Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 918/72
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein 14-jähriger Berufsschüler steht auf einem 200 Meter langen Weg, den er bei durchgehender Schulzeit in der Mittagspause zurücklegt, um sich ein Speiseeis zu holen, unter Unfallversicherungsschutz.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 18. August 1972 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten für den bei dieser gegen Krankheit versicherten K.-K. E. (E.) die Erstattung von verauslagten Kosten nach § 1509 a Reichsversicherungsordnung – RVO – in Höhe von insgesamt 1.480,75 DM. In dieser Höhe sind ihm aufgrund einer stationären Behandlung und des Transportes des E. zur stationären Aufnahme in eine Klinik Kosten aus Anlaß dessen Unfalls am 2. Juni 1971 entstanden. An diesem Tage war der 1956 geborene E. Schüler der Kreisberufs- und Berufsfachschule in XY., die er täglich von seinem Wohnort R. im Kreis M. aufsuchte. Der Unterricht hatte um 9.30 begonnen und sollte mit der 9. Stunde am gleichen Tage um 15.05 Uhr beendet sein. In der Mittagspause von 12.45 Uhr bis 13.30 Uhr wollte sich E. von seiner Schule in der E.allee zum etwa 200 m vom Schulhof entfernt liegenden Café "Am S.” begeben, um sich ein Eis zu kaufen. Hierzu mußte er die E.allee und die W.straße in Höhe des Cafés überqueren. Beim Überschreiten der W.straße wurde er von einem Pkw angefahren. Er zog sich hierbei einen Schädelbruch und einen Armbruch links zu, so daß eine stationäre Behandlung in der Neurochirurgischen Universitätsklinik XY. erforderlich wurde.
Der Kläger holte die Auskunft der Kreisberufs- und Berufsfachschule vom 12. Oktober 1971 ein, nach der E. für die Mittagspause im allgemeinen Brote mitbrachte, manchmal sich aber zum Mittagessen Würstchen o.ä. besorgte. Auf dem Unfallbringenden Weg habe E. keine anderen Erledigungen verrichten wollen. Hierauf forderte der Kläger mit Schreiben vom 27. Oktober 1971 die Beklagte auf, die ihm aus der stationären Behandlung des E. entstandenen Kosten nach § 1509 a RVO zu erstatten, da der versicherte Schüler den Unfall auf einem Weg erlitten habe, der dem Kauf eines Eises und damit eigenwirtschaftlichen Zwecken gedient habe. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 23. November 1971 und 12. Januar 1972 ihre Leistungspflicht ab. Sie machte geltend, daß Wege in der Mittagspause, die aus Anlaß der Einnahme eines Mittagessens zurückgelegt werden, nach § 550 RVO unter Versicherungsschutz stünden.
Hierauf hat der Kläger bei dem Sozialgericht Frankfurt a.M. – SG – am 11. Februar 1972 Klage erhoben und zunächst die Erstattung eines Betrages von 1.536,85 DM begehrt; der Versicherungsschutz sei zu verneinen, da E. das Café "A. S.” nicht aus betriebsbedingten (schulischen) Gründen habe aufsuchen wollen. Vor dem SG hat er in der mündlichen Verhandlung sodann beantragt, festzustellen, daß die Beklagte seine Aufwendungen in dem Umfange zu erstatten habe, in dem sie für die Behandlung der Verletzungsfolgen des Schülers E. Leistungen zu erbringen gehabt hätte. Die Beklagte hat unter Hinweis auf ihr bisheriges Vorbringen beantragt, die Klage abzuweisen. Mit Urteil vom 18. August 1972 hat das SG u.a. erkannt:
Es wird festgestellt, daß die Beklagte dem Kläger die Aufwendungen für den Schüler K.-K. E. in dem Umfange zu ersetzen hat, in dem sie für dessen Verletzungen aus dem Verkehrsunfall vom 2. Juni 1971 hätte Leistungen erbringen müssen.
In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Die zunächst nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG – erhobene Leistungsklage sei ebenso wie der Übergang zur Feststellungsklage nach § 99 SGG wegen Sachdienlichkeit zulässig. Im übrigen sei festzustellen, daß der Schüler E. auf dem Weg zum Café "A. S.” nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe, da kein versicherter Wegeunfall vorgelegen habe. Es habe kein Weg von der Schule zum Mittagessen oder zum Erwerb von Nahrungsmitteln zum Zwecke der Stärkung und Erfrischung stattgefunden. Bei Speiseeis handele es sich vielmehr um Genußmittel, für deren Besorgung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kein Versicherungsschutz bestehe. Im übrigen sei die Unterbrechung des Versicherungsschutzes durch das nichtschulbedingte Eisholen für das gesetzliche Versicherungsverhältnis wegen der Gefahrerhöhung nicht unwesentlich, so daß nicht zu entscheiden gewesen sei, ob der Versicherungsschutz nach Dauer, Art und Umfang wesentlich unterbrochen gewesen sei.
