L 5 KR 1120/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 4176/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1120/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.1.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (In-Vitro-Fertilisation - IVF), die am 28.1. bzw. 26.5.2004 vorgenommen wurden.

Bei der am 23.11.1965 geborenen Klägerin, die ebenso wie ihr Ehemann gesetzlich krankenversichert ist, besteht infolge eines beidseitigen Eileiterverschlusses Sterilität. Sie ließ deshalb folgende IVF-Behandlungen durchführen (vgl. SG-Akte S. 102):

Versuch/Behandlungsbeginn Ergebnis Leistungen der Beklagten 1.) 16.2.2003 erfolgreiche Eizellengewinnung/Befruchtung, aber keine Schwangerschaft ja 2.) 15.4.2003 erfolgreiche Eizellengewinnung/Befruchtung, aber keine Schwangerschaft ja 3.)15.6.2003 Erfolgreiche Eizellengewinnung/Befruchtung und Schwangerschaft, die in der 20. Woche in einem Spätabort endete ja 4.) 29.11.2003 erfolgreiche Eizellengewinnung/Befruchtung, aber keine Schwangerschaft, ja 5.) 28.1.2004 erfolgreiche Eizellengewinnung/Befruchtung, aber keine Schwangerschaft nein 6.) 26.5.2004 Erfolgreiche Eizellengewinnung/Befruchtung, und Zwillingsschwangerschaft, die aufgrund einer Infektion in einer "missed abortion" endete nein

Am 8.4.2004 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten einer IVF-Behandlung. Zur Begründung trug sie vor, eine Schwangerschaft könne bei ihr nur durch IVF herbeigeführt werden. Der dritte Versuch einer IVF im Juni 2003 sei erfolgreich gewesen; allerdings habe die Schwangerschaft in der 20. Schwangerschaftswoche vermutlich auf Grund einer Infektion mit einem Spätabort geendet und sie habe das Kind tot zur Welt bringen müssen. Wegen einer Fehlinformation zu bevorstehenden Gesetzesänderungen sei kurze Zeit nach der Fehlgeburt und damit wohl viel zu früh eine weitere IVF-Behandlung im Dezember 2003 unternommen worden; die Kosten für einen weiteren Versuch im Januar 2004 habe sie selbst aufgebracht. Mittlerweile habe sie von Mitgliedern ihrer Selbsthilfegruppe erfahren, dass die Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden könnten; einzelne Krankenkassen würden Fehlgeburten als klinische Schwangerschaften anerkennen und nach der Fehlgeburt die Kosten für drei weitere IVF-Versuche zur Hälfte tragen.

Dem Antrag der Klägerin war ein Behandlungs- und Kostenplan des IVF-Zentrums Ulm vom 6.4.2004 beigefügt. Darin ist ausgeführt, bei der Klägerin bestehe die Indikation Tubare Sterilität. Als Behandlungsmaßnahme sei eine IVF mit Embryotransfer geplant. Die Gesamtkosten der (erneuten) IVF betrügen schätzungsweise 2.990,62 EUR pro Zyklusfall.

Mit Bescheid vom 14.4.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, nach den ab 1.1.2004 geltenden Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (Künstliche BefruchtungsRL) sei der Leistungsanspruch generell auf drei IVF-Versuche begrenzt. Ausnahmen seien nicht vorgesehen. In Vorjahren durchgeführte IVF-Versuche würden angerechnet. Die Klägerin habe im Jahr 2003 bereits drei IVF-Versuche vorgenommen, weshalb der Leistungsanspruch erschöpft sei. Ein erneuter Anspruch bestehe (unbeschadet der übrigen Voraussetzungen des § 27a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) nur nach der Geburt eines Kindes. Das gelte auch für den Fall einer Totgeburt, nicht jedoch für eine Fehlgeburt (Abort). Die im Juni 2003 herbeigeführte Schwangerschaft habe aber zu einer Fehlgeburt geführt.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, dass nach einer Geburt bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 27a SGB V ein erneuter Anspruch auf drei weitere Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft bestehe. In den Künstliche BefruchtungsRL sei der Begriff "Geburt" nicht definiert. Deswegen könne man darunter sowohl eine Tot- wie eine Fehlgeburt verstehen. Nach Auskunft ihrer behandelnden Ärztin (Dr. R., IVF-Zentrum U.) werde in den meisten Krankenhäusern nicht zwischen Tot- und Fehlgeburten unterschieden. Auch der Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren vertrete die Auffassung, dass ein neuer Leistungsanspruch auf (weitere) drei IVF-Versuche entstehe, wenn eine klinische Schwangerschaft durch Fehlgeburt oder Eileiterschwangerschaft ende. Eine Schwangerschaft, die, wie bei ihr, in einem späten Stadium ende und bei der das Kind geboren werden müsse, könne mit einer frühzeitig eintretenden Fehlgeburt nicht verglichen werden. Sie habe ihre vollständig und zeitgemäß entwickelte Tochter seinerzeit tot zur Welt bringen müssen. Nur das geringere Geburtsgewicht mache den Unterschied zu einer Totgeburt aus. Es verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn die Beklagte die Kosten für weitere IVF-Versuche nicht übernehme.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4.6.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung dürften nur bei hinreichender Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft vorgenommen werden. Daran fehle es nach der seit 1.1.2004 geltenden Rechtslage, wenn bei dreimaliger Durchführung der IVF eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft nicht eingetreten sei. Ausnahmen seien nicht mehr vorgesehen. Bei der Klägerin hätten bislang vier IVF-Versuche zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung stattgefunden. Der dritte IVF-Versuch habe zu einer Schwangerschaft geführt, die jedoch mit einer Fehlgeburt geendet habe. Nur nach der Geburt eines Kindes entstehe ein neuer Anspruch auf Gewährung von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung. Unter "Geburt" sei dabei die Lebend- oder Totgeburt zu verstehen. Nach § 29 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzs (PersStdGAV) liege eine Lebendgeburt vor, wenn bei einem Kind nach der Scheidung vom Mutterleib entweder das Herz geschlagen, die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung eingesetzt habe. Sei all das nicht der Fall gewesen und betrage das Gewicht der Leibesfrucht mindestens 500 Gramm, gelte die Geburt als Totgeburt. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weshalb ein neuer Leistungsanspruch nicht entstanden sei.

