L 21 KR 36/09 SFB

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 KR 36/09 SFB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 16.03.2009 (3 VK-37/09) über den 24.04.2009 hinaus bis zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit der Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen.

Die Antrags- und Beschwerdegegnerinnen (AG) haben den Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in einem EU-weit bekannt gemachten offenen Verfahren (Bekanntmachungsnummer 2008/S 154-20 79 65) für eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren ausgeschrieben. Gegenstand der wirkstoffbezogenen Ausschreibung sind nicht patentgeschützte Arzneimittel (Generika) in (jetzt noch) 63 Fachlosen (Wirkstoffe) und 5 Gebietslosen. Das Gebietslos 1 umfasst die AOK Bayern mit etwa 4,1 Millionen Versicherten, das Gebietslos 2 die AOK Rheinland-Hamburg und AOK Westfalen-Lippe (ca. 5 Millionen Versicherte), das Gebietslos 3 die AOK Hessen und AOK Plus (ca, 4,3 Millionen Versicherte), das Gebietslos 4 die AOK Baden-Württemberg, AOK Rheinland-Pfalz und AOK Saarland (ca. 5 Millionen Versicherte) und das Gebietslos 5 die AOK Berlin, AOK Brandenburg, AOK Bremen/Bremerhaven, AOK Mecklenburg-Vorpommern, AOK Niedersachsen, AOK Sachsen-Anhalt und AOK Schleswig-Holstein mit ca. 5,6 Millionen Versicherten.

Gegenstand der Ausschreibung waren (zunächst) die folgenden 64 Wirkstoffe:

Alendronsäure
Alfuzosin
Allopurinol
Amiodaron
Amisulprid
Amlodipin
Azathioprin
Bisoprolol
Bisoprolol + HCT
Captopril
Captopril + HCT
Carvedilol
Cefaclor
Cefuroxim
Ciprofloxacin
Citalopram
Clarithromycin
Diclofenac
Doxazosin
Doxepin
Enalapril
Enalapril + HCT
Felodipin
Finasterid
Furosemid
Gabapentin
Glimepirid
Hydrochlorathiazid
Ibuprofen
Isosorbiddinitrat
Isosorbidmononitrat
Itraconazol
Levodopa + Benserazid
Levodopa + Carbidopa
Lisinopril
Lisinopril + HCT
Melperon
Metformin
Metoclopramid
Metoprolol
Metoprolol + HCT
Mirtazapin
Molsidomin
Moxonidin
Nifedipin
Nitrendipin
Olanzapin
Omeprazol
Paroxetin
Ramipril
Ramipril + HCT
Ranitidin
Risperidon
Roxithromycin
Sertralin
Simvastatin
Spironolacton
Sumatriptan
Tamsulosin
Terazosin
Torasemid
Tramadol
Trimipramin
Verapamil

Hinsichtlich des Wirkstoffs Olanzapin ist die Ausschreibung wegen eines bestehenden Patentrechts zwischenzeitlich aufgehoben worden.

Nach den Verdingungsunterlagen hat jeder Bieter pro angebotenem Fachlos (Wirkstoff) und je Gebietslos einen "Rabatt-ApU" (Rabatt-Apothekenverkaufspreis) für alle Pharmazentralnummern (PZN) anzubieten, die er für den angebotenen Wirkstoff nach der "Lauer-Taxe" am 01. August 2008 (im Laufe des Ausschreibungsverfahrens geändert auf den 01.09.2008 - sog. Stichtag) im Sortiment hat. Gemäß § 2 Abs. 2 Rabattvertrag (RV) errechnet sich der Rabatt je PZN nach der Formel Rabatt = ApU (Apothekenverkaufspreis) - Rabatt-ApU. Der Rabatt-ApU wird dabei für die Vertragslaufzeit fest vereinbart. Im Falle einer Erhöhung der Abgabepreise nach Vertragsschluss erhöht sich der Rabatt entsprechend. Der Rabatt ist von den pharmazeutischen Unternehmern - über den AOK-Bundesverband - an die AG zu zahlen.

