L 1 R 575/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 R 760/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 575/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
AAÜG - Betriebliche Voraussetzungen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. November 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Feststellungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem.

Die im Januar 1959 geborene Klägerin erwarb ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Bauwesen und Ingenieurpädagogik M. am 30. August 1980 das Recht zur Führung der Berufsbezeichnung Ingenieur für Tiefbau. Seit dem September 1980 war die Klägerin als Ingenieurin beim VEB Wohnungsbaukombinat Magdeburg – KB WBK-Projekt – so die Bezeichnung im Arbeitsvertrag vom Mai 1979 – beschäftigt, wo sie bis zum 30. Juni 1990 verblieb. Der WBK-Projekt ist auch im Sozialversicherungsausweis der Klägerin durchgehend als Beschäftigungsbetrieb eingetragen. Zumindest bis zum März 1987 und von Januar 1989 versicherte die Klägerin nicht ihr gesamtes Arbeitsentgelt in der Sozialversicherung. Die schriftliche Zusage einer Zusatzversorgung erhielt die Klägerin nicht.

Den Antrag der Klägerin auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung der Technischen Intelligenz im Zeitraum zwischen September 1980 und Juni 1990 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. April 2005 mit der Begründung ab, nach § 1 Abs. 1 AAÜG sei dieses Gesetz auf die Klägerin nicht anwendbar. Sie habe am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung ausgeübt, wegen der sie dem Kreis der zwingend Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Sie sei an diesem Tag nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder gleichgestellten Betrieb im Sinne der 2. Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 beschäftigt gewesen.

Mit dem am 17. Mai 2005 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Produkte des "VEB WBK-Projekt Magdeburg" als "Kombinatsbetrieb" seien Planungsunterlagen für Tiefbau und Freiflächen gewesen. Frühere Kollegen hätten bereits einen positiven Bescheid erhalten.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2005 zurück und verwies auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Industriebetrieben. Mit der am 26. Juli 2005 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der WBK-Projekt, zuvor Kombinatsbetrieb Projektierung, sei die Projektierungsabteilung des VEB Wohnungsbaukombinat Magdeburg gewesen. Er sei im Hinblick auf die Eingliederung in die Kombinatsstruktur als unselbständiger Betriebsteil des Kombinates zu betrachten. Das Kombinat sei ein typischer volkseigener Produktionsbetrieb gewesen. Die erbrachten Projektierungsleistungen seien dem Hauptzweck der Bautätigkeit zuzuordnen. Zumindest handele es sich um einen gleichgestellten Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung, da die dort aufgeführten Vereinigungen volkseigener Betriebe als Oberbegriff auch für Kombinate zu verstehen seien. Diese Bezeichnung sei auch deshalb auf Kombinate zu beziehen, weil solche erst gegen Ende der siebziger Jahre in größerem Maße gebildet worden seien. Eine Aufspaltung zwischen dem Kombinat und den Kombinatsbetrieben sei künstlich und widerspreche der Gleichstellung der Vereinigungen volkseigener Betriebe mit volkseigenen Betrieben. Im Übrigen seien nach der Begriffsbildung der DDR auch Projektierungsleistungen Produktion gewesen.

Der "VEB WBK-Projekt" sei auch als Konstruktionsbüro ein gleichgestellter Betrieb. Seine Tätigkeit habe der eines Konstruktionsbüros entsprochen. Dem lasse sich nicht der Begriff der Projektierung entgegenstellen. Auch dieser erfasse Konstruktionstätigkeiten und sei praktisch davon nicht zu unterscheiden. Beide Tätigkeiten hätten eine gleiche Bedeutung im Bereich der Produktionsvorbereitung. Im VEB WBK-Projekt hätten die Konstruktionsleistungen gegenüber Projektierungsleistungen überwogen. Die Beklagte hat u.a. auf die Unterscheidung zwischen Konstruktion und Projektierung innerhalb der Abteilungen des produktionsvorbereitenden Bereichs nach der Rahmenrichtlinie vom 10. Dezember 1974 (GBl. 1975 S. 1) hingewiesen.

