L 24 KR 77/09 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 9 KR 93/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 77/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 13. Januar 2009 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 300,73 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine freiberuflich tätige Hebamme, wendet sich im Wesentlichen gegen die Verurteilung zur Rückzahlung von 300,73 Euro nebst Zinsen auf der Grundlage des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches, die ihr als Vergütung für im Zeitraum vom 13. Oktober bis 27. November 2007 erbrachte Leistungen der Hebammenhilfe für eine Versicherte der Beklagten wegen eines am 07. Oktober 2007 geborenen mit dem Ziel der Annahme in die Obhut der Versicherten aufgenommenen Kindes gezahlt wurden.

Das Sozialgericht ist der Auffassung gewesen, die Hebammen-Vergütungsvereinbarung als Anlage 1 zum Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe, gültig ab 01. August 2007, in Verbindung mit § 134 a Abs. 1 und 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) komme als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, da Hebammenhilfe einer Versicherten, die ein Kind in Adoptionspflege betreue, wegen dieses Kindes nicht zustehe, weswegen in Abschnitt C. Leistungen während des Wochenbetts - Allgemeine Bestimmungen der Hebammen-Vergütungsvereinbarung bestimmt sei, dass die Leistungen der Mutter auch dann zustünden, wenn sich das Kind in Adoptionspflege befinde.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, denn die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Diese Rechtsfrage muss im konkreten Rechtsstreit klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Meyer Ladewig/Kellner/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Auflage, § 144 Rdnr. 28; Kummer, Neue Zeitschrift für Sozialrecht [NZS] 1993, 337, 341/342). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, soweit sie im Falle der Zulassung der Berufung insbesondere entscheidungserheblich wäre (vgl. auch Bundessozialgerichts - BSG -, Beschlüsse vom 29. November 2006 - B 6 KA 23/06 B, vom 27. Juli 2006 - B 7a AL 52/06 B, vom 24. Mai 2007 - B 3 P 7/07 B, vom 19. September 2007 - B 1 KR 52/07). Eine Abweichung liegt vor, wenn der Entscheidung des Sozialgerichts eine Rechtsauffassung zugrunde liegt, die zu einer aktuellen, inzwischen nicht überholten älteren Rechtsansicht eines dem Sozialgericht übergeordneten Gerichts im Widerspruch steht und die Entscheidung des Sozialgerichts auf dieser Abweichung beruht (Meyer Ladewig, a. a. O., § 144 Rdnr. 30; Kummer, a. a. O., Seite 342).

Das Sozialgericht ist weder von einer Entscheidung des Landessozialgerichts noch eines anderen ihm übergeordneten Gerichts abgewichen. Der Hinweis auf einen ehemals beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen anhängigen Rechtsstreit, der mit Vergleich endete, hilft nicht weiter. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ist nicht das Landessozialgericht im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG, denn von dieser Vorschrift wird lediglich das dem Sozialgericht jeweils übergeordnete Berufungsgericht erfasst (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 144 Rdnr. 30). Auch ist ein gerichtlicher Vergleich keine gerichtliche Entscheidung, sondern ein öffentlich-rechtlicher Vertrag und zugleich Prozesshandlung zwischen den bzw. der Beteiligten (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 101 Rdnr. 3). Das Sozialgericht ist insbesondere nicht von Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen; vielmehr befindet es sich mit dessen Rechtsprechung in Einklang. Daher hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung.