Gegen das ihr am 4. September 1972 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. September 1972 Berufung eingelegt. Sie macht geltend; Das SG habe unzulässigerweise die Sachdienlichkeit der Klageänderung und damit der Zulässigkeit der Feststellungsklage angenommen. Es hätte außerdem notwendigerweise den Schüler E. beiladen müssen. Im übrigen habe es unzutreffend den Versicherungsschutz verneint. Die Besorgung von Nahrungsmitteln oder Erfrischungsgetränken zum alsbaldigen Verzehr werde nach ständiger Rechtsprechung als ein den Versicherungsschutz bewirkender Zweck des Weges anerkannt, da auf diese Weise ein die Weiterarbeit erschwerendes oder gar verhinderndes Hunger- oder Durstgefühl überwunden werden solle. Im übrigen sei der Zusammenhang mit der Schule bei der Kürze der Wegstrecke und der hierfür erforderlichen Zeit der Zurücklegung nur geringfügig unterbrochen gewesen, so daß der Versicherungsschutz nicht verloren gegangen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 18. August 1972 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger legt Anschlußberufung ein und beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 18. August 1972 zu verurteilen, an ihn DM 1.480,75 zu zahlen und die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Beiladung des E. nicht für erforderlich und bringt vor: Der Schüler E. sei nicht zur Einnahme eines Mittagessens unterwegs gewesen. Die Teilnahme am Schulunterricht habe es auch nicht erforderlich gemacht, daß er sich wegen ungewöhnlicher starker Hitze oder starker Staubeinwirkung oder ähnlicher Beeinträchtigungen hätte erfrischen müssen, zumal Speiseeis hierfür nicht geeignet sei.
Es sind von der Kreisberufs- und Berufsfachschule XY. und der Polizeidirektion XY. (Straßenverkehrsbehörde) die Auskünfte vom 15. März 1973 und vom 6. April 1973 eingeholt worden. Auf sie wird verwiesen.
Außerdem sind E. sowie sein Vater und Arbeitgeber J. E. als Zeugen gehört worden. Auf die Anlagen zur Sitzungsniederschrift vom 17. Oktober 1973 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streit-, Unfall- und Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht XY. ( ) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung – der Berufungsausschließungsgrund des § 149 SGG liegt nicht vor – ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch begründet. Das sozialgerichtliche Urteil musste aufgehoben werden; die zulässige Klage ist unbegründet.
Allerdings macht die Beklagte zu Unrecht zunächst eine "Unzulässigkeit der Feststellungsklage” geltend. Der Kläger, der die Befriedigung eines Ersatzanspruches fordert, hatte nämlich in der Klageschrift die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung eines Betrages von rund 1.536,– DM beantragt und damit eine zulässige Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG erhoben. Der Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), zu der der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht offensichtlich durch den Vorsitzenden veranlaßt worden ist, war hier wegen fehlender Sachdienlichkeit nicht geboten (§§ 99 Abs. 1, 112 Abs ... Satz 2 SGG) und kann daher nicht zur Abweisung der Klage wegen Unzulässigkeit führen. Wenn das Sozialgericht sich außerstande gesehen hat, rechtzeitig die richtige Höhe der Ersatzforderung festzustellen, hätte es genügt, einen Antrag auf Verurteilung dem Grund nach zu protokollieren und ein Grundurteil zu verkünden (§ 130 SGG). Ein solches Urteil setzt hier inzident die Feststellung voraus, daß die von E. erlittenen Verletzungen nicht die Folge eines Arbeits-(Schul-)unfalls waren. Da somit ein Leistungsurteil ergehen konnte, lagen die Voraussetzungen für ein Feststellungsurteil nicht vor. Der Sache nach ist der Kläger auch im Berufungsverfahren bei seinem ursprünglichen Zahlungsantrag verblieben, wenn er diesen auch – in Übereinstimmung mit der Beklagten – der Höhe nach auf den Betrag von 1.480,75 DM begrenzt hat. Er hat daher auch – von seinem Standpunkt aus zu Recht – Anschlußberufung eingelegt.
Die Beklagte rügt außerdem zu Unrecht, daß das Sozialgericht den verletzten Schüler E. notwendig hätte beiladen müssen; ein Fall der notwendigen Beiladungen liegt nämlich bei einer reinen Ersatzstreitigkeit zwischen Versicherungsträgern nicht vor (h.M., vgl. statt vieler: Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 5 zu § 75 SGG, und LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1966 S. 756).
