L 3 B 36/72

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 3 B 8/72
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 36/72
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ist das Verfahren vor dem Sozialgericht anders als durch Unfall beendet, so kann der Beschluß über die Kostenerstattung durch den Vorsitzenden allein oder die Kammer ergehen.
Kritische Stellungnahme zu der Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 21. April 1955 (BGG 1, 1) und des 6. Senates vom 11. Mai 1955 (BSG 1, 36).
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt a. M. vom 15. September 1972 (S-3/B-8/72) wird zurückgewiesen.

Tatbestand:

I.

Der Beschwerdegegner (BG) errichtete im Jahre 1970 einen dreigeschossigen Gast- und Wohnhausneubau (Länge rund 22 m, Breite rund 12 m). Die Beschwerdeführerin (BF) teilte ihm nach einer Besichtigung der Baustelle durch ihren technischen Aufsichtsbeamten F. (F.) am 12. August 1970 schriftlich mit, da er den Neubau in eigener Regier errichte, sei er verpflichtet, die näher bezeichneten Unfallverhütungsvorschriften (UVV) einzuhalten und müsse die Arbeiten an den Außenwänden bis zur Anbringung von Fanggerüsten einstellen. Der BG erklärte daraufhin am 24. August 1970 schriftlich, daß er ein Gerüst anbringen werde. Im übrigen müsse das ihm überlassen werden, zumal er "wo anders versichert” sei. Am 27. November 1970 setzte die BF gegen ihn eine Ordnungsstrafe in Höhe von 1.200,– DM fest, weil bei zwei Nachrevisionen am 2. September und 12. Oktober 1970 noch immer Verstöße gegen die UVV festgestellt worden seien. Gegen diesen Bescheid legte der BG Widerspruch ein und gab an, M. O., W., habe für ihn die Bauarbeiten ausgeführt. Die BF wies den Widerspruch mit Bescheid vom 17. September 1971 ohne weiteres Sachaufklärung zurück. Daraufhin erhob der BG am 22. Oktober 1971 Klage beim Sozialgericht Frankfurt a. M. und erteilte dem Rechtsanwalt Z. Prozeßvollmacht.

Dieser trug am 22. Dezember 1971 vor, sein Mandant habe den Bau nicht in eigener Regie durchgeführt, vielmehr einen Architekten und den Bauunternehmer O., W., damit beauftragt, so daß er nicht für die Einhaltung der UVV verantwortlich sei. Die BF beauftragte daraufhin F. mit der Aufklärung des Sachverhalts. Dieser stellte dabei fest, daß der BG die Außenarbeiten nicht in eigener Regie durchgeführt hatte. Am 23. Februar 1972 hob die BF daraufhin den Ordnungsstrafbescheid auf. Anschließend, erklärten die Beteiligten gegenüber dem Sozialgericht, daß der Rechtsstreit damit in der Hauptsache erledigt sei. Auf den Antrag des BG, der BF die außer Gerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, hat die 3. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt a. M. am 26. Mai 1972 entschieden, daß die Beteiligten einander keine Kosten zu ersetzen haben.

Gegen diesen, ihm am 7. Juni 1972 zugestellten Beschluss hat der BG am 20. Juni 1972 Beschwerde eingelegt und behauptet, F. habe von Anfang an gewußt, daß die Beachtung der UVV dem Bauunternehmer O. oblegen habe. Die BF hat hierzu noch einen Bericht des F. vom 1. September 1972 vorgelegt.

Die 3. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt a. M. hat daraufhin am 15. September 1972 den Beschluss vom 26. Mai 1972 aufgehoben und entschieden, daß die BF dem BG die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu ersetzen hat. Die Rechtsverfolgung des BG sei berechtigt gewesen und habe zur. Rücknahme des Ordnungsstrafbescheides geführt. Sie habe nicht auf dem Verhalten des BG, sondern auf dem Entschluß der BF beruht, eine Ordnungsstrafe zu verhängen, statt dafür zu sorgen, daß die Bauarbeiten des Unternehmers O. sofort eingestellt wurden.

Gegen diesen ihr am 10. Oktober 1972 zugestellten Beschluss hat die BF am 19. Oktober 1972 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss vom 15. September 1972 aufzuheben und stattdessen zu beschließen, daß sich die Beteiligten des Rechtsstreits keine Kosten zu erstatten haben.

Sie führt u.a. aus, die Festsetzung der Ordnungsstrafe sei auf das Verhalten des BG zurückzuführen, aus dem sie habe folgern müssen, daß er als Eigenbauunternehmer zur Einhaltung der UVV verpflichtet gewesen sei.

Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Er führt u.a. aus, allein die BF sei verpflichtet gewesen, vor Festsetzung einer Ordnungsstrafe den rechtserheblichen Sachverhalt aufzuklären. Da dies nicht geschehen sei, dürfe sie ihren Irrtum nicht auf ihn abwälzen.

Die 3. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt a. M. hat der Beschwerde am 20. Oktober 1972 nicht abgeholfen.

Entscheidungsgründe:

II.

Die statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig, ohne daß es darauf ankommt, ob die Berufung in der Hauptsache zulässig gewesen wäre und welchen Wert der Beschwerdegegenstand hat (§§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz – SGG; Beschluss des Hess. LSG vom 22.11.1955, Breithaupt 1956 S. 212; Beschluss des Schleswig-Holst. LSG vom 31.1.1968, Breithaupt 1968, S. 442).

1. Der Senat hatte zunächst zu entscheiden, ob der angefochtene Beschluss ordnungsmäßig zustande gekommen ist. Über die Kostentragung nach § 193 Abs. 1 SGG hat die 3. Kammer des Sozialgerichts Frankfurt a. M. unter Mitwirkung zweier ehrenamtlicher Richter entschieden. Im Hinblick auf die Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 21. April 1955 (GS 1/55, BSG 1, 1) erscheint es fraglich, ob die Kammer richtig besetzt war. Danach sollen nämlich die ehrenamtlichen Richter nur in dem Termin zur mündlichen Verhandlung, bei dem schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs. 2 SGG in der Beschlussfassung über das Urteil und bei allen in einer Sitzung erforderlich werdenden Beschlüssen mitwirken, selbst wenn sie bei gleichartigen Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht tätig werden. Trifft diese Auffassung zu, mußte der Kammervorsitzende im vorliegenden Fall allein entscheiden (a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Breithaupt 1961, S. 670). In dem Kommentar von Peters-Sautter-Wolff zum Sozialgerichtsgesetz (Anm. 3 zu § 193) wird zutreffend ausgeführt, man könne sich nicht darauf berufen, daß ein mehr an Richtern nicht schade, denn die Entscheidung könne bei vorschriftswidriger Besetzung anders ausfallen.

Das Sozialgericht meint, aus der Wortfassung des § 193 Abs. 1 SGG ergebe sich, daß ebenso wie das "Gericht” im Urteil über die Kostenerstattung zu entscheiden habe, auch durch "es”, nämlich durch das Gericht, zu entscheiden sei, wenn das Verfahren anders beendet werde. Derselbe Ausdruck in derselben Vorschrift könne nur die gleiche Bedeutung haben. Diese Auffassung entspricht zwar den allgemein gültigen Auslegungsgrundsätzen sowie der Logik. Indessen ist eindeutig erkennbar, daß der Gesetzgeber des Sozialgerichtsgesetzes diese Grundsätze nicht überall beachtet hat. Ebenso wie er den Ausdruck "Mitglied des Senats” in wichtigen Vorschriften über die Verfassung und das Verfahren der Sozialgerichte in verschiedenem Sinne verwendet (vgl. BSG a.a.O.), ist dies auch bezüglich des Ausdrucks "Gericht” der Fall, so daß es nicht, zwingend geboten ist, diesen Ausdruck im SGG stets, in dem Sinne Anzuwenden, daß darunter die Kammer bzw. der Senat in voller Besetzung, d.h., unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, zu verstehen ist. Vielmehr sind im SGG die Aufgaben der voll besetzten Kammern bzw. Senate einerseits und der Vorsitzenden der Kammern bzw. der Berufsrichter der Senate andererseits nicht überall eindeutig gegeneinander abgegrenzt. Neben Bestimmungen, in denen dies der Fall ist (z.B. §§ 65, 104 ff.), wo vom "Vorsitzenden”, und §§ 103, 131, wo vom "Gericht” die Rede und nur der vollbesetzte Spruchkörper gemeint ist, bestehen andere, in denen der Ausdruck "Gericht” nicht eindeutig definiert werden kann. So kann z.B. nach § 75 Abs. 1 "das Gericht” beiladen, während dies nach § 106 Abs. 3 Nr. 6 auch Aufgabe des Vorsitzenden bereits vor der mündlichen Verhandlung ist. In § 97 Abs. 2 ist bestimmt, daß "das Gericht” den Vollzug eines Verwaltungsaktes aussetzen kann, während nach h. M. dieses Recht auch dem Vorsitzende zusteht und von ihm in aller Regel vor der mündlichen Verhandlung auszuüben ist (vgl. BSG 1, 36, wo die Auffassung vertreten wird, daß diese Entscheidung, jedenfalls dann ohne Mitwirkung der Bundessozialrichter zu treffen ist, wenn der Beschluss außerhalb der mündlichen Verhandlung ergeht; Peters-Sautter-Wolff a.a.O., Anm. 10 zu § 97; Rohwer-Kahlmann, Komm. zum SGG, Anm. 70 zu § 97; Mellwitz, Kommentar zum SGG, Anm. 14 zu § 97). Weiterhin heißt es in § 111 Abs. 3, daß "das Gericht” einem Beteiligten, der keine natürliche Person ist, aufgeben kann, zur mündlichen Verhandlung einen Vertreter zu entsenden. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß damit in erster Linie der Vorsitzende gemeint ist, da er die mündliche Verhandlung vorzubereiten hat und nach Absatz 1 auch das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen kann (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 244 w; Rohwer-Kahlmann a.a.O. Anm. 9 zu § 111; Mellwitz a.a.O. Anm. 7 zu § 111).

