Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3438/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 566/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die am 1961 geborene Klägerin arbeitete als Masseurin, seit 1. April 1993 in einer eigenen Praxis. Im Jahre 1998 wurde ein Kontenklärungsverfahren durchgeführt, in dessen Verlauf die Klägerin auf ihre selbständige Tätigkeit hinwies. Mit Bescheid vom 6. August 1998 stellte die Beklagte unter anderem fest, eine selbständige Tätigkeit sei in der Zeit vom 1. April 1993 bis 31. Januar 1998 ausgeübt worden. Am 14. Juli 2003 sprach die Klägerin bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in Freiburg vor und bat um Übersendung einer Zweitschrift des Bescheids über die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Der Erstbescheid sei verlorengegangen. Ferner fragte sie an, ob die Befreiung auch für eine Tätigkeit als freie Mitarbeiterin gelte. Sie arbeite an zwei Tagen in der Woche für ca. zwei bis drei Stunden bei einem anderen Masseur und erziele damit einen Verdienst von durchschnittlich 450 EUR. Mit Schreiben vom 4. August 2003 teilte die Beklagte mit, ein Bescheid über eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 5 SGB VI sei nicht aktenkundig. Im übrigen betreffe diese Regelung nur Personen, die nicht nach § 2 Nr. 1 bis 3 SGB VI der Versicherungspflicht kraft Gesetzes unterliegen. Selbständig tätige Masseure gehörten aber zum Personenkreis des § 2 Nr. 2 SGB VI. Auf Grundlage der von der Klägerin abgegebenen Erklärung werde nun die Versicherungspflicht geprüft. In der Folge trug die Klägerin vor, sie habe bereits in den Jahren 1998/1999 angestrebt aus der gesetzlichen Rentenversicherung auszutreten. Ihre Massagepraxis habe sie im Jahr 2000 aufgegeben. Nachdem der seinerzeit gestellte Antrag offensichtlich untergegangen bzw. nicht bearbeitet worden sei, sie aber in der Auskunfts- und Beratungsstelle Freiburg rechtzeitig vorgesprochen habe, müsse das Befreiungsverfahren nachgeholt werden. Unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs habe sie Anspruch auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Mit Bescheid vom 16. Februar 2004 lehnte die Beklagte die begehrte Befreiung ab. § 231 Abs. 5 SGB VI finde keine Anwendung, da die Versicherungspflicht der von der Klägerin ausgeübten selbständigen Tätigkeit nicht aus § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, sondern aus § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI folge. Eine Befreiung nach § 231 Abs. 6 SGB VI sei ebenfalls nicht möglich, da bis 30. September 2001 ein entsprechender Antrag von der Klägerin nicht gestellt worden sei. Die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs seien ebenfalls nicht erfüllt, eine Verletzung der Beratungspflichten läge nicht vor.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 4. März 2004 Widerspruch. Sie trug vor, sie habe vom Bestehen der Versicherungspflicht keine Kenntnis gehabt. Sie habe die Beklagte bereits im Mai 1998 im Rahmen einer Kontenklärung über ihre seit April 1993 ausgeübte Tätigkeit als selbständige Masseurin informiert, gleichwohl habe sie darauf keine weitere Mitteilung von der Beklagten erhalten. Deshalb habe sie darauf vertraut, der Versicherungspflicht nicht zu unterliegen. Bei dieser Sachlage stehe ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu, weshalb die verspätete Antragstellung nicht schade. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu. Die Beklagte habe es zwar im Jahre 1998 unterlassen, weitere Ermittlungen zum Bestehen der Versicherungspflicht einzuleiten. Durch solche Ermittlungen hätte die Klägerin jedoch Kenntnis von der Versicherungspflicht erlangt. Voraussetzung für eine Befreiung nach § 231 Abs. 6 SGB VI sei aber, dass der Versicherte glaubhaft macht, von der Versicherungspflicht keine Kenntnis gehabt zu haben. Dementsprechend käme ein Anspruch der Klägerin auf Befreiung auch dann nicht in Betracht, wenn die Beklagte die Versicherungspflicht bereits im Jahre 1998 festgestellt hätte, denn hierdurch wäre eine den Anspruch auf Befreiung ausschließende Kenntnis von der Versicherungspflicht gerade begründet worden.
