L 4 KR 147/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 812/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 147/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit Spermieninjektion in Höhe von 1.936,83 EUR für zwei Behandlungszyklen (November 2002 und März 2003).

Der 1965 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich versichert. Bei ihm liegt Sterilität vor. Seine 1962 geborene Ehefrau ist privat versichert und hat einen Beihilfeanspruch gegen die Deutsche Post AG.

Am 07.02.2003 ging bei der Beklagten eine Rechnung der Gemeinschaftspraxis Frauenärzte Prof. Dr. B. und Dr. L. vom 12.12.2002 - gerichtet an die Ehefrau des Klägers - für vier im November 2002 durchgeführte ICSI-Behandlungen über insgesamt 3.703,19 EUR ein. Die Beihilfestelle der Deutschen Post übernahm hiervon 810,03 EUR und die private Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers - S. - 1.851,60 EUR.

Am 07.02.2003 beantragte der Kläger die Kostenübernahme des noch offenen Betrags. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 10.02.2003 den Kläger darauf hin, dass eine Kostenübernahme nicht möglich sei, da zum einen die Kosten seiner Ehefrau zuzuordnen seien und zum anderen, weil seine Ehefrau zum Zeitpunkt der Behandlungen bereits das 40. Lebensjahr vollendet hatte. Nach Einholung eines Gutachtens des MDK vom 02.04.2003, der wegen des Alters der Ehefrau des Klägers eine künstliche Befruchtung nicht empfahl, lehnte die Beklagte mit streitigem Bescheid vom 09.04.2003 eine Kostenbeteiligung ab.

Der Widerspruch, mit dem insbesondere geltend gemacht wurde, 40 Jahre Lebensalter seien keine absolute Grenze. Die Kosten seien zu übernehmen, weil der Kläger allein "Verursacher" der Kinderlosigkeit sei. Des Weiteren verwies der Kläger auf ein ärztliches Attest der Gemeinschaftspraxis B. und L. vom 01.06.2003. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des MDK vom 18.07.2003 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2003 als unbegründet zurück.

Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Des Weiteren hat er darauf hingewiesen, dass seiner Meinung nach § 27a Sozialgesetzbuch (SGB) V auf die hier vorliegende Versicherungssituation (gesetzlich/privat) nicht anwendbar sei. Im weiteren Verlauf hat er die Klage erweitert und (zunächst) Kostenerstattung für vier weitere Zyklen beantragt. Im Berufungsverfahren schließlich hat der Kläger seine Forderung auf Kostenübernahme für Behandlungen im November 2002 und März 2003 beschränkt. Für die im März 2003 durchgeführten ICS-Behandlungen hat er eine Rechnung vom 22.04.2003 - gerichtet an die Ehefrau des Klägers - über 3.531,42 EUR vorgelegt. Auf diese Summe waren von der Beihilfe 810,03 EUR und von der Privatversicherung der Ehefrau 1.851,60 EUR gezahlt worden.

Nach Beiziehung von Befundberichten hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Geburtshilfe und Gynäkologie Dr. E. K. vom 10.09.2006. Gestützt auf dieses für den Kläger negative Gutachten hat das SG mit Urteil vom 18.01.2007 die Klage abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Ausführungen des SG hält er für nicht zutreffend. Erneut weist er darauf hin, dass auf das hier vorliegende gemischt versicherte Paar § 27a SGB V bzw. auch die entsprechenden Richtlinien nicht anzuwenden seien.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2009 hat der Vertreter des Klägers auf den Hinweis des Senats, dass alle vorgelegten Rechnungen nur an die Ehefrau des Klägers gerichtet seien, erklärt, für den Kläger selbst seien die Kosten etwa mit 30,00 EUR zu beziffern, die bislang nicht geltend gemacht worden seien. Was in den Rechnungen an Kosten aufgeführt sei, die die extrakorporale Befruchtung betreffen, vermöge man nicht zu sagen. Aus seiner Sicht aber seien darin Kosten enthalten, die die Behandlung des Klägers betreffen. Der Vertreter der Beklagten erklärte, die Kostenhöhe für den Versicherten dürfte zutreffend sein. Man habe bislang keine Leistungen erbracht. Nach überschlägiger Prüfung der Rechnungen und nach der Erfahrung werde bei der Rechnung an die nicht bei ihr versicherte Ehefrau nur das ausgewiesen, was sie betreffe. Die Kosten der extrakorporalen Befruchtung würden in aller Regel dem Ehemann zugeordnet. Gegenstand der mündlichen Verhandlung war auch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.06.2008 - B 1 KR 24/0 R -.

Der Klägervertreter beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.01.2007 sowie den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 09.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 1.041,56 EUR für den Zyklus November 2002 und 936,68 EUR für den Zyklus März 2003 zu bezahlen.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten der Beklagten sowie die Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die ohne Zulassung (§ 144 Abs.1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und zulässig, erweist sich aber in der Sache als unbegründet.

Im Ergebnis ist das Urteil des SG München vom 18.01.2007 nicht zu beanstanden; hier musste aber bei den Behandlungskosten für November 2002 und März 2003 eine Differenzierung vorgenommen werden.

Bei den Kosten für November 2002 fehlt es eindeutig an einem rechtzeitigen Antrag. Unstreitig ist die Rechnung für die im November 2002 durchgeführten Behandlungen am 07.02.2003 bei der Beklagten eingegangen. Somit ist - wie das SG zu Recht ausführt - der Beschaffungsweg nicht eingehalten worden, da es an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen Ablehnung und eingeschlagenem Beschaffungsweg fehlt. Die Kosten dürfen erst nach Ablehnung durch die Krankenkasse entstanden sein (BSG vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R - = Breithaupt 2007, 943 - 949). Der Versicherte muss sich vor jeder Therapieentscheidung in zumutbarem Umfang um die Gewährung der Behandlung als Sachleistung bemühen, d.h. muss vor Behandlungsbeginn mit der Krankenkasse Kontakt aufgenommen - und deren Entscheidung abgewartet haben.