Die "Lauer-Taxe", auch ABDA-Artikelstamm oder große deutsche Spezialitätentaxe genannt, die in 14-tägigem Rhythmus aktualisiert wird, enthält die Daten aller bei der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten gemeldeten, in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimittel unter Angabe der Arzneimittelbezeichnung, des Arzneimittelherstellers, des Wirkstoffs, der Wirkstoffmenge, der Darreichungsform und der Packungsgröße. Die jedem Fertigarzneimittel zugeordnete PZN erlaubt die eindeutige Identifizierung jedes Arzneimittels nach den dargestellten Kriterien.

Je Wirkstoff und Gebietslos soll allein ein Bieter den Zuschlag erhalten, nämlich der, der das wirtschaftlichste Angebot unterbreitet. Die Wirtschaftlichkeit des Angebots wird an Hand von zwei Kriterien ermittelt werden: Zum einen mit dem Kriterium "Wirtschaftlichkeit des Rabatt-ApU s", zum anderen an Hand des Ausschlusskriteriums "Ausgleich der Mehrkosten der Überschreitung des zum Zeitpunkt der Bewertung geltenden Festbetrags für jede der angebotenen PZN durch den absoluten Rabatt". Im Rahmen des ersten Kriteriums soll die Höhe der möglichen Einsparungen auf der Grundlage von "Gesamtwirtschaftlichkeitsmaßzahlen" (GWMZ) ermittelt werden. Hierbei werden die durchschnittlichen Abgabepreise von vergleichbaren Arzneimitteln der sog. Preisvergleichsgruppe, Verordnungszahlen aus der Vergangenheit und bestimmte weitere Vergleichsgrößen (bereinigte Rabatt-ApU s und bereinigte durchschnittliche ApU s der Preisvergleichsgruppe, jeweils pro Milligramm Wirkstoff) berücksichtigt. In die Berechnung der GWMZ wird auch die Produktbreite des jeweiligen Bieters einbezogen, also die Anzahl der vom Bieter je Gebietslos angebotenen Arzneimittel innerhalb einer Preisvergleichsgruppe. Den Bietern wurde von den AG zum Eintrag der von ihnen angebotenen Rabatte ein sog. Produkt- und Rabattblatt in elektronischer Form (Excel-Tabelle) zur Verfügung gestellt. Diese Tabelle enthielt bereits alle von pharmazeutischen Unternehmen zum Stichtag in der Lauer-Taxe geführten PZN der von den AG nachgefragten Produkte. Der Bieter seinerseits konnte Eintragungen in der Spalte Rabatt-ApU vornehmen (diese Eintragungen wurden automatisch weiterverarbeitet). In einer weiteren Spalte wurde dem Bieter das "Ergebnis Wirtschaftlichkeitsmaßzahl (WMZ) Angebot je PZN angezeigt". Aus den WMZ wurden sodann durch Addition der jeweiligen WMZ je PZN die GWMZ errechnet, die sich auf die einzelnen Gebietslose bezogen und grundsätzlich über die Bieterreihenfolge je Wirkstoff und je Gebietslos entscheiden sollten (Teil A IV.2 der Verdingungsunterlagen).

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (AS) ist ein pharmazeutisches Unternehmen mit Sitz in T, dessen Schwerpunkt auf der Herstellung und dem Vertrieb von Antibiotika in Deutschland und dem europäischen Ausland liegt. Die AS reichte Angebote für 3 Fachlose, nämlich für die hier streitbefangenen Wirkstoffe Cefaclor (Fachlos Nr. 13), Ciprofloxacin (Fachlos Nr. 15) und Roxithromycin (Fachlos Nr. 54) - jeweils für alle 5 Gebietslose - ein. Die AG teilten der AS unter dem 28.11.2008 gemäß § 13 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung - VgV) mit, dass die AS keinen Zuschlag auf eines ihrer Gebote erhalten solle, sondern dass vielmehr die beigeladenen pharmazeutischen Unternehmen für den Zuschlag vorgesehen seien.

