S 2 KA 118/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 118/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Berichtigung einer Zahnersatz-Abrechnung.

Der Kläger ist als Zahnarzt in L1 niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Er war Mitglied des Vorstandes der inzwischen insolventen N1A AG.

Mit Bescheid vom 21.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2008 verfügte die Beklagte eine sachlich-rechnerische Berichtigung der bei ihr eingereichten Zahnersatz-Abrechnung April 2008 und stellte die Auszahlung der Zahnersatz-Leistungen bis auf weiteres zurück:

Für den Monat April 2008 seien Zahnersatzabrechnungen über 66.950,80 EUR (ohne Reparaturen) eingereicht worden. Diesen Abrechnungen seien Konformi- tätserklärungen unter dem Briefkopf des Zahntechnikermeisters (ZTM) T1 beigefügt gewesen. Nach Erkenntnissen der Beklagten und ihr zwischenzeitlich vorliegenden Erklärungen hätten die Konformitätserklärungen jedoch nicht von ZTM T1 gestammt. Sie seien vielmehr unbefugterweise unter Verwendung seines Namens und seines Kopfbogens abgegeben worden. Somit lägen keine den Erfordernissen entsprechenden Konformitätserklärungen vor und die Voraussetzungen für die Abrechnung von Zahnersatz hätten daher nicht bestanden.

Konformitätserklärungen seien nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen den Abrechnungen der Zahnärzte u.a. für Zahnersatz beizufügen. Diese Konformitätserklärungen dienten der Sicherung der Qualität bei importiertem Zahnersatz. Zahnersatz sei Sonderanfertigung, die nach schriftlicher Verordnung eines entsprechend qualifizierten Arztes unter dessen Verantwortung nach spezifischen Auslegungsmerkmalen eigens angefertigt werde und zur ausschließlichen Anwendung bei einem namentlich genannten Patienten bestimmt sei. Darüber hinaus sei eine Dokumentation erforderlich, aus der die Auslegung, die Herstellung und die Leistungsdaten des Produkts einschließlich der vorgesehenen Leistung hervorgingen, sodass sich hiermit beurteilen lasse, ob es den Anforderungen dieser Richtlinien entspreche.

Soweit der Kläger nachträglich Konformitätserklärungen eingereicht habe, rechtfertige dies keine andere Beurteilung. Die Konformitätserklärungen seien bei Rechnungslegung beizufügen (vgl. § 87 Abs. 1a Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)). Die Kosten für Regelversorgungsleistungen seien mit dem Versicherten nach Bema und BEL II abzurechnen; auch dieser Rechnung sei die Erklärung beizufügen (vgl. Anlage 3 zum Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) bzw. Anlage 4 zum Ersatzkassen-Vertrag (EKV-Z)).

Zum Zeitpunkt der Abrechnung seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen. Weder seien der Beklagten mit der Abrechnung rechtsgültige Konformitätserklärungen eingereicht worden noch seien dem Versicherten solche Konformitätserklärungen mit der Rechnung ausgehändigt worden.

Hiergegen richtet sich die am 04.08.2008 erhobene Klage.

Der Kläger hält die Berichtigung für rechtswidrig.

Er lasse Zahnersatz zu einem wesentlichen Teil in China herstellen und habe mit dessen Beschaffung und Lieferung die Fa. T2 Dienstleistungen GmbH beauftragt. Den ausgelieferten Arbeiten habe die T2 GmbH jeweils eine sich auf die Arbeit beziehende Konformitätserklärung des ZTM T1 beigefügt.

Ende Mai 2008 habe der Kläger Hinweise erhalten, dass ZTM T1 die Auffassung vertrete, die Zusammenarbeit mit der T2 GmbH schon seit Monaten beendet zu haben und die T2 GmbH Konformitätserklärungen ohne seine - T1 - Zustimmung erstelle. Auf Bitte von Herrn C1, dem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer der Fa. T2 GmbH und ehemaligem Vorstandsvorsitzenden der N1A AG, habe er - der Kläger - der T2 GmbH bestätigt, dass der von ihr ausgelieferte Zahnersatz den grundlegenden Anforderungen gemäß Anhang VIII der Konformitätsrichtlinie entspreche. Sowohl durch Besuche der von der T2 GmbH genutzten Räumlichkeiten der N1A AG in X als auch des von ihr beauftragten Labors in T3/China habe er sich von den verwandten Materialien und den durchgeführten Qualitätskontrollen informiert und überzeugt. Diese seine Erklärung habe die T2 GmbH zusammen mit einer eigenen Sammelerklärung der Beklagten eingereicht. Wenn die Beklagte in der Sammelerklärung ein Problem

