L 5 AL 69/05

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 13 AL 524/02
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AL 69/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. März 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Rücknahme von Bewilligungsentscheidungen über Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 2. Oktober 1999 bis 5. November 2000 nebst Rückforderung von Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 18.979,92 (EUR 9.704,28) sowie Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von DM 7.304,70 (EUR 3.734,83).

Der 1940 geborene Kläger bezog ab 2. Oktober 1999 Arbeitslosenhilfe im Anschluss an Arbeitslosengeld. In seinem Erstantrag vom 22. September 1999 und auch im Folgeantrag vom 22. September 2000 hatte er die Fragen nach vorhandenem Vermögen sowie nach erteilten Freistellungsaufträgen verneint. Durch einen Datenabgleich mit dem Bundesamt für Finanzen erfuhr die Beklagte im September 2000 davon, dass der Kläger einen Freistellungsauftrag erteilt und im Jahr 1999 einen Kapitalertrag in Höhe von DM 913,- erzielt hatte. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2000 forderte sie ihn daher auf, seine Geldanlagen anzugeben und nachzuweisen, woraufhin der Kläger zunächst ein Sparbuch der Hamburger Sparkasse mit einem Guthaben von DM 8,34 (Stand 25. Oktober 2000) vorlegte. Auf nochmalige Aufforderung reichte er sodann den Nachweis der Deutschen Bank über ein Depotguthaben (TOP 50 Welt Anteile) ein. Auf Anfrage der Beklagten bezifferte die Deutsche Bank in einem am 27. November 2000 eingegangenen Schreiben den Wert des Depotguthabens mit DM 191.847,- und den Wert der Geldguthaben des Klägers mit DM 1.834,-.

Mit dem 5. November 2000 stellte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ein und hob die Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosenhilfe ab 6. November 2000 mit nicht angefochtenem Bescheid vom 10. November 2000 auf. Nachdem auf das Anhörungsschreiben vom 10. November 2000 keine Reaktion des Klägers erfolgt war, hob sie mit Bescheid vom 14. Dezember 2000 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 2. Oktober 1999 bis 5. November 2000 auf und forderte gezahlte Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 18.979,92 sowie geleistete Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von DM 7.304,70 zurück.