Am 11.12.2008 hat die AS bei der Vergabekammer (VK) der Bezirksregierung Düsseldorf einen Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens wegen der Vergabe der Rabattvereinbarungen für die o.g. Wirkstoffe - jeweils für die Gebietslose 1 - 5 - gestellt. Die VK des Bundes, an die das Verfahren durch Beschluss vom 27.01.2009 verwiesen worden war, hat den Nachprüfungsantrag durch Beschluss vom 16.03.2009 als unbegründet zurückgewiesen. Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe Bezug genommen.

Dagegen hat die AS am 30.03.2009 sofortige Beschwerde bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt und (u.a.) beantragt, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern. Der Senat hat die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde durch den Beschluss vom 09.04.2009 vorläufig bis zum 24.04.2009 verlängert.

Zur Begründung ihres Begehrens macht die AS geltend: Die Ausschreibung der Antragsgegnerin verstoße gegen Art. 81, 82 EG-Vertrag (EGV) sowie § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB V i.V.m. den §§ 19, 20 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Diese Vorschriften seien auch im Vergabenachprüfungs- und Beschwerdeverfahren vollinhaltlich zu prüfen. Der Zusammenschluss der AG zu einer Einkaufsgemeinschaft bewirke, dass die hierdurch erzwungenen Einkaufskonditionen als unangemessen zu beurteilen seien und damit eine unbillige Behinderung i.S.d. § 20 GWB darstellten. Es liege ein Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A vor. Danach müsse die Leistung eindeutig und so erschöpfend beschrieben sein, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen und die Angebote miteinander verglichen werden könnten. Die Leistungsbeschreibung lasse es hier aber zu, dass unterschiedliche Packungsgrößen zum Gegenstand des Angebots gemacht werden könnten und dass für jede Packungsgröße innerhalb eines Angebots eine individuelle Rabatthöhe gewährt werden könne. Ein Angebot, das beispielsweise drei Packungsgrößen beinhalte, die jeweils unterschiedliche Rabatthöhen aufwiesen, könne aber mit einem Angebot, das lediglich eine Packungsgröße mit einem festgelegten Rabatt aufweise, gerade nicht verglichen werden. Ferner sei das zur Wertung der Angebote vorgesehene Zuschlagskriterium - die WMZ - vergaberechtlich unzulässig. Diese verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, denn sie sei nicht geeignet, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Die Berechnung der WMZ gehe davon aus, dass alle PZN innerhalb einer Preisvergleichsgruppe zukünftig zu gleichen Teilen abgegeben würden. Diese Berechnung berücksichtige nicht, dass einzelne PZN innerhalb einer Preisvergleichsgruppe einen ganz überragenden Marktanteil aufwiesen, andere PZN dagegen nur einen verschwindend geringen Anteil. Dies bleibe indes bei der Berechnung der WMZ völlig unberücksichtigt. Damit werde die Möglichkeit eröffnet, auf umsatzschwache PZN einen hohen Rabatt, auf umsatzstarke PZN dagegen nur einen geringeren Rabatt einzuräumen. Folge sei, dass ein Bieter, der lediglich einen Rabatt auf die umsatzstarke PZN einräume, benachteiligt werde. Schließlich stelle es einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot dar, dass bei der Bewertung der Angebote nicht die Abgabemengen der Vergangenheit zugrunde gelegt würden, sondern lediglich die gesamte Wirkstoffmenge, die innerhalb des Zeitraums binnen einer Preisvergleichsgruppe abgegeben würde. Somit bestehe ein Widerspruch zwischen der Kalkulations- und der Bewertungsgrundlage.

