Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 847/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 1297/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 10. März 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Erstattung für den Zeitraum 26. Februar bis 5. Juni 2002 bereits erbrachter Leistungen.
Der 1976 geborene Kläger meldete sich am 26. Februar 2002 beim Arbeitsamt Konstanz (AA; jetzt: Agentur für Arbeit) arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Zuvor hatte er vom 1. September 1997 bis 30. Juni 1999 eine Ausbildung zum Bürokaufmann absolviert und war anschließend im erlernten Beruf, als Sachbearbeiter in der Buchhaltung sowie zuletzt vom 8. Mai 2000 bis 31. Dezember 2001 als Junior Controller versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung der Firma D. D.T. GmbH, K., vom 4. März 2002 hatte der Kläger dieses Arbeitsverhältnis am 22. Oktober 2001 mit Wirkung zum 31. Dezember 2001 gekündigt. Bereits am 11. September 2001 hatte der Kläger bei der Stadt K. (Gewerbewesen) eine Computer-, Telekommunikations- und Kassensysteme-Firma angemeldet und als Beginn der Tätigkeit den 7. September 2001 angegeben (Gewerbeanmeldung vom 10. September 2001). Im Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Abschluss eines Aufhebungs-/Auf-lösungsvertrages vom 5. März 2002 legte er dar, er habe das Arbeitsverhältnis bei der Firma D. D.T. GmbH gekündigt um sich hauptberuflich selbständig zu machen. Leider erziele er keinen ausreichenden Gewinn; es sei deshalb beabsichtigt, das Gewerbe in den nächsten Monaten aufzugeben. Im Antrag auf Alg gab er an, seit 1. Januar 2002 selbständig tätig zu sein und diese Tätigkeit als Nebenbeschäftigung weiterführen zu wollen. Mit Veränderungsmitteilung vom 26. Februar 2002 ergänzte er, die Tätigkeit als selbständiger PC-Dienstleister werde er in einem Umfang von voraussichtlich weniger als 15 Stunden pro Woche ausüben. Im März 2002 werde er montags drei, dienstags 2, mittwochs vier, donnerstags drei und freitags zwei Stunden arbeiten; die wöchentliche Arbeitszeit betrage 14 Stunden (Erklärung zu selbständiger Tätigkeit vom 26. Februar 2002). Mit Bescheid vom 2. April 2002 bewilligte das AA Alg ab 26. Februar 2002 in Höhe von wöchentlich 182,56 EUR (gerundetes Bemessungsentgelt 490, Leistungsgruppe A, Kindermerkmal 0).
Nachdem der Kläger der Aufforderung zur Vorlage einer Aufstellung der Arbeitstage und Arbeitsstunden sowie der Gewinne und Verluste für den Monat März 2002 (Schreiben des AA vom 28. März 2002) nicht nachgekommen war, entzog das AA - nach vorheriger Fristsetzung mit Hinweis auf die Rechtsfolgen fehlender Mitwirkung (Schreiben vom 8. Mai 2002) - mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 11. Juni 2002 die Leistung ab 1. Juni 2002. Am 26. Juni 2002 ging, nachdem der Kläger am 6. Juni 2002 persönlich beim AA vorgesprochen hatte, dort eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben für die Monate Januar bis Mai 2002 sowie eine den Zeitraum 23. Februar bis 31. Mai 2002 betreffende Auflistung der geleisteten Arbeitsstunden ein. Das AA bewilligte daraufhin Alg unter Beibehaltung der bisherigen Berechnungsgrundlagen ab 1. Juni 2002 weiter (Bescheid vom 5. Juli 2002). Am 1. Oktober 2002 nahm der Kläger eine Beschäftigung auf und meldete sich aus dem Leistungsbezug ab.