Das Sozialgericht hat den Registerauszug vom VEB Wohnungsbaukombinat Magdeburg–Stammbetrieb, zum VEB WBK-Projekt Magdeburg und die Kombinatsstatuten vom 30. Juli 1986, vom 7. Februar 1975 und vom 29. Juni 1971 in das Verfahren eingeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 24 - 62 d.A. verwiesen. Die Beklagte hat ergänzend den Registerauszug zur M.-GmbH als einem Nachfolgebetrieb des VEB WBK-Projekt, Bl. 71 - 73 d.A., vorgelegt.

Mit Urteil vom 16. November 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, für einen Anspruch auf Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der Technischen Intelligenz seien die betrieblichen Voraussetzungen des § 1 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 nicht erfüllt gewesen. Der VEB Wohnungsbaukombinat-Projekt Magdeburg sei kein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen. Bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb des Bauwesens müsse der Hauptzweck in der Massenproduktion von Bauwerken bestehen. Die Hauptaufgabe des WBK-Projekt habe hingegen in der Planung, Vorbereitung und Überwachung von Bautätigkeiten, nicht aber in der Errichtung von Bauwerken bestanden. Dies lasse sich auch aus dem Statut von 1986 ableiten. Auf den WBK-Projekt sei seit dem 1. Juli 1986 als juristisch selbständigen Kombinatsbetrieb abzustellen. Auf die tatsächliche interne Ausgestaltung der Kombinatsstruktur komme es nicht an. Als Wirtschaftseinheit sei der VEB WBK-Projekt nach § 1 der Verordnung über die Führung des Registers der volkseigenen Wirtschaft vom 10. April 1980 als selbständig ins Register der volkseigenen Wirtschaft einzutragen gewesen. Laut § 3 Abs. 2 des Statutes von 1986 liege die Eigenschaft als Wirtschaftseinheit ausdrücklich fest. Folgerichtig sei der VEB WBK-Projekt auch im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen gewesen.

Der VEB WBK-Projekt sei auch kein Konstruktionsbüro gewesen. Weder trage er eine solche Bezeichnung noch habe er Konstruktionsaufgaben zu erfüllen gehabt, sondern Projektierungsaufgaben. Vereinigungen volkseigener Betriebe seien konkret als solche bezeichnet worden. Ihnen hätte nach § 4 Abs. 1 der Kombinatsverordnung von 1973 ein Kombinat unterstellt sein können. Kombinate selbst seien in der 2. Durchführungsbestimmung nicht genannt. Eine Erweiterung der Auflistung sei nicht erfolgt. Daran seien bundesdeutsche Stellen im vorliegenden Zusammenhang gebunden. Ein Einbeziehung von Kollegen der Klägerin rechtsfertige keine andere Entscheidung, weil der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes keine Gleichbehandlung im Unrecht festlege. Insoweit sei das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz vorrangig.

Mit der am 12. Dezember 2006 beim Sozialgericht eingegangenen Berufung macht die Klägerin geltend, der VEB WBK-Projekt sei ein Konstruktionsbüro gewesen. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Unterschiedlichkeit von Konstruktions- und Projektierungsbüros. Nach dem vom Bundessozialgericht in Bezug genommenen Beschluss vom 29. Juni 1949 beträfen Konstruktionsarbeiten Arten der Herstellung und des Einsatzes technischer Gegenstände. Projektierung habe sich hingegen mit der optimalen Konzeptionserfüllung eines Unternehmenszwecks befasst. Entsprechende Unterscheidungen folgten auch aus der Projektierungsverordnung vom 20. November 1964 und der Anordnung vom 10. Dezember 1974. Diese seien schließlich in Begriffsbestimmungen des ökonomischen Lexikons eingegangen. Die danach für ein Konstruktionsbüro typische Produktionsvorbereitung habe der VEB WBK-Projekt im Hauptzweck wahrgenommen. Dies ergebe sich aus § 6 Abs. 2 des Statuts aus dem Jahre 1986. Sie selbst habe bislang unwidersprochen als Hauptaufgabe ihres Betriebes die produktionsvorbereitende Konstruktionsplanung für die industrielle Fertigung von Plattenbauelementen angegeben. Von dieser Tätigkeit sei die Projektierung von Häusern zu unterscheiden. Diese sei nur eine untergeordnete Aufgabe des VEB WBK-Projekt gewesen. Auch überzeuge die Bewertung des VEB WBK-Projekt als gegenüber dem Kombinat juristisch und ökonomisch selbständiger Betrieb nicht. Der Betrieb sei ausweislich des Statutes in vielfältiger Weise dem Kombinat untergeordnet.