Nach Erhalt einer Zahlungsmitteilung vom 22. Dezember 2000 teilte der Kläger mit, den Aufhebungsbescheid nicht erhalten zu haben, legte aber vorsorglich dagegen Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, er habe bei seiner Antragstellung auf Arbeitslosenhilfe insofern einen Fehler gemacht, als er vergessen habe, einen Jahre zuvor erteilten Freistellungsauftrag anzugeben. Das vorhandene Depotvermögen erkläre sich daraus, dass er die von ihm bewohnte Genossenschaftswohnung von seiner Mutter übernommen habe, die an der Erhaltung der Wohnung interessiert sei, damit sie später gegebenenfalls in eine Alten- oder Pflegeeinrichtung der Genossenschaft ziehen könne. Da er seit Jahren aufgrund unregelmäßigen Einkommens nicht immer in der Lage gewesen sei, den Mietezahlungen termingerecht nachzukommen, habe seine Mutter bereits seit den Achtzigerjahren die Wohnkosten gezahlt und er habe ihr diese Beträge in unregelmäßigen Abständen erstattet. Per Mai 1990 sei diese Vereinbarung dahin gehend modifiziert worden, dass er statt der unregelmäßigen Erstattungen einen monatlichen Festbetrag (zunächst DM 950,- und ab Januar 2001 DM 1.000,-) angespart habe, wobei der Gesamtbetrag im Falle einer notwendigen Unterbringung seiner Mutter in einer Alten- oder Pflegeeinrichtung an diese ausgezahlt werden solle. Darüber hinaus habe er im Jahre 1996 einen Lottogewinn in Höhe von knapp über DM 80.000,- erzielt. Auf Empfehlung der Deutschen Bank habe er das gesamte Vermögen in dem Fonds TOP 50 Welt angelegt, dessen Wert im Zeitpunkt seiner Erstantragstellung auf Arbeitslosenhilfe am 22. September 1999 DM 159.552,19 betragen habe. Demgegenüber habe sich die Rückzahlungsverpflichtung gegenüber seiner Mutter in diesem Zeitpunkt auf DM 107.350,- belaufen, sodass ein ihm zurechenbarer Depotanteil von DM 52.202,19 verblieben sei. Ihm sei bekannt gewesen, dass für die eigene Alterssicherung ein Freibetrag von DM 1.000,- pro Lebensjahr zur Verfügung stehe. Da er sich bereits im 60. Lebensjahr befunden habe, sei er von einem Freibetrag von DM 60.000,- ausgegangen, der über seinem Depotanteil gelegen habe. Bei seiner Erstantragstellung auf Arbeitslosenhilfe habe er angesichts der komplizierten Vermögenssituation die Frage nach Vermögen zunächst nicht beantwortet, sondern der Sachbearbeiterin die Verhältnisse ausführlich und detailliert geschildert. Diese habe ihm dann empfohlen, die Frage nach Vermögenswerten zu verneinen.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 11. April 2002 zurück, der am 16. April 2002 beim Bevollmächtigten des Klägers einging. Die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe sei rechtswidrig, da der Kläger für einen Zeitraum von insgesamt 171 Wochen nicht bedürftig gewesen sei. Die Rückzahlungsverpflichtung gegenüber seiner Mutter könne nicht berücksichtigt werden, auch für deren Alterssicherung stehe kein Freibetrag zur Verfügung. Eine Zweckbestimmung zur eigenen Alterssicherung könne nicht anerkannt werden, da der Kläger eine spekulative Anlageform gewählt habe. Er genieße auch keinen Vertrauensschutz, da er die Frage nach vorhandenem Vermögen in den Anträgen ausdrücklich verneint habe. Er habe daher überzahlte Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 18.979,92 sowie Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von DM 7.304,70 zu erstatten.

Der Kläger hat hiergegen am 15. Mai 2002 Klage erhoben und zur Begründung sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Die Beklagte habe übersehen, dass es sich zum größten Teil nicht um Vermögen des Klägers handele, sondern dem Guthaben Verpflichtungen gegenüber seiner Mutter aufgrund der darlehensweise gewährten Wohnkosten gegenüber stünden. Hinsichtlich des verbleibenden Betrages sei die Zweckbestimmung zur Alterssicherung anzuerkennen, da er entgegen der Auffassung der Beklagten eine sichere und langfristig effektive Anlageform gewählt habe.

Aufgrund einer Strafanzeige der Beklagten ist der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf vom 6. November 2002 (Az. 411a – 173/02) wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden.

Das Sozialgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. März 2005 die Mitarbeiterin der Beklagten, S. H., als Zeugin zu dem anlässlich der Antragstellung im September 1999 mit dem Kläger geführten Gespräch vernommen. Sie hat ausgesagt, sie könne sich angesichts des Zeitablaufs an das Gespräch nicht mehr erinnern. Wenn ihr aber jemand erklärt habe, Geld zu haben, das ihm nicht zustehe, habe sie den Betreffenden grundsätzlich aufgefordert, alles anzugeben, was er habe. Bei Besonderheiten habe sie Belege angefordert und einen entsprechenden Vermerk gefertigt. Bei konkreten Angaben habe sie das Antragsformular mit einem grünen Kugelschreiber korrigiert und die Änderungen quittieren lassen. Welche Freibeträge für die Altersvorsorge 1999 gegolten hätten, könne sie heute nicht mehr sagen. Wenn jemand einen Vermögensbetrag genannt habe, der unterhalb des Freibetrages liege, habe sie den Betreffenden aber dennoch aufgefordert, diesen anzugeben und Belege zum Nachweis der Zweckbestimmung einzureichen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. März 2005 – den Bevollmächtigten zugestellt am 21. Juli 2005 – abgewiesen und dem Kläger Verschuldenskosten in Höhe von EUR 200,- auferlegt. In den Gründen hat es auf die Begründung der angefochtenen Bescheide Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der Vortrag des Klägers, wonach Teile des Vermögens seiner Mutter zustünden, sei nach den Grundsätzen der verdeckten Treuhand rechtlich irrelevant. Maßgeblich sei vielmehr allein die rechtliche Inhaberschaft über die Konten. Im Übrigen sei der Vortrag auch nicht glaubhaft, da zu keinem Zeitpunkt Zahlungen an die Mutter geflossen seien. Anhaltspunkte für eine Zweckbestimmung zur Alterssicherung seien aufgrund der gewählten Anlageform nicht zu erkennen. Vertrauensschutz bestehe nicht, da der Kläger in seinen Anträgen auf Arbeitslosenhilfe falsche Angaben gemacht habe. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger sein Vermögen vorsätzlich verschwiegen habe.