Mit Recht macht aber die Beklagte die Unbegründetheit des vom Kläger nach § 1509 a RVO erhobenen Ersatzanspruchs geltend. Der Berufsschüler E. stand nämlich im Unfallzeitpunkt auf dem von ihm zurückgelegten Weg unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 657 Abs. 1 Nr. 5, 550 Satz 1, 539 Abs. 1 Nr. 14 c RVO).
Der Senat sieht aufgrund der Ermittlungen im Verwaltungs- und Berufungsverfahren als erwiesen an, daß E. zum Besuch der Berufsschule von seinem Wohnort mit der Bundesbahn nach XY. fahren musste. Am Unfalltag begann der Unterricht für ihn mit der 2. Stunde um 9.30 Uhr und endete nach der 9. Stunde um 15.05 Uhr. Während die kleinen Pausen zwischen den Stunden etwa 10 Minuten betrugen, war von 12.45 bis 13.30 Uhr Mittagspause. Der Schulhof maß etwa 1/4 bis 1/2 der Fläche eines Fußballfeldes und wurde von E. und anderen Schülern in den Pausen aufgesucht. Sie verließen das Schulgelände aber häufig auch, um sich auf den Bürgersteigen der umliegenden Straßen zu ergehen. E. bezeichnete den Unfalltag bei seiner Zeugenvernehmung als warm. Er wollte sich, wie er es schon öfters zuvor getan hatte, in der Mittagspause aus dem rund 200 m vom Schulgebäude entfernt gelegenen Café "A. S.” als Erfrischungskost zu den mitgeführten und im Laufe des Vormittags und nach seiner Vermutung in der Mittagspause verzehrten Broten ein Speiseeis holen. Er hat glaubhaft bekundet, daß er auf diesem Weg nichts anderes besorgen wollte. Sein als Zeuge vernommener Vater, der gleichzeitig sein Lehrherr war, konnte sich nicht entsinnen, ihm eine Besorgung in XY. aufgetragen zu haben. E. war nach seiner weiteren Bekundung auch schon häufiger – ebenso wie andere Schüler – in gleicher Weise an anderen Tagen zu diesem Café gegangen, um sich Speiseeis zu holen.
In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird einheilig die Auffassung vertreten, daß nach § 550 Satz 1 RVO auch Wege unter Versicherungsschutz stehen, die der Versicherte während einer Arbeitspause unternimmt, um sich die zur Weiterarbeit erforderliche Erholung und Stärkung außerhalb der Arbeitsstätte zu verschaffen. Die Besorgung von Nahrungsmitteln oder Erfrischungsgetränken zum alsbaldigen Verzehr wird hierbei als ein den Versicherungsschutz bewirkender Zweck des Weges anerkannt, wenn sie dem Beschäftigten dazu dienen, ein die Weiterarbeit erschwerendes oder gar verhinderndes Hunger- oder Durstgefühl zu überwinden, wobei es sich auch lediglich um sogenannte Beikost handeln kann (z.B. Obst, Delikatessheringe oder Zwiebelläuchen, vgl. RVA Breithaupt 1935 S. 330; EuM 21 S. 281; 48 S. 162; BSG E 12 S. 254 = Breithaupt 1960 S. 1063; Urteil v. 16.12.1971 – 2 RU 147/68 –; LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1967, S. 835; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1973, S. 24; Hessisches LSG, Urteil vom 8.4.1964 – L-3/U – 853/63; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Auflage, Anm. 8 zu § 550 mit weiteren Nachweisen; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Bd. II S. 4860). Allerdings darf der so geschützte Weg nicht wesentlich anderen, eigenwirtschaftlichen Zwecken dienen. Die Auffassung der Beklagten, im vorliegenden Fall habe kein Versicherungsschutz bestanden, weil E. wahrscheinlich nichts anderes im Sinn gehabt habe, als ein Speiseeis geschmacklich zu genießen, das ohnehin zur Befriedigung eines Hunger- oder Durstgefühles ungeeignet sei, ist zu eng. Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 1971 (2 RU 147/68) zutreffend ausgeführt hat, kann selbst das an sich gesundheitsschädliche Rauchen in einer bestimmten Situation mehr als nur der Huldigung einer lieben Gewohnheit, nämlich der Weiterarbeit, dienen, so daß in diesem besonderen Fall auf dem Weg zum Zigarettenholen Versicherungsschutz besteht. Hierbei darf nicht auf eine allgemeine Betrachtungsweise abgestellt werden, vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob besondere betriebliche Umstände im Sinne einer wesentlichen Mitursache vorliegen, die im Zusammenhang mit ihren Einwirkungen auf die Persönlichkeit des betreffenden einzelnen Versicherten zu werten sind (vgl. BSG a.a.O.).
