L 6 SB 3354/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 4066/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3354/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Grad der Behinderung (GdB) beim Kläger wegen einer wesentlichen Verschlimmerung von bisher 70 auf nunmehr 80 zu erhöhen ist und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "RF" festzustellen sind.

Bei dem 1963 geborenen Kläger stellte das frühere Versorgungsamt U. (VA) den GdB zuletzt mit 30 seit 6. März 1990 fest (Bescheid vom 26. Juli 1990). Dabei berücksichtigte es an Funktionsbehinderungen mit Teil-GdB-Werten von jeweils 20 schmerzhafte Gefügestörungen der Wirbelsäule bei Fehlhaltung sowie eine Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke; darüber hinaus bewertete es eine Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks mit einem Teil-GdB von 10.

Am 29. Juni 2005 beantragte der Kläger beim Landratsamt H. (LRA) die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises und die Feststellung eines GdB von Wenigstens 60, ferner die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Merkzeichen "G", "Gl", "H" sowie "RF". Als Gesundheitsstörungen, die sich verschlimmert hätten bzw. neu aufgetreten seien, machte er von hno-ärztlicher Seite einen Hörsturz, eine Hörminderung von 80 % sowie einen Tinnitus beidseits und von orthopädischer Seite Bandscheiben-, Schulter-, Wirbel-, Rücken-, Knie-, Hüft-, Fußgelenks-, Arm- und Handgelenksbeschwerden, Arthrose, Pelzigkeits- und Taubheitsgefühle in Armen, Beinen und im Gesäß mit Lähmungserscheinungen sowie eine Spinalkanaleinengung geltend. Als weitere Gesundheitsstörungen führte er eine Halsenge und Schluckbeschwerden, eine Stoffwechselstörung mit Totalentfernung der Schilddrüse, vegetative Herz- und Kreislaufstörungen, Herzrhythmusstörungen, Atemnot, einen erhöhten Puls sowie ein kleines Lungenvolumen, ferner einen chronischen Reizdarm, Muskel-, Sehnen-, Venenschmerzen, eine rheumatische Erkrankung, eine Fibromyalgie, Fersensporne, eine Vaskulitis, eine Kolagenose sowie Kopfschmerzen auf, ferner eine chronische Erschöpfung und eine somatoforme Schmerzstörung. Er legte verschiedene medizinische Unterlagen vor. Das LRA zog von dem behandelnden Allgemeinarzt Dr. Sch. verschiedene Befundunterlagen und Arztbriefe sowie von der F.-Klinik in Bad B. den Entlassungsbericht vom 19. August 2004 über die vom 3. bis 18. August 2004 durchgeführte stationäre Behandlung bei. In der sodann veranlassten versorgungsärztlichen (v.ä.) Stellungnahme vom 13. November 2005 bewertete Dr. Pf. die folgenden Behinderungen mit einem Gesamt-GdB von 70:

Schwerhörigkeit Teil-GdB 40 Fibromyalgiesyndrom, seelische Störung, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen Teil-GdB 30 Funktionsbehinderung beider Schultergelenke Teil-GdB 20 Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke Teil-GdB 20.

