Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 817/72
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Schuldausspruch in einem landgerichtlichen Scheidungsurteil ist für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bindend und kann nicht mehr auf seine sachliche Richtigkeit nachgeprüft werden.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Juli 1972 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1924 geborene Ehemann der Klägerin ist 1967 verstorben. Die Klägerin war mit ihm seit 1950 verheiratet und wurde 1964 von ihm geschieden. Er bezog nach dem Neufeststellungsbescheid des Beklagten vom 18. März 1954 ab 1. Oktober 1953 vor allem wegen Lungen-Tb. eine Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. sowie Pflegezulage.
Am 8. September 1969 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung von Witwenrente ihrem inzwischen von ihr geschiedenen Ehemann.
Hierzu zog der Beklagte die Akten des Landesgerichts Darmstadt – Z.: 010101 – über das Ehescheidungsverfahren bei.
Nach der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor diesem Gericht am 29. September 1964 erklärten sich beide Parteien als an der Ehezerrüttung mitschuldig. Sie vereinbarten einen gegenseitigen Verzicht auf Unterhalt einschließlich des Notbedarfs. Mit dem am gleichen Tag ergangenen Urteil wurde die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Sie sei im Sinne von § 43 Abs. 1 des Ehegesetzes (EheG) unheilbar zerrüttet und es sei eine endgültige Entfremdung eingetreten. Die Zerrüttung beruhe auf Eheverfehlungen beide Parteien, da es beiden an ausreichendem gegenseitigem Verständnis hätte fehlen lassen. Die aufgetretenen Zwistigkeit und der schließliche Bruch seien von beiden gleichmäßig zu vertreten, wie dies auch die Parteien bei ihrer gerichtliche Vernehmung übereinstimmend bekundet hätten. Anhaltspunkte für ein überwiegendes Verschulden einer Partei seien nicht vorhanden.
Vor dem Versorgungsamt Darmstadt erklärte die Klägerin dazu am 13. Oktober 1969, daß sie ihren Rentenantrag auf § 42 Abs. 1 Satz 3 BVG stütze. Weil ihr Ehemann wegen der als Schädigungsfolge anerkannten Lungen-Tb. nicht arbeitsfähig gewesen sei, sei er häufig ins Wirtshaus gegangen, wodurch sich ihr Verhältnis verschlechtert habe. Er sei übrigens nur ihr gegenüber, nicht aber zu anderen eklig gewesen. Später gab die Klägerin noch an, er habe auch ständig Beschwerden gehabt und sei deshalb mißgestimmt gewesen.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22. Januar 1970 die Gewährung von Witwenrente nach § 42 Abs. 1 BVG ab und berief sich hierbei vor allem darauf, daß nach dem Scheidungsurteil die anerkannte Lungen-Tb. nicht alleiniger Scheidungsgrund gewesen sei.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch führte die Klägerin die Scheidung dagegen auf die Lungen-Tb. zurück. Wegen dieser Erkrankung habe ihr Ehemann abartig reagiert, was im Scheidungsprozeß nicht erörtert worden sei.
Mit Bescheid vom 2. Juni 1970 half der Beklagte dem Widerspruch nicht ab. Wenn die Lungen-Tb. tatsächlich eine hervorragende Rolle gespielt hätte, so wäre dies auch im Scheidungsprozeß klar erörtert worden und wohl eine Scheidung nach § 46 EheG wegen anstreckender Krankheit erfolgt.
Die hierauf erhobene Klage wies das Sozialgericht Darmstadt mit Urteil vom 7. Juli 1972 als unbegründet ab; auf die Entscheidungsgründe wird im einzelnen Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 2. August 1972 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25. August 1972 Berufung eingelegt. Mit ihr macht sie geltend, sie selbst habe wegen des bösartigen Verhaltens ihres früheren Ehemannes nach 14 Ehejahren auf Scheidung geklagt. Die Lungen-Tb. habe sehr viel zu der Scheidung beigetragen und sei nach Auffassung der Fürsorgeschwester des Gesundheitsamtes die Ursache des bösartigen Verhaltens des Ehemannes gewesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Juli 1972 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 22. Januar 1970 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1970 zur Zahlung von Witwenrente nach § 42 Abs. 1 BVG ab Antragstellung zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakten, der Witwenrentenakten der Klägerin, der Versorgungsakten ihres früheren Ehemannes sowie der Akten des Landegerichts Darmstadt – Az.: , welcher zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird im einzelnen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie ist insbesondere nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt und nach § 143 SGG statthaft.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Entscheidung des Sozialgerichts ist im Ergebnis beizupflichten. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenrente nach § 42 BVG nach ihrem geschiedenen und verstorbenen Ehemann. Die Voraussetzungen von Satz 1 und 2 dieser Vorschriften liegen hier unstreitig und eindeutig nicht vor, zumal eine Unterhaltspflicht des Ehemannes gegenüber der Klägerin nach dem gegenseitigen Unterhaltsverzicht vor dem Landgericht Darmstadt nicht bestand, wobei die Gründe für den Verzicht unerheblich sind (vgl. Wilke, 3. Aufl. Anm. III 1 f zu § 42 BVG). Auch die zwischen den Eheleuten vereinbarte monatliche Zahlung des Ehemannes von 40,– DM war nicht als Unterhalt, sonder lediglich als Ausgleich für den Mehrwert der von dem Ehemann bewohnten Parterrewohnung des gemeinsamen Hauses gedacht.