Ein Antrag des Ehemannes der Klägerin auf Übernahme der Kosten der IVF-Behandlung wurde von dessen Krankenkasse (ebenfalls) abgelehnt (Bescheid vom 2.7.2004, Verwaltungsakte S. 20).

Am 2.7.2004 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Sie trug vor, im Hinblick darauf, dass nach der im Jahr 2003 geltenden Rechtslage (noch) die Kosten für vier IVF-Versuche übernommen worden seien, habe sie sich nach dem Spätabort im Oktober 2003 entschlossen, im Dezember 2003, also bereits im nächstmöglichen Zyklus nach der Fehlgeburt, einen vierten IVF-Versuch zu unternehmen; auch dieser habe jedoch nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Sie habe sodann bei der Beklagten nachgefragt, ob ihr nicht drei weitere IVF-Versuche gewährt werden könnten. Dies sei unter Hinweis auf die neue Gesetzeslage auf telefonische Nachfrage von der Mitarbeiterin der Beklagten B. verneint worden, weshalb sie einen weiteren Versuch im Januar 2004 auf eigene Kosten habe durchführen lassen.

Nachdem sie von Mitgliedern ihrer Selbsthilfegruppe erfahren habe, dass andere Krankenkassen weitere IVF-Versuche nach Fehlgeburten gewährt hätten, habe sie Dr. R. konsultiert. Diese habe hinreichende Erfolgsaussichten für den Eintritt einer Schwangerschaft bestätigt, da der dritte IVF-Versuch zu einer klinischen Schwangerschaft geführt habe. Die Beklagte habe den Leistungsantrag daher zu Unrecht abgelehnt. Dass die auf den dritten IVF-Versuch eingetretene Schwangerschaft durch Fehlgeburt geendet habe, sei unerheblich. Die von der Beklagten vorgenommene Unterscheidung zwischen Tot- und Fehlgeburten sei willkürlich, da 18 Prozent aller Schwangerschaften statistisch durch Fehlgeburt endeten. Viele Frauen brächten nach einer Fehlgeburt (oder nach einer Totgeburt) weitere gesunde Kinder zur Welt; deshalb sei es abwegig, hinreichende Erfolgsaussichten für eine Schwangerschaft nach Fehlgeburten abzulehnen. Sie habe (im Oktober 2003) das Kind wegen des fortgeschrittenen Schwangerschaftsstadiums gebären müssen. Der einzige Unterschied zwischen dem Spätabort, den sie erlitten habe, und einer Totgeburt bestehe im geringeren Geburtsgewicht, das die (im Personenstandsrecht festgelegte) Grenze von 500 Gramm noch nicht überschritten habe. Sie empfinde es als (mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare) Bestrafung, wenn ihr nach dem Verlust des Kindes nun auch noch das Recht auf eine weitere Schwangerschaft verwehrt werde.

Für die Gewährung von IVF-Behandlungen sei gem. § 27a SGB V ausschlaggebend, ob hinreichende Erfolgsaussichten auf eine Schwangerschaft, nicht auf die Geburt des Kindes, bestünden. Bei ihr sei es aber nach dem dritten IVF-Versuch zu einer Schwangerschaft gekommen. Dass diese mit einer Fehlgeburt geendet habe, sei unerheblich. Diese Auffassung hätten die Spitzenverbände der Krankenkassen bis zum Dezember 2003 geteilt. Sie habe nach der seit 2004 geltenden Rechtslage noch die Übernahme von 50% der Kosten zweier weiterer IVF-Versuche zu beanspruchen. Nachdem die Beklagte den Leistungsantrag abgelehnt habe, habe sie zwei IVF-Versuche - im Januar/Februar 2004 und im Mai 2004 - auf eigene Kosten durchführen lassen. Der letzte Versuch, der dritte Versuch nach der Fehlgeburt, sei erfolgreich gewesen; sie sei bereits wieder schwanger. Damit sei widerlegt, dass hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne des § 27a SGB V nicht vorlägen. Angesichts ihres Alters sei ihr nicht zuzumuten, mit weiteren IVF-Behandlungen bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung abzuwarten, da die Erfolgsaussichten für eine Schwangerschaft abnähmen und für IVF-Behandlungen eine Altersgrenze von 40 Jahren vorgeschrieben sei.

Zwar bestehe nach Ziffer 2 der Künstliche BefruchtungsRL nach der Geburt eines Kindes ein erneuter Anspruch, dies gelte jedoch nicht nur für Lebendgeburten. Dass nur nach einer Totgeburt, nicht jedoch nach einer Fehlgeburt neue Ansprüche auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung entstehen könnten, hätten lediglich die Spitzenverbände der Krankenkassen in Besprechungen festgelegt (Besprechungsniederschrift SG-Akte S. 57). Diese Rechtsauffassung werde (u. a.) vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) für unzutreffend erachtet (vgl. ein Schreiben des GBA vom 12.12.2001, SG-Akte S. 38). Insoweit sei auch auf das Urteil des BSG vom 3.4.2001 (- B 1 KR 40/00 R -) hinzuweisen, wonach die erfolgreiche Durchführung der künstlichen Befruchtung beim ersten Kind die erneute Gewährung entsprechender Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht ausschließe; einschlägig sei auch ein Urteil des VG Stuttgart (- 17 K 2917/04 -, SG-Akte S. 77). Weder im Gesetz noch in Künstliche BefruchtungsRL sei festgelegt, dass die Durchführung einer künstlichen Befruchtung nicht erfolgreich sei, wenn die Schwangerschaft in einer Fehlgeburt ende. Eine Schwangerschaft sei als solche zu bewerten, unabhängig davon, ob sie zu einer Fehl-, Tot- oder Lebendgeburt führe. Die Praxis der Krankenkassen sei insoweit keineswegs einheitlich. Sowohl nach der vor dem 1.1.2004 wie nach der nunmehr geltenden Rechtslage setze der Leistungsanspruch nur voraus, dass eine hinreichende Aussicht auf die Herbeiführung einer Schwangerschaft bestehe. Vor dem 1.1.2004 seien hinreichende Erfolgsaussichten erst nach vier erfolglosen IVF-Versuchen verneint worden, während nunmehr (bereits) drei Versuche genügten. Bei ihr habe sich im dritten Versuch insoweit ein Erfolg eingestellt, als sie schwanger geworden sei. Dass sie das Kind in der 20. Schwangerschaftswoche verloren habe, sei unbeachtlich. Daher hätten ihr drei neue IVF-Versuche gewährt werden müssen.