Der Versicherungsschutz für Schüler umfasst grundsätzlich auch die Pausen zwischen den einzelnen Unterrichtsstunden (vgl. BT-Drucksache VI/1333 zu § 1 Nr. 1 Buchstabe a des Gesetzes vom 18.3.1971, BGBl. I S. 237; Vollmar, Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten, 1972, S. 27 f.). Wegen der räumlichen Enge auf manchen Schulgrundstücken ist es vor allem älteren Schülern, deren Eltern sich damit einverstanden erklären, gestattet, das Schulgelände zu verlassen und sich in dessen Nahbereich aufzuhalten (vgl. Erlaß des Hess. Kultusministers EV 814/150 vom 4.9.1969, Amtsblatt S. 1044). Unfälle, die sich dort ereignen, stehen daher grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz (so auch Vollmar a.a.O.).
Im vorliegenden Fall ist von Bedeutung, daß der von E. geplante Weg zum Café "A. S.” ihm nur etwa 200 m vom Schulgelände wegführte und auf Bürgersteigen zurückgelegt werden konnte. Die hierzu erforderliche körperliche Betätigung diente seiner Entspannung sowie Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Konzentrationsfähigkeit für den anschließenden noch 1 1/2 Stunden dauernden Unterricht. Daran ändert nichts, daß E. auf dem Hin- und Rückweg je zwei Straßen überqueren musste. Bei einem Schüler dieses Alters tritt dadurch keine Unterbrechung des Versicherungsschutzes ein. In der Rechtsprechung ist auch allgemein anerkannt, daß Maßnahmen, die der Wiederherstellung der Arbeitskraft und der Gesunderhaltung der Erwerbstätigen dienen, eine gesteigerte Bedeutung zukommt (vgl. Urteil des BSG 2 RU 92/53: Umweg zu Erholungszwecken, wenn sich eine versicherte Tätigkeit anschließt; Urteil des LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1967 S. 835).
Eine andere Beurteilung hat auch nicht deshalb stattzufinden, weil E. sich ein Speiseeis holen wollte. Es kann dahingestellt bleiben, ob Speiseeis als Nahrungs- oder Genußmittel anzusehen ist, worüber die Beteiligten streiten. Es ist auch nicht rechtserheblich, ob sich E. ein sog. Kunsteis holen wollte, dem praktisch kein Nährwert zukommt, oder ein Sahneeis, in dem dies in höherem Maße der Fall ist. Er konnte hierzu nur bekunden, er habe sich ein Eis für DM 0,50 holen wollen. In jedem Fall bedeutete ihm der Verzehr eines Speiseeises in seinem jugendlichen Alter an dem warmen Unfalltag und im Hinblick auf die noch folgenden Unterrichtsstunden eine subjektive Erfrischung und Steigerung seines Wohlbehagens, so daß der Wert der Mittagspause auch dadurch eine Steigerung erfahren hätte. Das gleiche gilt für andere Erfrischungsmittel wie z.B. Getränke (so auch Vollmar a.a.O.), die jedenfalls jetzt in der Kreisberufs- und Berufsfachschule XY. verkauft werden, wie sie auf Antrage mitgeteilt hat. Ob diese bereits am Unfalltag der Fall war, ist nicht mehr aufzuklären. E. hat bekundet, er habe davon nichts gewußt. Der Versicherungsschutz wäre jedenfalls nicht dadurch unterbrochen worden, daß er sich statt eines Getränkes beim Hausmeister der Schule ein Speiseeis in einem Café besorgen wollte. In der Wahl eines Erfrischungsmittels ist der Versicherte frei, da dieses in der Regel nur dann seinen Zweck erfüllt, wenn er sich davon einen Erfolg verspricht. Es darf dabei nicht die psychologische Situation eines Schülers außer acht gelassen werden, die nicht nach den gleichen – strengeren – Maßstäben wie für erwachsene Beschäftigte beurteilt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 30.9.1970, 2 RU 150/68).
Im übrigen würde der Versicherungsschutz auch unter dem vom Bundessozialgericht entwickelten Gesichtspunkt der "geringfügigen Unterbrechung” (BSG, Urteil vom 14.12.1967, 2 RU 190/65; 28.10.1966, 2 RU 234/63; E 20 S. 209; 29.2.1972, 2 RU 27/68) fortbestanden haben. Hierzu ist festzustellen, daß E. für die Zurücklegung der ca. 400 m langen Wegstrecke etwa 6 Minuten benötigt hätte, so daß nach dieser Rechtsprechung wohl keine Unterbrechung des Versicherungsschutzes eintrat. Der Senat hat zwar wiederholt entschieden, daß bei einer auch nur geringfügigen Unterbrechung der Betriebsarbeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen kein Versicherungsschutz besteht (vgl. u.a. Urteil vom 6.3.1968, Breithaupt 1968 S. 913). Im vorliegenden Fall brauchte zu dieser Frage jedoch nicht erneut Stellung genommen zu werden, da das Geschehen am 2. Juni 1971 aus den anderen, oben dargelegten Gründen bereits einen Arbeitsunfall darstellte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG!
