L 2 B 192/07 AS

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 16 AS 478/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 B 192/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine PKH für Klage, wenn Antragsteller einen anderen, kostengünstigeren Weg einschlagen kann
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt in einem Eilverfahren, das sich inzwischen erledigt hat, ihm Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Verfahren in erster Instanz zu gewähren. Die Beteiligten stritten in der Sache über die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Januar 2007.

Der am 1946 geborene Antragsteller bezieht zusammen mit seiner Ehefrau Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 18. November 2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller und seiner Ehefrau monatliche Leistungen für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006 in Höhe von 657,98 EUR.

Am 26. September 2006 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller dazu an, dass er für Januar 2006 eine Überzahlung von 30,07 EUR erhalten habe. So seien die Nebenkoten auf der Basis der Abschläge für 2003/2004 berechnet worden, aufgrund der aktuell eingereichten Gebührenbescheide für Wasser/Abwasser habe sich die betreffende Überzahlung ergeben. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11. Januar 2007 hob die Antragsgegnerin die Bewilligung vom 1. Januar 2006 bis 30. Januar 2006 teilweise in Höhe von 30,07 EUR auf und forderte die Erstattung dieses Betrages. Mit Zahlungsaufforderung vom 12. Januar 2007 verwies die Einzugsstelle darauf, dass die Forderung bis zum 25. Februar 2007 fällig sei.

Gegen den Erstattungsbescheid erhob der Antragsteller am 25. Januar 2007 Widerspruch. Eine Begründung des Widerspruchs wurde nach Akteneinsicht angekündigt. Am 5. Februar 2007 versandte die Antragsgegnerin eine Eingangsbestätigung des Widerspruchs, ohne auf Rechtswirkungen des Widerspruchs einzugehen.

Am 14. Februar 2007 hat der Antragsteller Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 11. Januar 2007 beim Sozialgericht Halle (SG) gestellt und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass der betreffende Bescheid offensichtlich rechtswidrig sei. So sei es unzutreffend, dass er nicht alle erforderlichen Unterlagen beigebracht habe. Auch die aktuellen Bescheide über Wasser/Abwasser hätten der Antragsgegnerin vorgelegen.

Die Antragsgegnerin hat darauf verwiesen, dass die Rückforderung am 15. Februar 2007 durch sie ruhend gestellt worden sei und bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht vollzogen werde.

Mit Schreiben vom 9. März 2007 hat der Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt und beantragt, der Antragsgegnerin die Kosten aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 2. April 2007 hat das SG die Antragsgegnerin nicht zur Tragung von außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin verpflichtet, mit Beschluss vom 30. April 2007 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Den letztgenannten Beschluss hat das SG wie folgt begründet: Der Antrag sei zurückzuweisen, da er als mutwillig anzusehen sei. Ein Beteiligter, der die Prozesskosten selbst hätte aufbringen müssen, hätte einen solchen Antrag nicht eingereicht. Auf schlichte Nachfrage hinsichtlich der Aussetzung der Vollstreckung, wäre die Auskunft erteilt worden, dass die Forderung ruhend gestellt worden sei.

Gegen den ihr am 1. Juni 2007 versandten Beschluss hat der Antragsteller am 14. Juni 2007 Beschwerde eingelegt und diese wie folgt begründet: Er sei weder im Erstattungsbescheid noch in der Zahlungsaufforderung auf die Möglichkeit der Aussetzung der sofortigen Vollziehung hingewiesen worden. Vielmehr sei er mit der Zahlungsaufforderung darauf hingewiesen worden, dass ein Widerspruch nach § 39 SGB II keine aufschiebende Wirkung habe. Es habe nach den Hinweisen der Antragsgegnerin nur die Möglichkeit der Stundung gegeben, was weitere Kosten verursacht hätte. Nach der gerichtsbekannten Ansicht der Antragsgegnerin habe ein solcher Widerspruch keine aufschiebende Wirkung. Dies habe die Antragsgegnerin dem Antragsteller auch mitgeteilt. In anderen Kammern des SG sei in anderen Verfahren einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entsprochen worden. Der Antragsteller habe das Instrument des Antrages auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung nicht gekannt und sei deshalb auf einen Rechtsanwalt angewiesen gewesen.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt.