Die Vergütungspflicht der Krankenkasse setzt voraus, dass der Versicherten ein Sachleistungsanspruch auf Hebammenhilfe zusteht. Ist dies der Fall, entsteht die Vergütungspflicht der Krankenkasse gegenüber der Hebamme kraft Gesetzes bereits dadurch, dass die Versicherte die Dienste dieser Hebamme in Anspruch nimmt (BSG, Urteil vom 21. August 1996 - 3 RK 22/95, abgedruckt in SozR 3-5595 § 2 Nr. 1). Während sich bis zum 31. Dezember 2006 die Vergütung für Leistungen der freiberuflich tätigen Hebammen und Entbindungspfleger gemäß der zu diesem Zeitpunkt durch Gesetz vom 15. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3429) aufgehobenen Vorschrift des § 134 SGB V nach der vom Bundesminister für Gesundheit erlassenen Rechtsverordnung, soweit diese Leistungen von der Leistungspflicht der Krankenkassen umfasst waren, also der Hebammenhilfe-Gebührenverordnung vom 28. Oktober 1986 (BGBl I 1986, 1662, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juli 2004 [BGBl I 2004, 1731]) richtete, bestimmt sich die Vergütung für die entsprechenden Leistungen seither nach dem zum 01. Januar 2006 durch dasselbe Gesetz vom 15. Dezember 2004 eingefügten § 134 a Satz 1 SGB V und den danach zu schließenden Verträgen, also nach der Hebammen-Vergütungsvereinbarung als Anlage 1 zum Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe. Im Unterschied zum früheren Recht, wonach jede Hebamme bei Erfüllung der im Hebammengesetz festgelegten berufsrechtlichen Voraussetzungen, die zur Führung der Berufsbezeichnung Hebamme bzw. Entbindungspfleger berechtigten, zur Versorgung der Mitglieder der Krankenkassen und ihrer leistungsberechtigten Familienangehörigen berechtigt waren, gilt dies nach neuem Recht lediglich für solche Hebammen und Entbindungspfleger (§ 134 a Abs. 5 SGB V), für die die nach § 134 a Abs. 1 SGB V geschlossenen Verträge Rechtswirkung haben (§ 134 a Abs. 2 Sätze 2 und 1 SGB V).

Der Sachleistungsanspruch auf Hebammenhilfe als Voraussetzung der Vergütungspflicht der Krankenkasse ist außerhalb des SGB V in § 195 Abs. 1 Nr. 1 zweite Alternative, § 196 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) geregelt. Grund hierfür ist, dass es sich bei der Hebammenhilfe ebenso wie bei den anderen Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft nach § 195 bis § 200 RVO nicht um Leistungen zur Verhütung, Früherkennung oder Behandlung einer Krankheit (§ 11 Abs. 1 SGB V) handelt, denn die reguläre Schwangerschaft und Mutterschaft stellt einen natürlichen Zustand und kein krankhaftes Geschehen dar.

Nach den genannten Vorschriften umfassen die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft u. a. Hebammenhilfe. Die Versicherte hat während der Schwangerschaft, bei und nach der Entbindung Anspruch auf Hebammenhilfe.

Anknüpfend an den Begriffen "bei Schwangerschaft und Mutterschaft" hat das BSG mit Urteil vom 12. November 1985 - 3 RK 25/84 (abgedruckt in SozR 2200 § 199 Nr. 4) entschieden, dass die besonderen in den §§ 195 bis 200 RVO geregelten Leistungen eindeutig auf die Frau, die entbunden hat, beschränkt sind und damit weder dem neugeborenen Kind noch einer anderen Frau, insbesondere der, welche das Kind mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut aufgenommen hat, zu gewähren sind. Bereits mit dem vorangegangenen Urteil vom 03. Juni 1981 - 3 RK 74/79 (abgedruckt in SozR 2200 § 200 Nr. 6 = NJW 1981, 2719) hatte dies das BSG bezogen auf das Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO entschieden. Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld ist danach ein höchstpersönlicher Anspruch der leiblichen Mutter und steht insbesondere nicht einer Frau zu, die das Kind mit dem Ziel der Adoption betreut.