Die Unterscheidung von Fehl- und Totgeburt sei unhaltbar. Nach den maßgeblichen Richtlinien des GBA bestünden hinreichende Erfolgsaussichten dann nicht mehr, wenn die Behandlungsmaßnahme vollständig durchgeführt worden sei, ohne dass eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft eingetreten sei. Auch im gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 26.9.1990 sei festgehalten, dass nach einer durch eine erfolgreiche künstliche Befruchtung herbeigeführten Schwangerschaft erneut ein Leistungsanspruch bestehe (SG-Akte S. 92 ff.). Demzufolge seien in der Vergangenheit auf eine durch Fehlgeburt endende klinische Schwangerschaft auch weitere drei bzw. vier IVF-Versuche bewilligt worden. Die davon abweichende (neue) Praxis der Beklagten beruhe offenbar auf einer Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen vom Dezember 2003. In der Niederschrift dieser Besprechung (SG-Akte S. 57) werde ohne weitere Begründung ausgeführt, ein erneuter Anspruch auf Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung bestehe allenfalls nur nach Totgeburten, indessen nicht mehr nach Fehlgeburten. Für diese Unterscheidung finde sich aber weder in § 27a SGB V noch in der Begründung des einschlägigen Gesetzentwurfs (SG-Akte S. 117) ein Anhaltspunkt. Wollte man auf die Geburt, und nicht auf die Schwangerschaft in Verbindung mit einer Fehlgeburt abstellen, wäre die Differenzierung zwischen Totgeburt und Fehlgeburt auch mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. In beiden Fällen sei es zu einer erfolgreichen Befruchtung und zur Entwicklung des Embryos gekommen. Die vielfältigen Gründe für die Beendigung der Schwangerschaft könnten nicht maßgeblich sein. Bei ihr habe sich die Schwangerschaft außerdem in einem weit fortgeschrittenen Stadium befunden; das Kind sei vollständig entwickelt gewesen und habe von ihr zur Welt gebracht werden müssen. Die Technikerkrankenkasse habe im Übrigen ihre Rechtsauffassung mittlerweile geändert und halte an dem genannten Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen nicht mehr fest (SG-Akte S. 127).

Die Klägerin legte zur weiteren Begründung ihrer Klage das Attest des Dr. F. vom 23.6.2004 vor. Darin wird bestätigt, dass bei der Klägerin im Jahr 2003 eine klinische Schwangerschaft (Zustand nach Sterilitätsbehandlung mit Embryotransfer am 2.7.2003) bestanden habe, bei der es im weiteren Verlauf zu einem Spätabort in der 20. Schwangerschaftswoche nach einem vorzeitigen Blasensprung gekommen sei (SG-Akte S. 10). Vorgelegt wurde weiter ein an die Beklagte gerichtetes - in den Verwaltungsakten nicht vorhandenes - Schreiben der Klägerin vom 10.5.2004, in dem die Klägerin darauf hinweist, dass sie bis kommender Woche mit der Behandlung beginnen bzw. sich die Medikamente besorgen müsse, da die Behandlung andernfalls im aktuellen Zyklus nicht mehr durchgeführt werden könne; sie schlage vor, bei nicht rechtzeitiger Entscheidung über den Widerspruch, Belege über die Kosten der Medikamente nachträglich einzureichen.

Die Klägerin legte schließlich eine Übersicht zu den durchgeführten IVF-Behandlungen (SG-Akte S. 102), eine Bescheinigung des IVF-Zentrums Ulm (SG-Akte S. 114: Chancen für eine erneute Schwangerschaft würden als sehr gut eingeschätzt) sowie ein weiteres, an das Sozialgericht Regensburg gerichtetes Schreiben des GBA vom 8.10.2004 zur Auslegung der Künstliche BefruchtungsRL (SG-Akte S. 115) vor. Im letztgenannten Schreiben ist ausgeführt, nach dem Wortlaut des § 27a Abs. 1 SGB V sollten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung dazu dienen, eine klinische Schwangerschaft herbeizuführen. Insoweit orientiere sich die Frage nach dem Erfolg oder Misserfolg derartiger Maßnahmen ausschließlich an dem Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Schwangerschaft. Folglich umfasse der Begriff der Geburt im Sinne der Nr. 2 Satz 3 Künstliche BefruchtungsRL Lebend-, Tot- und Fehlgeburten gleichermaßen, da sie alle das Ende einer mit der künstlichen Befruchtung angestrebten Schwangerschaft bilden könnten. Insoweit stehe insbesondere eine Fehlgeburt einem erneuten Anspruch auf Herbeiführung einer Schwangerschaft durch künstliche Befruchtung nicht entgegen. Diese Rechtsauffassung widerspreche dem Besprechungsergebnis der Krankenkassenspitzenverbände vom 1./2.12.2003. Deren Auffassung finde allerdings weder im Gesetz noch in den Künstliche BefruchtungsRL eine Stütze. Sie sei auch nicht Inhalt eines Beschlusses des GBA.