Der Kläger hat gegen dieses Urteil am Montag, den 22. August 2005 Berufung eingelegt. Er bezieht sich auf sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass der Sachverhalt mit den Fällen der Führung eines Treuhandkontos nicht vergleichbar sei. Im Übrigen habe das Sozialgericht seine Entscheidung zu Unrecht auf die Aussage der Zeugin gestützt, obwohl diese erklärt habe, keine Erinnerung mehr an den Vorgang zu haben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. März 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. März 2005 zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, dass entgegen der Auffassung des Klägers die Art der Vermögensanlage eher gegen als für eine Zweckbestimmung zur Alterssicherung spreche, da die Vertragsgestaltung eines Aktienfonds es erlaube, jederzeit über das Vermögen zu verfügen. Die Beweisaufnahme habe die Behauptung des Klägers, dass ihm von der Zeugin geraten worden sei, die Frage nach Vermögen zu verneinen, nicht stützen können.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf in Kopie vorliegende Auszüge aus der Akte der Staatsanwaltschaft (Az. 5602 Js 47/01) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind.

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - SGB III). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte u.a. nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 S. 1 und 3 Nr. 2 SGB X). In diesem Fall erfolgt auch eine Rücknahme für die Vergangenheit (§ 45 Abs. 4 S. 1 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III).

Die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 2. Oktober 1999 bis 5. November 2000 war rechtswidrig, da der Kläger einen Anspruch auf die Leistung nicht hatte. Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hat gemäß § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III nur derjenige, der bedürftig ist. Bedürftig ist ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht (§ 193 Abs. 1 SGB III). Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Erbringung von Arbeitslosenhilfe nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs. 2 SGB III). Nach § 6 Abs. 1 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) vom 7. August 1974 (BGBl. I 1929) in der Fassung vom 18. Juni 1999 (BGBl. I 1433) ist Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertung zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, 8.000 DM übersteigt. Für die Bewertung des Vermögens ist der Tag der Antragstellung auf Arbeitslosenhilfe maßgebend (§ 8 S. 2 AlhiV). Der Kläger verfügte zum maßgeblichen Stichtag bereits unter Zugrundelegung seiner eigenen tatsächlichen Angaben über verwertbares, seine Bedürftigkeit ausschließendes Vermögen, sodass der Senat nicht gehalten war, hinsichtlich der Glaubhaftigkeit seines Vortrags weitere Ermittlungen anzustellen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist Vermögen der gesamte Bestand an Sachen oder Rechten in Geld oder Geldeswert in der Hand des Berechtigten (BSG, Urteil vom 21.11.2002 – B 11 AL 10/02 R – Juris, m.w.N.). Das Depotguthaben des Klägers stellt hiernach Vermögen dar, welches nach seinen eigenen Angaben ihm – und nicht seiner Mutter – rechtlich zuzuordnen ist. Ein Treuhandverhältnis, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass der Treugeber dem Treuhänder Vermögensgegenstände überträgt, ihn aber in der Ausübung der sich daraus im Außenverhältnis ergebenden Rechtsmacht im Innenverhältnis nach Maßgabe der schuldrechtlichen Treuhandvereinbarung beschränkt, liegt nicht vor, sodass – worauf der Kläger zu Recht hinweist – die Rechtsprechung des BSG zur verdeckten Treuhand (BSG, Urteil vom 28.8.2007 – B 7/7a AL 10/06 R, m.w.N.) nicht einschlägig ist.