Schließlich verstießen die Regelungen aus § 130a SGB V i.V.m. § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V gegen Verfassungsrecht. Die Antragsgegnerinnen verstießen mit der vorliegenden Ausschreibung jedenfalls gegen Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde über den 24.04.2009 hinaus bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss der VK.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und Vergabeakten sowie der Akten der Vergabekammer Bezug genommen.

II.

Der Antrag der AS, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde über den 24.04.2009 hinaus zu verlängern, hat keinen Erfolg. Bei der Entscheidung über einen dahingehenden Eilantrag hat das Beschwerdegericht die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu berücksichtigen (§ 118 Abs. 2 Satz 1 GWB). Verspricht die Beschwerde auf der Grundlage des der Entscheidung zugrunde zu legenden Sach- und Streitstandes keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, ist der Antrag abzulehnen, ohne dass es einer Interessenabwägung nach § 118 Abs. 2 Satz 2 GWB bedarf (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.03.2007 - VII-Verg 5/07, VergabeR 2007, 662). Die sofortige Beschwerde hat hier keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Anwendbarkeit der §§ 97 - 115, 128 GWB für die Zeit ab 18.12.2008 ergibt sich aus § 69 Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I S.2426); für die Zeit vor dem 18.12.2008 folgt dies aus einer EU-Richtlinien-konformen Auslegung der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des § 69 SGB V (§ 69 in der Fassung des Gesetzes vom 23.04.2002, BGBl I S. 1412).

Die AG sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Dies folgt (jedenfalls) daraus, dass sie als staatlich kontrollierte Einrichtungen zu beurteilen sind. Sie unterliegen einer nachträglichen Rechtsaufsicht (§ 87 ff Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV) wie auch einer präventiven Aufsicht (z.B. § 34 SGB IV). Die staatliche Regelungsdichte ist derart hoch, dass den gesetzlichen Krankenkassen im Ergebnis eine eigenverantwortliche Gestaltung des Satzungs-, Organisations-, Beitrags- und Leistungsrechts weitgehend verwehrt ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.01.2009, Az L 11 WB 5971/08 m.w.N.). Ob darüber hinaus die Eigenschaft der gesetzlichen Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber aus einer wenn auch mittelbaren staatlichen Finanzierung abzuleiten ist (so der Schlussantrag des Generalanwaltes Mazak vom 16.12.2008 in der Rechtssache C-300/07; OLG Düsseldorf, Beschluss 19.12.2007 VII - Verg 51/07, NZ Bau 2008, 194 ff.; siehe auch Engelmann in Juris PK-SGB X § 69 Rdnr. 195 ff.), kann der Senat hier offen lassen.

Bei den zu schließenden RV handelt es sich - dies ist unter den Beteiligten auch nicht umstritten - um öffentliche Lieferaufträge nach § 99 Abs. 1 und 2 GWB. Zwar betrifft der RV keine Waren iSv Art. 1 Abs. 2 Buchstabe c) der Richtlinie 2004/18 EG, denn Ausschreibungsgegenstand ist die Einräumung von Rabatten (vergl. LSG Baden-Württemberg aaO). Auch kann nicht von einer typischen Beschaffungssituation ausgegangen werden, weil die Krankenkassen auf das Verordnungverhalten der Ärzte keinen Einfluss haben (vgl. Engelmann in: jurisPK-SGB V, § 69, Rdn. 226 ff. m.w.N.). Entscheidend ist aber der Umstand, dass dem Rabattvertragspartner nach § 7 Abs. 1 RV Exklusivität zugesichert wird, so dass ein öffentlicher Auftrag in Form eines Rahmenvertrages (§ 3a Nr. 4 Abs. 1 VOL/A) anzunehmen ist. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass in einem solchen Fall der RV i.V.m. der Ersetzungsverpflichtung des Apothekers nach § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V zu einem echten Wettbewerbsvorteil führt, den der Auftraggeber dem Rabattvertragspartner einräumt, um seinerseits einen möglichst hohen Rabatt zu erzielen (LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 23.01.2009, a.a.O. und vom 28.10.2008 - L 11 KR 4810/08 ER-B).