Die Beklagte trug vor, nach § 27a SGB V und den Künstliche BefruchtungsRL bestünden hinreichende Erfolgsaussichten für IVF-Behandlungen nicht, wenn IVF-Maßnahmen dreimal ohne klinisch nachgewiesene Schwangerschaft durchgeführt worden seien. Bei der Klägerin seien bislang vier IVF-Versuche zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung vorgenommen worden. Bei dem dritten Versuch sei es zu einer Schwangerschaft gekommen, die durch Fehlgeburt geendet habe. Bei drei der vier Versuche sei keine Schwangerschaft eingetreten. Ein neuer Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung (neuer Versicherungsfall) entstehe nur nach der Geburt eines Kindes. Diese Voraussetzung erfülle die Klägerin nicht. Die potenzielle Möglichkeit, durch Maßnahmen der künstlichen Befruchtung schwanger werden zu können, genüge für die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) liege nicht vor. Ein erneuter vollständiger Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung bestehe nur im Rahmen eines neuen Kinderwunsches als neuem Behandlungsfall. Da dieser erst vorliegen könne, wenn ein bestehender Kinderwunsch durch die (Tot-)Geburt eines Kindes (Person) "befriedigt" worden sei, könne die Klägerin weitere Leistungen der künstlichen Befruchtung nicht beanspruchen. Der Klägerin stünden je Kinderwunsch IVF-Behandlungen mit bis zu drei erfolglosen Versuchen zu. Ein neuer Kinderwunsch (Versicherungsfall) bestehe nur nach der Geburt einer Person i. S. des PStG. Als erfolglos gälten IVF-Versuche, die nicht zu einer Schwangerschaft geführt hätten. Erfolgreiche, also zu einer Schwangerschaft führende Versuche, dürften nicht auf die Höchstzahl der erfolglosen Versuche (drei) angerechnet werden. Die Argumentation des GBA, der vom Begriff der Schwangerschaft auf die Auslegung des Geburtsbegriffs überleite, sei fehlerhaft. Bei der Klägerin seien bis Dezember 2003 drei Versuche der künstlichen Befruchtung durchgeführt worden, ohne dass es zu einer Schwangerschaft gekommen sei, weshalb hinreichende Erfolgsaussichten für weitere Behandlungsversuche nicht vorgelegen hätten. Erst wenn der Kinderwunsch durch die Geburt einer Person (im Sinne des Personenstandsrechts) befriedigt worden sei, könne mit neuen IVF-Versuchen begonnen werden; erst dann liege ein neuer Kinderwunsch bzw. ein neuer Versicherungsfall nach § 27a SGB V vor. Hierfür stütze man sich auch auf Nr. 2 Satz 3 Künstliche BefruchtungsRL. Davon abgesehen trage der Leistungsantrag das Datum des 7.4.2004, während die streitigen IVF-Behandlungen im Januar beziehungsweise Mai 2004 aufgenommen worden seien. Die Klägerin habe damit auch den in § 13 Abs. 3 SGB V vorausgesetzten Beschaffungsweg nicht eingehalten, da ein Verwaltungsakt über die Ablehnung des Leistungsbegehrens nicht ergangen sei.

Die Klägerin trug hierzu vor, richtig sei, dass sie erst nach Abschluss des streitigen IVF-Versuchs einen erneuten Leistungsantrag gestellt habe. Unabhängig davon habe sie aber bereits im Januar (2004) mit der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten (Frau B., SG-Akte S. 138) telefoniert und eingehend erörtert, ob ihr nach Eintritt einer klinischen Schwangerschaft weitere IVF-Versuche zustünden. Dies sei bei dem Telefongespräch kategorisch verneint worden, weshalb an der Haltung der Beklagten keine Zweifel hätten bestehen können. Deswegen habe sie den IVF-Versuch im Januar 2004 auf eigene Kosten vorgenommen. Sie habe sich die Leistung also deswegen beschafft, weil die Beklagte eine Leistungspflicht auf konkrete Nachfrage abgelehnt habe.

Mit Beschluss vom 15.11.2005 (SG-Akte S. 162) änderte der GBA die Künstliche BefruchtungsRL. In den tragenden Gründen des Beschlusses (SG-Akte S. 159) ist ausgeführt, bislang sei offen geblieben, ob nach einem erfolgreichen, also zu einer klinisch nachgewiesenen Schwangerschaft führenden Versuch ein erneuter Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung bis zur jeweiligen Höchstzahl bestehe. Eine solche Betrachtungsweise würde bedeuten, dass nur dann weitere Versuche nicht beansprucht werden könnten, wenn unmittelbar hintereinander eine der jeweiligen Höchstzahl entsprechende Anzahl von Versuchen erfolglos geblieben wäre. Dies könne zu einer Endlosschleife führen. Daher werde mit dem Änderungsbeschluss klargestellt, dass immer dann, wenn die Gesamtzahl erfolgloser Versuche, nicht unbedingt unmittelbar hintereinander, die jeweilige Höchstzahl erreicht habe, kein Anspruch auf weitere Maßnahmen der künstlichen Befruchtung bestehe.

Die Klägerin trug hierzu abschließend vor, nach der nunmehr maßgeblichen Zählweise stünde ihr ein Leistungsanspruch nicht zu. Die Änderung der Künstliche BefruchtungsRL habe indessen keine Auswirkungen auf das vorliegende Verfahren. Außerdem sei fraglich, ob der Beschluss des GBA vom 15.11.2005 tatsächlich nur eine Konkretisierung ausspreche oder ob er eine neue Rechtslage geschaffen habe. Werde eine insgesamt 14 Jahre praktizierte Zählweise geändert, könne man nicht von bloßer Konkretisierung sprechen.

In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts vom 23.1.2008 gab die Klägerin an, sie habe im Dezember 2005 im Wege der IVF zwei Kinder zur Welt gebracht. Im Vorfeld der im Januar 2004 vorgenommenen IVF-Behandlung habe sie mit der Beklagten telefonische Rücksprache gehalten. Dabei sei ihr mitgeteilt worden, weitere Maßnahmen der künstlichen Befruchtung würden nicht mehr übernommen.