Mit der am 27. September 2004 beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie sei sich sicher, im Jahre 1998 bei der Beklagten einen formlosen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt zu haben; Nachweise hierüber könne sie aber keine mehr vorlegen. 1998 habe wegen eines durchgeführten Versorgungsausgleichs ein reger Schriftwechsel zwischen ihr und der Beklagten stattgefunden. Die Beklagte habe es versäumt, sie in diesem Zusammenhang über die Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs. 6 SGB VI zu informieren. Dies begründe einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Die Beklagte ist der Klage unter Hinweis auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheids entgegengetreten. Mit Gerichtsbescheid vom 10. Januar 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe vor Ablauf der gesetzlichen Frist am 30. September 2001 keinen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch greife nicht. Die Beklagte habe zwar ihre Auskunfts- und Beratungspflichten dadurch verletzt, dass sie im Jahre 1998 keine Ermittlungen zur Versicherungspflicht eingeleitet und die Klägerin auch nicht über die Möglichkeit einer Befreiung von der Versicherungspflicht informiert habe. Da § 231 Abs. 6 SGB VI aber voraussetze, dass der Versicherte bis 31. Dezember 1998 keine Kenntnis vom Bestehen der Versicherungspflicht hatte, wäre eine Befreiung auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten nicht möglich gewesen.
Gegen den ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 11. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 3. Februar 2006 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie meine sich erinnern zu können, nach Erhalt des (Vormerkungs-) Bescheids vom 6. August 1998 bei der Beklagten telefonisch nachgefragt zu haben, welchen Versicherungsstatus sie habe. Gerade die Angaben in diesem Bescheid zu ihrer selbständigen Tätigkeit habe sie nicht nachvollziehen können. Eine Klärung dieser Frage sei jedoch nicht erfolgt. Soweit die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 231 Abs. 6 SGB VI eine Antragstellung bis 30. September 2001 voraussetze, verstoße die Vorschrift gegen das Grundgesetz. § 231 Abs. 6 SGB VI sei erst durch Gesetz vom 3. April 2001 mit Wirkung ab 7. April 2001 in Kraft gesetzt worden. Den Betroffenen sei deshalb nur noch eine Frist von ca. sechs Monaten zur Antragstellung verblieben. Diese Frist sei unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten viel zu kurz bemessen und verstoße insbesondere gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2004 zu verpflichten, sie für ihre Tätigkeit als selbständige Masseurin mit Wirkung ab 1. April 1993 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien,
hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihren Bescheid für rechtmäßig und den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (24 130261 M 531), die Klageakten des SG (S 4 RA 3438/04) und die Berufungsakte des Senats (L 13 RA 566/06) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet; das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist der den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht ablehnende Bescheid vom 16. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2004. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in subjektiven Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Nachdem sich die Versicherungspflicht der Klägerin aus § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ergibt, scheidet § 231 Abs. 5 SGB VI als Rechtsgrundlage für die begehrte Befreiung aus, denn nach dieser Norm können nur solche Versicherte befreit werden, deren Versicherungspflicht erst nach dem 31. Dezember 1998 gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI eingetreten ist (§ 231 Abs. 5 Satz 1 SGB VI). Dementsprechend kann sich ein Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur aus § 231 Abs. 6 SGB VI (mit Wirkung ab 7. April 2001 eingefügt durch Art. 2 Buchst. b des Ersten Gesetzes zur Änderung des SGB IV vom 3. April 2001 (BGBl. I S. 467)) ergeben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift werden Personen, die am 31. Dezember 1998 eine nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder § 229a Abs. 1 SGB VI versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, auf Antrag befreit, wenn sie (1.) glaubhaft machen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatten, und (2.) vor dem 2. Januar 1949 geboren sind oder (3.) vor dem 10. Dezember 1998 eine anderweitige Vorsorge im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 oder Satz 2 getroffen haben. Die Vorsorge muss gemäß Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 so ausgestaltet sein, dass a) Leistungen für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall Leistungen an Hinterbliebene erbracht werden, b) für die Versicherung mindestens ebenso viel Beiträge aufzuwenden sind, wie Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen wären, oder (3.) vorhandenes Vermögen oder aufgrund vertraglicher Verpflichtung anzusparendes Vermögen insgesamt gewährleisten, dass eine wirtschaftlich gleichwertige Sicherung erreicht wird. Erfüllt die bisher getroffene Vorsorge diese Anforderungen nicht, muss sie bis spätestens 30. September 2001 entsprechend ausgestaltet werden (Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Nr. 2). Die Befreiung ist bis zum 30. September 2001 zu beantragen; sie wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an (§ 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI).
