L 7 AS 899/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 2939/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 899/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Januar 2009 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Rechtmäßigkeit der Absenkung der Regelleistung nach der Vorschrift des § 31 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der am 1952 geborene Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II; zuletzt wurden ihm mit Bescheid vom 20. August 2008 Leistungen zum Lebensunterhalt in Höhe von 351,- EUR monatlich für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009 bewilligt. Die Kosten der Unterkunft werden vom kommunalen Träger übernommen.

Am 16. August 2007 schloss der Kläger mit der Beklagten eine bis zum 16. August 2008 gültige Eingliederungsvereinbarung. Danach hatte sich der Kläger unter anderem zu bemühen, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den eigenen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten und an allen Maßnahmen zur Eingliederung mitzuwirken, insbesondere auch an von der Beklagten angebotenen Maßnahmen. Mit Schreiben vom 5. Mai 2008 wurde dem Kläger die Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme "Training 50+ mit Praktikum" in der Zeit vom 19. Mai 2008 bis 25. Juli 2008 angeboten. Zu dieser Trainingsmaßnahme erschien der Kläger nicht.

Mit Bescheid vom 30. Juni 2008 senkte die Beklagte daraufhin die Regelleistung des Klägers für die Zeit vom 1. August bis 31. Oktober 2008 um monatlich 30 v.H. ab. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2008 als unbegründet zurückgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe keinen wichtigen Grund für seine Nichtteilnahme an der angebotenen Trainingsmaßnahme nachgewiesen. Im Übrigen sei die angebotene Maßnahme für diesen sinnvoll gewesen, da sie mit einem Praktikum verbunden gewesen wäre. Im Sanktionszeitraum sei die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung nach § 48 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) teilweise aufzuheben gewesen.

Am 20. August 2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, der Sanktionsbescheid sei rechtswidrig. Zu der Zeit der Trainingsmaßnahme habe er in Eigenbemühungen an kostenfreien Seminaren und Schulungen teilgenommen und Fachzeitschriften studiert. Eine Teilnahme an der Trainingsmaßnahme hätte seine Eigenbemühungen gestört.

Mit Urteil vom 22. Januar 2009 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten den Kläger somit nicht in seinen Rechten. Die Absenkung der Regelleistung in der Zeit von August bis Oktober 2008 um 30 v.H. sei von der Bestimmung des § 31 Abs. 1 Nr. 1 lit. b SGB II gedeckt. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das dem Kläger durch Postzustellungsurkunde am 10. Februar 2009 zugestellte Urteil verwiesen.

Am 16. Februar 2009 hat der Kläger zur Niederschrift des SG "Berufung" eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt. Mit Verfügung des Senats vom 31. März 2009 ist der Kläger auf die beabsichtigte Verwerfung der Berufung durch Beschluss als unzulässig hingewiesen worden. Hierzu hat er sich nicht geäußert.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Januar 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. August 2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

II. Die Berufung des Klägers ist unzulässig.

Nach § 158 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden ist. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen (Satz 2 a.a.O.). Der Senat hat hiervon - auch unter Berücksichtigung des Gebots des fairen und effektiven Rechtsschutzes (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 158 Nr. 2) - nach dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht; er hat hierbei in seine Erwägungen mit einbezogen, dass der Kläger bereits erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 22. Januar 2009, bei der er zugegen war, Gelegenheit hatte, seinen Standpunkt darzulegen. Der Kläger hatte zudem im Rahmen des rechtlichen Gehörs Gelegenheit, sich zur Frage der Zulässigkeit der Berufung sowie der Möglichkeit der Verwerfung des Rechtsmittels durch Beschluss zu äußern.

Das als Berufung auszulegende, entsprechend § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Prozesshandlungen - so auch die Einlegung eines Rechtsmittels - sind entsprechend dem in § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden, wie er nach den äußerlich in Erscheinung getretenen Umständen verstanden werden musste, auszulegen (vgl. BSG SozR 4-1500 § 158 Nr. 2; BSG SozR 4-1500 § 151 Nr. 3; ferner Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27. August 2008 - 6 C 32/07 - NJW 2009, 162; s. auch Urteil des Senats vom 28. Januar 2009 - L 7 AS 712/08 -). Bei Auslegung der Prozesserklärung ist daher grundsätzlich nicht allein am Wortlaut zu haften, sondern anhand des maßgebenden objektiven Erklärungswerts zu würdigen, was der Beteiligte mit der Prozesshandlung erkennbar gemeint hat.

Unter Beachtung dieser Auslegungskriterien ist das zur Niederschrift des SG erhobene Rechtsmittel als Berufung zu werten. Der Kläger hat das Rechtsmittel ausdrücklich als "Berufung" bezeichnet. Seinem Vorbringen sind auch keinerlei Ausführungen zu entnehmen, die Rückschlüsse darauf zulassen würden, dass er einen der in § 144 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Divergenz, Verfahrensmangel) hätte geltend machen wollen; derartige Zulassungsgründe sind überdies auch sonst nicht ersichtlich. Die Gründe für die Zulassung der Berufung hatte das SG in der dem angefochtenen Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung im Übrigen zutreffend aufgeführt.

Der Kläger hat auch nicht zum Ausdruck gebracht, dass er ein anderes Rechtsmittel als die Berufung habe einlegen wollen; auf die Verfügung des Senats vom 31. März 2009 hat er nicht reagiert, obwohl er dort auf die fehlende Statthaftigkeit der Berufung mangels Erreichens des Berufungsstreitwerts hingewiesen worden war. Unter all diesen Umständen kann das vom Kläger eingelegte Rechtsmittel nicht als Nichtzulassungsbeschwerde ausgelegt werden, sondern muss - wie von ihm auch ausdrücklich formuliert - als Berufung verstanden werden. Diese Berufung ist indessen unzulässig, weil der Beschwerdewert nicht erreicht ist.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klage betrifft die Absenkung der Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II für den Zeitraum August bis Oktober 2008 um monatlich 105,30 EUR, insgesamt also um 315,90 EUR. Damit wird weder die Berufungssumme von 750,- EUR erreicht noch betrifft die Berufung Leistungen für mehr als ein Jahr.

Die Berufung des Klägers bedurfte nach allem der Zulassung; sie ist indes im Urteil des SG vom 22. Januar 2009 nicht zugelassen worden. Da eine Umdeutung des als Berufung auszulegenden Rechtsmittels des Klägers in eine Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) unzulässig ist (vgl. BSG SozR 3-1500 § 158 Nr. 1), und zwar selbst dann, wenn der Rechtsmittelführer - wie hier - nicht rechtskundig vertreten ist (vgl. BSG SozR 4-1500 § 158 Nr. 1), darf der Senat über die Zulassung der Berufung nicht selbst entscheiden.

Nach allem ist die Berufung unzulässig; dem Senat ist deshalb im vorliegenden Verfahren eine Prüfung des klägerischen Begehrens in der Sache verwehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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