Unter "Gericht” ist hier also vor der mündlichen Verhandlung dessen Vorsitzender zu verstehen. In § 113 Abs. 1 SGG (Verbindung und Trennung mehrerer Rechtsstreitigkeiten durch "das Gericht”) ist sowohl der vollbesetzte Spruchkörper in der mündlichen Verhandlung als auch dessen Vorsitzender bzw. der Senat in der Besetzung mit den drei Berufsrichtern im vorbereitenden Verfahren gemeint (vgl. Rohwer-Kahlmann, a.a.O., Anm. 6 zu § 113; Peters-Sautter-Wolff, a.a.O., Anm. 3 zu § 113).

Bereits diese Beispiele zeigen, daß dort, wo im SGG der Ausdruck "Gericht” verwandt wird, geprüft werden muss, ob damit nicht auch dessen Vorsitzender bzw. die Berufsrichter ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter gemeint sind.

Der Große Senat des Bundessozialgerichts (BSG 1, 1) hat hierzu den Grundsatz aufgestellt, daß die Beisitzer weder im vorbereitenden Verfahren (§§ 104 ff. SGG) noch in dem der Urteilsverkündung nachfolgenden Verfahrensabschnitt, sondern nur in der Sitzung mitwirken, ausgenommen den Sonderfall des § 139 SGG (Berichtigung des Tatbestandes). Diese Auffassung ist jedoch nicht gerechtfertigt. Es gibt im Sozialgerichtsgesetz keine Bestimmung, die es grundsätzlich verbietet, die ehrenamtlichen Richter auch außerhalb der mündlichen Verhandlung zur Beschlussfassung heranzuziehen, z.B. wenn Entscheidungen nach den §§ 75 Abs. 1, 2, 97 Abs. 2, 109 Abs. 2, 113 Abs. 1 ergehen sollen.

Der Senat vermag sich auch nicht der in BSG 1, 1 vertretenen Auffassung über die Auslegung des § 120 SGG anzuschließen, wonach bei der Gewährung und Versagung von Akteneinsicht im vorbereitenden Vorfahren die ehrenamtlichen Richter in keinem Fall mitwirken. Wenn ein Kammervorsitzender die Akteneinsicht versagt oder beschränkt, kann nach dieser Bestimmung "das Gericht” angerufen werden. Das kann – wenn anders diese Bestimmung nicht sinnlos sein soll – nur die vollbesetzte Kammer, in der 2. Instanz, für die § 120 SGG entsprechend gilt (§ 153 Abs. 1), der vollbesetzte Senat sein. Es erscheint zwar zweifelhaft, ob der Gesetzgeber die letztgenannte Konsequenz bedacht hat, jedoch kann der Ausdruck "Gericht” hier nicht – im Gegensatz zur ersten Instanz – nur einen Teil des Spruchkörpers meinen. Bei Peters-Sautter-Wolff (a.a.O., Anm. 3 c zu § 120) wird die Auffassung vertreten, unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts in BSG 1, 1 könne über die Erinnerung für den verhinderten. Vorsitzenden nur dessen Vertreter – ohne die ehrenamtlichen Richter – entscheiden, diese Lösung jedoch als eine skurrile und sicher nicht gewollte bezeichnet, die aber unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zu umgehen sei. Auch hieraus folgt, daß der Auffassung des Bundessozialgerichts nicht beigetreten, werden kann, die ehrenamtlichen Richter wirkten nur in dem Termin der mündlichen Verhandlung (§§ 124 Abs. 1, 132), bei dem schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs. 2 sowie im Sonderfall des § 139 mit.