sehe, sei er bereit, individuelle Einzelkonformitätserklärungen erstellen zu lassen und nachzureichen. Mängel der Abrechnung hinderten nicht, diese nachträglich zu beheben und zu korrigieren.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 21.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2008 die Beklagte zu verpflichten, die für April 2008 eingereichte Zahnersatzabrechnung über 66.950,80 EUR abzurechnen und auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. "Bei Rechnungslegung" seien die entsprechenden Konformitätserklärungen beizulegen gewesen. Diesem Erfordernis habe der Kläger nicht genügt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese rechtmäßig sind.

Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung, die die Beklagte vorgenommen hat, ist § 19 lit. a) BMV-Z bzw. § 17 Abs. 1 EKV-Z. Danach obliegt es der Beklagten, die von den Vertragszahnärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen. Rechtsfehlerfrei hat die Beklagte auf dieser Grundlage die Zahnersatz-Abrechnung April 2008 korrigiert.

Gemäß § 87 Abs. 1a Sätze 2 ff. SGB V sind im Bundesmantelvertrag u.a. folgende Regelungen zu treffen: Im Heil- und Kostenplan sind Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes zu machen (Satz 4). Der Vertragszahnarzt hat bei Rechnungslegung eine Durchschrift der Rechnung des gewerblichen oder des praxiseigenen Labors über zahntechnische Leistungen und die Erklärung nach Anhang VIII der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. EG Nr. L 169 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung beizufügen (Satz 9).

Diese Vorgaben haben die Partner der Bundesmantelverträge entsprechend umgesetzt. Nach Nr. 6 der Anlage 3 zum BMV-Z bzw. Nr. 6 der Anlage 4 zum EKV-Z (Vereinbarung zwischen der KZBV und den Spitzenverbänden der Krankenkassen nach § 87 Abs. 1a SGB V über die Versorgung mit Zahnersatz) sind die Kosten für Regelversorgungsleistungen mit den Versicherten nach Bema und BEL II abzurechnen. Wählen Versicherte einen über die Regelversorgung gemäß § 56 Abs. 2 hinausgehenden gleichartigen Zahnersatz, haben sie die Mehrkosten gegenüber den in § 56 Abs. 2 Satz 10 aufgelisteten Leistungen selbst zu tragen. Diese werden nach GOZ/BEB in Rechnung gestellt. Der Rechnung ist eine Durchschrift der Rechnung des gewerblichen oder des Praxisla- bors über zahntechnische Leistungen und die Erklärung nach Anhang VIII der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte beizufügen (Konformitätserklärung). Für die zahntechnischen Leistungen ist darüber hinaus der Herstellungsort des Zahnersatzes mitzuteilen. Mit diesen bundesmantelvertraglichen Regelungen, welche für die Vertragszahnärzte verbindlich sind, ist hinreichend klargestellt, dass für Regelversorgungen und gleichartige Versorgungen mit Zahnersatz der Rechnung eine Konformitätserklärung beizufügen ist. Eine dahingehende Verpflichtung ergibt sich zudem aus § 9 des BEL II sowie Nr. 8 der Festzuschuss-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Wirksame Konformitätserklärungen sind der Abrechnung April 2008 hier nicht beigefügt worden.