Mit Urteil vom 23.1.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte habe die Erstattung der Kosten für von der Klägerin beschafften IVF-Behandlung zu Recht abgelehnt. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Durchführung der Behandlung habe keine hinreichende Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft bestanden (§ 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Hinreichende Erfolgsaussichten lägen nicht vor, wenn die Maßnahme dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden sei. Vor den im Januar und Mai vorgenommenen IVF-Behandlungen habe die Klägerin insgesamt vier Behandlungsversuche durchgeführt, von denen drei unstreitig nicht zu einer Schwangerschaft geführt hätten. Diese erfolglosen Versuche schlössen die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten auf Herbeiführung einer Schwangerschaft aus. Daran ändere es nichts, dass am 15.6.2003 tatsächlich eine Schwangerschaft eingetreten sei. Es komme nämlich auf eine prognostische Einschätzung an, bei der die vor Eintritt einer Schwangerschaft erfolglos vorgenommenen IVF-Behandlungen nicht unberücksichtigt bleiben dürften. Insoweit sei auch unerheblich, dass die Klägerin einmal schwanger geworden sei. Zwar sei der Beschluss des GBA vom 15.11.2005 erst nach der hier streitigen Behandlungsmaßnahme in Kraft getreten und deshalb ohne Belang. Allerdings folge aus den tragenden Gründen dieses Beschlusses, dass die Rechtsauffassung der Klägerin (nach Ansicht des GBA) zu einer Endlosschleife (von Behandlungen) führen würde. Deshalb müsse mit dem GBA auf die Gesamtzahl der erfolglos gebliebenen IVF-Versuche abgestellt werden. Im Hinblick darauf werde die Ausschlussregelung des § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V dahingehend ausgelegt, dass hinreichende Erfolgsaussichten dann nicht mehr bestünden, wenn insgesamt - ungeachtet zwischenzeitlich ggf. eingetretener Schwangerschaften - drei erfolglose IVF-Versuche durchgeführt worden seien. Dies entspreche auch dem Zweck der zum 1.1.2004 erfolgten Gesetzesänderung. Damit habe der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, die Ausgaben für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zu begrenzen (BT-Drs. 15/1525, Teil B zu Nr. 14). Außerdem berücksichtige diese Auslegung, dass die Erfolgsaussichten einer IVF-Behandlung mit der Zahl erfolgloser Versuche deutlich zurückgingen (vgl. auch BR-Drs. 65/90 S. 34). Bei Vornahme der IVF-Behandlungen im Januar und Mai 2004 sei die Höchstzahl erfolgloser Versuche (drei) bereits erreicht gewesen. Damit habe es für die erneuten IVF-Versuche an hinreichenden Erfolgsaussichten gefehlt. Dass es doch noch zu einer Schwangerschaft gekommen sei, sei für die hier maßgebliche prognostische Betrachtung nicht ausschlaggebend.

Auf das ihr am 5.2.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5.3.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend und bekräftigend vor, bei den streitigen Behandlungsversuchen handele es sich um die Versuche Nr. 5 und 6. Im Jahr 2003 habe sie bereits insgesamt vier Behandlungsversuche unternommen, von denen die ersten beiden erfolglos geblieben seien, während der dritte Versuch zu einer Schwangerschaft geführt habe. Dieser habe, wie bereits vorgetragen, in der 20. Woche geendet; sie habe einen vollständig entwickelten Fötus im Rahmen einer eingeleiteten Geburt tot zur Welt bringen müssen. Die Versuche vier und fünf seien ebenfalls erfolglos geblieben, während der sechste Versuch wieder zu einer Schwangerschaft geführt habe. Auch diese habe allerdings frühzeitig geendet. Mittlerweile sei sie infolge einer 7. IVF-Behandlung Mutter von Zwillingen.

Gem. Nr. 8 Künstliche BefruchtungsRL in der bei Durchführung der streitigen IVF-Behandlung bzw. bei Klagerhebung noch geltenden Fassung hätten hinreichende Erfolgsaussichten für eine Kinderwunschbehandlung dann nicht mehr bestanden, wenn die jeweilige Behandlungsmaßnahme bis zu dreimal durchgeführt worden sei, ohne dass es zu einer klinisch nachgewiesenen Schwangerschaft gekommen sei. In der Vergangenheit hätten die Krankenkassen nach Eintritt einer klinischen Schwangerschaft drei neue IVF-Versuche bewilligt, ohne zwischen Lebend-, Tot- oder Fehlgeburten zu unterscheiden. Maßgeblich sei allein die Herbeiführung der Schwangerschaft, nicht jedoch deren Ausgang gewesen. Weitere IVF-Leistungen seien nur dann versagt worden, wenn es dreimal in Folge nicht zu einer Schwangerschaft gekommen sei. Nach dieser Bewilligungspraxis hätte sie Anspruch auf drei weitere Behandlungsversuche gehabt, da der dritte Versuch seinerzeit zu einer Schwangerschaft geführt habe. Wie aus der Gesetzesbegründung zu § 27a SGB V (BT-Drs. 11/6760, Senatsakte S. 12) hervorgehe, habe der Gesetzgeber eine Begrenzung der Behandlungsversuche nicht gewollt. Dem entspreche auch das gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 29.6.1990. Der GBA habe seinerzeit die gleiche Rechtsauffassung vertreten und klargestellt, dass der Leistungsanspruch nicht auf drei Versuche insgesamt beschränkt werden solle. Maßgeblich solle außerdem nicht der Ausgang der Schwangerschaft, sondern nur deren Herbeiführung sein (vgl. Schreiben des GBA vom 6.5.2004, Senatsakte S. 14). Im Zeitpunkt der Leistungserbringung hätten ihr daher drei neue IVF-Versuche gewährt werden müssen.