Unbegründet ist der Nachprüfungsantrag im Hinblick auf die kartellrechtlichen Rügen der AS (Verstoß gegen § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB V i.V.m. §§ 19 - 21 GWB). Der Senat hält im Anschluss an die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 10.04.2002 - Verg 6/02) daran fest, dass im Hinblick auf eine geltend gemachte Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften der Rechtsweg in das vergaberechtliche Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren nicht eröffnet ist (vgl. bereits Senat, Beschluss vom 30.01.2009 - L 21 KR 1/08 SFB). Das ergibt sich bereits aus den §§ 107 Abs. 2 Satz 1, 97 Abs. 7 GWB. Danach ist im Vergabenachprüfungsverfahren allein zu prüfen, ob der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Hierzu gehören die §§ 19 und 20 GWB jedoch nicht, weil sich diese Normen auf Verstöße außerhalb des Vergabeverfahrens beziehen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.01.2009, a.a.O.; Summa in: jurisPK-VergR, § 97, Rdn. 120). Bestimmungen über das Vergabeverfahren sind u.a. die Regelungen in den Verdingungsordnungen, die das Verfahren betreffenden Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung sowie weitere ungeschriebene Vergaberegeln, wie z.B. das Gebot der Fairness im Vergabeverfahren (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.04.2002, a.a.O.). Die VK hat in dem angefochtenen Beschluss zutreffend darauf verwiesen, dass sich an dieser Bewertung nichts durch die in § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB geregelte Rechtswegkonzentration ändert. Denn die von der AS geltend gemachten kartellrechtlichen Abwehransprüche beziehen sich nicht auf Handlungen in einem Vergabeverfahren im zuvor beschriebenen Sinne, sondern sind gemäß § 104 Abs. 2 Satz 2 GWB durch die Kartellbehörden und/oder im Sekundärrechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte zu prüfen. Deshalb ist der Rechtsweg in das Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren insoweit nicht eröffnet.

Der von der AS gerügte "Zusammenschluss" der AG zu einer "Einkaufsgemeinschaft" kann schon deshalb nicht in dem hier anhängigen Verfahren unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gerügt werden, weil dieses Verhalten der AG zeitlich und sachlich vor dem Beginn des Vergabeverfahrens lag. Wie bereits das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 10.04.2002, a.a.O.) ausgeführt hat, liegt die Bildung eines "Einkaufskonsortiums" zeitlich vor dem Beginn des eigentlichen Vergabeverfahrens und stellt sich mithin lediglich als eine vorbereitende Handlung, jedoch nicht als Verfahrenshandlung im Vergabeverfahren dar. Abgesehen davon ist zu berücksichtigen, dass missbräuchlichen Verhaltensweisen gerade durch das Vergabeverfahren vorgebeugt werden soll und sich dieses - wie hier bei fehlerfreier Durchführung - als Ausgleich für die gebündelte öffentliche Nachfragemacht der Krankenkassen darstellt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.01.2009, a.a.O.; Zeiss in: jurisPK-VergR, Einl. VergR, Rdn. 181).

Ein Verstoß gegen die Artikel 81, 82 des EGV liegt nicht vor, denn die AG handeln beim Abschluss von Rabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V nicht als Unternehmen im Sinne dieser Vorschriften. Hinsichtlich der Krankenkassen der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland hat der EuGH bereits explizit entschieden (Urteil vom 16.03.2004, Az C-264/01), dass diese von dem Begriff des Unternehmens im Rahmen des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts nicht erfasst werden, weil sie ohne die Möglichkeit der Einflussnahme ihren Mitgliedern im Wesentlichen die gleichen Pflichtleistungen zu gewähren hätten und zudem untereinander zu einer Art Solidargemeinschaft zusammengeschlossen seien. Dies hat der EuGH für die Berufsgenossenschaften unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung jüngst noch einmal bestätigt (Urteil vom 05.03.2009, Az.: C - 350/07). Diese Erwägungen des EuGH beanspruchen auch im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen im deutschen Krankenversicherungsrecht (Einführung von Wahltarifen zum 01.04.2007 - § 53 SGB V - sowie die Schaffung des Gesundheitsfonds zum 01.01.2009 - § 266 SGB V) weiterhin Gültigkeit, weil trotz dieser gesetzlichen Änderungen die relevanten Grundstrukturen erhalten geblieben sind (vergl. insoweit auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 23.01.2009 aaO).