Die Vereinigungen volkseigener Betriebe seien nur eine Vorstufe der Bildung von Kombinaten in der DDR gewesen. Sehe man aber im Kombinat auch eine Ansammlung selbständiger Betriebe, handele es sich erst recht um eine Vereinigung volkseigener Betriebe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. November 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 29. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2005 aufzuheben und

die Beklagte zu verpflichten, die Beschäftigungszeit der Klägerin vom 1. September 1980 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der Technischen Intelligenz sowie die in dieser Zeit erzielten Entgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, in einem Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – habe das Bundessozialgericht bei einem Kombinatsbetrieb ausdrücklich auf dessen Aufgaben und nicht auf diejenigen des Kombinates abgestellt. Kombinatsbetriebe seien ohne ausdrücklich entgegenstehende Regelung im Statut bereits nach § 9 Abs. 1 S. 3 der Verordnung vom 28. März 1973 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 27. August 1973 rechtsfähig gewesen. Der VEB WBK-Projekt Magdeburg habe jedoch Bauleistungen im hier maßgeblichen Sinne nicht erbracht. Der Betrieb habe nicht nur Konstruktionstätigkeiten wahrgenommen. Dies folge aus dem Kombinatsstatut.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und einer Entscheidung durch den Berichterstatter durch Protokollerklärung vom 4. September 2008 – die Beklagte – und Schriftsatz vom 30. September 2008 – die Klägerin – zugestimmt.

Ein weiteres Gerichtsverfahren ist zwischen den Beteiligten nicht anhängig.

Die Akte der Beklagten über die Klägerin – Vers.-Nr. 48 090159 S 519 – hat bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.

Das Gericht hat die Begriffsbestimmungen der Projektierung und des Projektierungsbetriebs sowie der Konstruktion und des Konstruktionsbüros aus dem Ökonomischen Lexikon des Verlages Die Wirtschaft Berlin, 1967 und verschiedene Rechtsvorschriften in das Verfahren eingeführt; die Unterlagen sind als Beiakte geführt.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist.

Darüber konnte das Gericht gem. § 155 Abs. 3, 4 SGG entscheiden, weil die Streitsache tatsächlich und rechtlich einfach ist. Den Beteiligten ist die Rechtsprechung des Senates zur Behandlung des Beschäftigungsbetriebes der Klägerin durch Übersendung eines dazu ergangenen Urteils (L 1 RA 225/05) bekannt; insoweit besteht keine rechtliche Schwierigkeit. Tatsächliche Gesichtspunkte, auf die es für die Entscheidung ankäme, sind nicht im Streit. Nach Auffassung des Gerichts ergeben sich die tragenden Rechtsgründe der Entscheidung vollständig aus der vorhandenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

Der Bescheid der Beklagten vom 29. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2005 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klägerin hat nach § 1 Abs. 1 S. 1 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) keinen Anspruch auf die beantragten Feststellungen, weil sie in dem umstrittenen Zeitraum nicht im Sinne dieser Vorschrift eine Anwartschaft in einem Zusatzversorgungssystem erworben hat.

Der Klägerin ist zu keinem Zeitpunkt durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung eine Zusatzversorgung aus diesem System zugesagt worden.

Die Klägerin gehört auch nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zuerst Urt. v. 24.3.1998 – B 4 RA 27/97 RSozR 3-8570 § 5 Nr. 3) im Wege der Unterstellung dem Zusatzversorgungssystem an. Denn sie fällt nicht unter den in dieser Rechtsprechung enthaltenen Rechtssatz (Urt. v. 18.12.2003 – B 4 RA 18/03 RSozR 4-8570 § 1 Nr. 1), wonach ein Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage bestanden haben muss. Die Klägerin erfüllte zu diesem Zeitpunkt nicht die später zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen und zwingenden Voraussetzungen (vgl. dazu Urt. v. 9.4.2002 – B 4 RA 41/01 RSozR 3-8570 § 1 Nr. 6) des hier betroffenen Versorgungssystems der technischen Intelligenz. Denn der Betrieb, in welchem sie am 30. Juni 1990 beschäftigt war, der VEB WBK-Projekt, war weder ein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. der DDR S. 487; im Weiteren 2. DB) noch ein danach gleichgestellter Betrieb. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach eine Zeit gem. § 1 Abs. 1 AAÜG aus unterstellter Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nur bei Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 der 2. DB in Betracht kommt, schließt sich der Senat an, wobei er offen lässt, ob dies für eine Anwartschaft ausreicht.

