Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 295/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 139/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Übernahme der Kosten eines Gutachtens gemäß § 109 SGG, wenn Gutachten zum Nachweis des Eintritts der Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit von den Beteiligten herangezogen wird.
Auf die Beschwerde werden Punkt II. und III. des Beschlusses des Sozialgerichts Würzburg vom 23.01.2009 aufgehoben.
Die Kosten des gemäß § 109 SGG von Dr.R. am 28.01.2008 erstatteten Gutachtens werden auf die Staatskasse übernommen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Übernahme der Kosten des gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachtens von Dr.R. auf die Staatskasse.
Mit seiner gegen den Bescheid vom 19.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2007 zum Sozialgericht Würzburg erhobenen Klage hat der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt. Gemäß § 106 SGG hat die Internistin, Kardiologin und Sozialmedizinerin Dr.H. ein Gutachten erstattet. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens 6 Stunden tätig sein. Auf Antrag des Klägers hat Dr.R. (Fachärztin für Arbeitsmedizin und Innere Medizin) am 28.01.2008 den Kläger begutachtet und das Gutachten auf Nachfrage des Gerichts mit Schreiben vom 27.02.2008 ergänzt. Der Kläger könne nur noch weniger als 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Eine Minderung der Gehstrecke sei eingetreten. Die abweichende Beurteilung gegenüber den Vorgutachtern beruhe auf den Angaben des Klägers, auf der während der Untersuchung festgestellten Schwäche und Gefühlsstörung im linken Bein sowie auf einer quantitativen Vermessung in der neuroimmunologischen Ambulanz der Universität W ... Zudem hat auf Antrag des Klägers der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr.K. am 06.11.2008 ein Gutachten erstattet. Er hält ebenfalls lediglich eine Tätigkeit von weniger als 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für zumutbar. Eine Verschlechterung sei eingetreten.
Daraufhin schlossen die Beteiligten einen Vergleich dahingehend, dass der Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung auf Dauer am 28.01.2008 (Datum der Untersuchung bei Dr.R.) eingetreten sei und der Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.02.2008 erhalte.
Den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für die Begutachtungen durch Dr.R. und Dr.K. hat das SG mit Beschluss vom 23.01.2009 hinsichtlich des Gutachtens von Dr.K. stattgegeben (Punkt I. des Beschlusses), hinsichtlich der Begutachtung durch Dr.R. jedoch abgelehnt (Punkt II und III. des Beschlusses). Das Gutachten von Dr.R. habe keine neuen Erkenntnisse erbracht, es habe lediglich die objektiven Untersuchungsergebnisse der Vorgutachten bestätigt und sei allein wegen der klägerischen Angaben zu einem abweichenden Ergebnis gelangt.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Dr.K. habe eine Leistungsfähigkeit von weniger als 6 Stunden täglich ab dem 28.01.2008 angenommen, er habe sich somit auf das Gutachten von Dr.R. bezogen. Damit hätten die Ausführungen von Dr.R. für die Entscheidungsfindung Bedeutung gehabt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist zulässig und auch begründet. Der Beschluss des SG ist in Punkt II. und III. aufzuheben. Die Kosten der Begutachtung durch Dr.R. sind auf die Staatskasse zu übernehmen, der gezahlte Kostenvorschuss ist zu erstatten.
Die Übernahme der für ein Gutachten nach § 109 SGG verauslagten Kosten auf die Staatskasse im Wege einer "anderen Entscheidung" im Sinne des § 109 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 SGG ist in der Regel dann gerechtfertigt, wenn das Gutachten in beträchtlichem Umfang beweiserheblich ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es durch Aufzeigen bis dahin nicht berücksichtigter medizinischer Gesichtspunkte zur Aufklärung des Sachverhaltes wesentlich beigetragen oder die Erledigung des Rechtsstreits in sonstiger Weise wesentlich gefördert hat. Über die endgültige Kostentragung entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss (Beschluss des Senates vom 24.04.2007 -
L 20 B 82/07 R - mwN).
Vorliegend ist allein die Übernahme der Kosten des Gutachtens von Dr.R. und die Erstattung des vom Kläger geleisteten Kostenvorschusses streitig (Punkt II. und III. des Beschlusses). Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme liegen vor. Dr.R. hat spätestens auf Nachfrage des Gerichts eine Verschlechterung der Leistungsfähigkeit beschrieben. Dabei hat sie sich auf die Angaben des Klägers gestützt, aber auch den Untersuchungsbefund sowie die Messung in der neuroimmunologischen Ambulanz der Universitätsklinik Würzburg zum Beleg herangezogen. Somit stützt sie sich nicht allein auf die Angaben des Klägers.
Auch der gemäß § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr.K. bezieht sich in seinem Gutachten auf die Untersuchung durch Dr.R ... Er gibt an, dass zu diesem Zeitpunkt eine Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit des Klägers eingetreten sei.
Dies hat auch die Beklagte überzeugt, so dass die Beteiligten einen Vergleich mit Annahme eines Leistungsfalles am 28.01.2008 geschlossen haben. Nach alledem ist davon auszugehen, dass das Gutachten von Dr.R. zwar keine neuen medizinischen Gesichtspunkte aufgezeigt, jedoch Anhaltspunkte für den Eintritt einer Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des Klägers gebracht hat und die Erledigung des Rechtsstreites insofern wesentlich gefördert hat, als ein Vergleich unter Berücksichtigung des Zeitpunktes ihrer Untersuchung geschlossen worden ist.