Das Sozialgericht habe zu Unrecht auf den Beschluss des GBA vom 15.11.2005 abgestellt. Darin seien die Künstliche BefruchtungsRL geändert worden und es bestehe nunmehr kein Behandlungsanspruch mehr, wenn insgesamt drei erfolglose Behandlungsversuche vorgenommen worden seien. Diese Versuche müssten nicht notwendig hintereinander stattgefunden haben. Allerdings würden IVF-Versuche, die zu einer klinischen Schwangerschaft geführt hätten, nicht als erfolglos mitgezählt. Das Sozialgericht habe die Neufassung der Künstliche BefruchtungsRL zur Auslegung des § 27a SGB V herangezogen und damit letztendlich angewendet, obwohl bei Durchführung der streitigen IVF-Behandlung im Jahr 2004 noch eine andere Richtlinienfassung gegolten habe. Das sei nicht zulässig. Der Gesetzgeber selbst habe auf die vom GBA als Begründung der Richtlinienänderung herangezogene Gefahr einer Endlosschleife von IVF-Behandlungen nicht abgestellt. Diese Gefahr bestehe angesichts der bei den Patientinnen verbleibenden (Teil-)Kostenbelastung und angesichts der körperlichen und psychischen Belastungen durch die IVF-Behandlung in Wahrheit auch nicht. Schließlich sei erneut darauf zu verweisen, dass sie nach dem dritten Behandlungsversuch 20 Wochen schwanger gewesen sei und das Gewicht des tot geborenen Fötus die für die Annahme einer Totgeburt nach dem PStG maßgebliche Grenze von 500 Gramm nur geringfügig unterschritten habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.1.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 14.4.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2004 zu verurteilen, ihr für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung im Januar bzw. Mai 2004 aufgewandte Kosten in Höhe von 3.562,80 EUR zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, der hier streitigen IVF-Behandlung seien vier IVF-Versuche im Jahr 2003 vorausgegangen, deren Kosten übernommen worden seien. Nur einer dieser Versuche habe zu einer Schwangerschaft geführt, die jedoch nicht mit der Geburt eines Kindes im Sinne der Künstliche BefruchtungsRL geendet habe. Daher sei ein erneuter vollständiger Leistungsanspruch nicht entstanden. Der zu einer Schwangerschaft führende Versuch werde lediglich nicht auf die in § 27a SGB V und der Künstliche BefruchtungsRL genannte Höchstzahl von drei erfolglosen Behandlungsversuchen angerechnet. Außerdem habe die Klägerin die IVF-Behandlungen selbst beschafft, ohne eine Entscheidung über die Leistungsgewährung abzuwarten.

Die Klägerin hat noch einen von ihr am 21.8.2008 verfassten Vermerk über ein Telefonat mit der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau B., vom Januar 2004 vorgelegt (Senatsakte S. 40). Darin ist ausgeführt, sie (die Klägerin) habe vor Beginn des 5. Versuches, der am 28.1.2004 aufgenommen worden sei, bei der Beklagten angerufen und Frau B. geschildert, dass sie im dritten Versuch schwanger geworden sei, jedoch einen Spätabort erlitten habe. Im Hinblick darauf wolle sie anfragen, ob wegen des Eintritts der Schwangerschaft ein erneuter Anspruch auf weitere Behandlungsmaßnahmen bestehe. Frau B. habe dies vehement verneint und außerdem auf die Gesetzesänderung zum 1.1.2004 hingewiesen. Sie (die Klägerin) habe noch nachgefragt, ob es eine Möglichkeit zur Beschwerde gebe. Daraufhin habe Frau B. gesagt, das habe keinen Zweck. Von dem Erfordernis einer förmlichen Antragstellung sei nicht die Rede gewesen.

Die Klägerin trägt hierzu ergänzend vor, sie sei davon ausgegangen, dass jedes weitere Vorgehen zwecklos sei. Deshalb habe sie den nächsten Behandlungsversuch als Selbstzahler unternommen. Erst nachdem sie infolge eines Arztwechsels erfahren habe, dass manche Krankenkassen nach Fehlgeburten weitere IVF-Versuche genehmigten, habe sie auf ärztlichen Rat für den nächsten Versuch einen Kostenantrag gestellt, der sodann abgelehnt worden sei.

Die Beklagte trägt abschließend vor, infolge des Zeitablaufs und mangels schriftlicher Dokumentation könne zum Inhalt des Telefongesprächs zwischen der Klägerin und Frau B. nichts Näheres mitgeteilt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei einem Beschwerdewert von 3.562,80 EUR ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat die Erstattung der Kosten für im Jahr 2004 durchgeführte Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind die Bestimmungen der § 2 Abs. 2 Satz 1, 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen. Kostenerstattung findet nur statt, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist. Hierfür kommt insbesondere die Regelung in § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V betrifft die Kostenerstattung bei hier unstreitig nicht in Rede stehenden unaufschiebbaren (Notfall-)Leistungen (dazu näher etwa Senatsurteil vom 22.11.2006, - L 5 KR 1015/06 -). Im Übrigen sind dem Versicherten gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V die Kosten für eine selbst beschaffte Leistung zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war und die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Aus Wortlaut und Zweck dieser Vorschrift folgen Vorgaben für den Beschaffungsweg bei selbst beschafften Leistungen. Zwischen der rechtswidrigen Ablehnung der Leistung und der Kostenlast des Versicherten muss ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 20.5.2003 - B 1 KR 9/03 R -; Urteil vom 19.2.2003 - B 1 KR 18/01 R -). Der Erstattungsanspruch ist daher ausgeschlossen, wenn der Versicherte vor der Inanspruchnahme bzw. Beschaffung der Leistung nicht die Entscheidung der Krankenkasse über deren Gewährung abgewartet hat. Das Abwarten (auch) der Entscheidung über einen gegen die Leistungsablehnung eingelegten Widerspruch ist in der Regel aber nicht notwendig (BSG, Urt. v. 23.7.2002, - B 3 KR 66/01 R -).