Die Tatbestandsmerkmale der 2. DB müssen nach dem Verständnis des Senats von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei der Auslegung rechtlich unzweideutig und unmittelbar eine gesetzliche Versorgungszusage ergeben (Urt. des Senats v. 25.5.2004 – L 1 RA 179/02 - Juris). Dies folgt aus dem Zweck der angeführten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Erstreckung des Anwendungsbereiches des AAÜG auch auf Fälle, in denen eine ausdrückliche Versorgungszusage nicht erteilt wurde. Dabei geht es darum, objektive Willkür bei der Verzögerung und dem Unterlassen von Versorgungszusagen vor dem Maßstab des Grundgesetzes bundesrechtlich nicht zum Tragen kommen zu lassen (BSG, Urt. v. 24.3.1998 – B 4 RA 27/97 RSozR 3-8570 § 5 Nr. 3 S. 10). Willkür besteht insofern nicht schon in der Verkennung einer zur Abgeltung gesellschaftlichen Verdienstes bestmöglichen Auslegung oder der Verfehlung der gerechtesten Ermessensentscheidung, sondern in der Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauens, nicht von der Anwendung von Rechtsnormen ausgenommen zu werden. Dies geschieht nur durch für jedermann auf der Hand liegende Gesetzesverstöße. Insofern ist der Maßstab von vornherein ein grundlegend anderer und engerer als bei einer erstmaligen Entscheidung nach den Vorschriften der früheren Versorgungsordnungen, die seit der Schließung der Versorgungssysteme zum 1. Juli 1990 nach § 22 Abs. 1 des Rentenangleichungsgesetzes vom 28.6.1990 (GBl. der DDR I S. 495) endgültig ausgeschlossen ist. Aus diesem Grunde verbieten sich auch vergleichende Betrachtungen, wie sie die Klägerin bezüglich alternativer Unterstellungsformen der Projektierungskapazitäten bei den kreisgeleiteten volkseigenen Baubetrieben anstellt.

Für die Feststellungen von Zugehörigkeitszeiten i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG ohne tatsächliche Versorgungszusage muss der Anspruch auf Einbeziehung so klar sein, dass deshalb einerseits der Vollzugsakt durch eine einzelfallbezogene Versorgungszusage entbehrlich erscheint und andererseits eine unterstellte Verweigerung der Einbeziehung nicht nur als falsch, sondern als der – grundlegende – Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze erscheint, den Art. 19 S. 2 des Einigungsvertrages umgekehrt zum Maßstab für die Aufhebbarkeit von Verwaltungsentscheidungen der DDR macht. Der Einbeziehungstatbestand muss auch deshalb deutlich sein, da er auch nachteilige Folgen haben kann (Kürzung der berücksichtigungsfähigen Entgelte). Für eine unterschiedliche Auslegung des § 1 AAÜG hinsichtlich der Einbeziehung in das AAÜG je nach den dann eintretenden günstigen oder ungünstigen Rechtsfolgen gibt das AAÜG keinen Anhaltspunkt.

Der VEB WBK-Projekt war nach den feststellbaren Umständen – jedenfalls am Stichtag des 30. Juni 1990 – kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB. Maßgeblich ist hier der – im Ergebnis enge – Sinn, mit dem dieser Begriff der bundesrechtlichen Ausfüllung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu Grunde zu legen ist. Die Voraussetzung der Beschäftigung in einem Produktionsbetrieb enthält § 1 Abs. 1 der 2. DB im Umkehrschluss, weil anderenfalls die Gleichstellung nicht produzierender Betriebe in § 1 Abs. 2 der 2. DB mit Produktionsbetrieben ohne Bezug wäre.