Die Klägerin gehört zwar grundsätzlich zum Adressatenkreis des § 231 Abs. 6 SGB VI (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), SozR 4-2600 § 231 Nr. 2), sie hat den Befreiungsantrag jedoch nicht fristgerecht gestellt. In Übereinstimmung mit dem SG ist der Senat davon überzeugt, dass bis 30. September 2001 eine entsprechende Antragstellung nicht erfolgt ist. Bei ihrer Vorsprache am 14. Juli 2003 hatte die Klägerin noch um Übersendung einer Zweitschrift des Bescheids über die Befreiung von der Versicherungspflicht gebeten und behauptet, der "Erstbescheid" sei verlorengegangen. Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin dann nur noch vortragen lassen, sie meine sich erinnern zu können, nach Erhalt des (Vormerkungs-) Bescheids vom 6. August 1998 bei der Beklagten telefonisch nach ihrem Versicherungsstatus gefragt zu haben, eine Klärung sei jedoch nicht erfolgt. Damit hat die Klägerin selbst eingeräumt, dass ein "Erstbescheid" über die Befreiung von der Versicherungspflicht - anders als von ihr anfangs behauptet - niemals ergangen ist. Vor diesem Hintergrund besteht aus Sicht des Senats kein Zweifel, dass die Klägerin vor dem 14. Juli 2003 auch keinen Antrag im Sinne des § 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI gestellt hat, zumal auch die Verwaltungsakte der Beklagten keinen Hinweis auf eine solche Antragstellung enthält.
Auch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Dieses in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut ist auf die Herstellung des Zustandes gerichtet, der eingetreten wäre, wenn ein Versicherungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder eines konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber erwachsenen Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. BSGE 91, 1; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 1; SozR 3-1200 § 14 Nr. 12). Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist das Vorliegen einer Pflichtverletzung, also eines rechtswidrigen Verhaltens des Versicherungsträgers, durch das ein sozialrechtlicher Schaden entstanden ist. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann nur auf die Herstellung eines rechtmäßigen Zustands gerichtete sein (vgl. zum Ganzen Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB I, vor §§ 38 bis 47 Rdnr. 30 ff. m.w.N.).
Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch folgt hier zunächst nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte im Rahmen des 1998 durchgeführten Kontenklärungsverfahrens von der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit Kenntnis erlangt, es gleichwohl aber unterlassen hat, entsprechende Ermittlungen zur Klärung der Versicherungspflicht einzuleiten. Unabhängig von der Frage, ob hierin eine der Beklagten anzulastende Pflichtverletzung gesehen werden kann, fehlt es an der erforderlichen Kausalität zwischen dem Verhalten der Beklagten und dem eingetretenen sozialrechtlichen Schaden. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheids vom 10. Januar 2006 zutreffend darauf hingewiesen, dass auch bei Durchführung entsprechender Ermittlungen bzw. Beratung der Klägerin über die bestehende Versicherungspflicht ein Befreiungsantrag nach § 231 Abs. 6 SGB VI nicht mit Erfolg hätte gestellt werden können. Mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann nur ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden, was hier daran scheitern würde, dass die Tatbestandsvoraussetzung der "Unkenntnis der Versicherungspflicht" am 31. Dezember 1998 dann nicht erfüllt wäre.
In der Folge, insbesondere nach Inkrafttreten des § 231 Abs. 6 SGB VI am 7. April 2001, hat die Beklagte ihre Pflicht zur Beratung und Auskunft (vgl. §§ 14 und 15 SGB I) gegenüber der Klägerin nicht verletzt, auch nicht dadurch, dass sie es unterlassen hat, die Klägerin auf die Möglichkeit eines Befreiungsantrags hinzuweisen. Grundsätzlich besteht keine allgemeine Verpflichtung der Beklagten, sämtliche Versicherten auf die für sie möglicherweise in Betracht kommenden Gestaltungsmöglichkeiten auch ohne besonderen Anlass hinzuweisen. Eine derart weite Auslegung der Beratungspflichten würde die Beklagte vor nicht zu leistende Aufgaben stellen, denn sie müsste bei jeder Gesetzesänderung die Versicherungskonten sämtlicher Versicherten dahingehend überprüfen, ob die Neuregelung im konkreten Einzelfall Anwendung findet bzw. für den jeweiligen Versicherten neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Eine Beratungspflicht setzt deshalb voraus, dass dafür nach den Umständen des Einzelfalls ein besonderer Anlass besteht (vgl. BSG SozR 4100 § 125 Nr. 3; SozR 3-4100 § 125 Nr. 19). Ein solcher Anlass kann sich beispielsweise aus einem konkreten Beratungsersuchen des Versicherten ergeben, darüber hinaus ist er aber auch dann anzunehmen, wenn Gestaltungsmöglichkeiten, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig sind, dass sie ein verständiger Versicherter mutmaßlich nutzen würde, klar zu Tage treten (BSG SozR 3-4100 § 110 Nr. 2; SozR 3-1200 § 14 Nr. 12; SozR 2200 § 1290 Nr. 11; SozR 7610 § 242 Nr. 5). Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage tritt, allein nach den objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 16). Ein solcher Anlass lag hier nicht vor. Nachdem die Klägerin selbst erst am 14. Juli 2003, also nach Ablauf der Frist des § 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI bei der Beklagten vorgesprochen und zuvor nicht um eine entsprechende Beratung nachgesucht hat, käme eine Verpflichtung der Beklagten zur "spontanen" Beratung hier nur dann in Betracht, wenn diese auf andere Weise von der im Fall der Klägerin möglicherweise gegebenen Befreiungsmöglichkeit, z. B. im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens Kenntnis erlangt hätte oder zumindest ohne Weiteres hätte erlangen können. Ein solches Verwaltungsverfahren hat jedoch nach Abschluss des im Jahre 1998 durchgeführten Kontenklärungsverfahrens nicht stattgefunden. Auch ansonsten bestand für die Beklagte - jedenfalls bis 30. September 2001 - keine Anlass das Versicherungskonto der Klägerin zu prüfen und mit dieser Kontakt aufzunehmen.