Ein Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs.1 VOL/A liegt nicht vor. Danach muss die Leistung eindeutig und so erschöpfend beschrieben sein, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Mängel hinsichtlich der Leistungsbeschreibung selbst macht die AS nicht geltend; solche sind auch nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung der AS sind die Angebote der verschiedenen Bieter auch - ungeachtet der Anzahl der PZN je Preisvergleichsgruppe - miteinander vergleichbar. Die Anknüpfung an die Verordnung über die Bestimmung und Kennzeichnung von Packungsgrößen für Arzneimittel in der vertragsärztlichen Versorgung (Packungsgrößenverordnung, (PackungsV), BGBl I 2004, 1318) für die Bildung der Preisvergleichsgruppen erscheint naheliegend und sachgerecht. Es ist nämlich davon auszugehen, dass sich der Verordnungsgeber bei der Bildung der verschiedenen Normpackungsgrößen von vernünftigen, sich aus dem Sachzusammenhang ergebenden Erwägungen hat leiten lassen. Die Bestimmung der WMZ für die innerhalb der jeweiligen Preisvergleichsgruppe angebotenen Arzneimittel nach der von den AG angewandten Berechnungsmethode gewährleistet die Vergleichbarkeit der Angebote der verschiedenen Bieter, denn in die Berechnung fließt die Anzahl der angebotenen PZN in der Weise ein, dass das Ergebnis aus der Multiplikation der Differenz zwischen dem durchschnittlichen ApU der Preisvergleichsgruppe und dem Rabatt-ApU der PZN je mg Wirkstoff mit der abgerechneten Gesamtwirkstoffmenge durch die Anzahl der angebotenen PZN des Bieters in der Preisvergleichgruppe dividiert wird. Bei dieser Berechnungsmethode ist es somit ausgeschlossen, dass das Ergebnis allein aufgrund der Anzahl der angebotenen PZN je Preisvergleichsgruppe differiert. Vielmehr stellt die WMZ des jeweiligen, konkreten Arzneimittels wegen der Berücksichtigung des Divisors "Anzahl der angebotenen PZN je Preisvergleichsgruppe" eine Größe dar, durch die sich die verschiedenen Angebote gerade erst miteinander vergleichen lassen. Es ist deshalb nicht ersichtlich, warum - wie die AS meint - "die Leistungsbeschreibung auf eine bestimmte Packungsgröße je Preisvergleichsgruppe hätte beschränkt" werden oder "einen linearen Rabatt ...innerhalb einer Preisvergleichsgruppe ... hätte vorsehen" müssen. Die Bezugnahme auf jede einzelne PZN hätte zu einer nicht mehr überschaubaren und deshalb auch kaum zu handhabenden Zersplitterung des Ausschreibungsergebnisses geführt. Die Forderung nach Einräumung eines linearen Rabatts innerhalb einer Preisvergleichsgruppe hätte vielmehr die Kalkulationsfreiheit des Unternehmers eingeschränkt. Dies verdeutlicht, dass auch gegen die von der AS favorisierten Regelungen sachliche Einwände hätten erhoben werden können. Ob derartige Regelungen gffs. auch vergaberechtlich hätten zulässig sein können, ist aber hier nicht zu entscheiden; maßgeblich ist allein, dass die von den AG gewählte Berechnungsmethode der WMZ die Vergleichbarkeit der Angebote gewährleistet.