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten für den bei dieser gegen Krankheit versicherten K.-K. E. (E.) die Erstattung von verauslagten Kosten nach § 1509 a Reichsversicherungsordnung – RVO – in Höhe von insgesamt 1.480,75 DM. In dieser Höhe sind ihm aufgrund einer stationären Behandlung und des Transportes des E. zur stationären Aufnahme in eine Klinik Kosten aus Anlaß dessen Unfalls am 2. Juni 1971 entstanden. An diesem Tage war der 1956 geborene E. Schüler der Kreisberufs- und Berufsfachschule in XY., die er täglich von seinem Wohnort R. im Kreis M. aufsuchte. Der Unterricht hatte um 9.30 begonnen und sollte mit der 9. Stunde am gleichen Tage um 15.05 Uhr beendet sein. In der Mittagspause von 12.45 Uhr bis 13.30 Uhr wollte sich E. von seiner Schule in der E.allee zum etwa 200 m vom Schulhof entfernt liegenden Café "Am S.” begeben, um sich ein Eis zu kaufen. Hierzu mußte er die E.allee und die W.straße in Höhe des Cafés überqueren. Beim Überschreiten der W.straße wurde er von einem Pkw angefahren. Er zog sich hierbei einen Schädelbruch und einen Armbruch links zu, so daß eine stationäre Behandlung in der Neurochirurgischen Universitätsklinik XY. erforderlich wurde.
Der Kläger holte die Auskunft der Kreisberufs- und Berufsfachschule vom 12. Oktober 1971 ein, nach der E. für die Mittagspause im allgemeinen Brote mitbrachte, manchmal sich aber zum Mittagessen Würstchen o.ä. besorgte. Auf dem Unfallbringenden Weg habe E. keine anderen Erledigungen verrichten wollen. Hierauf forderte der Kläger mit Schreiben vom 27. Oktober 1971 die Beklagte auf, die ihm aus der stationären Behandlung des E. entstandenen Kosten nach § 1509 a RVO zu erstatten, da der versicherte Schüler den Unfall auf einem Weg erlitten habe, der dem Kauf eines Eises und damit eigenwirtschaftlichen Zwecken gedient habe. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 23. November 1971 und 12. Januar 1972 ihre Leistungspflicht ab. Sie machte geltend, daß Wege in der Mittagspause, die aus Anlaß der Einnahme eines Mittagessens zurückgelegt werden, nach § 550 RVO unter Versicherungsschutz stünden.
Hierauf hat der Kläger bei dem Sozialgericht Frankfurt a.M. – SG – am 11. Februar 1972 Klage erhoben und zunächst die Erstattung eines Betrages von 1.536,85 DM begehrt; der Versicherungsschutz sei zu verneinen, da E. das Café "A. S.” nicht aus betriebsbedingten (schulischen) Gründen habe aufsuchen wollen. Vor dem SG hat er in der mündlichen Verhandlung sodann beantragt, festzustellen, daß die Beklagte seine Aufwendungen in dem Umfange zu erstatten habe, in dem sie für die Behandlung der Verletzungsfolgen des Schülers E. Leistungen zu erbringen gehabt hätte. Die Beklagte hat unter Hinweis auf ihr bisheriges Vorbringen beantragt, die Klage abzuweisen. Mit Urteil vom 18. August 1972 hat das SG u.a. erkannt:
Es wird festgestellt, daß die Beklagte dem Kläger die Aufwendungen für den Schüler K.-K. E. in dem Umfange zu ersetzen hat, in dem sie für dessen Verletzungen aus dem Verkehrsunfall vom 2. Juni 1971 hätte Leistungen erbringen müssen.
In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Die zunächst nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG – erhobene Leistungsklage sei ebenso wie der Übergang zur Feststellungsklage nach § 99 SGG wegen Sachdienlichkeit zulässig. Im übrigen sei festzustellen, daß der Schüler E. auf dem Weg zum Café "A. S.” nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe, da kein versicherter Wegeunfall vorgelegen habe. Es habe kein Weg von der Schule zum Mittagessen oder zum Erwerb von Nahrungsmitteln zum Zwecke der Stärkung und Erfrischung stattgefunden. Bei Speiseeis handele es sich vielmehr um Genußmittel, für deren Besorgung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kein Versicherungsschutz bestehe. Im übrigen sei die Unterbrechung des Versicherungsschutzes durch das nichtschulbedingte Eisholen für das gesetzliche Versicherungsverhältnis wegen der Gefahrerhöhung nicht unwesentlich, so daß nicht zu entscheiden gewesen sei, ob der Versicherungsschutz nach Dauer, Art und Umfang wesentlich unterbrochen gewesen sei.
