahren werde, ist nicht plausibel, da naheliegenderweise auch bezüglich der Meldetermine es möglich sein dürfte, die Dienste der Mutter in Anspruch zu nehmen. Sollte dies speziell zu einem von der Bg festgesetzten Meldetermin aus organisatorischen Gründen nicht möglich sein, so wäre es Aufgabe des Bf, einen zeitnahen Ausweichtermin seinerseits vorzuschlagen.

Somit liegen gegenwärtig die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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