Im Rahmen einer Prüfung wegen Verdachts auf Leistungsmissbrauch stellte der Außendienst des AA bei Durchsicht der Geschäftsunterlagen des Klägers fest, die Geschäftsräume seien bis 20. April 2002 weitergenutzt und hierfür eine Monatsmiete in Höhe von 750,00 DM gezahlt worden. Ausweislich einer im Rahmen der Betriebsaufgabe vom Kläger veröffentlichten und am 6. April 2004 erschienenen Zeitungsanzeige wäre das Ladengeschäft 20 Stunden wöchentlich geöffnet gewesen (Montag bis Freitag, jeweils 13 bis 17 Uhr). Dem Außendienstbericht vom 9. Dezember 2002 waren eine Kopie der Zeitungsanzeige, eine Rechnung der S.-Kurier GmbH vom 10. April 2002, ein Übergabeprotokoll betreffend das Ladengeschäft St.-Weg in K., eine Mietbescheinigung der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft mbH K. sowie Gewinn- und Verlustrechnungen für die Monate Januar bis August 2002 beigefügt. Wegen des Inhalts dieser Unterlagen im Einzelnen wird auf Bl. 23 bis 30 der Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Mit Bescheid vom 27. März 2003 hob das AA die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 26. Februar bis 5. Juni 2002 auf und forderte die Erstattung des für diesen Zeitraum gewährten Alg (2.608,00 EUR) nebst hierauf gezahlter Beiträge zur Kranken- (795,20 EUR) und Pflegeversicherung (95,20 EUR; insgesamt 3.498,40 EUR). Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe in der Zeit vom 26. Februar bis 20. April 2002 eine selbständige Tätigkeit mit einem zeitlichen Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich ausgeübt und sei deshalb nicht arbeitslos gewesen. Im Antrag vom 26. Februar 2002 habe er insoweit zumindest grob-fahrlässig falsche Angaben gemacht. Eine persönliche Arbeitslosmeldung sei erst wieder am 6. Juni 2002 erfolgt. Der Kläger habe deshalb bis 5. Juni 2002 keinen Anspruch auf Alg. Zur Begründung seines am 4. April 2003 erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, seine Arbeitszeit hätte immer unter 15 Stunden gelegen. Die Ladenöffnungszeiten könnten nicht mit seinen Arbeitszeiten gleichgesetzt werden. Zum Beleg fügte der Kläger weitere Aufstellungen über seine in der Zeit vom 25. Februar bis 31. August 2002 geleisteten Arbeitsstunden bei. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2003 wies die Widerspruchsstelle des AA den Widerspruch zurück.
Mit der am 2. Mai 2003 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er habe sich zu den angegebenen Öffnungszeiten häufig nicht im Ladengeschäft aufgehalten. Von 12:30 Uhr bis 14:00 Uhr habe er bei seinem Nachbarn U. O. zu Mittag gegessen. Außerdem habe er die Geschäftszeiten genutzt, um nach einer Arbeitsstelle zu suchen. Im übrigen sei die Beklagte für das Vorliegen einer mindestens 15-stündige Tätigkeit beweispflichtig und habe den erforderlichen Nachweis nicht geführt. Zum Beleg seines Vortrags hat der Kläger schriftliche Erklärungen von U. O., J. J. und B. P. sowie eine Bescheinigung der Firma A. AG über zwei am 2. und 17. April 2002 jeweils zwischen 13:00 Uhr und 15:00 Uhr geführte Vorstellungsgespräche vorgelegt. Wegen des Inhalts dieser Unterlagen wird auf Bl. 11 bis 14 der SG-Akte verwiesen. Das SG hat am 4. November 2004 J. J. und B. P. als Zeuginnen vernommen. Erstere hat bekundet, sie wohne über dem Ladengeschäft im selben Haus und sei in der fraglichen Zeit gegen 14:00 Uhr oder 15:00 Uhr nach Hause gekommen. Der Kläger sei zu den angegebenen Öffnungszeiten nicht immer im Geschäft gewesen. Sie habe diesen dreimal nicht im Geschäft angetroffen, als sie dort Kopien anfertigen lassen wollte. Ferner habe sie für den Kläger dreimal Pakete entgegengenommen. Auf seine Abwesenheit angesprochen habe der Kläger gesagt, er gehe mittags zu seiner Mutter zum Essen und komme deshalb später in den Laden. Ob sich ihre Beobachtungen auf das Jahr 2002 oder das Jahr 2003 beziehen, könne sie allerdings nicht sagen. Der Kläger habe mit Handys und Computern gehandelt. Außerdem habe er einen Service vor Ort angeboten und auch den Computer in ihrer Wohnung repariert. Die Zeugin P. hat ausgesagt, sie wohne neben dem Ladengeschäft im Erdgeschoss. Der Kläger sei PC-Spezialist und habe bei Kunden Soft-Ware installiert sowie einen Reparatur-Service angeboten. Sie habe für diesen drei- oder viermal Post entgegengenommen. Die Post werde aber immer vor 13:00 Uhr angeliefert. Mit Urteil vom 10. März 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass der Kläger in der Zeit vom 26. Februar bis 20. April 2002 mehr als 15 Stunden wöchentlich selbständig tätig gewesen sei. Arbeitslosigkeit habe deshalb nicht vorgelegen; die Wirkung der Arbeitslosmeldung vom 26. Februar 2002 sei erloschen. Bis zur Vorsprache am 6. Juni 2002 habe der Kläger deshalb keinen Anspruch auf Alg gehabt. Die Beklagte habe die Bewilligung von Alg für diese Zeit somit zu Recht aufgehoben und vom Kläger die Erstattung der erbrachten Leistungen gefordert.