Gegen das ihr am 4. September 1972 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. September 1972 Berufung eingelegt. Sie macht geltend; Das SG habe unzulässigerweise die Sachdienlichkeit der Klageänderung und damit der Zulässigkeit der Feststellungsklage angenommen. Es hätte außerdem notwendigerweise den Schüler E. beiladen müssen. Im übrigen habe es unzutreffend den Versicherungsschutz verneint. Die Besorgung von Nahrungsmitteln oder Erfrischungsgetränken zum alsbaldigen Verzehr werde nach ständiger Rechtsprechung als ein den Versicherungsschutz bewirkender Zweck des Weges anerkannt, da auf diese Weise ein die Weiterarbeit erschwerendes oder gar verhinderndes Hunger- oder Durstgefühl überwunden werden solle. Im übrigen sei der Zusammenhang mit der Schule bei der Kürze der Wegstrecke und der hierfür erforderlichen Zeit der Zurücklegung nur geringfügig unterbrochen gewesen, so daß der Versicherungsschutz nicht verloren gegangen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 18. August 1972 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger legt Anschlußberufung ein und beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 18. August 1972 zu verurteilen, an ihn DM 1.480,75 zu zahlen und die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Beiladung des E. nicht für erforderlich und bringt vor: Der Schüler E. sei nicht zur Einnahme eines Mittagessens unterwegs gewesen. Die Teilnahme am Schulunterricht habe es auch nicht erforderlich gemacht, daß er sich wegen ungewöhnlicher starker Hitze oder starker Staubeinwirkung oder ähnlicher Beeinträchtigungen hätte erfrischen müssen, zumal Speiseeis hierfür nicht geeignet sei.
Es sind von der Kreisberufs- und Berufsfachschule XY. und der Polizeidirektion XY. (Straßenverkehrsbehörde) die Auskünfte vom 15. März 1973 und vom 6. April 1973 eingeholt worden. Auf sie wird verwiesen.
Außerdem sind E. sowie sein Vater und Arbeitgeber J. E. als Zeugen gehört worden. Auf die Anlagen zur Sitzungsniederschrift vom 17. Oktober 1973 wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streit-, Unfall- und Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht XY. ( ) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung – der Berufungsausschließungsgrund des § 149 SGG liegt nicht vor – ist frist- und formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch begründet. Das sozialgerichtliche Urteil musste aufgehoben werden; die zulässige Klage ist unbegründet.
Allerdings macht die Beklagte zu Unrecht zunächst eine "Unzulässigkeit der Feststellungsklage” geltend. Der Kläger, der die Befriedigung eines Ersatzanspruches fordert, hatte nämlich in der Klageschrift die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung eines Betrages von rund 1.536,– DM beantragt und damit eine zulässige Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG erhoben. Der Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), zu der der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht offensichtlich durch den Vorsitzenden veranlaßt worden ist, war hier wegen fehlender Sachdienlichkeit nicht geboten (§§ 99 Abs. 1, 112 Abs ... Satz 2 SGG) und kann daher nicht zur Abweisung der Klage wegen Unzulässigkeit führen. Wenn das Sozialgericht sich außerstande gesehen hat, rechtzeitig die richtige Höhe der Ersatzforderung festzustellen, hätte es genügt, einen Antrag auf Verurteilung dem Grund nach zu protokollieren und ein Grundurteil zu verkünden (§ 130 SGG). Ein solches Urteil setzt hier inzident die Feststellung voraus, daß die von E. erlittenen Verletzungen nicht die Folge eines Arbeits-(Schul-)unfalls waren. Da somit ein Leistungsurteil ergehen konnte, lagen die Voraussetzungen für ein Feststellungsurteil nicht vor. Der Sache nach ist der Kläger auch im Berufungsverfahren bei seinem ursprünglichen Zahlungsantrag verblieben, wenn er diesen auch – in Übereinstimmung mit der Beklagten – der Höhe nach auf den Betrag von 1.480,75 DM begrenzt hat. Er hat daher auch – von seinem Standpunkt aus zu Recht – Anschlußberufung eingelegt.
Die Beklagte rügt außerdem zu Unrecht, daß das Sozialgericht den verletzten Schüler E. notwendig hätte beiladen müssen; ein Fall der notwendigen Beiladungen liegt nämlich bei einer reinen Ersatzstreitigkeit zwischen Versicherungsträgern nicht vor (h.M., vgl. statt vieler: Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 5 zu § 75 SGG, und LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1966 S. 756).
Mit Recht macht aber die Beklagte die Unbegründetheit des vom Kläger nach § 1509 a RVO erhobenen Ersatzanspruchs geltend. Der Berufsschüler E. stand nämlich im Unfallzeitpunkt auf dem von ihm zurückgelegten Weg unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 657 Abs. 1 Nr. 5, 550 Satz 1, 539 Abs. 1 Nr. 14 c RVO).