Die Regelung des § 231 Abs. 6 SGB VI ist - ebenso wie die hier Versicherungspflicht begründende Norm des § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI (vgl. zur Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 SGB VI allgemein: Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Nichtannahmebeschluss vom 26. Juni 2007 - 1 BvR 2204/00 und 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr. 10 m.w.N.) - letztlich auch verfassungsgemäß (vgl. dazu BVerfG a.a.O.; BSG SozR 4-2600 § 231 Nr. 1 und 2; BSG, Urteil vom 23. November 2005 - B 12 RA 9/04 R - veröffentlicht in Juris; Urteil des erkennenden Senats vom 20. April 2004 - L 13 RA 2681/02 - veröffentlicht in Juris); die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht liegen deshalb nicht vor. Dies gilt auch insoweit, als der Gesetzgeber die Befreiungsmöglichkeit bis 30. September 2001 befristet hat (§ 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI). Die Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs. 6 SGB VI geht darauf zurück, dass nach der Einführung der Versicherungspflicht "arbeitnehmerähnlicher Selbständiger" zum 1. Januar 1999 zahlreiche Betroffene, die eigentlich bereits kraft Gesetzes der Versicherungspflicht unterlegen hatten, jedoch in Unkenntnis derselben keine Beiträge gezahlt hatten, die Befreiung gemäß Abs. 5 beantragten (vgl. Bundestags-Drucksache 14/5095 S. 9). Die betroffenen Selbständigen hatten häufig in gutem Glauben außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung Alters- und Invaliditätsvorsorge betrieben; um unbillige Doppelbelastungen zu vermeiden oder die erworbene Sicherung durch unwirtschaftliche Auflösung nicht zu entwerten, wurde der Befreiungsantrag bis 30. September 2001 eröffnet (Senatsurteil vom 20. April 2004, a.a.O., m.w.H. auf die Gesetzesmaterialien). Die Regelung des § 231 Abs. 6 SGB VI betrifft dementsprechend - anders als Abs. 5 der Vorschrift - Fallkonstellationen, in denen Versicherungspflicht bereits bestand, dieser Umstand den Versicherten aber nicht bekannt war. Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des SGB VI vom 3. April 2001 hat der Gesetzgeber für diesen Personenkreis eine bis dahin nicht bestehende Befreiungsmöglichkeit geschaffen. Der Rechtskreis der betroffenen Versicherten wurde durch die Neuregelung also nicht beschränkt, sondern erweitert. Dies eröffnet dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, von dem er hier in verfassungskonformer Weise Gebrauch gemacht hat; auch die normierte Stichtagsregelung (§ 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI) hält einer verfassungsrechtlichen Prüfung Stand. Zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte dürfen Stichtage eingeführt werden, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Sie unterliegen der verfassungsrechtlichen Überprüfung nur daraufhin, ob der Gesetzgeber den ihm bei der Stichtagsregelung zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint. Hat sich der Gesetzgeber entschieden, zeitlich befristet eine bestimmte Gruppe von der Versicherungspflicht auszunehmen, ist die Verwendung eines Stichtags unabweisbar (BVerfG a.a.O.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist (verfassungsrechtlich) nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit § 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI eine Befreiungsmöglichkeit nur für einen relativ kurzen Zeitraum von ca. einem halben Jahr eröffnet hat. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Adressatenkreis des § 231 Abs. 6 SGB VI nach der Grundkonzeption des Gesetzes der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterfallen und die normierte Befreiungsmöglichkeit lediglich der (verbreiteten) Unkenntnis der Betroffenen vom Bestehen dieser Versicherungspflicht Rechnung tragen soll. Vor diesem Hintergrund erscheint die getroffene Regelung nicht als willkürlich; sie ist vielmehr geeignet, zeitnah Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herbeizuführen. Dass der Gesetzgeber bei anderen Befreiungstatbeständen, denen andere Regelungssachverhalte zugrunde liegen, abweichende Fristenregelungen normiert hat, führt - anders als die Klägerin meint - nicht zur Verfassungswidrigkeit der hier getroffenen Regelung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die am 1961 geborene Klägerin arbeitete als Masseurin, seit 1. April 1993 in einer eigenen Praxis. Im Jahre 1998 wurde ein Kontenklärungsverfahren durchgeführt, in dessen Verlauf die Klägerin auf ihre selbständige Tätigkeit hinwies. Mit Bescheid vom 6. August 1998 stellte die Beklagte unter anderem fest, eine selbständige Tätigkeit sei in der Zeit vom 1. April 1993 bis 31. Januar 1998 ausgeübt worden. Am 14. Juli 2003 sprach die Klägerin bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in Freiburg vor und bat um Übersendung einer Zweitschrift des Bescheids über die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 231 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Der Erstbescheid sei verlorengegangen. Ferner fragte sie an, ob die Befreiung auch für eine Tätigkeit als freie Mitarbeiterin gelte. Sie arbeite an zwei Tagen in der Woche für ca. zwei bis drei Stunden bei einem anderen Masseur und erziele damit einen Verdienst von durchschnittlich 450 EUR. Mit Schreiben vom 4. August 2003 teilte die Beklagte mit, ein Bescheid über eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 5 SGB VI sei nicht aktenkundig. Im übrigen betreffe diese Regelung nur Personen, die nicht nach § 2 Nr. 1 bis 3 SGB VI der Versicherungspflicht kraft Gesetzes unterliegen. Selbständig tätige Masseure gehörten aber zum Personenkreis des § 2 Nr. 2 SGB VI. Auf Grundlage der von der Klägerin abgegebenen Erklärung werde nun die Versicherungspflicht geprüft. In der Folge trug die Klägerin vor, sie habe bereits in den Jahren 1998/1999 angestrebt aus der gesetzlichen Rentenversicherung auszutreten. Ihre Massagepraxis habe sie im Jahr 2000 aufgegeben. Nachdem der seinerzeit gestellte Antrag offensichtlich untergegangen bzw. nicht bearbeitet worden sei, sie aber in der Auskunfts- und Beratungsstelle Freiburg rechtzeitig vorgesprochen habe, müsse das Befreiungsverfahren nachgeholt werden. Unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs habe sie Anspruch auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Mit Bescheid vom 16. Februar 2004 lehnte die Beklagte die begehrte Befreiung ab. § 231 Abs. 5 SGB VI finde keine Anwendung, da die Versicherungspflicht der von der Klägerin ausgeübten selbständigen Tätigkeit nicht aus § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, sondern aus § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI folge. Eine Befreiung nach § 231 Abs. 6 SGB VI sei ebenfalls nicht möglich, da bis 30. September 2001 ein entsprechender Antrag von der Klägerin nicht gestellt worden sei. Die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs seien ebenfalls nicht erfüllt, eine Verletzung der Beratungspflichten läge nicht vor.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 4. März 2004 Widerspruch. Sie trug vor, sie habe vom Bestehen der Versicherungspflicht keine Kenntnis gehabt. Sie habe die Beklagte bereits im Mai 1998 im Rahmen einer Kontenklärung über ihre seit April 1993 ausgeübte Tätigkeit als selbständige Masseurin informiert, gleichwohl habe sie darauf keine weitere Mitteilung von der Beklagten erhalten. Deshalb habe sie darauf vertraut, der Versicherungspflicht nicht zu unterliegen. Bei dieser Sachlage stehe ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu, weshalb die verspätete Antragstellung nicht schade. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu. Die Beklagte habe es zwar im Jahre 1998 unterlassen, weitere Ermittlungen zum Bestehen der Versicherungspflicht einzuleiten. Durch solche Ermittlungen hätte die Klägerin jedoch Kenntnis von der Versicherungspflicht erlangt. Voraussetzung für eine Befreiung nach § 231 Abs. 6 SGB VI sei aber, dass der Versicherte glaubhaft macht, von der Versicherungspflicht keine Kenntnis gehabt zu haben. Dementsprechend käme ein Anspruch der Klägerin auf Befreiung auch dann nicht in Betracht, wenn die Beklagte die Versicherungspflicht bereits im Jahre 1998 festgestellt hätte, denn hierdurch wäre eine den Anspruch auf Befreiung ausschließende Kenntnis von der Versicherungspflicht gerade begründet worden.