Nach Auffassung des Senates können vielmehr alle Beschlüsse, wenn sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung dem voll besetzten Spruchkörper oder dem Vorsitzenden vorbehalten sind, nach dessen Ermessen sowohl von ihm allein als auch unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter ergehen. Die Regelung in § 26 (§§ 36, 48), wonach das Präsidium die Reihenfolge festzustellen hat, in der die ehrenamtlichen Richter zu den "Verhandlungen” zuzuziehen sind, steht dem nicht entgegen (a.A. BSG 1, 1, 5). Dieser Bestimmung ist nicht zu entnehmen, daß die ehrenamtlichen Richter lediglich in einer Sitzung des Gerichts zur Fällung des Urteils mitwirken. Abgesehen davon, daß zur Fassung eines Beschlusses eine mündliche Verhandlung anberaumt (§ 142 Abs. 1) und ein Verhandlungstag nur der Beschlussfassung vorbehalten werden kann, dürfen am Tage einer mündlichen Verhandlung, in der Urteile ergehen, in anderen Sachen Beschlüsse ohne mündliche Verhandlung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter gefaßt werden. § 26 (§§ 36, 48) regelt nur die Reihenfolge, in welcher diese Richter heranzuziehen sind, ohne daß auch bestimmt worden ist, daß sie nur in einer mündlichen Verhandlung bei der Fällung von Urteilen, dort erforderlich, werdenden Beschlüssen oder im schriftlichen Verfahren mitwirken, dürfen.

Nach alledem kann auch dem Beschluss des 6. Senats des BSG vom 11. Mai 1955 (BSG 1, 36) nicht gefolgt werden, über die einstweilige Aussetzung der Vollstreckung eines Verwaltungsaktes nach § 97 Abs. 2 SGG entscheide der Senat außerhalb der mündlichen Verhandlung ohne Zuziehung der Bundessozialrichter. Wenn unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgeführt worden ist, es liege "kein Bedürfnis” dafür vor, die ehrenamtlichen Richter mit allen Vor- und Nebenentscheidungen, die außerhalb der, mündlichen Verhandlung ergehen, zu befassen, so ist dem durchaus zuzustimmen. Nur rechtfertigt diese Erwägung nicht die vom BSG getroffene Feststellung, daß die Entscheidung nach § 97 Abs. 2 SGG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter "ergeht”, sondern lediglich die, daß hierzu eine Berechtigung besteht (so auch Beschluss des Bayr. LSG vom 6.3.1959, Amtsblatt Nr. 9/1959, B 33).

Der erkennende Senat schließt sich dem o.g. Beschluss des Großen Senats des BSG nur insoweit an, als entschieden worden ist, daß die Urteile von den ehrenamtlichen Richtern nicht mit zu unterschreiben sind. Daß die Unterschriften der Berufsrichter in der zweiten Instanz ausreichen, folgt aber bereits daraus, daß die Vorschrift des § 134 Satz 1, wonach der Vorsitzende des Sozialgerichts das Urteil allein unterschreibt, durch § 153 Abs. 2 Satz 1 für das Verfahren vor den Landessozialgerichten dahin abgewendet worden ist, daß statt des Vorsitzenden "die Mitglieder des Senats” das Urteil unterschreiben. Damit sind aber den ehrenamtlichen Richtern im zweiten Rechtszug insoweit keine anderen Aufgaben beigelegt worden als denen des ersten Rechtszugs, wie das BSG in dem o.g. Beschluss zutreffend ausgeführt hat. Seine weiteren Ausführungen über die Stellung der ehrenamtlichen Richter im Verfahren waren zur Begründung dieser Auffassung entbehrlich und tragen den Beschluss daher nicht.

Nach alledem war das Sozialgericht berechtigt, über die Kostentragung durch Kammerbeschluß zu entscheiden. Ebenso wie aber auch der Kammervorsitzende allein hätte entscheiden können, brauchten in der Beschwerdeinstanz die ehrenamtlichen Richter nicht mitzuwirken.

2. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist auch in der Sache – allerdings nur im Ergebnis – zu Recht ergangen.

Nach § 193 Abs. 1 SGG entscheidet das Gericht darüber, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Die Entscheidung ist – im Gegensatz zu § 91 ZPO seinem pflichtgemäßen Ermessen überlassen.