Der Wert des Vermögens betrug nachweislich im November 2000 DM 191.847,- und nach eigenen Angaben des Klägers im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (§ 8 S. 2 AlhiV) DM 159.552,19. Dieser Wert ist auch nicht um etwaige Rückzahlungsansprüche der Mutter des Klägers zu reduzieren, da Vermögen die Summe der aktiven Vermögenswerte ohne Berücksichtigung von Verbindlichkeiten ist. Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise, wenn Verbindlichkeiten unmittelbar auf einem Gegenstand lasten, wie etwa Hypothekenschulden auf einem Hausgrundstück (BSG, Urteil vom 2.11.2000 – B 11 AL 35/00R – Juris; BSG, Urteil vom 21.11.2002 a.a.O.), was hier nicht der Fall ist.

Das Vermögen war im Zeitpunkt der Antragstellung auch verwertbar. Vermögen ist insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können (§ 6 Abs. 2 S. 1 AlhiV). Nach der Rechtsprechung des BSG schließen nur fällige Verbindlichkeiten die Verwertbarkeit aus, da von einer Bindung des Vermögens auszugehen sei, wenn der Vermögensinhaber im Zeitpunkt der grundsätzlich gebotenen Verwertung zur Tilgung von Schulden verpflichtet sei (BSG, Urteil vom 21.11.2002 a.a.O.). Die von dem Kläger behaupteten Verbindlichkeiten gegenüber seiner Mutter waren jedoch im Zeitpunkt seines Antrags auf Arbeitslosenhilfe nicht fällig. Vielmehr sollte die Zahlung an seine Mutter nach seinen eigenen Angaben nur "bei Bedarf" gezahlt werden, d.h. falls es für seine Mutter notwendig werde, in eine Alten- oder Pflegeeinrichtung zu ziehen.

Die Verwertung des Vermögens war schließlich auch nicht unzumutbar. Nach § 6 Abs. 3 S. 1 AlhiV ist die Verwertung zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Nach dem BSG können allerdings unter bestimmten Umständen auch Verbindlichkeiten, die noch nicht fällig sind, zur Unzumutbarkeit der Verwertung führen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Vermögensbestandteile und Verbindlichkeiten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden, was der Fall ist, wenn diese nach Entstehung und beabsichtigter Tilgung miteinander verknüpft sind. Dies erfordert einen zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang, der die Beurteilung erlaubt, dass Vermögensbestandteil und Verbindlichkeit eine wirtschaftliche Einheit bilden (BSG, Urteile vom 2.11.2000 und 21.11.2002, jeweils a.a.O.). Hinsichtlich der aus dem Lottogewinn resultierenden Vermögensanteile fehlt es an jeglichem Zusammenhang mit den von dem Kläger behaupteten Verbindlichkeiten gegenüber seiner Mutter. Auch hinsichtlich des übrigen Vermögens fehlt es jedoch an einer solchen Verknüpfung, da bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers völlig offen ist, ob eine Auszahlung des Geldes an die Mutter – gegebenenfalls in welcher Höhe – jemals erfolgen wird (vgl. BSG, Urteil vom 21.11.2002, a.a.O., zum fehlenden Zusammenhang bei einer am Stichtag der Höhe nach noch nicht konkretisierten bzw. konkretisierbaren Steuerschuld).