Mit der am 27. September 2004 beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie sei sich sicher, im Jahre 1998 bei der Beklagten einen formlosen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt zu haben; Nachweise hierüber könne sie aber keine mehr vorlegen. 1998 habe wegen eines durchgeführten Versorgungsausgleichs ein reger Schriftwechsel zwischen ihr und der Beklagten stattgefunden. Die Beklagte habe es versäumt, sie in diesem Zusammenhang über die Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs. 6 SGB VI zu informieren. Dies begründe einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Die Beklagte ist der Klage unter Hinweis auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheids entgegengetreten. Mit Gerichtsbescheid vom 10. Januar 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe vor Ablauf der gesetzlichen Frist am 30. September 2001 keinen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch greife nicht. Die Beklagte habe zwar ihre Auskunfts- und Beratungspflichten dadurch verletzt, dass sie im Jahre 1998 keine Ermittlungen zur Versicherungspflicht eingeleitet und die Klägerin auch nicht über die Möglichkeit einer Befreiung von der Versicherungspflicht informiert habe. Da § 231 Abs. 6 SGB VI aber voraussetze, dass der Versicherte bis 31. Dezember 1998 keine Kenntnis vom Bestehen der Versicherungspflicht hatte, wäre eine Befreiung auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten nicht möglich gewesen.
Gegen den ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 11. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 3. Februar 2006 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie meine sich erinnern zu können, nach Erhalt des (Vormerkungs-) Bescheids vom 6. August 1998 bei der Beklagten telefonisch nachgefragt zu haben, welchen Versicherungsstatus sie habe. Gerade die Angaben in diesem Bescheid zu ihrer selbständigen Tätigkeit habe sie nicht nachvollziehen können. Eine Klärung dieser Frage sei jedoch nicht erfolgt. Soweit die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 231 Abs. 6 SGB VI eine Antragstellung bis 30. September 2001 voraussetze, verstoße die Vorschrift gegen das Grundgesetz. § 231 Abs. 6 SGB VI sei erst durch Gesetz vom 3. April 2001 mit Wirkung ab 7. April 2001 in Kraft gesetzt worden. Den Betroffenen sei deshalb nur noch eine Frist von ca. sechs Monaten zur Antragstellung verblieben. Diese Frist sei unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten viel zu kurz bemessen und verstoße insbesondere gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2004 zu verpflichten, sie für ihre Tätigkeit als selbständige Masseurin mit Wirkung ab 1. April 1993 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien,
hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihren Bescheid für rechtmäßig und den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (24 130261 M 531), die Klageakten des SG (S 4 RA 3438/04) und die Berufungsakte des Senats (L 13 RA 566/06) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet; das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist der den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht ablehnende Bescheid vom 16. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. August 2004. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in subjektiven Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Nachdem sich die Versicherungspflicht der Klägerin aus § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ergibt, scheidet § 231 Abs. 5 SGB VI als Rechtsgrundlage für die begehrte Befreiung aus, denn nach dieser Norm können nur solche Versicherte befreit werden, deren Versicherungspflicht erst nach dem 31. Dezember 1998 gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI eingetreten ist (§ 231 Abs. 5 Satz 1 SGB VI). Dementsprechend kann sich ein Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht nur aus § 231 Abs. 6 SGB VI (mit Wirkung ab 7. April 2001 eingefügt durch Art. 2 Buchst. b des Ersten Gesetzes zur Änderung des SGB IV vom 3. April 2001 (BGBl. I S. 467)) ergeben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift werden Personen, die am 31. Dezember 1998 eine nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder § 229a Abs. 1 SGB VI versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, auf Antrag befreit, wenn sie (1.) glaubhaft machen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatten, und (2.) vor dem 2. Januar 1949 geboren sind oder (3.) vor dem 10. Dezember 1998 eine anderweitige Vorsorge im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 oder Satz 2 getroffen haben. Die Vorsorge muss gemäß Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 so ausgestaltet sein, dass a) Leistungen für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall Leistungen an Hinterbliebene erbracht werden, b) für die Versicherung mindestens ebenso viel Beiträge aufzuwenden sind, wie Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen wären, oder (3.) vorhandenes Vermögen oder aufgrund vertraglicher Verpflichtung anzusparendes Vermögen insgesamt gewährleisten, dass eine wirtschaftlich gleichwertige Sicherung erreicht wird. Erfüllt die bisher getroffene Vorsorge diese Anforderungen nicht, muss sie bis spätestens 30. September 2001 entsprechend ausgestaltet werden (Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Nr. 2). Die Befreiung ist bis zum 30. September 2001 zu beantragen; sie wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an (§ 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI).