Das Sozialgericht hat im Ergebnis zwar zu Recht festgestellt, daß die Klageerhebung nicht durch ein unsachgemäßes Verhalten des BG gegenüber der BF verursacht worden, ist, diese Auffassung jedoch nicht begründet, sondern lediglich der BF vorgeworfen, sie habe nicht dafür gesorgt, daß der Bauunternehmer O., dem die Gewerbeausübung versagt gewesen sei, die Bauarbeiten sofort einstellte. Dabei ist verkannt worden, daß der BF hierfür keine rechtliche Handhabe zur Verfügung steht. Entscheidend ist allein, ob ihr vorgeworfen werden muß, daß sie bei einer ihr zumutbaren Sachaufklärung die Erteilung des Ordnungsstrafbescheides oder jedenfalls die Klageerhebung vermeiden konnte. Der Senat hat dies aus folgenden Gründen bejaht.

Der Technische Aufsichtsbeamte der Beklagten, F., mußte bereits bei seiner ersten Baustellenbesichtigung am 12. August 1970 erkennen, daß der BG, ein Gast- und Landwirt, wahrscheinlich nicht in eigener Regie den. Neubau ausführte. Denn ein 22 m langes, 12 m breites und 4 Stockwerke hohes Gebäude mit Kellergeschoß kann in der Regel nur von einer Person mit Baukenntnissen errichtet werden. Hinzu kommt, daß F. an der Baustelle 6 Arbeiter antraf, die unter der Leitung des Vorarbeiters Tischler standen, der ihm erklärte, sie seien bei M. O. beschäftigt, von dem F. spätestens am gleichen Tage durch den Bürgermeister der Gemeinde N. erfuhr, er habe ein Bauunternehmen betrieben und nach dem Verbot der Gewerbeausübung auf seine Ehefrau übertragen. Wie F. bei diesem Sachverhalt den BG als Eigenbauherrn ansehen konnte, ist nicht ersichtlich. Die BF hätte angesichts dieser ihr bekannten Umstände bereits im Verwaltungsverfahren und nicht erst während des Klageverfahrens weitere Ermittlungen anstellen müssen. Es ist ihr zwar zuzugeben, daß der BG in seiner schriftlichen Erklärung vom 24. August 1970 nicht da zu beigetragen hat, den Sachverhalt aufzuklären. Mag es daher für sie noch gerechtfertigt gewesen sein, ohne weitere Sachaufklärung den Ordnungsstrafbescheid vom 27. November 1970 zu erteilen, so gilt das aber nicht mehr für den erst am 17. September 1971 zustande gekommenen Widerspruchsbescheid. Denn nachdem der BG in seinem Widerspruch vom 16. Dezember 1970 erklärt hatte, M. O. habe für ihn die Bauarbeiten ausgeführt, hätte sie sich gedrängt führen müssen, dieser Behauptung nachzugehen, besonders auch im Hinblick auf die o.g. Feststellungen des F. am 12. August 1970. Die BF wußte nämlich, daß O. sich als nicht gewerbsmäßiger Bauunternehmer betätigt hatte. Es war also naheliegend, daß er auch für den BG tätig geworden war, wie sich dann auch bei der von der BF im Klageverfahren durchgeführten Sachaufklärung tatsächlich herausstelle. Die Ermittlungen, welche die BF im Januar 1972 durch F. durchführen ließ, und zwar in Form einer gezielten Befragung des Vorarbeiters T. der Ehefrau O. und der AOK F.- , hätte sie pflichtgemäß bereits spätestens vor Erteilung des Widerspruchsbescheides veranlassen müssen. Denn durch die Klageschrift erfuhr sie nicht wesentlich mehr als sie bereits im Verwaltungsverfahren wußte. Im übrigen trifft die Versicherungsträger gerade bei offensichtlich rechtsungewandten Personen, wie dem BG, eine besondere Verpflichtung, den Sachverhalt aufzuklären, ehe sie hohe Ordnungsstrafen verhängen. Die BF hat auch den Sinn des Widerspruchsverfahrens verkannt, der nach dem Willen des Gesetzgebers gerade darin liegt, durch eine ausreichende Überprüfung des rechtserheblichen Sachverhaltes seitens der Versicherungsträger die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit vor Überlastungen zu schützen.

Da die BF durch ihre nicht rechtzeitige Sachaufklärung die Klageerhebung herbeigeführt hat, ist es billig, ihr die dem BG dadurch entstandenen außergerichtlichen Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Diese Entscheidung ist gem. § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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