Nach Auffassung des Senats ist es in diesem Zusammenhang auch nicht zu beanstanden, dass in die Berechnung der WMZ die Gesamtwirkstoffmenge einfließt, die im Referenzzeitraum zu Lasten der AG in der betreffenden Preisvergleichsgruppe (im jeweiligen Gebietslos) abgerechnet worden ist. Eine andere Größe, die geeignet wäre, ähnlich zuverlässig das finanzielle Volumen der angebotenen Rabatte widerzuspiegeln, ist nicht ersichtlich. Es ist jedenfalls nicht anzunehmen, das eine zukunftsbezogene Schätzung hier geeigneter gewesen wäre.

Die GWMZ, die sich aus einer Addition der WMZ errechnet, stellt ein vergaberechtlich zulässiges Zuschlagskriterium dar. Insbesondere liegt weder ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 97 Abs. 5 GWB oder das Wettbewerbsgebot des § 97 Abs. 1 GWB vor.

§ 97 Abs. 5 GWB und § 25 Nr. 3 Satz 1 VOL/A bestimmen, dass der Zuschlag im Vergabeverfahren auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird. Bei der Auswahl der Zuschlagskriterien steht dem Auftraggeber ein lediglich beschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum zu. Beanstandungen können lediglich darauf gestützt werden, dass die Vergabestelle einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt, aus willkürlichen bzw. sachfremden Erwägungen heraus gehandelt oder Bieter ungleich behandelt hat. Sowohl den VK als auch den gerichtlichen Nachprüfungsinstanzen ist es bei der Überprüfung verwehrt, ihre eigene Beurteilung an die Stelle der Bewertung der Vergabestelle zu setzen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.07.2005 - Verg 108/04; Summa/Kullack in jurisPK-VergR, § 97 GWB, Rdn. 92; Otting in: Bechtold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 97, Rdn 38, m.w.N.). Die Zuschlagskriterien müssen jedoch gemäß § 25a Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sein.

Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen sind die von den AG benannten Zuschlagskriterien unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die VK hat zutreffend dargelegt, dass die Kriterien zur Ermittlung von WMZ und GWMZ ausführlich in den Verdingungsunterlagen beschrieben worden sind. Darüber hinaus wurden den Bietern Ausfüllhinweise für das Produkt- und Rabattblatt (Anlage 2 der Verdingungsunterlagen) und ein Filmbeitrag zur Verfügung gestellt, der sich sowohl mit der korrekten Bearbeitung des Produkt- und Rabattblatts als auch mit den maßgeblichen Kriterien zur Bildung der wertungserheblichen GWMZ befasst hat. Die AG haben zu Recht darauf abgestellt, dass die für die Gesamtwirtschaftlichkeitsbewertung erforderlichen Daten einschließlich der verwendeten Formeln jedem Bieter zugänglich gemacht wurden. Mit diesen Unterstützungsleistungen konnten professionelle Bieter ohne weiteres erkennen, dass ein Angebot um so wirtschaftlicher ist, je höher die GWMZ ausfällt. Anders ausgedrückt: Je geringer der Rabatt-APU, desto kleiner die GWMZ.