Die Klägerin gehört zwar grundsätzlich zum Adressatenkreis des § 231 Abs. 6 SGB VI (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), SozR 4-2600 § 231 Nr. 2), sie hat den Befreiungsantrag jedoch nicht fristgerecht gestellt. In Übereinstimmung mit dem SG ist der Senat davon überzeugt, dass bis 30. September 2001 eine entsprechende Antragstellung nicht erfolgt ist. Bei ihrer Vorsprache am 14. Juli 2003 hatte die Klägerin noch um Übersendung einer Zweitschrift des Bescheids über die Befreiung von der Versicherungspflicht gebeten und behauptet, der "Erstbescheid" sei verlorengegangen. Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin dann nur noch vortragen lassen, sie meine sich erinnern zu können, nach Erhalt des (Vormerkungs-) Bescheids vom 6. August 1998 bei der Beklagten telefonisch nach ihrem Versicherungsstatus gefragt zu haben, eine Klärung sei jedoch nicht erfolgt. Damit hat die Klägerin selbst eingeräumt, dass ein "Erstbescheid" über die Befreiung von der Versicherungspflicht - anders als von ihr anfangs behauptet - niemals ergangen ist. Vor diesem Hintergrund besteht aus Sicht des Senats kein Zweifel, dass die Klägerin vor dem 14. Juli 2003 auch keinen Antrag im Sinne des § 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI gestellt hat, zumal auch die Verwaltungsakte der Beklagten keinen Hinweis auf eine solche Antragstellung enthält.
Auch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Dieses in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut ist auf die Herstellung des Zustandes gerichtet, der eingetreten wäre, wenn ein Versicherungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder eines konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber erwachsenen Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl. BSGE 91, 1; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 1; SozR 3-1200 § 14 Nr. 12). Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist das Vorliegen einer Pflichtverletzung, also eines rechtswidrigen Verhaltens des Versicherungsträgers, durch das ein sozialrechtlicher Schaden entstanden ist. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann nur auf die Herstellung eines rechtmäßigen Zustands gerichtete sein (vgl. zum Ganzen Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, SGB I, vor §§ 38 bis 47 Rdnr. 30 ff. m.w.N.).
Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch folgt hier zunächst nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte im Rahmen des 1998 durchgeführten Kontenklärungsverfahrens von der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit Kenntnis erlangt, es gleichwohl aber unterlassen hat, entsprechende Ermittlungen zur Klärung der Versicherungspflicht einzuleiten. Unabhängig von der Frage, ob hierin eine der Beklagten anzulastende Pflichtverletzung gesehen werden kann, fehlt es an der erforderlichen Kausalität zwischen dem Verhalten der Beklagten und dem eingetretenen sozialrechtlichen Schaden. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Gerichtsbescheids vom 10. Januar 2006 zutreffend darauf hingewiesen, dass auch bei Durchführung entsprechender Ermittlungen bzw. Beratung der Klägerin über die bestehende Versicherungspflicht ein Befreiungsantrag nach § 231 Abs. 6 SGB VI nicht mit Erfolg hätte gestellt werden können. Mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann nur ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden, was hier daran scheitern würde, dass die Tatbestandsvoraussetzung der "Unkenntnis der Versicherungspflicht" am 31. Dezember 1998 dann nicht erfüllt wäre.
In der Folge, insbesondere nach Inkrafttreten des § 231 Abs. 6 SGB VI am 7. April 2001, hat die Beklagte ihre Pflicht zur Beratung und Auskunft (vgl. §§ 14 und 15 SGB I) gegenüber der Klägerin nicht verletzt, auch nicht dadurch, dass sie es unterlassen hat, die Klägerin auf die Möglichkeit eines Befreiungsantrags hinzuweisen. Grundsätzlich besteht keine allgemeine Verpflichtung der Beklagten, sämtliche Versicherten auf die für sie möglicherweise in Betracht kommenden Gestaltungsmöglichkeiten auch ohne besonderen Anlass hinzuweisen. Eine derart weite Auslegung der Beratungspflichten würde die Beklagte vor nicht zu leistende Aufgaben stellen, denn sie müsste bei jeder Gesetzesänderung die Versicherungskonten sämtlicher Versicherten dahingehend überprüfen, ob die Neuregelung im konkreten Einzelfall Anwendung findet bzw. für den jeweiligen Versicherten neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Eine Beratungspflicht setzt deshalb voraus, dass dafür nach den Umständen des Einzelfalls ein besonderer Anlass besteht (vgl. BSG SozR 4100 § 125 Nr. 3; SozR 3-4100 § 125 Nr. 19). Ein solcher Anlass kann sich beispielsweise aus einem konkreten Beratungsersuchen des Versicherten ergeben, darüber hinaus ist er aber auch dann anzunehmen, wenn Gestaltungsmöglichkeiten, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig sind, dass sie ein verständiger Versicherter mutmaßlich nutzen würde, klar zu Tage treten (BSG SozR 3-4100 § 110 Nr. 2; SozR 3-1200 § 14 Nr. 12; SozR 2200 § 1290 Nr. 11; SozR 7610 § 242 Nr. 5). Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage tritt, allein nach den objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 16). Ein solcher Anlass lag hier nicht vor. Nachdem die Klägerin selbst erst am 14. Juli 2003, also nach Ablauf der Frist des § 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI bei der Beklagten vorgesprochen und zuvor nicht um eine entsprechende Beratung nachgesucht hat, käme eine Verpflichtung der Beklagten zur "spontanen" Beratung hier nur dann in Betracht, wenn diese auf andere Weise von der im Fall der Klägerin möglicherweise gegebenen Befreiungsmöglichkeit, z. B. im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens Kenntnis erlangt hätte oder zumindest ohne Weiteres hätte erlangen können. Ein solches Verwaltungsverfahren hat jedoch nach Abschluss des im Jahre 1998 durchgeführten Kontenklärungsverfahrens nicht stattgefunden. Auch ansonsten bestand für die Beklagte - jedenfalls bis 30. September 2001 - keine Anlass das Versicherungskonto der Klägerin zu prüfen und mit dieser Kontakt aufzunehmen.