Davon ausgehend hat die Klägerin den in § 13 Abs. 3 SGB IV vorausgesetzten Beschaffungsweg jedenfalls für die IVF-Behandlung am 26.5.2004 eingehalten. Sie hat am 8.4.2004 einen entsprechenden Antrag gestellt und am 14.4.2004 den Ablehnungsbescheid der Beklagten erhalten, gegen den sie sogleich Widerspruch eingelegt hat. Ob die Klägerin für die IVF-Behandlung im Januar 2004 die Leistung zuvor bei der Beklagten hätte beantragen müssen, kann der Senat offenlassen. Ausgehend von ihrer Rechtsauffassung, wonach ihr drei weitere IVF-Versuche nach der 20-wöchigen Schwangerschaft von Juni bis Oktober 2003 zustehen, hätte sie diesen Anspruch bei einem Vertragsarzt und damit innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung realisiert. Indes bedarf es zu diesem Punkt weder längerer Darlegungen noch weiterer Ermittlungen des Senats. Denn die Klägerin hatte schon im Januar 2004 keinen Anspruch auf weitere IVF-Behandlungen auf Kosten ihrer Krankenkasse.

Die Beklagte hat die Gewährung der im Januar bzw. Mai 2004 durchgeführten Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nicht zu Unrecht abgelehnt.

Rechtsgrundlage des Leistungsbegehrens ist § 27a Abs. 1 SGB V in der ab 1.1.2004 geltenden Gesetzesfassung. Danach umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Voraussetzung ist u. a nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 dieser Vorschrift, dass nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist. § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz hatte in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20.12.1988 (BGBl.I S. 2477) den Wortlaut "eine hinreichende Aussicht besteht in der Regel nicht mehr, wenn die Maßnahme viermal ohne Erfolg durchgeführt worden ist".

Gem. § 27a Abs. 4 SGB V bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 SGB V die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach § 27a Abs. 1 SGB V.

Für den hier streitigen Zeitraum im Jahre 2004 bestimmte die zu der bis zum 31.12.2003 gültigen Fassung des § 27a SGB V ergangene Künstliche Befruchtungs RL im Kapitel "Leistungsvoraussetzungen" unter Nr. 2 Satz 3:"Nach Geburt eines Kindes besteht, sofern die sonstigen Voraussetzungen nach diesen Richtlinien gegeben sind, erneut ein Anspruch auf Herbeiführung einer Schwangerschaft durch künstliche Befruchtung". Weiter bestimmte sie in Nr. 8 Abs. 1 dass eine hinreichende Erfolgsaussicht für die jeweiligen Behandlungsmaßnahmen dann nicht besteht, wenn sie bei der In-vitro-Fertilisation (Nr. 10.3 der Richtlinien) bis zu drei Mal vollständig durchgeführt wurden, ohne dass eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft eingetreten ist.

Die Neufassung der Künstliche Befruchtungs RL mit Beschlusses vom 15.11.2005, (BAnz Nr. 31 S. 922) hat die Regelung in Nr. 2 Satz 3 unverändert beibehalten, in Nr. 8 Abs. 1 wurde jedoch folgender Satz 3 eingefügt: "Sofern eine klinische nachgewiesene Schwangerschaft eingetreten ist, ohne dass es nachfolgend zur Geburt eines Kindes gekommen ist, wird dieser Behandlungsversuch nicht auf die vorstehende Anzahl angerechnet" (Nr. 8 Satz 3 Künstliche BefruchtungsRL).

In den tragenden Gründen des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 15.11.2005 (SG-Akte S. 159) ist hierzu ausgeführt, bislang hätten die Künstliche BefruchtungsRL offen gelassen, ob nach einem erfolgreichen, also zu einer klinisch nachgewiesenen Schwangerschaft führenden, Versuch ein erneuter Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung bis zur jeweiligen Höchstzahl bestehe. Eine solche Betrachtungsweise würde bedeuten, dass nur dann weitere Versuche nicht beansprucht werden könnten, wenn unmittelbar hintereinander eine der jeweiligen Höchstzahl entsprechende Anzahl von Versuchen erfolglos geblieben wäre. Dies könne zu einer "Endlosschleife" führen. Deshalb werde nunmehr klargestellt, dass immer dann, wenn die Gesamtzahl erfolgloser Versuche - nicht unbedingt unmittelbar hintereinander - die jeweilige Höchstzahl erreicht habe, kein Anspruch auf weitere Maßnahmen der künstlichen Befruchtung bestehe. Nur erfolgreiche Versuche seien nicht auf die jeweilige Höchstzahl anzurechnen.

Mit der Richtlinienermächtigung des § 27a Abs. 4 SGB V ist dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Befugnis verliehen, "medizinische Einzelheiten" (u.a.) zu den in § 27a Abs. 1 bis 3 SGB V gesetzlich festgelegten Voraussetzungen für die Gewährung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft zu bestimmen. Der Gemeinsame Bundesausschuss darf insoweit – in medizinischer Hinsicht - die gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen im Wege untergesetzlicher Rechtssetzung (autonom) konkretisieren, also Regelungen treffen über die Indikation der einzelnen Befruchtungstechniken, die Kriterien für die Feststellung der geforderten Erfolgsaussicht, Qualifikationsanforderungen an den Arzt oder über weitere Einzelheiten zur Durchführung der Maßnahmen (vgl. BT-Drs. 11/6760 S. 15 sowie BSG, Urt. v. 3.4.2001, - B 1 KR 40/00 R -). Die Rechtssetzungsermächtigung in § 27a Abs. 4 SGB V umfasst indessen nicht auch die Bestimmung allein "rechtlicher Einzelheiten" des Leistungsanspruchs im Sinne einer verbindlichen Interpretation der in § 27a SGB V verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe. Dies bleibt Aufgabe der Gerichte, die das Gesetz auslegen müssen.

Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Regelung in § 27a Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz SGB V, wonach eine hinreichende Aussicht auf Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht mehr besteht, wenn die Maßnahme "drei Mal" ohne Erfolg durchgeführt worden ist, um eine allein rechtliche Leistungsvoraussetzung im vorstehend beschriebenen Sinn, jedenfalls, was die zahlenmäßige Festlegung "dreimaliger" Erfolglosigkeit anbelangt. Bei dieser abstrakt-zahlenmäßigen Grenzziehung handelt es sich der Sache nach um eine – durch abweichende medizinische Erkenntnisse – nicht widerlegbare, im Rechtssinne also unwiderlegbare Vermutung bzw. um eine Rechtsfiktion. Unabhängig von den tatsächlichen medizinischen Verhältnissen und Einschätzungen der medizinischen Fachwelt "gilt" eine weitere Behandlungsmaßnahme bei vorgängiger "dreimaliger" Erfolglosigkeit als nicht mehr in einem Maße aussichtsreich, das es rechtfertigen würde, die Versichertengemeinschaft mit weiteren Kosten zu belasten. Der Bestimmung "medizinsicher" Einzelheiten zugänglich ist demgegenüber etwa der Begriff "Herbeiführung einer Schwangerschaft" oder der "Schwangerschaft", worum es bei der Auslegung des Rechtsbegriffs "dreimalige" Erfolglosigkeit indessen nicht geht.