Gegen das ihm gemäß Empfangsbekenntnis am 18. März 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. März 2005 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. An den in der Zeitungsannonce angegebenen Öffnungszeiten müsse er sich nicht festhalten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass er sich zu diesen Zeiten auch tatsächlich im Ladengeschäft aufgehalten habe. Gegenüber der Zeitung habe er irrtümlich die Öffnungszeiten aus der Zeit vor der Arbeitslosmeldung angegeben. Er habe noch versucht, die Anzeige zu stornieren, dies sei aber nicht mehr möglich gewesen. In der fraglichen Zeit habe er auch ein Kraftfahrzeug An- und Verkaufsgewerbe aufgenommen. Dieses habe er dem Arbeitsamt wenige Wochen nach Aufnahme des Gewerbes mitgeteilt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 10. März 2005 und den Bescheid vom 27. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihren Bescheid für rechtmäßig und das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat vom Finanzamt Konstanz die Steuerakten des Klägers für das Jahr 2002 beigezogen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (Kundennummer ), die Klageakte des SG (S 5 AL 847/03) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 1297/05) Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter und ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]), denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Anhörung des Klägers hat keine Gesichtspunkte ergeben, von dieser Verfahrensform abzuweichen.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG in der hier noch anzuwendenden bis 31. März 2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt wurde. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Gegenstand der Anfechtungsklage ist der die Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 26. Februar bis 5. Juni 2002 (Bescheide vom 2. April 2002 [Bewilligung bis 31. Mai 2002] und vom 5. Juli 2002 [Bewilligung ab 1. Juni 2002]) sowie die Erstattung erbrachter Leistungen in Höhe von insgesamt 3.498,40 EUR verfügende Bescheid vom 27. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2003. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheids vom 2. April 2002 (Bewilligung von Alg ab 26. Februar 2002) und des Bescheids vom 5. Juli 2002, mit dem die Beklagte dem Kläger - nachdem sie zuvor gemäß § 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) die Leistungen ab 1. Juni 2002 entzogen hatte (Bescheid vom 11. Juni 2002) - dem Kläger Alg ab 1. Juni weiterbewilligt hat (vgl. § 67 SGB I), ist § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Verbindung mit § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist eine Rücknahme ausgeschlossen, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte jedoch unter anderem dann nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). § 330 Abs. 2 SGB III bestimmt unter anderem für diesen Fall, dass der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts tritt damit an die Stelle der gemäß § 45 SGB X eigentlich vorgesehenen Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Die Bewilligungsbescheide vom 2. April 2002 und vom 5. Juli 2002 waren - den streitgegenständlichen Zeitraum betreffend - von Anfang an rechtswidrig. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe auf den Bestand dieser Bewilligungsbescheide vertraut, denn er hat auch nach Überzeugung des Senats bei der Antragstellung zumindest grob-fahrlässig unzutreffende Angaben gemacht, die für die Bewilligungsentscheidung maßgeblich gewesen sind. Letztlich sind die gemäß § 45 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 2 SGB X einzuhaltenden Fristen gewahrt.
Anspruch auf Alg haben gemäß § 117 Abs. 1 SGB III in der hier anzuwendenden bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (Nr. 1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr. 3). Hier hat im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids vom 2. April 2002 bereits die erste Tatbestandsvoraussetzung nicht vorgelegen, denn der Kläger ist zu diesem Zeitpunkt nicht arbeitslos gewesen. Bei Bekanntgabe des Bescheids vom 5. Juli 2002 fehlte es für die Zeit bis 5. Juni 2002 an der erforderlichen Arbeitslosmeldung. Wegen der ausgeübten mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit war die Arbeitslosmeldung vom 26. Februar 2002 gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III erloschen.
Gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III setzt die Arbeitslosigkeit unter anderem voraus, dass der Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit). Die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung schließt Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Mehrere Beschäftigungen werden zusammengerechnet (§ 118 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB III). Nach § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB III stehen eine selbständige Tätigkeit oder eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger einer Beschäftigung gleich. In Übereinstimmung mit dem SG ist auch der Senat davon überzeugt, dass der Kläger jedenfalls in der Zeit vom 26. Februar bis 20. April 2002 seine Computer-, Telekommunikations- und Kassensysteme-Firma in einem mindestens 15-stündigen Umfang betrieben hat. Der Senat schließt sich hierbei zunächst den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils vom 10. März 2005, insbesondere der dort vorgenommene Beweiswürdigung an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Lediglich ergänzend zum Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger auch zur Überzeugung des Senats an den von ihm mittels Zeitungsanzeige veröffentlichten Öffnungszeiten festhalten lassen muss. In tatsächlicher Hinsicht kann dabei offenbleiben, ob der Kläger sich während dieser Zeiten ausnahmslos im Ladengeschäft aufgehalten hat. Zu den Anwesenheitszeiten in den Geschäftsräumen kommen nämlich - auch dies hat das SG in rechtlich nicht zu beanstandender Würdigung der erhobenen Beweise zutreffend festgestellt - die Serviceleistungen, die der Kläger direkt beim Kunden erbracht hat, hinzu. Darüber hinaus ist die Tätigkeit eines Selbständigen naturgemäß nicht auf die Kerntätigkeit beschränkt. Zu berücksichtigen sind zahlreiche weitere Betätigungen wie z. B. die Akquisition neuer Kunden, die Kundenpflege, Verwaltung, die Ausarbeitung und Gestaltung von Betriebsabläufen, die Organisation der Betriebsräume einschließlich Lagerhaltung, die Verwaltung und die Buchhaltung (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG) SozR 4100 § 102 Nr. 7; Urteil des erkennenden Senats vom 14. Juli 2000 - L 13 AL 3645/98 - veröffentlicht in Juris). Zu den Arbeitszeiten eines Selbständigen zählen letztlich nicht nur die Zeiten, in denen er tatsächlich seiner Tätigkeit nachgeht, sondern auch die mit der Berufsausübung notwendig verbundenen Wartezeiten und die Zeiten, in denen er seine Arbeitskraft nur vorhält (Urteil des erkennenden Senats vom 24. April 2007 - L 13 AL 4002/03 - nicht veröffentlicht). Der Senat hat deshalb im Ergebnis keine Zweifel, dass der Gesamtumfang der zeitlichen Inanspruchnahme des Klägers durch seine selbständige Tätigkeit als PC-Dienstleister die maßgebliche 15-Stunden-Grenze sogar deutlich überschritten hat. Die vom Kläger gegenüber dem AA gemachten Angaben erweisen sich mithin als unzutreffend, ohne dass es darauf ankommt, in welchem (zeitlichen) Umfang der Kläger seine erstmals im Berufungsverfahren vorgetragene weitere selbständige Tätigkeit als An- und Verkäufer von Kraftfahrzeugen betrieben hat.
Auf schutzwürdiges Vertrauen kann sich der Kläger nicht berufen, da er bei der Antragstellung lediglich eine Nebenbeschäftigung angegeben und damit vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht hat (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273; SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Das Außerachtlassen von Hinweisen in einem Merkblatt ist im allgemeinen grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Erläuterungen nicht verstanden hat (BSGE 44, 264, 273). Der Kläger erhielt anlässlich seiner Arbeitslosmeldung das Merkblatt 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte, Ihre Pflichten" und bestätigte den Erhalt unterschriftlich. In diesem Merkblatt wird auf die (leistungsrechtliche) Bedeutung der Aufnahme bzw. Ausübung einer selbständigen Tätigkeit ausdrücklich hingewiesen. Dem Kläger musste danach bewusst sein, dass der Anspruch auf Alg mangels Arbeitslosigkeit entfällt, wenn der zeitliche Umfang seiner Tätigkeit die Grenze von 15 Stunden erreicht. Dabei musste sich ihm auch aufdrängen, dass insoweit nicht nur die tatsächliche Verrichtung der Kerntätigkeit, sondern auch die mit einer selbständigen Berufsausübung notwendig verbundenen Nebentätigkeiten sowie Zeiten, in denen er seine Arbeitskraft nur vorhält, zu berücksichtigen sind. Zumindest trifft ihn insoweit der Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Letztlich findet sich auch keinerlei Anhalt, dass die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit des Klägers eingeschränkt war.
Die Beklagte hat durch die Außenprüfung am 4. November 2002 Kenntnis erlangt, dass der Kläger sein Gewerbe nicht nur im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung, sondern in einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich betrieben hat. Der auf § 45 SGB X gestützte Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wurde dem Kläger am 31. März 2003 (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X), also innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X bekannt gegeben. Die Frist von zehn Jahren ab Bekanntgabe der Bewilligungsbescheide vom 2. April 2002 und vom 5. Juli 2002 ist damit ebenfalls gewahrt (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X), wobei der Senat nicht zu entscheiden braucht, ob die Einhaltung dieser Frist angesichts vorliegender Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 580 der Zivilprozessordnung entbehrlich ist (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X).
Die Rechtmäßigkeit der Erstattung des Alg beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X, diejenige der Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung auf § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Für den Erstattungszeitraum hat insbesondere kein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden. Die Höhe der Erstattungsforderung ist zutreffend berechnet. Der Senat macht sich ausgehend von den nach den Zahlungsnachweisen erbrachten Leistungen sowie der dort ausgewiesenen richtigen Beitragssätze zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung die Berechnung auf Seite 39 der Verwaltungsakten zu eigen. Etwaige Mängel bei der Anhörung sind dadurch geheilt worden, dass der angegriffene Bescheid alle für die Rücknahme und Erstattung erforderlichen Tatsachen enthalten hat und damit die Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt wurde (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Erstattung für den Zeitraum 26. Februar bis 5. Juni 2002 bereits erbrachter Leistungen.