Die Klägerin kann aber auch aus Satz 3 des § 42 Abs. 1 BVG keinen Anspruch herleiten, da die Ehe nicht in Zusammenhang mit der als Schädigungsfolge anerkannt gewesenen Lungen-Tb. ihres Ehemannes geschieden wurde. Weder in dem Scheidungsurteil noch in dem Protokoll über die vorausgegangene mündliche Verhandlung wurde die Lungen-Tb. erwähnt, vielmehr wurde hiernach die Ehe aus beiderseitigem Verschulden wegen Zerrüttung geschieden. Die gleichmäßige Mitschuld beider Ehegatten wurde in den Urteilsgründen noch näher dargelegt. Der – gegen eine wesentliche Beteilung der Lungen-Tb. an der Scheidung sprechende – Schuldausspruch dieses rechtskräftigen Urteils ist für den Senat bindend und kann vom ihm nicht auf seine sachliche Richtigkeit geprüft werden (vgl. BSG 10, 171). Demgegenüber ist ohne entscheidende Bedeutung, daß die Klägerin die damalige Klage erhoben hatte. Dies umso mehr, als sie entgegen ihrer Behauptung im vorinstanzlichen Verfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Darmstadt nach dem Verhandlungsprotokoll ihre Mitschuld ausdrücklich zugegeben hat. Es mag zwar sein, daß die Lungen-Tb. bei der Scheidung nicht ganz ohne Bedeutung gewesen ist, doch fehlen ausreichende Anhaltspunkte dafür, daß sie wenigstens eine wesentliche – d.h. mindestens etwa gleichwertige – Mitursache für die Scheidung war. Nach dem hierfür vor allem bedeutsamen Inhalt des Scheidungsurteils, aber auch der sonstigen Scheidungsakten einschließlich der dort gewechselten Schriftsätze standen bei der Scheidung vor allem aus persönlichkeitseigenen Ursachen entstandene Zwistigkeiten im Vordergrund, wie sie auch sonst sehr häufig zu ehelichen Disharmonien und zum Scheitern der Klägerin (vgl. Bl. 17 WA), daß ihr Ehemann nur ihr gegenüber sehr eklig gewesen sei, nicht aber zu anderen.
Nach alledem war die unbegründete Berufung, wie geschehen, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1924 geborene Ehemann der Klägerin ist 1967 verstorben. Die Klägerin war mit ihm seit 1950 verheiratet und wurde 1964 von ihm geschieden. Er bezog nach dem Neufeststellungsbescheid des Beklagten vom 18. März 1954 ab 1. Oktober 1953 vor allem wegen Lungen-Tb. eine Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. sowie Pflegezulage.
Am 8. September 1969 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung von Witwenrente ihrem inzwischen von ihr geschiedenen Ehemann.
Hierzu zog der Beklagte die Akten des Landesgerichts Darmstadt – Z.: 010101 – über das Ehescheidungsverfahren bei.
Nach der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor diesem Gericht am 29. September 1964 erklärten sich beide Parteien als an der Ehezerrüttung mitschuldig. Sie vereinbarten einen gegenseitigen Verzicht auf Unterhalt einschließlich des Notbedarfs. Mit dem am gleichen Tag ergangenen Urteil wurde die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Sie sei im Sinne von § 43 Abs. 1 des Ehegesetzes (EheG) unheilbar zerrüttet und es sei eine endgültige Entfremdung eingetreten. Die Zerrüttung beruhe auf Eheverfehlungen beide Parteien, da es beiden an ausreichendem gegenseitigem Verständnis hätte fehlen lassen. Die aufgetretenen Zwistigkeit und der schließliche Bruch seien von beiden gleichmäßig zu vertreten, wie dies auch die Parteien bei ihrer gerichtliche Vernehmung übereinstimmend bekundet hätten. Anhaltspunkte für ein überwiegendes Verschulden einer Partei seien nicht vorhanden.
Vor dem Versorgungsamt Darmstadt erklärte die Klägerin dazu am 13. Oktober 1969, daß sie ihren Rentenantrag auf § 42 Abs. 1 Satz 3 BVG stütze. Weil ihr Ehemann wegen der als Schädigungsfolge anerkannten Lungen-Tb. nicht arbeitsfähig gewesen sei, sei er häufig ins Wirtshaus gegangen, wodurch sich ihr Verhältnis verschlechtert habe. Er sei übrigens nur ihr gegenüber, nicht aber zu anderen eklig gewesen. Später gab die Klägerin noch an, er habe auch ständig Beschwerden gehabt und sei deshalb mißgestimmt gewesen.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22. Januar 1970 die Gewährung von Witwenrente nach § 42 Abs. 1 BVG ab und berief sich hierbei vor allem darauf, daß nach dem Scheidungsurteil die anerkannte Lungen-Tb. nicht alleiniger Scheidungsgrund gewesen sei.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch führte die Klägerin die Scheidung dagegen auf die Lungen-Tb. zurück. Wegen dieser Erkrankung habe ihr Ehemann abartig reagiert, was im Scheidungsprozeß nicht erörtert worden sei.