Die Zuordnung eines bestimmten VEB zur industriellen Produktion (bzw. zum Bauwesen) oder zu einem anderen Bereich der Volkswirtschaft hängt entscheidend davon ab, welche Aufgabe dem VEB nach den tatsächlichen Verhältnissen das Gepräge gegeben hat (vgl. BSG, Urt. v. 10.4.2002 - B 4 RA 10/02 R - SozR 3-8570 § 1 Nr. 5 S. 34 f). Es reicht nicht aus, wie die Klägerin meint, dass der Betrieb dem Bauwesen zuzurechnen ist. Betriebe des Bauwesens unterfallen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Versorgungsordnung nur dann, wenn ihr Hauptzweck auf die Massenproduktion von Bauwerken, d.h. auf die serielle, körperliche Herstellung von Bauwerken gerichtet war (vgl. BSG, Urt. v. 8.6.2004 – B 4 RA 57/03 RSozR 4-8570 § 1 Nr. 3 Rdnr. 20).

Bei dieser Prüfung ist der Betrieb des Arbeitgebers angesprochen; dieser ist die Beschäftigungsstelle im rechtlichen Sinn (BSG, Urt. v. 18.12.2003 - B 4 RA 20/03 RSozR 4-8570 § 1 Nr. 2). Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Arbeitsvertrages war dies der VEB WBK-Projekt und nicht das übergeordnete Kombinat. Nach allen vorliegenden Unterlagen geht das Gericht davon aus, dass am 30. Juni 1990 jedenfalls kein Arbeitsrechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Kombinat mehr bestand. Auch im Sozialversicherungsausweis der Klägerin ist zwischen 1980 und dem Beginn des Beschäftigungsjahres 1990 durchgehend neben der Kombinatsbezeichnung der Zusatz "WBK-Projekt" als Stempelabdruck des Betriebs eingetragen.

Der VEB WBK-Projekt war mit seiner Errichtung als Kombinatsbetrieb in § 3 Abs. 1 der Kombinatssatzung vom 30. Juli 1986 kraft Gesetzes voll rechtsfähig, wie aus § 6 Abs. 2 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe v. 8.11.1979 (GBl. I S. 355) unmittelbar folgt. Ebenso war er – und nicht nur das Kombinat – kraft Gesetzes Wirtschaftseinheit sowohl im Sinne von § 2 Abs. 1 des Vertragsgesetzes vom 25.3.1982 (GBl. I S. 293) als auch von § 1 Abs. 2 S. 1 der Verordnung über die Führung des Registers der volkseigenen Wirtschaft v. 10.4.1980 (GBl. I S. 115). Insoweit sind die Regelungen der Satzung bezüglich einer Bindung des Kombinatsbetriebes an das Kombinat ohne Belang, da sie nur auf eine innere Bindung gegenüber der Kombinatsleitung hinauslaufen und die Rechtsfähigkeit des Kombinatsbetriebes gar nicht wirksam einschränken konnten. Ebenso ist es unerheblich, ob die Lohnauszahlung durch den VEB WBK-Projekt oder durch den Stammbetrieb des Kombinats technisch abgewickelt wurde. Denn dies hat keinen Einfluss auf die rechtliche Arbeitgeberstellung des VEB WBK-Projekt.

Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell (d.h. serienmäßig wiederkehrend; BSG, Urt. v. 18.12.2003 - B 4 RA 14/03 R - zitiert nach Juris) fertigen. Speziell im Bereich des Bauwesens erfasst der Begriff des Produktionsbetriebes danach nur solche Betriebe, deren Hauptzweck in der Massenproduktion von Bauwerken liegt, die dabei standardisierte Produkte massenhaft ausstoßen und eine komplette Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand haben (BSG, Urt. v. 8.6.2004 - B 4 RA 57/03 R - SozR 4-8570 § 1 Nr. 3 S. 20 f.). Das Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedenfalls insoweit an, als dieses eine hauptsächlich industrielle Serienfertigung von Sachgütern oder gegenständliche Herstellung von Bauwerken im jeweiligen Beschäftigungsbetrieb fordert. Die Bedeutung der damit verbundenen Begriffsbildung in der Wirtschaft der DDR hat das Bundessozialgericht unter Darstellung der Wirtschaftsgeschichte zur Zeit des Erlasses der maßgeblichen Versorgungsnormen herausgearbeitet (BSG, Urt. v. 9.4.2002 – B 4 RA 41/01 R, SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 46 f.).