Der 1976 geborene Kläger meldete sich am 26. Februar 2002 beim Arbeitsamt Konstanz (AA; jetzt: Agentur für Arbeit) arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Zuvor hatte er vom 1. September 1997 bis 30. Juni 1999 eine Ausbildung zum Bürokaufmann absolviert und war anschließend im erlernten Beruf, als Sachbearbeiter in der Buchhaltung sowie zuletzt vom 8. Mai 2000 bis 31. Dezember 2001 als Junior Controller versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung der Firma D. D.T. GmbH, K., vom 4. März 2002 hatte der Kläger dieses Arbeitsverhältnis am 22. Oktober 2001 mit Wirkung zum 31. Dezember 2001 gekündigt. Bereits am 11. September 2001 hatte der Kläger bei der Stadt K. (Gewerbewesen) eine Computer-, Telekommunikations- und Kassensysteme-Firma angemeldet und als Beginn der Tätigkeit den 7. September 2001 angegeben (Gewerbeanmeldung vom 10. September 2001). Im Fragebogen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Kündigung durch den Arbeitnehmer oder Abschluss eines Aufhebungs-/Auf-lösungsvertrages vom 5. März 2002 legte er dar, er habe das Arbeitsverhältnis bei der Firma D. D.T. GmbH gekündigt um sich hauptberuflich selbständig zu machen. Leider erziele er keinen ausreichenden Gewinn; es sei deshalb beabsichtigt, das Gewerbe in den nächsten Monaten aufzugeben. Im Antrag auf Alg gab er an, seit 1. Januar 2002 selbständig tätig zu sein und diese Tätigkeit als Nebenbeschäftigung weiterführen zu wollen. Mit Veränderungsmitteilung vom 26. Februar 2002 ergänzte er, die Tätigkeit als selbständiger PC-Dienstleister werde er in einem Umfang von voraussichtlich weniger als 15 Stunden pro Woche ausüben. Im März 2002 werde er montags drei, dienstags 2, mittwochs vier, donnerstags drei und freitags zwei Stunden arbeiten; die wöchentliche Arbeitszeit betrage 14 Stunden (Erklärung zu selbständiger Tätigkeit vom 26. Februar 2002). Mit Bescheid vom 2. April 2002 bewilligte das AA Alg ab 26. Februar 2002 in Höhe von wöchentlich 182,56 EUR (gerundetes Bemessungsentgelt 490, Leistungsgruppe A, Kindermerkmal 0).
Nachdem der Kläger der Aufforderung zur Vorlage einer Aufstellung der Arbeitstage und Arbeitsstunden sowie der Gewinne und Verluste für den Monat März 2002 (Schreiben des AA vom 28. März 2002) nicht nachgekommen war, entzog das AA - nach vorheriger Fristsetzung mit Hinweis auf die Rechtsfolgen fehlender Mitwirkung (Schreiben vom 8. Mai 2002) - mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 11. Juni 2002 die Leistung ab 1. Juni 2002. Am 26. Juni 2002 ging, nachdem der Kläger am 6. Juni 2002 persönlich beim AA vorgesprochen hatte, dort eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben für die Monate Januar bis Mai 2002 sowie eine den Zeitraum 23. Februar bis 31. Mai 2002 betreffende Auflistung der geleisteten Arbeitsstunden ein. Das AA bewilligte daraufhin Alg unter Beibehaltung der bisherigen Berechnungsgrundlagen ab 1. Juni 2002 weiter (Bescheid vom 5. Juli 2002). Am 1. Oktober 2002 nahm der Kläger eine Beschäftigung auf und meldete sich aus dem Leistungsbezug ab.