Der Berichterstatter hat von der Antragsgegnerin ein Muster für die damals im Januar 2007 versandten Hinweise auf der Rückseite von Zahlungsaufforderungen angefordert. Diese Hinweise lauteten damals: "Sind Sie mit der Forderung grundsätzlich nicht einverstanden und/oder haben Sie Widerspruch/Einspruch bzw. Klage/Anfechtungsklage gegen die Forderung erhoben, wenden Sie sich bitte an Ihre Agentur für Arbeit bzw. Arbeitsgemeinschaft und informieren Sie mich hierüber. Bitte beachten Sie dabei, dass durch die Einlegung eines Widerspruchs/Einspruchs bzw. Erhebung einer Klage/Anfechtungsklage gegen die Rückforderung von steuerlichem Kindergeld bzw. einer Leistung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nicht von Ihrer Zahlungspflicht zum genannten Termin entbunden werden."

Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht im Sinne von § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erhoben.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 1 BvR 94/88 – NJW 1991, 413).

Vorliegend ist unabhängig von dem Bestehen einer hinreichenden Erfolgsaussicht (vgl. hierzu die Entscheidung in der Kostenbeschwerde, Beschluss des Senates vom 25.3.2009 - L 2 B 170/07 AS) die Rechtsverfolgung als mutwillig anzusehen.

Aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für die Rechtsschutzgewährung in Art. 19 Abs. 4 GG besonderen Ausdruck findet, ergibt sich das Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Mit dem Institut der Prozesskostenhilfe hat der Gesetzgeber dem Rechnung getragen und auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten ermöglicht (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2006 – 1 BvR 2673/05 – zitiert nach juris). Dem Unbemittelten sollen durch Prozesskostenhilfe aber nicht eine Rechtsverfolgung finanziert werden, die ein verständiger Beteiligter, der für die Kosten selbst aufkommen muss, zur Schonung eigener Mittel unterlassen würde (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Juli 2002 – B 10 KG 6/06 B – zitiert nach juris). Dieses kann auch der Fall sein, wenn ein Beteiligter einen einfacheren kostengünstigeren Weg einschlagen könnte (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 73a Rn. 8). Hier ist zu beachten, dass die die Prozesskosten in Gestalt des Honorars für den Rechtsanwalt ein Vielfaches der drohenden Rückforderung (30,07 EUR) betragen. Jedenfalls bei einer solchen Relation zwischen drohendem "Schaden" und drohenden Rechtsanwaltskosten würde ein Beteiligter, der auf eigenes Kostenrisiko handelt, bei vernünftiger Betrachtung nicht sofort einen Eilantrag stellen, sondern zunächst versuchen, Kontakt mit der Behörde aufzunehmen. Er würde sich rückzuversichern, ob die Antragsgegnerin dem Widerspruch tatsächlich keine aufschiebende Wirkung beimessen will. Dies gilt insbesondere, wenn vom hiesigen Landessozialgericht die Auffassung vertreten wird, dass der Widerspruch gegen einen Rückforderungsbescheid von Leistungen, die für vergangene Zeiträume gezahlt wurden, aufschiebende Wirkung hat (vgl. Beschluss des Senates vom 9. Mai 2006 – L 2 B 74/06 AS ER). Eine diesbezügliche Kenntnis seines Prozessbevollmächtigten muss sich der Antragsteller zurechnen lassen. Den verfrühten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellt der Unbemittelte dann nur, weil dieses Kostenrisiko durch die voraussichtliche Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht besteht. Für einen solchen Prozess ist die Gewährleistung von Prozesskostenhilfe nicht gedacht.

Kosten sind nicht zu erstatten, § 73a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
Rechtskraft
Aus
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