Der Beschluss des SG, der auf diese Gesichtspunkte nicht eingeht, ist daher aufzuheben. Die Kosten der Begutachtung durch Dr.R. sind auf die Staatskasse zu übernehmen. Der geleistete Kostenvorschuss ist zu erstatten.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Kosten des gemäß § 109 SGG von Dr.R. am 28.01.2008 erstatteten Gutachtens werden auf die Staatskasse übernommen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Übernahme der Kosten des gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachtens von Dr.R. auf die Staatskasse.
Mit seiner gegen den Bescheid vom 19.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2007 zum Sozialgericht Würzburg erhobenen Klage hat der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt. Gemäß § 106 SGG hat die Internistin, Kardiologin und Sozialmedizinerin Dr.H. ein Gutachten erstattet. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens 6 Stunden tätig sein. Auf Antrag des Klägers hat Dr.R. (Fachärztin für Arbeitsmedizin und Innere Medizin) am 28.01.2008 den Kläger begutachtet und das Gutachten auf Nachfrage des Gerichts mit Schreiben vom 27.02.2008 ergänzt. Der Kläger könne nur noch weniger als 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Eine Minderung der Gehstrecke sei eingetreten. Die abweichende Beurteilung gegenüber den Vorgutachtern beruhe auf den Angaben des Klägers, auf der während der Untersuchung festgestellten Schwäche und Gefühlsstörung im linken Bein sowie auf einer quantitativen Vermessung in der neuroimmunologischen Ambulanz der Universität W ... Zudem hat auf Antrag des Klägers der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr.K. am 06.11.2008 ein Gutachten erstattet. Er hält ebenfalls lediglich eine Tätigkeit von weniger als 6 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für zumutbar. Eine Verschlechterung sei eingetreten.
Daraufhin schlossen die Beteiligten einen Vergleich dahingehend, dass der Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung auf Dauer am 28.01.2008 (Datum der Untersuchung bei Dr.R.) eingetreten sei und der Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.02.2008 erhalte.
Den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für die Begutachtungen durch Dr.R. und Dr.K. hat das SG mit Beschluss vom 23.01.2009 hinsichtlich des Gutachtens von Dr.K. stattgegeben (Punkt I. des Beschlusses), hinsichtlich der Begutachtung durch Dr.R. jedoch abgelehnt (Punkt II und III. des Beschlusses). Das Gutachten von Dr.R. habe keine neuen Erkenntnisse erbracht, es habe lediglich die objektiven Untersuchungsergebnisse der Vorgutachten bestätigt und sei allein wegen der klägerischen Angaben zu einem abweichenden Ergebnis gelangt.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Dr.K. habe eine Leistungsfähigkeit von weniger als 6 Stunden täglich ab dem 28.01.2008 angenommen, er habe sich somit auf das Gutachten von Dr.R. bezogen. Damit hätten die Ausführungen von Dr.R. für die Entscheidungsfindung Bedeutung gehabt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist zulässig und auch begründet. Der Beschluss des SG ist in Punkt II. und III. aufzuheben. Die Kosten der Begutachtung durch Dr.R. sind auf die Staatskasse zu übernehmen, der gezahlte Kostenvorschuss ist zu erstatten.
Die Übernahme der für ein Gutachten nach § 109 SGG verauslagten Kosten auf die Staatskasse im Wege einer "anderen Entscheidung" im Sinne des § 109 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 SGG ist in der Regel dann gerechtfertigt, wenn das Gutachten in beträchtlichem Umfang beweiserheblich ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es durch Aufzeigen bis dahin nicht berücksichtigter medizinischer Gesichtspunkte zur Aufklärung des Sachverhaltes wesentlich beigetragen oder die Erledigung des Rechtsstreits in sonstiger Weise wesentlich gefördert hat. Über die endgültige Kostentragung entscheidet das Gericht nach Ermessen durch Beschluss (Beschluss des Senates vom 24.04.2007 -
L 20 B 82/07 R - mwN).
Vorliegend ist allein die Übernahme der Kosten des Gutachtens von Dr.R. und die Erstattung des vom Kläger geleisteten Kostenvorschusses streitig (Punkt II. und III. des Beschlusses). Die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme liegen vor. Dr.R. hat spätestens auf Nachfrage des Gerichts eine Verschlechterung der Leistungsfähigkeit beschrieben. Dabei hat sie sich auf die Angaben des Klägers gestützt, aber auch den Untersuchungsbefund sowie die Messung in der neuroimmunologischen Ambulanz der Universitätsklinik Würzburg zum Beleg herangezogen. Somit stützt sie sich nicht allein auf die Angaben des Klägers.
Auch der gemäß § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr.K. bezieht sich in seinem Gutachten auf die Untersuchung durch Dr.R ... Er gibt an, dass zu diesem Zeitpunkt eine Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit des Klägers eingetreten sei.
Dies hat auch die Beklagte überzeugt, so dass die Beteiligten einen Vergleich mit Annahme eines Leistungsfalles am 28.01.2008 geschlossen haben. Nach alledem ist davon auszugehen, dass das Gutachten von Dr.R. zwar keine neuen medizinischen Gesichtspunkte aufgezeigt, jedoch Anhaltspunkte für den Eintritt einer Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des Klägers gebracht hat und die Erledigung des Rechtsstreites insofern wesentlich gefördert hat, als ein Vergleich unter Berücksichtigung des Zeitpunktes ihrer Untersuchung geschlossen worden ist.
Der Beschluss des SG, der auf diese Gesichtspunkte nicht eingeht, ist daher aufzuheben. Die Kosten der Begutachtung durch Dr.R. sind auf die Staatskasse zu übernehmen. Der geleistete Kostenvorschuss ist zu erstatten.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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