Im Rahmen einer Prüfung wegen Verdachts auf Leistungsmissbrauch stellte der Außendienst des AA bei Durchsicht der Geschäftsunterlagen des Klägers fest, die Geschäftsräume seien bis 20. April 2002 weitergenutzt und hierfür eine Monatsmiete in Höhe von 750,00 DM gezahlt worden. Ausweislich einer im Rahmen der Betriebsaufgabe vom Kläger veröffentlichten und am 6. April 2004 erschienenen Zeitungsanzeige wäre das Ladengeschäft 20 Stunden wöchentlich geöffnet gewesen (Montag bis Freitag, jeweils 13 bis 17 Uhr). Dem Außendienstbericht vom 9. Dezember 2002 waren eine Kopie der Zeitungsanzeige, eine Rechnung der S.-Kurier GmbH vom 10. April 2002, ein Übergabeprotokoll betreffend das Ladengeschäft St.-Weg in K., eine Mietbescheinigung der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft mbH K. sowie Gewinn- und Verlustrechnungen für die Monate Januar bis August 2002 beigefügt. Wegen des Inhalts dieser Unterlagen im Einzelnen wird auf Bl. 23 bis 30 der Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Mit Bescheid vom 27. März 2003 hob das AA die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 26. Februar bis 5. Juni 2002 auf und forderte die Erstattung des für diesen Zeitraum gewährten Alg (2.608,00 EUR) nebst hierauf gezahlter Beiträge zur Kranken- (795,20 EUR) und Pflegeversicherung (95,20 EUR; insgesamt 3.498,40 EUR). Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe in der Zeit vom 26. Februar bis 20. April 2002 eine selbständige Tätigkeit mit einem zeitlichen Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich ausgeübt und sei deshalb nicht arbeitslos gewesen. Im Antrag vom 26. Februar 2002 habe er insoweit zumindest grob-fahrlässig falsche Angaben gemacht. Eine persönliche Arbeitslosmeldung sei erst wieder am 6. Juni 2002 erfolgt. Der Kläger habe deshalb bis 5. Juni 2002 keinen Anspruch auf Alg. Zur Begründung seines am 4. April 2003 erhobenen Widerspruchs trug der Kläger vor, seine Arbeitszeit hätte immer unter 15 Stunden gelegen. Die Ladenöffnungszeiten könnten nicht mit seinen Arbeitszeiten gleichgesetzt werden. Zum Beleg fügte der Kläger weitere Aufstellungen über seine in der Zeit vom 25. Februar bis 31. August 2002 geleisteten Arbeitsstunden bei. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2003 wies die Widerspruchsstelle des AA den Widerspruch zurück.
Mit der am 2. Mai 2003 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er habe sich zu den angegebenen Öffnungszeiten häufig nicht im Ladengeschäft aufgehalten. Von 12:30 Uhr bis 14:00 Uhr habe er bei seinem Nachbarn U. O. zu Mittag gegessen. Außerdem habe er die Geschäftszeiten genutzt, um nach einer Arbeitsstelle zu suchen. Im übrigen sei die Beklagte für das Vorliegen einer mindestens 15-stündige Tätigkeit beweispflichtig und habe den erforderlichen Nachweis nicht geführt. Zum Beleg seines Vortrags hat der Kläger schriftliche Erklärungen von U. O., J. J. und B. P. sowie eine Bescheinigung der Firma A. AG über zwei am 2. und 17. April 2002 jeweils zwischen 13:00 Uhr und 15:00 Uhr geführte Vorstellungsgespräche vorgelegt. Wegen des Inhalts dieser Unterlagen wird auf Bl. 11 bis 14 der SG-Akte verwiesen. Das SG hat am 4. November 2004 J. J. und B. P. als Zeuginnen vernommen. Erstere hat bekundet, sie wohne über dem Ladengeschäft im selben Haus und sei in der fraglichen Zeit gegen 14:00 Uhr oder 15:00 Uhr nach Hause gekommen. Der Kläger sei zu den angegebenen Öffnungszeiten nicht immer im Geschäft gewesen. Sie habe diesen dreimal nicht im Geschäft angetroffen, als sie dort Kopien anfertigen lassen wollte. Ferner habe sie für den Kläger dreimal Pakete entgegengenommen. Auf seine Abwesenheit angesprochen habe der Kläger gesagt, er gehe mittags zu seiner Mutter zum Essen und komme deshalb später in den Laden. Ob sich ihre Beobachtungen auf das Jahr 2002 oder das Jahr 2003 beziehen, könne sie allerdings nicht sagen. Der Kläger habe mit Handys und Computern gehandelt. Außerdem habe er einen Service vor Ort angeboten und auch den Computer in ihrer Wohnung repariert. Die Zeugin P. hat ausgesagt, sie wohne neben dem Ladengeschäft im Erdgeschoss. Der Kläger sei PC-Spezialist und habe bei Kunden Soft-Ware installiert sowie einen Reparatur-Service angeboten. Sie habe für diesen drei- oder viermal Post entgegengenommen. Die Post werde aber immer vor 13:00 Uhr angeliefert. Mit Urteil vom 10. März 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass der Kläger in der Zeit vom 26. Februar bis 20. April 2002 mehr als 15 Stunden wöchentlich selbständig tätig gewesen sei. Arbeitslosigkeit habe deshalb nicht vorgelegen; die Wirkung der Arbeitslosmeldung vom 26. Februar 2002 sei erloschen. Bis zur Vorsprache am 6. Juni 2002 habe der Kläger deshalb keinen Anspruch auf Alg gehabt. Die Beklagte habe die Bewilligung von Alg für diese Zeit somit zu Recht aufgehoben und vom Kläger die Erstattung der erbrachten Leistungen gefordert.