Der Senat sieht aufgrund der Ermittlungen im Verwaltungs- und Berufungsverfahren als erwiesen an, daß E. zum Besuch der Berufsschule von seinem Wohnort mit der Bundesbahn nach XY. fahren musste. Am Unfalltag begann der Unterricht für ihn mit der 2. Stunde um 9.30 Uhr und endete nach der 9. Stunde um 15.05 Uhr. Während die kleinen Pausen zwischen den Stunden etwa 10 Minuten betrugen, war von 12.45 bis 13.30 Uhr Mittagspause. Der Schulhof maß etwa 1/4 bis 1/2 der Fläche eines Fußballfeldes und wurde von E. und anderen Schülern in den Pausen aufgesucht. Sie verließen das Schulgelände aber häufig auch, um sich auf den Bürgersteigen der umliegenden Straßen zu ergehen. E. bezeichnete den Unfalltag bei seiner Zeugenvernehmung als warm. Er wollte sich, wie er es schon öfters zuvor getan hatte, in der Mittagspause aus dem rund 200 m vom Schulgebäude entfernt gelegenen Café "A. S.” als Erfrischungskost zu den mitgeführten und im Laufe des Vormittags und nach seiner Vermutung in der Mittagspause verzehrten Broten ein Speiseeis holen. Er hat glaubhaft bekundet, daß er auf diesem Weg nichts anderes besorgen wollte. Sein als Zeuge vernommener Vater, der gleichzeitig sein Lehrherr war, konnte sich nicht entsinnen, ihm eine Besorgung in XY. aufgetragen zu haben. E. war nach seiner weiteren Bekundung auch schon häufiger – ebenso wie andere Schüler – in gleicher Weise an anderen Tagen zu diesem Café gegangen, um sich Speiseeis zu holen.
In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird einheilig die Auffassung vertreten, daß nach § 550 Satz 1 RVO auch Wege unter Versicherungsschutz stehen, die der Versicherte während einer Arbeitspause unternimmt, um sich die zur Weiterarbeit erforderliche Erholung und Stärkung außerhalb der Arbeitsstätte zu verschaffen. Die Besorgung von Nahrungsmitteln oder Erfrischungsgetränken zum alsbaldigen Verzehr wird hierbei als ein den Versicherungsschutz bewirkender Zweck des Weges anerkannt, wenn sie dem Beschäftigten dazu dienen, ein die Weiterarbeit erschwerendes oder gar verhinderndes Hunger- oder Durstgefühl zu überwinden, wobei es sich auch lediglich um sogenannte Beikost handeln kann (z.B. Obst, Delikatessheringe oder Zwiebelläuchen, vgl. RVA Breithaupt 1935 S. 330; EuM 21 S. 281; 48 S. 162; BSG E 12 S. 254 = Breithaupt 1960 S. 1063; Urteil v. 16.12.1971 – 2 RU 147/68 –; LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1967, S. 835; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1973, S. 24; Hessisches LSG, Urteil vom 8.4.1964 – L-3/U – 853/63; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Auflage, Anm. 8 zu § 550 mit weiteren Nachweisen; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Bd. II S. 4860). Allerdings darf der so geschützte Weg nicht wesentlich anderen, eigenwirtschaftlichen Zwecken dienen. Die Auffassung der Beklagten, im vorliegenden Fall habe kein Versicherungsschutz bestanden, weil E. wahrscheinlich nichts anderes im Sinn gehabt habe, als ein Speiseeis geschmacklich zu genießen, das ohnehin zur Befriedigung eines Hunger- oder Durstgefühles ungeeignet sei, ist zu eng. Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 1971 (2 RU 147/68) zutreffend ausgeführt hat, kann selbst das an sich gesundheitsschädliche Rauchen in einer bestimmten Situation mehr als nur der Huldigung einer lieben Gewohnheit, nämlich der Weiterarbeit, dienen, so daß in diesem besonderen Fall auf dem Weg zum Zigarettenholen Versicherungsschutz besteht. Hierbei darf nicht auf eine allgemeine Betrachtungsweise abgestellt werden, vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob besondere betriebliche Umstände im Sinne einer wesentlichen Mitursache vorliegen, die im Zusammenhang mit ihren Einwirkungen auf die Persönlichkeit des betreffenden einzelnen Versicherten zu werten sind (vgl. BSG a.a.O.).