Mit Bescheid vom 2. Juni 1970 half der Beklagte dem Widerspruch nicht ab. Wenn die Lungen-Tb. tatsächlich eine hervorragende Rolle gespielt hätte, so wäre dies auch im Scheidungsprozeß klar erörtert worden und wohl eine Scheidung nach § 46 EheG wegen anstreckender Krankheit erfolgt.
Die hierauf erhobene Klage wies das Sozialgericht Darmstadt mit Urteil vom 7. Juli 1972 als unbegründet ab; auf die Entscheidungsgründe wird im einzelnen Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 2. August 1972 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25. August 1972 Berufung eingelegt. Mit ihr macht sie geltend, sie selbst habe wegen des bösartigen Verhaltens ihres früheren Ehemannes nach 14 Ehejahren auf Scheidung geklagt. Die Lungen-Tb. habe sehr viel zu der Scheidung beigetragen und sei nach Auffassung der Fürsorgeschwester des Gesundheitsamtes die Ursache des bösartigen Verhaltens des Ehemannes gewesen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. Juli 1972 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 22. Januar 1970 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1970 zur Zahlung von Witwenrente nach § 42 Abs. 1 BVG ab Antragstellung zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakten, der Witwenrentenakten der Klägerin, der Versorgungsakten ihres früheren Ehemannes sowie der Akten des Landegerichts Darmstadt – Az.: , welcher zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird im einzelnen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie ist insbesondere nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt und nach § 143 SGG statthaft.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Entscheidung des Sozialgerichts ist im Ergebnis beizupflichten. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenrente nach § 42 BVG nach ihrem geschiedenen und verstorbenen Ehemann. Die Voraussetzungen von Satz 1 und 2 dieser Vorschriften liegen hier unstreitig und eindeutig nicht vor, zumal eine Unterhaltspflicht des Ehemannes gegenüber der Klägerin nach dem gegenseitigen Unterhaltsverzicht vor dem Landgericht Darmstadt nicht bestand, wobei die Gründe für den Verzicht unerheblich sind (vgl. Wilke, 3. Aufl. Anm. III 1 f zu § 42 BVG). Auch die zwischen den Eheleuten vereinbarte monatliche Zahlung des Ehemannes von 40,– DM war nicht als Unterhalt, sonder lediglich als Ausgleich für den Mehrwert der von dem Ehemann bewohnten Parterrewohnung des gemeinsamen Hauses gedacht.
Die Klägerin kann aber auch aus Satz 3 des § 42 Abs. 1 BVG keinen Anspruch herleiten, da die Ehe nicht in Zusammenhang mit der als Schädigungsfolge anerkannt gewesenen Lungen-Tb. ihres Ehemannes geschieden wurde. Weder in dem Scheidungsurteil noch in dem Protokoll über die vorausgegangene mündliche Verhandlung wurde die Lungen-Tb. erwähnt, vielmehr wurde hiernach die Ehe aus beiderseitigem Verschulden wegen Zerrüttung geschieden. Die gleichmäßige Mitschuld beider Ehegatten wurde in den Urteilsgründen noch näher dargelegt. Der – gegen eine wesentliche Beteilung der Lungen-Tb. an der Scheidung sprechende – Schuldausspruch dieses rechtskräftigen Urteils ist für den Senat bindend und kann vom ihm nicht auf seine sachliche Richtigkeit geprüft werden (vgl. BSG 10, 171). Demgegenüber ist ohne entscheidende Bedeutung, daß die Klägerin die damalige Klage erhoben hatte. Dies umso mehr, als sie entgegen ihrer Behauptung im vorinstanzlichen Verfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Darmstadt nach dem Verhandlungsprotokoll ihre Mitschuld ausdrücklich zugegeben hat. Es mag zwar sein, daß die Lungen-Tb. bei der Scheidung nicht ganz ohne Bedeutung gewesen ist, doch fehlen ausreichende Anhaltspunkte dafür, daß sie wenigstens eine wesentliche – d.h. mindestens etwa gleichwertige – Mitursache für die Scheidung war. Nach dem hierfür vor allem bedeutsamen Inhalt des Scheidungsurteils, aber auch der sonstigen Scheidungsakten einschließlich der dort gewechselten Schriftsätze standen bei der Scheidung vor allem aus persönlichkeitseigenen Ursachen entstandene Zwistigkeiten im Vordergrund, wie sie auch sonst sehr häufig zu ehelichen Disharmonien und zum Scheitern der Klägerin (vgl. Bl. 17 WA), daß ihr Ehemann nur ihr gegenüber sehr eklig gewesen sei, nicht aber zu anderen.
Nach alledem war die unbegründete Berufung, wie geschehen, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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