Auf diese Rechtslage wirkt § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB V nicht ein, wonach Kinder, die mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen sind und für die die zur Annahme erforderliche Einwilligung der Eltern erteilt ist, als Kinder des Annehmenden und nicht mehr als Kinder der leiblichen Eltern gelten. Diese Vorschrift zielt, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, allein auf die Begründung der Familienversicherung dieses Kindes beim Annehmenden zur Begründung eigener Ansprüche dieses Kindes auf Krankenbehandlung aus der Versicherung des Annehmenden. Weder wird das Kind hierdurch zum leiblichen Kind noch die annehmende Frau zur Frau, die entbunden hat.

Die weiteren vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB V angestellten Erwägungen anlässlich des dort geschlossenen Vergleichs lassen sich ebenfalls nicht mit der o. g. Rechtsprechung des BSG in Einklang bringen. Entgegen diesen Überlegungen werden die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft, insbesondere die Hebammenhilfe, nicht im Wesentlichen zugunsten des Kindes erbracht. Destinatär der Leistungen der Mutterschaftshilfe ist, so ausdrücklich das BSG im Urteil vom 12. November 1985 - 3 RK 25/84, nicht das Neugeborene, sondern ausschließlich die Frau, die entbunden hat.

Weder der Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe noch die Hebammen-Vergütungsvereinbarung als Anlage 1 zu diesem Vertrag lassen erkennen, dass der Hebamme, die ihre Leistungen der so genannten Adoptivmutter erbringt, ein Vergütungsanspruch - über die dargestellte Rechtslage hinaus und damit rechtswidrig - einräumt werden sollte. Nach § 1 Buchstaben a und b und § 2, § 12 des Vertrages über die Versorgung mit Hebammenhilfe regelt dieser Vertrag die Einzelheiten der Versorgung der Versicherten mit abrechnungsfähigen Leistungen der Hebammenhilfe durch freiberuflich tätige Hebammen gemäß § 134 a Abs. 1 SGB V nebst deren Vergütung auf der Grundlage insbesondere der §§ 195 bis 196 RVO. Daran anknüpfend regelt § 1 Hebammen-Vergütungsvereinbarung, dass die Vergütungen für die Leistungen der freiberuflichen Hebammen im Rahmen der Hebammenhilfe in der gesetzlichen Krankenversicherung sich gemäß § 1 des Vertrages nach § 134 a SGB V nach dieser Vergütungsvereinbarung bestimmen. Soweit im Leistungsverzeichnis unter C. Leistungen während des Wochenbettes - Allgemeine Bestimmungen Buchstabe a letzter Satz vereinbart ist, dass die Leistungen der Mutter auch dann zustehen, wenn sich das Kind in Adoptionspflege befindet, wird damit ausschließlich die geltende Rechtslage beschrieben. Wegen dieser Rechtslage gibt es keinen Grund, diese vom Wortlaut eindeutige Regelung im Sinne des Vortrags der Klägerin dahingehend auszulegen, unter "Mutter" sei die so genannte Adoptivmutter zu verstehen. Eine solche Auslegung verbietet sich, denn sie widerspräche dem Gesetz. Entgegen der Ansicht der Klägerin wird damit der so genannten Adoptivmutter durch die (nur) die Vergütung regelnde Vereinbarung zwischen den Krankenkassen und den Hebammenverbänden nichts genommen, denn der Adoptivmutter steht ein entsprechender Sachleistungsanspruch nicht zu, so dass die Hebamme für entsprechende Leistungen gegenüber der Krankenkasse keine Vergütung beanspruchen kann.

Die Beschwerde muss somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 197 a Abs. 1 Satz 1 dritter Halbsatz SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens.

Die Festsetzung des Streitwertes, die nach § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. § 197 a Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz SGG ergeht, ergibt sich aus § 52 Abs. 1 und Abs. 3, § 43 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 2 GKG und bestimmt sich, wenn der Antrag des Rechtsmittelführers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, auch wenn Nebenforderungen betroffen sind, (allein) nach deren Höhe. Dies gilt nach § 47 Abs. 3 GKG im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels gleichermaßen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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