L 7 SO 1403/09 ER

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1403/09 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der am 25. März 2009 beim Landessozialgericht (LSG) gestellte Antrag, die ARGE Rems-Murr-Kreis im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab dem 16. Dezember 2003 bis zum 31. Januar 2005 Hilfe zum Lebensunterhalt zu bezahlen, ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Über den Antrag hat gem. § 86b Abs. 2 Sätze 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das LSG als Gericht der Hauptsache zu entscheiden, nachdem der Antragsteller ebenfalls am 25. März 2009 im Hauptsacheverfahren gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Februar 2009 (S 7 SO 3950/05) Berufung eingelegt hat, die hier noch unter dem Aktenzeichen L 7 SO 1402/09 anhängig ist.

Da Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bis zum 31. Dezember 2004 als Sozialhilfeleistung von dem zuständigen Sozialhilfeträger gewährt wurde und erst ab 1. Januar 2005 für erwerbsfähige Hilfebedürftige als Grundsicherung für Arbeitsuchende durch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl. §§ 1 Abs. 2 Nr. 2, 19 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)) von den nach § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften (ARGE) bewilligt wird, war der Antrag gem. § 123 SGG dahin gehend auszulegen, dass bis zum 31. Dezember 2004 der Antragsgegner zur Bewilligung von HLU verpflichtet werden soll und sich ab 1. Januar 2005 der Antrag gegen die zuständige ARGE Rems-Murr-Kreis richtet. Über letzteren Antrag entscheidet nach dessen Abtrennung aufgrund des aktuellen Geschäftsverteilungsplans der 12. Senat des LSG (L 12 AS 1438/09 ER).

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, wenn es sich - wie hier - nicht um einen Fall nach § 86b Abs. 1 SGG handelt, bei dem die Suspensivwirkung von Rechtsbehelfen im Streit steht, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind jedoch auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).

Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, da die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustandes nicht begehrt wird. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 11. Juni 2008 - L 7 AS 2309/08 ER-B - und vom 04. April 2008 - L 7 AS 5626/07 - (beide juris)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen um so niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 11. Juni 2008 - L 7 AS 2309/08 ER-B - und vom 4. April 2008 - L 7 AS 5626/07 -; Binder in Lüdtke u.a., SGG, 2. Auflage, § 86b Rdnr. 33; Funke/Kaiser in Bader u.a., 4. Auflage, § 123 Rdnr. 62; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, Rdnr. 1245).

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Bereits der Anordnungsgrund, nämlich die Dringlichkeit des Begehrens, ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht (§ 920 Abs. 2 ZPO). Für die Dringlichkeit der gerichtlichen Eilentscheidung kommt es auf einen Zeitpunkt nach Antragseingang bei Gericht an; vorläufiger Rechtsschutz für zurückliegende Zeiträume vor Antragstellung kann nicht gewährt werden, weil Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dient und nicht rückwirkend zu bewilligen ist, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht (OVG) Brandenburg, Beschluss vom 17. September 2003 - 4 B 39/03 - (juris); Verwaltungsgerichtshof (VGH) München, Beschluss vom 16. Dezember 1996 - 12 CE 95.2728 -, BayVBl. 1997, 470; Beschluss vom 17. September 1997 - 12 ZE 97.1331 -, FEVS 48, 163; Beschluss vom 23. September 1998 - 12 ZE 98.2194, 12 CE 98.2194 -, FEVS 49, 397; OVG Münster, Beschluss vom 16. März 2000 - 16 B 308/00 -, ZFSH/SGB 2000, 558 f.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. März 1995 - 12 M 1928/95 - (juris); VGH Kassel, Beschluss vom 9. Juni 1994 - 9 T 1446/94 -, FEVS 45, 335, 337 und Beschluss vom 23. März 1994 - 9 T 369/94 -, FEVS 45, 238, 239; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Auflage, Rdnr. 1245 m.w.N.).

Hierzu hätte der Antragsteller jedoch die aufgrund des Nachholbedarfs drohenden Gefahren für die Sicherung seines laufenden Unterhalts konkret benennen und glaubhaft machen müssen (vgl. Finkelnburg/Jank, a.a.O.). Dies ist vorliegend jedoch nicht geschehen. Der Antragsteller hat sich in seinem Antragsschriftsatz darauf beschränkt, nur allgemein auf die ihm drohende Zahlungsunfähigkeit und die verweigerte Hilfeleistung durch den Grundsicherungsträger sowie den beim Sozialgericht Stuttgart (SG) gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hinzuweisen, über den bislang noch nicht entschieden sei (S 3 AS 1773/09 ER). Mit seinem nunmehr gestellten Eilantrag begehrt der Antragsteller somit quasi doppelten Rechtsschutz, da er die von ihm behauptete gegenwärtige Notlage durch die nachträglich bewilligte Sozialhilfe abwenden möchte und zugleich beim SG im einstweiligen Anordnungsverfahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dortiger Antragstellung begehrt. Hinsichtlich der aktuellen Existenzsicherung ist der Antragsteller auf das beim SG geführte Verfahren zu verweisen. Führt das Verfahren dort oder im Beschwerdeverfahren ebenfalls nicht zum Erfolg, fehlt es an einer gegenwärtigen Notlage, der durch eine rückwirkende einstweilige Anordnung im hiesigen Verfahren zu begegnen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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