Ob zeitweise daneben, möglicherweise auch überwiegend, im Wirtschaftsleben der DDR davon abweichende Begriffe wirtschaftlicher Produktion verwendet worden sind, hält der Senat nicht für maßgeblich. Rechtliche Bedeutung käme der Verwendung abweichender Produktionsbegriffe für das rückschauende bundesrechtliche Verständnis des Begriffes der industriellen Produktion im Sinne der Versorgungsvorschriften nicht zu. Denn die bundesrechtliche Auslegung des Begriffs der industriellen Produktion erfordert, sich auf den engsten Begriff zu stützen, der Gegenstand der gesetzlichen Regelung gewesen sein kann, weil nur so die Abgrenzung rechtsstaatswidrig willkürlicher Fehlentscheidungen durch unterlassene Versorgungszusagen erreicht wird. Um eine rechtsstaatlich zwingende Korrektur geht es nämlich nur bei der Prüfung, ob bundesrechtlich eine Versorgungszusage zu unterstellen ist, nicht hingegen um die Prüfung, ob bei der Unterlassung einer Versorgungszusage gerade von dem verbreitetsten Wortgebrauch im Wirtschaftsleben ausgegangen worden ist.

Um einen solchen Betrieb handelt es sich beim VEB WBK-Projekt nicht. Schon nach den Ausführungen der Klägerin selbst nahm dieser Aufgaben der Planung und Projektierung wahr. Nach § 6 Abs. 2 des Kombinatsstatuts vom 30. Juli 1986 oblagen dem Kombinatsbetrieb Projektierung ausschließlich Planungs- und Überwachungsaufgaben wie Aufgaben bei der Erzeugnisentwicklung, bei der Vorbereitung der Wohnkomplexe und Standorte als Generalauftragnehmer-Projektant, bei der Erarbeitung der Angebote, bei der Erarbeitung von Ausführungsprojekten hinsichtlich Bautechnik und Bauökonomie, bei der Baudurchführungskontrolle und der Bauprojektierungsbilanzierung. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Aufgaben bis zum 30. Juni 1990 im Wesentlichen unverändert wahrgenommen wurden, denn auch die M. GmbH als eine der Nachfolgegesellschaften war noch vorrangig im Bauplanungs- und -betreuungsbereich tätig.

Bauproduktion im hier maßgeblichen Sinne ist die körperliche Herstellung von Bauwerken mit – im Wesentlichen – den betrieblichen Mitteln des jeweiligen Betriebes. Ein Betrieb, der Bauvorhaben projektiert, übt nicht die Betriebstätigkeit einer Erstellung von Bauwerken (vgl. BSG, Urt. v. 8.6.2004 - B 4 RA 57/03 R - SozR 4 - 8570 § 1 Nr. 3 Rdnr. 20) aus. Auch ist den tatsächlichen Verhältnissen des Betriebes (vgl. BSG, Urt. v. 18.12.2003 – B 4 RA 18/03 R – SozR 4-8570 Nr. 1 Rdnr. 18) insoweit nicht das Gepräge eines Produktionsbetriebes des industriellen Bauens, sondern allein das eines Projektierungsbetriebes zu entnehmen. Es kommt auf die Tätigkeit an, die der Betrieb konkret ausübt, nicht darauf, ob er in irgendeiner Weise für Bauwerke ursächlich wird. Deutlich wird dies auch an der Parallele zur erforderlichen industriellen Sachgüterproduktion im Bereich der Industrie (BSG, Urt. v. 9.4.2002 - B 4 RA 41/01 RSozR 3-8570 § 1 Nr. 6). Denn auch dann kann nicht von Herstellung und Fertigung, erst recht nicht von Fabrikation (BSG, a.a.O.) die Rede sein, wenn ein Betrieb die Entstehung des Sachgutes Bauwerk nur vorbereitet und begleitet, ohne Mauer- oder Betoniertätigkeiten vorzunehmen. Eine solche Parallele liegt zwischen den Bereichen der Industrie und des Bauwesens vor, weil der Begriff des Produktionsbetriebes im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB einheitlich durch das wirtschaftliche Ziel der Zusatzversorgung nach dem Inhalt der Präambel der Verordnung vom 17.8.1950 (GBl. S. 844) geprägt ist. Ebensowenig kann die Prüfung des Hauptzwecks eines Betriebes so verstanden werden, dass dabei die Funktion des Betriebes für die Volkswirtschaft der DDR, für die Aufgabenerfüllung des übergeordneten Ministeriums, einer ggf. bestehenden Hauptverwaltung oder einer Vereinigung volkseigener Betriebe oder schließlich für die wirtschaftliche Bedeutung des übergeordneten Kombinates maßgeblich sein kann. Entscheidend ist allein der als Inbegriff der eigenen Tätigkeit zu ermittelnde Zweck.