Davon ausgehend kommt es auf die in Rede stehende Neufassung bzw. Ergänzung der Nr. 8 der Künstliche BefruchtungsRL für die Auslegung des Rechtsbegriffs "dreimaliger" Erfolglosigkeit in § 27a Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz SGB V nicht an. Der Senat ist insbesondere nicht daran gehindert, diesen Gesetzesbegriff auch für die Zeit vor Ergehen des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 15.11.2005 in dem Sinne auszulegen, dass ein Leistungsanspruch auf weitere Maßnahmen der künstlichen Befruchtung ausscheidet, wenn die entsprechende Maßnahme insgesamt, nicht unbedingt unmittelbar hintereinander, dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden ist. Mit dem Sozialgericht hält der Senat diese Gesetzesauslegung für zutreffend (vgl. dazu und zum Maßnahmebegriff in § 27a SGB V auch etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 18.3.2008, - L 5 KR 20/07 -, Revision zugelassen). Sie entspricht dem Zweck der zum 1.1.2004 eingeführten Neuregelung, die Anspruchsvoraussetzungen zu verschärfen und die Ausgaben für die künstliche Befruchtung auf die Fälle medizinischer Notwendigkeit zu begrenzen, die der Gesetzgeber wegen fehlender Erfolgsaussicht bereits nach drei vergeblichen Versuchen als nicht mehr gegeben ansieht (vgl. BT-Drs. 15/1525 S. 83). Behandlungsversuche, die zu einer klinisch nachgewiesenen Schwangerschaft geführt haben, werden daher lediglich nicht als erfolgloser Versuch i. S. d. der Vermutungsregel bzw. Rechtsfiktion des § 27a Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz SGB V gewertet (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 18.3.2008, - L 5 KR 20/07 -). Sie begründen jedoch keinen Leistungsanspruch auf die Gewährung weiterer dreier Behandlungsversuche. Bei der Klägerin wurden aber vor den hier streitigen Behandlungsmaßnahmen insgesamt drei erfolglose Behandlungsversuche (mit Behandlungsbeginn am 16.2.2003, 15.4.2003 und 29.11.2003, SG-Akte S. 102) auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt.

Eine andere Auslegung des Gesetzes ist auch dann nicht möglich, wenn es bei dem Behandlungsversuch nicht nur zur Schwangerschaft, sondern in deren weiterem Verlauf zu einer Geburt, sei es als Lebend-, Tot- oder Fehlgeburt, gekommen ist, wobei die von den Beteiligten besonders intensiv diskutierte Frage offen bleiben kann, unter welchen Anforderungen bereits von einer Geburt zu sprechen ist. Zwar sieht Nr. 2 Satz 3 der Künstliche BefruchtungsRL unverändert vor, dass nach Geburt eines Kindes erneut ein Anspruch auf Herbeiführung einer Schwangerschaft durch künstliche Befruchtung besteht. Auch das BSG hat in einem (älteren) Urteil v. 3.4.2001 (- B 1 KR 40/00 R -) entschieden, dass die erfolgreiche Durchführung der künstlichen Befruchtung beim ersten Kind die erneute Gewährung entsprechender Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht ausschließt. Der damaligen Begründung, das Gesetz sehe insoweit keine Begrenzung vor, dürfte durch die seit 1.1.2004 geltende Gesetzesfassung die Grundlage entzogen sein. § 27a SGB V stellt nicht auf die Geburt, sondern allein auf die Schwangerschaft ab und ordnet an, dass nach insgesamt drei erfolglosen Versuchen weitere Leistungsansprüche ausscheiden.

Die keine Ausnahmen oder Differenzierungen enthaltende Gesetzesfassung legt nahe, dass nach drei erfolgslosen Maßnahmen der Anspruch nach § 27a SGB V erschöpft ist. Irgendwelche Kriterien, unter denen ein Anspruch auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erneut entstehen kann, enthält das Gesetz nicht. Die Regelung in Nr. 2 Satz 3 Künstliche BefruchtungsRL mag zwar dem verständlichen Wunsch nach einem weiteren Kind entsprechen, eine Rechtsgrundlage für den G-BA, dies in den Künstliche BefruchtungsRL zu regeln, ist für den Senat nicht ersichtlich. Es werden nicht medizinische Einzelheiten geregelt, sondern eine Voraussetzung, unter der ein ausgeschöpfter Anspruch nach § 27a SGB V auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft wieder aufleben kann. Im Kern hat der G-BA hier eine vom Gesetzgeber offen gelassene Regelungslücke ausgefüllt. Durfte der G-BA diese Regelung mangels Ermächtigungsnorm nicht treffen, brauchte sich der Senat auch nicht abschließend zu der Frage zu äußern, ob es sich bei dem Abgang des Kindes in der 20. Schwangerschaftswoche bereits um eine Geburt im Sinne der genannten Richtlinien gehandelt hat.

Soweit in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 11/6760 - vgl. Bl. 117 SG-Akte) ausgeführt wird, die Zahl der Schwangerschaften aufgrund von Maßnahmen nach Absatz 1 unterliege keinen Beschränkungen, weshalb nach einer durch eine erfolgreiche Befruchtung herbeigeführten Schwangerschaft neue Maßnahmen zu Lasten der GKV zulässig sind, soweit die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind, hat sich dies in der maßgebenden Gesetzesfassung nicht niedergeschlagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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