Die Schilddrüsenunterfunktion bedinge keine Funktionsbeeinträchtigung und keinen GdB von Wenigstens 10. Die Voraussetzungen für die Feststellung von Nachteilsausgleichen seien nicht erfüllt. Der Kläger benötige für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages nicht dauernd fremde Hilfe. Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sei ihm in nennenswertem Umfang zumutbar. Ortübliche Wegstrecken könne der Kläger zurücklegen. Eine Gehörlosigkeit liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 21. November 2005 hob das LRA den Bescheid vom 26. Juli 1990 auf und setzte den GdB ab 29. Juni 2005 mit 70 fest. Die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche "G", "Gl", "H" und "RF" lehnte es ab, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, der GdB sei mit Wenigstens 80 festzustellen. Im Hinblick auf seine Schwerhörigkeit lägen die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" ebenso vor, wie für das Merkzeichen "G". In der nunmehr veranlassten v.ä. Stellungnahme vom 30. November 2005 verwies der Arzt F. auf die Richtigkeit der letzten Beurteilung. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 16. Dezember 2005 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage, mit der er geltend machte, seine erheblichen Einschränkungen von neurologischer, psychiatrischer, hno-ärztlicher, orthopädischer und internistischer Seite rechtfertigten einen GdB von 80. In Folge dessen könne er nicht ständig an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen, sodass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" vorlägen. Durch seine orthopädischen Einschränkungen sei seine Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich eingeschränkt, weshalb er nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten und Gefahren für sich oder andere, Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermöge, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt würden. Er legte verschiedene Unterlagen vor, die im Hinblick auf den deutlich erhöhten Schilddrüsenwert TSH eine Stoffwechselerkrankung sowie ferner eine Fibromyalgie belegten. Im Rahmen einer stationären Behandlung im Interdisziplinären Schmerzzentrum des Bezirkskrankenhauses Günzburg im Mai/Juni 2007 sei im Übrigen mit Wahrscheinlichkeit die Diagnose einer Myopathie gestellt worden. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen. Er legte die v.ä. Stellungnahme des Dr. F. vom 25. Januar 2007 vor, der in Abweichung von der bisherigen Beurteilung die seelische Beeinträchtigung getrennt von der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) bewertete und für diese zusammen mit einer chronischen Schmerzsymptomatik einen Teil-GdB von 20 berücksichtigte, den Gesamt-GdB von 70 jedoch weiterhin für angemessen erachtete. Das SG zog zu dem Verfahren die Verwaltungs- und Gerichtsakten des gleichzeitig anhängig gewesenen Rentenrechtsstreits S 4 R 3932/05 des Klägers gegen die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) bei, in dem u.a. das Gutachten des Orthopäden Dr. Sch. vom 18. Januar 2007 erhoben worden war. Es hörte den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. unter dem 20. April 2006 schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser beschrieb einen kernspintomographisch nachgewiesenen Bandscheibenvorfall in dem Segment L4/L5 mit beiderseitiger bis in den Nervenkanal reichender Bandscheibenvorwölbung sowie eine ausgeprägte Streckfehlhaltung der Lendenwirbelsäule (LWS) mit aufgehobener Krümmung und geringer Seitausbiegung. Die kernspintomographische Untersuchung der Brustwirbelsäule (BWS) habe einen kleinen, klinisch nicht bedeutsamen Bandscheibenvorfall im Segment TH 7/8 sowie leichtere Gelenkaufbräuche der Segmente TH 6/7 und TH 7/8 mit Höhenminderung der beteiligten Bandscheiben, jedoch ohne Bandscheibenvorfälle ergeben. Bei einer deutlichen psychischen Überlagerung sei von psychiatrischer Seite die Diagnose einer Somatisierungsstörung gestellt worden, die seines Erachtens wesentlich im Vordergrund stehe. Das SG hörte sodann die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. unter dem 23. Mai 2006 schriftlich als sachverständige Zeugin, die lediglich von einer Vorstellung des Klägers am 20. Februar 2006 berichtete, wobei sie bei ihrer Untersuchung keinen Anhalt für eine Schädigung des somatosensiblen Systems gefunden hatte. Sie diagnostizierte eine Lumboischialgie ohne radikuläre Ausfallsymptomatik sowie eine ausgeprägte muskuläre Verspannung. Der sodann unter dem 8. Juli 2006 schriftlich als