Die Regelung des § 231 Abs. 6 SGB VI ist - ebenso wie die hier Versicherungspflicht begründende Norm des § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI (vgl. zur Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 SGB VI allgemein: Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Nichtannahmebeschluss vom 26. Juni 2007 - 1 BvR 2204/00 und 1 BvR 1355/03 - SozR 4-2600 § 2 Nr. 10 m.w.N.) - letztlich auch verfassungsgemäß (vgl. dazu BVerfG a.a.O.; BSG SozR 4-2600 § 231 Nr. 1 und 2; BSG, Urteil vom 23. November 2005 - B 12 RA 9/04 R - veröffentlicht in Juris; Urteil des erkennenden Senats vom 20. April 2004 - L 13 RA 2681/02 - veröffentlicht in Juris); die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht liegen deshalb nicht vor. Dies gilt auch insoweit, als der Gesetzgeber die Befreiungsmöglichkeit bis 30. September 2001 befristet hat (§ 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI). Die Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs. 6 SGB VI geht darauf zurück, dass nach der Einführung der Versicherungspflicht "arbeitnehmerähnlicher Selbständiger" zum 1. Januar 1999 zahlreiche Betroffene, die eigentlich bereits kraft Gesetzes der Versicherungspflicht unterlegen hatten, jedoch in Unkenntnis derselben keine Beiträge gezahlt hatten, die Befreiung gemäß Abs. 5 beantragten (vgl. Bundestags-Drucksache 14/5095 S. 9). Die betroffenen Selbständigen hatten häufig in gutem Glauben außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung Alters- und Invaliditätsvorsorge betrieben; um unbillige Doppelbelastungen zu vermeiden oder die erworbene Sicherung durch unwirtschaftliche Auflösung nicht zu entwerten, wurde der Befreiungsantrag bis 30. September 2001 eröffnet (Senatsurteil vom 20. April 2004, a.a.O., m.w.H. auf die Gesetzesmaterialien). Die Regelung des § 231 Abs. 6 SGB VI betrifft dementsprechend - anders als Abs. 5 der Vorschrift - Fallkonstellationen, in denen Versicherungspflicht bereits bestand, dieser Umstand den Versicherten aber nicht bekannt war. Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des SGB VI vom 3. April 2001 hat der Gesetzgeber für diesen Personenkreis eine bis dahin nicht bestehende Befreiungsmöglichkeit geschaffen. Der Rechtskreis der betroffenen Versicherten wurde durch die Neuregelung also nicht beschränkt, sondern erweitert. Dies eröffnet dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, von dem er hier in verfassungskonformer Weise Gebrauch gemacht hat; auch die normierte Stichtagsregelung (§ 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI) hält einer verfassungsrechtlichen Prüfung Stand. Zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte dürfen Stichtage eingeführt werden, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Sie unterliegen der verfassungsrechtlichen Überprüfung nur daraufhin, ob der Gesetzgeber den ihm bei der Stichtagsregelung zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint. Hat sich der Gesetzgeber entschieden, zeitlich befristet eine bestimmte Gruppe von der Versicherungspflicht auszunehmen, ist die Verwendung eines Stichtags unabweisbar (BVerfG a.a.O.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist (verfassungsrechtlich) nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit § 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI eine Befreiungsmöglichkeit nur für einen relativ kurzen Zeitraum von ca. einem halben Jahr eröffnet hat. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Adressatenkreis des § 231 Abs. 6 SGB VI nach der Grundkonzeption des Gesetzes der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterfallen und die normierte Befreiungsmöglichkeit lediglich der (verbreiteten) Unkenntnis der Betroffenen vom Bestehen dieser Versicherungspflicht Rechnung tragen soll. Vor diesem Hintergrund erscheint die getroffene Regelung nicht als willkürlich; sie ist vielmehr geeignet, zeitnah Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herbeizuführen. Dass der Gesetzgeber bei anderen Befreiungstatbeständen, denen andere Regelungssachverhalte zugrunde liegen, abweichende Fristenregelungen normiert hat, führt - anders als die Klägerin meint - nicht zur Verfassungswidrigkeit der hier getroffenen Regelung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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