Es handelte sich bei dem Depotguthaben auch nicht um Vermögen, das zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung des Klägers bestimmt war (§ 6 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AlhiV). Dies ist nämlich nur dann der Fall, wenn der Arbeitslose das Vermögen nach dem Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verwenden will und eine der Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat (§ 6 Abs. 4 Nr. 1 AlhiV). Die Zweckbestimmung zur Alterssicherung muss aus den gesamten objektiven Umständen erkennbar sein (BSG, Urteil vom 25.3.1999 – B 7 AL 28/98 R – Juris). Es muss sich um eine spezifische Alterssicherungsdisposition handeln, die sich gegenüber Sparen oder anderer Vermögensbildung zur Absicherung gegen alle Wechselfälle des Lebens abgrenzen lässt (LSG Hessen, Urteil vom 20.2.2006 – L 9 AL 896/03 – Juris) Dies ist hier nicht der Fall. Die Form der Anlage in einem Aktienfonds lässt aufgrund der jederzeitigen Verfügbarkeit des Vermögens eine solche Disposition nicht erkennen. Die mit dieser Anlageform verbundenen Unsicherheiten (Kursschwankungen) sprechen sogar eher gegen eine solche Zweckbestimmung. Darüber hinaus steht der Annahme einer solchen spezifischen Zweckbestimmung schon der Umstand entgegen, dass jegliche Trennung zwischen dem angeblich für die Alterssicherung bestimmten Vermögen und dem Vermögen fehlt, aus dem die behaupteten Rückzahlungen an die Mutter vorgenommen werden sollten. Auch sonstige objektive Anhaltspunkte für eine entsprechende Zweckbestimmung sind nicht ersichtlich.

Von dem nach Angaben des Klägers im Zeitpunkt der Antragstellung vorhandenen Vermögen in Höhe von DM 159.552,19 ist somit nur der Freibetrag von DM 8.000,- (§ 6 Abs. 1 AlhiV) in Abzug zu bringen, sodass berücksichtigungsfähiges Vermögen in Höhe von DM 151.552,19 verbleibt.

Bedürftigkeit besteht nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nach dem sich die Arbeitslosenhilfe richtet (§ 9 AlhiV). Das Bemessungsentgelt für die Arbeitslosenhilfe betrug DM 1.080,-, sodass eine Bedürftigkeit des Klägers für 140 Wochen (DM 151.552,19: DM 1.080,- = 140,33) und somit für den gesamten hier streitigen Zeitraum nicht gegeben war.

Vertrauensschutzgesichtspunkte, die einer Rücknahme der Bewilligung entgegen stehen könnten, sind nicht gegeben. Vielmehr beruhte die Bewilligung auf den unrichtigen Angaben des Klägers (§ 45 Abs. 3 Nr. 2 SGB X), da dieser in seinen Anträgen auf Arbeitslosenhilfe die Frage nach vorhandenem Vermögen und erteilten Freistellungsaufträgen verneint hatte. Dies war auch zumindest grob fahrlässig. Selbst wenn der Kläger tatsächlich davon ausgegangen sein sollte, sein Vermögen um Rückzahlungsverpflichtungen und weitere Freibeträge mindern zu dürfen, hätte er es bei der entsprechenden Frage im Antrag jedenfalls zunächst angeben müssen. Die Frage im Antragsformular bezog sich insoweit eindeutig nur auf das Vorhandensein von Vermögen überhaupt. Seine Behauptung, er habe der Sachbearbeiterin die komplizierten Verhältnisse erläutert und sei von dieser aufgefordert worden, die Frage nach Vermögen zu verneinen, hat sich durch die Zeugenvernehmung nicht bestätigt. Die Zeugin hat im Gegenteil sogar ausgesagt, dass der vom Kläger geschilderte Ablauf sich so nicht zugetragen haben könne. Da die unrichtigen Angaben des Klägers in dem Antrag dokumentiert sind und dieser Antrag von ihm unterzeichnet wurde, liegt die Feststellungslast für einen insoweit abweichenden Geschehensablauf bei ihm, sodass die Nichterweislichkeit seiner Behauptung zu seinen Lasten gehen muss.

Die an den Kläger in der Zeit vom 2. Oktober 1999 bis 5. November 2000 gezahlten Leistungen in Höhe von insgesamt DM 18.979,92 sind von ihm daher zu erstatten (§ 50 Abs. 1 SGB X). Das Gleiche gilt für die von der Beklagten in diesem Zeitraum geleisteten Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von DM 6.863,13 sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von DM 441,57 (§ 335 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 SGB III), insgesamt also DM 7.304,70.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) oder Nr. 2 SGG (Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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