Der VEB WBK-Projekt war kein Konstruktionsbüro im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB. Ob ein Konstruktionsbüro vorliegt, ist nach dem rechtlichen und hilfsweise allgemeinen Sprachgebrauch der DDR zu bestimmen. Eine Legaldefinition dieses Begriffs ist im Recht der DDR nicht bekannt (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 8.9.2004 - L 4 RA 45/03). Erkennbar ist allerdings, dass das Konstruktionsbüro in verschiedenen Vorschriften einem Projektierungsbüro gegenübergestellt und insoweit sprachlich unterschieden wird (GBl. 1951, S. 1138; GBl. II 1956, S. 378; GBl. I 1959, S. 71). Der Name "VEB WBK-Projekt" oder vorher "Kombinatsbetrieb Projektierung" spricht damit gegen das Vorliegen eines Konstruktionsbüros.

In dem Ökonomischen Lexikon der DDR (Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1967) wird als Konstruktionsbüro eine Einrichtung bezeichnet, die die Aufgabe hat, im Prozess der technischen Vorbereitung der Produktion die konstruktive Gestaltung der Erzeugnisse auszuarbeiten, die Konstruktionszeichnungen anzufertigen, die Materialstücklisten aufzustellen und die Funktion der Neukonstruktion zu erproben.

Ein Projektierungsbetrieb erfüllt allgemein nicht die Voraussetzungen eines Konstruktionsbüros. Unter Projektierung versteht man nach den Eintragungen im Ökonomischen Lexikon alle Leistungen, die von einem Projektierungsbetrieb oder einer Einrichtung für die Investitionstätigkeit erbracht wurden (Ausarbeitung von Aufgabenstellungen und Projekten, Koordinierung von kooperierten Projektierungsleistungen, Ausarbeitung von Studien und Varianten bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung von Investitionen). Diese Aufgabe ist nicht auf technische Inhalte beschränkt, sondern schließt die wirtschaftliche Entscheidungsvorbereitung mit ein. Komplexe Projektierungen umfassten zudem sogar die städtebauliche und architektonische Gestaltung einschließlich Verkehrsführung, Grünanlagen und Erarbeitung eines Bestands- und Vermessungsplanes mit Angaben über die Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken (vgl. Anordnung über die Durchführung komplexer Projektierungen vom 8. Dezember 1955, GBl. S. 989). Entsprechende Aufgabenstellungen finden sich für den VEB WBK-Projekt in § 6 Abs. 2 des Kombinatsstatuts vom 30. Juli 1986 wieder. Auch die hier verankerten Aufgaben der Bauüberwachung und des Generalauftragnehmers entsprechen nicht der Aufgabenstellung eines Konstruktionsbüros.

Die Unterschiedlichkeit von Konstruktion und Projektierung folgt auch unmittelbar aus der Anordnung über die allgemeinen Bedingungen für Entwurfs- und Konstruktionsleistungen vom 1. Februar 1958 (GBl. II S. 14). In § 2 der Anlage 1 zu dieser Verordnung werden Konstruktionsleistungen von Projektierungen ausdrücklich unterschieden und gegenüber bautechnischen Projektierungen sogar unterschiedlich behandelt.

Hieraus folgt, dass der Begriff der Projektierung nicht nur weiter ist, als der der Konstruktion, sondern diese als anderer Begriff nur als notwendige Unterfunktion einer übergeordneten Aufgabe umfasst (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 23 f.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage bezüglich der Ablehnungsgründe durch die angegebene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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