Auch im Übrigen sind die Einwendungen der AS unbegründet. Die AS hält es hier für unzulässig, dass der - gegebenenfalls gravierend - unterschiedlich hohe Marktanteil einzelner PZN innerhalb einer Preisvergleichsgruppe bei der Berechnung der WMZ keine Berücksichtigung gefunden hat. Dies ist indes nicht zu beanstanden. Zuzugeben ist, dass bei der Berechnung der WMZ der jeweilige Marktanteil keine Berücksichtigung findet, insbesondere keine Gewichtung der PZN mit einem dem Marktanteil ausdrückenden Faktor erfolgt. Dies hat zur Folge, dass dem Rabatt, der auf eine PZN mit einem hohen Marktanteil gewährt wird, berechnungsmäßig die gleiche Bedeutung zukommt, wie der Rabatt auf eine PZN, die nur einen geringen Marktanteil besitzt. Dies hält sich nach Ansicht des Senats dennoch im Rahmen des den AG als Auftraggebern eingeräumten Ermessens bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der einzelnen Angebote. Zunächst kann unterstellt werden, dass auch bei pharmazeutischen Unternehmern das maßgebliche Bestreben besteht, Produkte und damit PZN am Markt zu haben, deren Herstellung und Vertrieb wirtschaftlich ist. Dies setzt aber einen entsprechenden Marktanteil voraus. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die Anzahl von PZN mit nur einem (verschwindend) geringen Marktanteil eher gering sein wird. Die AS hat jedenfalls nichts dazu vorgetragen, in welchem Umfang die von ihr an Hand von zwei Beispielen dargestellte - extrem - unterschiedliche Verteilung der Marktanteile einzelner PZN innerhalb einer Preisvergleichsgruppe besteht. Es besteht für den Senat deshalb kein Anlass zu der Annahme, dass dies eine regelmäßig vorkommende Fallkonstellation darstellt. Ob ein Bieter - wie die AS meint - durch hohe Rabatte auf umsatzschwache PZN und geringe Rabatte auf umsatzstarke PZN in der Lage wäre, tatsächlich den Zuschlag auf ein Fachlos zu erhalten, erscheint deshalb auch mehr als zweifelhaft. Schließlich würde sich auch die Frage nach dem korrekten Gewichtungsfaktor stellen.

Eine zukunftsbezogene Prognose könnte nur von den in der Vergangenheit erzielten Umsätzen ausgehen. Dies wiederum würde sich bei solchen PZN, die noch nicht lange am Markt befindlich sind, problematisch gestalten. Zum anderen würden bei einer solchen Vorgehensweise durch die Rabattverträge zu erwartende Veränderungen im Verordnungsverhalten der Vertragsärzte gänzlich unberücksichtigt bleiben. Dabei mag es sein, dass durchaus nicht alle PZN in gleichem Ausmaß von diesen Veränderungen betroffen sein werden. Dies ändert aber nichts an der grundsätzlichen Schwierigkeit, den Gewichtungsfaktor zu bestimmen. Bei umfassender Würdigung dieser Gesichtpunkte sowie der Tatsache, dass (auch) der Arzneimittelmarkt für Generika eine Komplexität aufweist, die es mehr als wahrscheinlich macht, dass sich vermutlich bei jeder Form der Wirtschaftlichkeitsbewertung für einzelne Bieter nachteilige Aspekte aufzeigen ließen, kann hier keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die AG den Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Angebote der überschritten hätten.

Für eine Verfassungswidrigkeit des § 130a Abs. 8 SGB V besteht kein Anhaltspunkt. Soweit die AS geltend macht, dass sie durch Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 SGB V i.V.mS. der Ersetzungspflicht nach § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V in ihrem Recht aus Artikel 12 Abs. 1 GG verletzt sei, ist dem entgegenzuhalten, dass das BVerfG in ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 27.02.2008 - 1 BvR 437/08 m.w.N.) davon ausgeht, dass die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an Mitbewerber grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des unterlegenen Bieters berührt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass das Vergabeverfahren gerade die Durchsetzung der Grundfreiheiten nach dem EG und der Grundrechte der Bieter - hier: der pharmazeutischen Unternehmen - bezweckt. Zu den von ihr behaupteten weitreichenden Folgen der Nichtberücksichtigung bei Ausschreibungen aufgrund dieser Vorschrift (Zwang zum Marktaustritt) hat die AS nichts Konkretes vorgetragen. Schon deshalb ist auch insoweit nicht von einer Verletzung des Art. 12 GG auszugehen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Beschwerdeentscheidung vorbehalten.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 177, 142a SGG).
Rechtskraft
Aus
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