Der Versicherungsschutz für Schüler umfasst grundsätzlich auch die Pausen zwischen den einzelnen Unterrichtsstunden (vgl. BT-Drucksache VI/1333 zu § 1 Nr. 1 Buchstabe a des Gesetzes vom 18.3.1971, BGBl. I S. 237; Vollmar, Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten, 1972, S. 27 f.). Wegen der räumlichen Enge auf manchen Schulgrundstücken ist es vor allem älteren Schülern, deren Eltern sich damit einverstanden erklären, gestattet, das Schulgelände zu verlassen und sich in dessen Nahbereich aufzuhalten (vgl. Erlaß des Hess. Kultusministers EV 814/150 vom 4.9.1969, Amtsblatt S. 1044). Unfälle, die sich dort ereignen, stehen daher grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz (so auch Vollmar a.a.O.).
Im vorliegenden Fall ist von Bedeutung, daß der von E. geplante Weg zum Café "A. S.” ihm nur etwa 200 m vom Schulgelände wegführte und auf Bürgersteigen zurückgelegt werden konnte. Die hierzu erforderliche körperliche Betätigung diente seiner Entspannung sowie Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Konzentrationsfähigkeit für den anschließenden noch 1 1/2 Stunden dauernden Unterricht. Daran ändert nichts, daß E. auf dem Hin- und Rückweg je zwei Straßen überqueren musste. Bei einem Schüler dieses Alters tritt dadurch keine Unterbrechung des Versicherungsschutzes ein. In der Rechtsprechung ist auch allgemein anerkannt, daß Maßnahmen, die der Wiederherstellung der Arbeitskraft und der Gesunderhaltung der Erwerbstätigen dienen, eine gesteigerte Bedeutung zukommt (vgl. Urteil des BSG 2 RU 92/53: Umweg zu Erholungszwecken, wenn sich eine versicherte Tätigkeit anschließt; Urteil des LSG Baden-Württemberg in Breithaupt 1967 S. 835).
Eine andere Beurteilung hat auch nicht deshalb stattzufinden, weil E. sich ein Speiseeis holen wollte. Es kann dahingestellt bleiben, ob Speiseeis als Nahrungs- oder Genußmittel anzusehen ist, worüber die Beteiligten streiten. Es ist auch nicht rechtserheblich, ob sich E. ein sog. Kunsteis holen wollte, dem praktisch kein Nährwert zukommt, oder ein Sahneeis, in dem dies in höherem Maße der Fall ist. Er konnte hierzu nur bekunden, er habe sich ein Eis für DM 0,50 holen wollen. In jedem Fall bedeutete ihm der Verzehr eines Speiseeises in seinem jugendlichen Alter an dem warmen Unfalltag und im Hinblick auf die noch folgenden Unterrichtsstunden eine subjektive Erfrischung und Steigerung seines Wohlbehagens, so daß der Wert der Mittagspause auch dadurch eine Steigerung erfahren hätte. Das gleiche gilt für andere Erfrischungsmittel wie z.B. Getränke (so auch Vollmar a.a.O.), die jedenfalls jetzt in der Kreisberufs- und Berufsfachschule XY. verkauft werden, wie sie auf Antrage mitgeteilt hat. Ob diese bereits am Unfalltag der Fall war, ist nicht mehr aufzuklären. E. hat bekundet, er habe davon nichts gewußt. Der Versicherungsschutz wäre jedenfalls nicht dadurch unterbrochen worden, daß er sich statt eines Getränkes beim Hausmeister der Schule ein Speiseeis in einem Café besorgen wollte. In der Wahl eines Erfrischungsmittels ist der Versicherte frei, da dieses in der Regel nur dann seinen Zweck erfüllt, wenn er sich davon einen Erfolg verspricht. Es darf dabei nicht die psychologische Situation eines Schülers außer acht gelassen werden, die nicht nach den gleichen – strengeren – Maßstäben wie für erwachsene Beschäftigte beurteilt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 30.9.1970, 2 RU 150/68).
Im übrigen würde der Versicherungsschutz auch unter dem vom Bundessozialgericht entwickelten Gesichtspunkt der "geringfügigen Unterbrechung” (BSG, Urteil vom 14.12.1967, 2 RU 190/65; 28.10.1966, 2 RU 234/63; E 20 S. 209; 29.2.1972, 2 RU 27/68) fortbestanden haben. Hierzu ist festzustellen, daß E. für die Zurücklegung der ca. 400 m langen Wegstrecke etwa 6 Minuten benötigt hätte, so daß nach dieser Rechtsprechung wohl keine Unterbrechung des Versicherungsschutzes eintrat. Der Senat hat zwar wiederholt entschieden, daß bei einer auch nur geringfügigen Unterbrechung der Betriebsarbeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen kein Versicherungsschutz besteht (vgl. u.a. Urteil vom 6.3.1968, Breithaupt 1968 S. 913). Im vorliegenden Fall brauchte zu dieser Frage jedoch nicht erneut Stellung genommen zu werden, da das Geschehen am 2. Juni 1971 aus den anderen, oben dargelegten Gründen bereits einen Arbeitsunfall darstellte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG!
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