Dies ist hier nicht der Fall, da die Kosten bereits im November entstanden waren, der Antrag erst am 07.02.2003 erfolgte und die Ablehnung letztlich mit streitigem Bescheid vom 09.04.2003.

Anders sieht es für die Kosten für die im März 2003 durchgeführten Behandlungen aus, denn insoweit ist im Schreiben des Klägers vom 23.02.2003 eine Antragstellung auf Teilkostenübernahme weiterer Behandlungszyklen zu sehen. Die Ablehnung ist - wie bereits ausgeführt - erst am 09.04.2003 erfolgt. Der Abschluss des Widerspruchsverfahrens ist nicht Voraussetzung. Insgesamt hat der Kläger somit für die Kostenerstattung für die Behandlungen im März 2003 den Beschaffungsweg eingehalten.

Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs.3 SGB V bezüglich des zweiten Zyklus im März 2003 scheidet aus, weil die Beklagte die streitige Leistung nicht geschuldet hat.

Nach § 13 Abs.3 SGB V sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und sich der Versicherte deshalb die Leistung selbst beschafft.

§ 13 Abs.1 SGB V beruht auf dem Sachleistungsprinzip des § 2 Abs.1 Satz 2 SGB V, das besagt, dass sächliche Mittel und persönliche Dienste von der Krankenkasse beschafft und den Versicherten unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots in Natur zur Verfügung gestellt werden, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden können. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs.3 SGB V tritt an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung und besteht deshalb nur, soweit die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind (BSG vom 14.12.2006 - SozR 4-2500 § 13 Nr.12 Rdnr.9 oder bereits BSG vom 24.09.1996 - BSGE 79, 125, 126).

Die genannten Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dies folgt bereits aus § 27a Abs.3 SGB V. Denn der Anspruch nach dieser Vorschrift ist auf Maßnahmen beschränkt, die beim Versicherten der betreffenden Krankenkasse durchgeführt werden. Dies folgt nicht nur aus dem Urteil des BSG vom 27.03.2005 = SozR 4-2500, § 27a Nr.1 = NJW 2005, 2476 bis 2479, sondern ergibt sich im Übrigen auch schon aus dem Wortlaut des § 27a Abs.3 Satz 3 SGB V, wonach die Krankenkasse (jetzt nur noch 50 %) der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahme, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden, übernimmt.

Das § 27a SGB V zugrunde liegende Konzept ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da es im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers liegt, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der GKV näher zu bestimmen (vgl. BverfGE 115, 25, 45 ff. = SozR 4-2500 § 27 Nr.5), auch - wie hier - in einem Grenzbereich zwischen Krankheit und solchen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen, deren Beseitigung oder Besserung durch Leistungen der GKV nicht von vornherein veranlasst ist (vgl. BverfGE 117, 316 - 3230 = SozR 4-2500 § 27a Nr.3 = NJW 2007, 1343 - 1345). Auch im Urteil vom 17.06.2008 - B 1 KR 24/07 R - weist das BSG eindeutig darauf hin, dass eine Krankenkasse gegenüber ihrem Versicherten nicht leistungspflichtig für Maßnahmen ist, die unmittelbar und ausschließlich am Körper des (nicht bei ihr versicherten) Ehegatten ihres Versicherten ausgeführt werden (vgl. BSGE 88, 51, 54f = SozR 3-2500 § 27a Nr.2 S.14 u.a.). Das ist dann, so führt das BSG weiter aus, gegebenenfalls Sache des Ehegatten, bei seiner eigenen Krankenkasse, privaten Versicherung oder Beihilfestelle die unmittelbar und ausschließlich seinen Körper betreffende Behandlung zur künstlichen Befruchtung geltend zu machen.

Aus den vorgelegten Rechnungen vom 12.12.2002 und 22.04.2003 für durchgeführte Behandlungen im November 2002 und März 2003 geht deutlich hervor, dass es sich bei den dort im Einzelnen aufgeführten Positionen um Kosten handelt, die ausschließlich der Ehefrau des Klägers zuzuordnen sind. Es handelt sich hierbei nicht um Kosten für extrakorporale Maßnahmen. Für das erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2009 erfolgte Vorbringen des Bevollmächtigten des Klägers, dass in den Rechnungen auch Kosten enthalten seien, die die Behandlung des Klägers betreffen, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Denn, wie schon ausgeführt, betreffen die Kosten ausschließlich Untersuchungen und Behandlungen der Ehefrau des Klägers.

Ist somit der Anspruch schon nach § 27a Abs.3 SGB V ausgeschlossen, bedarf es keiner näheren Erörterung, ob eine Ausnahme von Punkt 9 der Richtlinien über ärztliche Maßnahmen der künstlichen Befruchtung vorliegt, nachdem die Ehefrau des Klägers bereits das 40. Lebensjahr vollendet hatte. Unabhängig davon hatten aber sowohl der MDK in seiner Stellungnahme vom 02.04.2003 und 18.07.2003 als auch der Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten vom 10.03.2006 eine Kostenübernahme nicht befürwortet.

Die Festlegung einer Altersgrenze verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und ist auch sonst verfassungsgemäß. Dies folgt aus der Entscheidung des BSG im Urteil vom 24.05.2007 - B 1 KR 10/06 R -.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.01.2007 zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, denn der Kläger ist unterlegen (§ 193 SGG).

Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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