Der ZTM T1 hat mit undatiertem Schreiben, bei der Beklagten am 23.04.2008 eingegangen, mitgeteilt, er habe ab Oktober 2007 keine Konformitätserklärungen für N1A geschrieben. An der inhaltlichen Richtigkeit dieses im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Schreibens bestehen keine Zweifel und sind auch von den Beteiligten nicht geäußert worden. Soweit unter den Namen des ZTM T1 ab Oktober 2007 Konformitätserklärungen bei der Beklagten vorgelegt worden sind, stammen diese jedenfalls nicht von ihm. Die Beklagte hat in ihrer Strafanzeige vom 25.04.2008 an die Staatsanwaltschaft Wuppertal im einzelnen auf die Unterschiede zwischen den von ZTM T1 erstellten (echten) Konformitätserklärungen und den unter seinem Briefkopf verwendeten (vermutlich gefälschten) Konformitätserklärungen hingewiesen. Diese bestehen in erster Linie darin, dass die echten Konformitätserklärungen des ZTM T1, die in Zusammenarbeit mit anderen Zahnärzten abgegeben wurden, eine sog. Konformitätserklärungs-Nummer beinhalten, die bei den Fälschungen fehlt. Darüber hinaus gibt ZTM T1 den Hersteller an, während in den Fälschungen "Herstel- lungsland China" vermerkt ist. Ferner sind die Fälschungen daran zu erkennen, dass unter dem Schriftzug "Konformitätserklärung für Sonderanfertigung" die zweite Zeile "nach § 6 Abs. 5 der MPV" etwas nach links verrutscht ist. Darüber hinaus wird ein unterschiedlicher Schrifttyp verwendet und die Telefon-Nummer ist im Ausdruck leicht in der Weise versetzt, dass sie durchgestrichen ist. Im Fuß weisen die gefälschten Erklärungen die im Original vorhandenen Hinweise "Eingangsprüfer" und "Ausgangsprüfer" nicht mehr auf. Von diesen Abweichungen hat sich die Kammer durch Einnahme des Augenscheins der divergierenden Konformitätserklärungen in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten selbst ein Bild verschafft.

Nur am Rande - und möglicherweise von Bedeutung für spätere Abrechnungsmonate - sei darauf hingewiesen, dass die Kammer auch die Konformitätserklärungen des ZTM C2 aus N2, der für die Fa. T2 GmbH ab ca. Mai 2008 tätig geworden ist, in Augenschein genommen hat. Dessen Erklärungen weisen sämtliche Merkmale der gefälschten Erklärungen des ZTM T1 auf und unterscheiden sich nur darin, dass sie mit seinem Briefkopf versehen sind. Der Fuß dieser Erklärungen weist jedoch nach wie vor den Ausstellungsort L1, also den Geschäftssitz des ZTM T1, und nicht den Geschäftssitz N2 des ZTM C2 aus.

Soweit die Fa. T2 GmbH als Bevollmächtigte des Herstellers (Art. 11 Ziffer 6 der Richtlinie) eine Konformitäts-Sammelerklärung abgegeben hat, reicht diese nicht aus. Konformitätserklärungen sind bei Rechnungslegung des Zahnarztes, auf jeden einzelnen Behandlungsfall bezogen, beizufügen. Sinn dieser gesetzlichen Bestimmung ist es, Abrechnungsmanipulationen mit zum Beispiel im Ausland hergestelltem Zahnersatz zu Lasten Versicherter und Krankenkassen entgegenzuwirken und eine Verbesserung der Transparenz im Hinblick auf die Qualität des Zahnersatzes zu bewirken (vgl. die Begründung zum Entwurf des GKV-Modernisierungsgesetzes in BT-Drucksache 15/1525, S. 104 zu Nr. 66). Eine pauschale Sammelerklärung ohne konkreten Bezug zum einzelnen Patienten, dass die zahntechnischen Sonderanfertigungen den im Anhang der Richtlinie benannten grundlegenden Anforderungen entsprechen, und das Angebot des Klägers, ggf. konkrete Konformitätserklärungen nachzureichen, sind nicht geeignet, Abrechnungsmanipulationen mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. Anderes mag gelten, wenn sehr zeitnah nach Aufdeckung der gefälschten Konformitätserklärungen von dem Zahnarzt vollständige Listen mit den Materialien nachgereicht werden, die sogleich einzelnen Patienten zuzuordnen sind. Dann ist - je nach den Verhältnissen im Einzelfall - die Gefahr manipulativen Verhaltens zu Lasten der Versicherten und der gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr als so gravierend anzusehen, dass der durch die gesetzliche Bestimmung bewirkte Totalverlust der Auszahlung von Festzuschüssen noch im Verhältnis zu dem der Regelung innewohnenden Zweck steht (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2007 - B 6 KA 29/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 37). Verhältnisse der letztgenannten Art liegen hier aber nicht vor.

Die sachlich-rechnerische Berichtigung der Beklagten ist danach nicht zu beanstanden. Den ihm hierdurch entstandenen Schaden mag der Kläger auf zivilrechtlichem Wege gegen die Verursacher geltend machen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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