Gegen das ihm gemäß Empfangsbekenntnis am 18. März 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. März 2005 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. An den in der Zeitungsannonce angegebenen Öffnungszeiten müsse er sich nicht festhalten lassen, da nicht nachgewiesen sei, dass er sich zu diesen Zeiten auch tatsächlich im Ladengeschäft aufgehalten habe. Gegenüber der Zeitung habe er irrtümlich die Öffnungszeiten aus der Zeit vor der Arbeitslosmeldung angegeben. Er habe noch versucht, die Anzeige zu stornieren, dies sei aber nicht mehr möglich gewesen. In der fraglichen Zeit habe er auch ein Kraftfahrzeug An- und Verkaufsgewerbe aufgenommen. Dieses habe er dem Arbeitsamt wenige Wochen nach Aufnahme des Gewerbes mitgeteilt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 10. März 2005 und den Bescheid vom 27. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihren Bescheid für rechtmäßig und das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat vom Finanzamt Konstanz die Steuerakten des Klägers für das Jahr 2002 beigezogen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (Kundennummer ), die Klageakte des SG (S 5 AL 847/03) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 1297/05) Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter und ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]), denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Anhörung des Klägers hat keine Gesichtspunkte ergeben, von dieser Verfahrensform abzuweichen.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG in der hier noch anzuwendenden bis 31. März 2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt wurde. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Gegenstand der Anfechtungsklage ist der die Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 26. Februar bis 5. Juni 2002 (Bescheide vom 2. April 2002 [Bewilligung bis 31. Mai 2002] und vom 5. Juli 2002 [Bewilligung ab 1. Juni 2002]) sowie die Erstattung erbrachter Leistungen in Höhe von insgesamt 3.498,40 EUR verfügende Bescheid vom 27. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2003. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheids vom 2. April 2002 (Bewilligung von Alg ab 26. Februar 2002) und des Bescheids vom 5. Juli 2002, mit dem die Beklagte dem Kläger - nachdem sie zuvor gemäß § 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) die Leistungen ab 1. Juni 2002 entzogen hatte (Bescheid vom 11. Juni 2002) - dem Kläger Alg ab 1. Juni weiterbewilligt hat (vgl. § 67 SGB I), ist § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Verbindung mit § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist eine Rücknahme ausgeschlossen, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte jedoch unter anderem dann nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). § 330 Abs. 2 SGB III bestimmt unter anderem für diesen Fall, dass der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts tritt damit an die Stelle der gemäß § 45 SGB X eigentlich vorgesehenen Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage liegen vor. Die Bewilligungsbescheide vom 2. April 2002 und vom 5. Juli 2002 waren - den streitgegenständlichen Zeitraum betreffend - von Anfang an rechtswidrig. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe auf den Bestand dieser Bewilligungsbescheide vertraut, denn er hat auch nach Überzeugung des Senats bei der Antragstellung zumindest grob-fahrlässig unzutreffende Angaben gemacht, die für die Bewilligungsentscheidung maßgeblich gewesen sind. Letztlich sind die gemäß § 45 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 2 SGB X einzuhaltenden Fristen gewahrt.
Anspruch auf Alg haben gemäß § 117 Abs. 1 SGB III in der hier anzuwendenden bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung Arbeitnehmer, die arbeitslos sind (Nr. 1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr. 3). Hier hat im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids vom 2. April 2002 bereits die erste Tatbestandsvoraussetzung nicht vorgelegen, denn der Kläger ist zu diesem Zeitpunkt nicht arbeitslos gewesen. Bei Bekanntgabe des Bescheids vom 5. Juli 2002 fehlte es für die Zeit bis 5. Juni 2002 an der erforderlichen Arbeitslosmeldung. Wegen der ausgeübten mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit war die Arbeitslosmeldung vom 26. Februar 2002 gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 2 SGB III erloschen.
Gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III setzt die Arbeitslosigkeit unter anderem voraus, dass der Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit). Die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung schließt Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Mehrere Beschäftigungen werden zusammengerechnet (§ 118 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB III). Nach § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB III stehen eine selbständige Tätigkeit oder eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger einer Beschäftigung gleich. In Übereinstimmung mit dem SG ist auch der Senat davon überzeugt, dass der Kläger jedenfalls in der Zeit vom 26. Februar bis 20. April 2002 seine Computer-, Telekommunikations- und Kassensysteme-Firma in einem mindestens 15-stündigen Umfang betrieben hat. Der Senat schließt sich hierbei zunächst den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils vom 10. März 2005, insbesondere der dort vorgenommene Beweiswürdigung an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Lediglich ergänzend zum Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ist darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger auch zur Überzeugung des Senats an den von ihm mittels Zeitungsanzeige veröffentlichten Öffnungszeiten festhalten lassen muss. In tatsächlicher Hinsicht kann dabei offenbleiben, ob der Kläger sich während dieser Zeiten ausnahmslos im Ladengeschäft aufgehalten hat. Zu den Anwesenheitszeiten in den Geschäftsräumen kommen nämlich - auch dies hat das SG in rechtlich nicht zu beanstandender Würdigung der erhobenen Beweise zutreffend festgestellt - die Serviceleistungen, die der Kläger direkt beim Kunden erbracht hat, hinzu. Darüber hinaus ist die Tätigkeit eines Selbständigen naturgemäß nicht auf die Kerntätigkeit beschränkt. Zu berücksichtigen sind zahlreiche weitere Betätigungen wie z. B. die Akquisition neuer Kunden, die Kundenpflege, Verwaltung, die Ausarbeitung und Gestaltung von Betriebsabläufen, die Organisation der Betriebsräume einschließlich Lagerhaltung, die Verwaltung und die Buchhaltung (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG) SozR 4100 § 102 Nr. 7; Urteil des erkennenden Senats vom 14. Juli 2000 - L 13 AL 3645/98 - veröffentlicht in Juris). Zu den Arbeitszeiten eines Selbständigen zählen letztlich nicht nur die Zeiten, in denen er tatsächlich seiner Tätigkeit nachgeht, sondern auch die mit der Berufsausübung notwendig verbundenen Wartezeiten und die Zeiten, in denen er seine Arbeitskraft nur vorhält (Urteil des erkennenden Senats vom 24. April 2007 - L 13 AL 4002/03 - nicht veröffentlicht). Der Senat hat deshalb im Ergebnis keine Zweifel, dass der Gesamtumfang der zeitlichen Inanspruchnahme des Klägers durch seine selbständige Tätigkeit als PC-Dienstleister die maßgebliche 15-Stunden-Grenze sogar deutlich überschritten hat. Die vom Kläger gegenüber dem AA gemachten Angaben erweisen sich mithin als unzutreffend, ohne dass es darauf ankommt, in welchem (zeitlichen) Umfang der Kläger seine erstmals im Berufungsverfahren vorgetragene weitere selbständige Tätigkeit als An- und Verkäufer von Kraftfahrzeugen betrieben hat.
Auf schutzwürdiges Vertrauen kann sich der Kläger nicht berufen, da er bei der Antragstellung lediglich eine Nebenbeschäftigung angegeben und damit vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht hat (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273; SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Das Außerachtlassen von Hinweisen in einem Merkblatt ist im allgemeinen grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Erläuterungen nicht verstanden hat (BSGE 44, 264, 273). Der Kläger erhielt anlässlich seiner Arbeitslosmeldung das Merkblatt 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte, Ihre Pflichten" und bestätigte den Erhalt unterschriftlich. In diesem Merkblatt wird auf die (leistungsrechtliche) Bedeutung der Aufnahme bzw. Ausübung einer selbständigen Tätigkeit ausdrücklich hingewiesen. Dem Kläger musste danach bewusst sein, dass der Anspruch auf Alg mangels Arbeitslosigkeit entfällt, wenn der zeitliche Umfang seiner Tätigkeit die Grenze von 15 Stunden erreicht. Dabei musste sich ihm auch aufdrängen, dass insoweit nicht nur die tatsächliche Verrichtung der Kerntätigkeit, sondern auch die mit einer selbständigen Berufsausübung notwendig verbundenen Nebentätigkeiten sowie Zeiten, in denen er seine Arbeitskraft nur vorhält, zu berücksichtigen sind. Zumindest trifft ihn insoweit der Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Letztlich findet sich auch keinerlei Anhalt, dass die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit des Klägers eingeschränkt war.
Die Beklagte hat durch die Außenprüfung am 4. November 2002 Kenntnis erlangt, dass der Kläger sein Gewerbe nicht nur im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung, sondern in einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich betrieben hat. Der auf § 45 SGB X gestützte Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wurde dem Kläger am 31. März 2003 (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X), also innerhalb der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X bekannt gegeben. Die Frist von zehn Jahren ab Bekanntgabe der Bewilligungsbescheide vom 2. April 2002 und vom 5. Juli 2002 ist damit ebenfalls gewahrt (§ 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X), wobei der Senat nicht zu entscheiden braucht, ob die Einhaltung dieser Frist angesichts vorliegender Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 580 der Zivilprozessordnung entbehrlich ist (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X).
Die Rechtmäßigkeit der Erstattung des Alg beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X, diejenige der Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung auf § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Für den Erstattungszeitraum hat insbesondere kein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden. Die Höhe der Erstattungsforderung ist zutreffend berechnet. Der Senat macht sich ausgehend von den nach den Zahlungsnachweisen erbrachten Leistungen sowie der dort ausgewiesenen richtigen Beitragssätze zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung die Berechnung auf Seite 39 der Verwaltungsakten zu eigen. Etwaige Mängel bei der Anhörung sind dadurch geheilt worden, dass der angegriffene Bescheid alle für die Rücknahme und Erstattung erforderlichen Tatsachen enthalten hat und damit die Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt wurde (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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