sachverständiger Zeuge gehörte Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. D. berichtete von zwei Vorstellungen des Klägers im März bzw. April 2006, bei denen er im Rahmen der körperlichen Untersuchung keine isolierten Ausfallserscheinungen der Beweglichkeit der Extremitäten und keine neurologischen Ausfälle objektiviert habe; die Extremitäten und die Rumpfmuskulatur hätten einen erhöhten Muskeltonus aufgewiesen (generalisierte Muskelverspannungen). Auf seinem Fachgebiet habe er im Hinblick auf die Störungen durch eine psychische Überlagerung keinen Therapieansatz gesehen. Er diagnostizierte ein myalgieformes Schmerzsyndrom sowie eine Somatisierung und empfahl eine psychiatrische Begutachtung. Das SG veranlasste sodann das nervenärztliche Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. vom 17. Oktober 2006, die eine somatoforme Schmerzstörung bei erheblicher Aggravationstendenz diagnostizierte, wobei die Krankheitssymptome sich zwischenzeitlich so fixiert und chronifiziert hätten, dass sie überwiegend auch außerhalb der Untersuchungssituation zu beobachten sein dürften. Die Gehfähigkeit des Klägers sei aus neurologisch-psychiatrischer Sicht nicht eingeschränkt. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhob das SG das Gutachten des Arztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. W. vom 15. November 2007, der eine Taubheit rechts sowie eine annähernde Normalhörigkeit links beschrieb, die nach dem Tonaudiogramm einen GdB von 20 und nach dem Sprachaudiogramm einen GdB von 30 rechtfertige. Den Gesamt-GdB schätzte er auf 70. Mit Urteil vom 29. Mai 2008 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, im Hinblick auf den Teil-GdB-Wert von maximal 30 für die Beeinträchtigungen von hno-ärztlicher Seite und Werte von jeweils 20 für die somatoforme Schmerzstörung, die Wirbelsäulenbeeinträchtigungen, die Funktionsbeeinträchtigungen von Seiten der Schultergelenke und der Hüftgelenke komme jedenfalls kein höherer Gesamt-GdB als 70 in Betracht, zumal der Hüftbefund ebenso wie der Schultergelenksbefund an sich keine Bewertung mit einem Teil-GdB von 20 rechtfertigten. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" seien schon deshalb nicht erfüllt, weil beim Kläger keine Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS bestünden, die einen GdB von 40 bzw. 50 begründeten. Da er im Übrigen weder sehbehindert noch gehörlos sei und auch ein GdB von 80 nicht erreicht werde, komme auch die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" nicht in Betracht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem Bevollmächtigten des Klägers am 3. Juli 2008 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Dagegen hat der Kläger am 15. Juli 2008 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und sein bisheriges Begehren mit der Begründung weiter verfolgt, aufgrund der Vielzahl seiner gesundheitlichen Einschränkungen sei ein GdB von wenigstens 80 festzustellen, zudem aufgrund der orthopädischen Einschränkungen die Voraussetzung für das Merkzeichen "G" und aufgrund der Funktionsstörungen auf hno-ärztlichem Fachgebiet die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" erfüllt seien. Zu Unrecht habe das SG im Hinblick auf die bei ihm ineinander übergreifenden gesundheitlichen Einschränkungen kein interdisziplinäres Gutachten erhoben. Auf eine isolierte fachbezogene Betrachtung der jeweiligen Ärzte hätte sich das SG nicht stützen dürfen, ebenso W. auf das im Verwaltungsverfahren von der DRV eingeholte Gutachten des Internisten Dr. M. vom 6. September 2005. Im Hinblick auf die hinzugekommenen und als erheblich anzusehenden Einschränkungen hätte das SG einen GdB von 80 annehmen müssen, was die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" kraft Gesetzes zur Folge gehabt hätte. Schließlich könne er schon wegen seiner chronischen Schmerzstörung nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Eindeutig sei auch das Merkzeichen "G" zuzubilligen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Mai 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 21. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2005 zu verurteilen, den GdB ab 29. Juni 2005 mit 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "RF" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Er hat unter Bezugnahme auf die v.ä. Stellungnahme des Dr. W. vom 22. Oktober 2008 darauf hingewiesen, dass der festgestellte Gesamt-GdB von 70 bereits mehr als großzügig sei, da eine freie Bewertung keinen höheren Gesamt-GdB als 50 rechtfertige.

Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 darauf hingewiesen worden, dass der Senat erwäge, gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Der Kläger hat hierauf sein Einverständnis mit einer entsprechenden Entscheidung erklärt. Der Beklagte hat sich insoweit nicht geäußert.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 21. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2007 ist nicht zum Nachteil des Klägers rechtswidrig und verletzt diesen daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 70, noch auf Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "RF".

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des vom Kläger geltend gemachten Begehrens auf Höherbewertung seines GdB im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass in den Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers, wie sie noch dem Bescheid des VA vom 26. Juli 1990 zugrunde gelegen haben, zwar eine wesentliche Verschlimmerung im Sinne des § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) eingetreten ist, die eine Höherbewertung des GdB rechtfertigt, die Gesamtheit der nunmehr zu berücksichtigenden Behinderungen jedoch keine Bewertung erlaubt, die sogar noch über dem bereits zuerkannten GdB von 70 hinausgeht. Das SG hat vielmehr zu Recht deutlich gemacht, dass der festgestellte GdB von 70 bereits als ausgesprochen großzügig anzusehen ist. Denn insbesondere die von dem Beklagten bei der Bemessung des Gesamt-GdB mit Teil-GdB-Werten von 20 berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen von Seiten der Schultern einerseits und der Hüften andererseits erweist sich als unangemessen hoch, wie die Befunde, die Dr. Sch. bei seiner Untersuchung des Klägers am 17. Januar 2007 anlässlich seiner Begutachtung in dem erwähnten Rentenrechtsstreit erhoben hat, deutlich machen. Denn ausweislich seines Gutachtens vom 18. Januar 2007 hat er bei der klinischen bzw. röntgenologischen Untersuchung im Wesentlichen altersentsprechende Befunde erhoben mit allenfalls ganz geringfügigen Funktionseinschränkungen, die nicht einmal die Bemessung mit einem Teil-GdB von wenigstens 10 rechtfertigen und damit auch nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führen können. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung, denen er sich in vollem Umfang anschließt.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren sein Begehren damit begründet hat, dass bereits die Vielzahl seiner Gesundheitsstörungen die Bewertung mit dem begehrten GdB von 80 rechtfertigten, ist darauf hinzuweisen, dass für die Bemessung des GdB nicht die Anzahl der vorhandenen Gesundheitsstörungen maßgebliches Kriterium ist. Vielmehr kommt es, wie der Regelung des § 2 Abs. 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) entnommen werden kann, nach der Menschen dann behindert sind, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist, auf das Ausmaß und den Schweregrad der jeweiligen Funktionsstörungen an, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Dabei werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX).

Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen zu erheben sind. Während der Senat sich im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten bis 31. Januar 2008 an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2008 (AHP) niedergelegt waren, orientiert hat, sind nunmehr die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG) anzuwenden, die als Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2412) zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten sind. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung gemäß § 30 Abs. 17 BVG Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG geregelt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX gleichermaßen für die Feststellung weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (VG Teil A, Nr. 3 Buchst. a.) Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG Teil A, Nr. 3 Buchst. c.). Dabei können die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander ganz unterschiedlich sei. So können die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereich im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbehinderung kann sich auf eine andere auch besonders nachteilig auswirken, wie dies vor allem bei Funktionsbeeinträchtigungen an paarigen Gliedmaßen oder Organen der Fall ist. Auch können sich Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen überschneiden. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG Teil A, Nr. 3 Buchst. d.).

Unter Anwendung dieser Kriterien können die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers - wie vom SG zutreffend dargelegt - nicht mit dem von ihm begehrten höheren GdB von 80 bewertet werden.

Für die Beurteilung der Höhe des GdB bedurfte es insbesondere nicht der Einholung eines interdisziplinären Sachverständigengutachtens. Denn durch die umfangreichen Ermittlungen des SG ist hinreichend aufgeklärt, an welchen Gesundheitsstörungen der Kläger im einzelnen leidet, welche Funktionsbeeinträchtigungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft hieraus resultieren und in welchem Ausmaß der Kläger dadurch eingeschränkt ist. Dass das SG im Wege des Urkundenbeweises dabei die Ergebnisse der medizinischen Ermittlungen aus dem gleichzeitig anhängig gewesenen Rentenrechtsstreit mit verwertet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Letztlich liegen beim Kläger auch die gesundheitlichen Voraussetzungen für die begehrten Merkzeichen "G" und "RF" offenkundig nicht vor. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung, das die rechtlichen Grundlagen dieser Ansprüche im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung das Vorliegen der entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen verneint hat.

Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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