Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 5 (11) AL 62/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2007 verurteilt, dem Kläger einen Gründungszuschuss gemäß § 57 SGB III ab dem 01.07.2007 nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (Bundesgesetzblatt I, S. 1706) (n. F.) im Streit.
Der am 07.01.1967 geborene Kläger bezog zunächst Arbeitslosengeld I für die Zeit vom 01.06.2007 bis 30.06.2007 von der Beklagten. Die Leistungsbewilligung erfolgte mit Bescheid vom 15.05.2007 in Höhe von 47,72 EUR täglich (Bemessungsentgelt: 103,62 EUR/Tag) für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen. Aufgehoben wurde die Leistungsbewilligung ab dem 01.07.2007 mit Bescheid vom 25.06.2007.
Am 09.05.2007 beantragte der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer wöchentlich 40 Stunden umfassenden selbständigen Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister in Recklinghausen zum 01.07.2007 bei der Beklagten. Am 14.06.2007 übergab er dieser die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 11.06.2007 erstellt durch den Dipl.-Kaufmann und Steuerberater Knut Krause aus Herten. Aus dieser geht u. a. hervor, dass mit dem Vorhaben des Klägers der Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung insgesamt realisierbar erscheine. Aus einem eingereichten Rentabilitätsplan des Klägers geht hervor, dass dieser damit rechne, im Jahr 2007 einen Überschuss von 17900,00 EUR, im Jahr 2008 in Höhe von 40400,00 EUR sowie im Jahr 2009 in Höhe von 40100,00 EUR zu erzielen. Zudem wies er gegenüber der Beklagten nach, die Meisterprüfung im Schornsteinfegerhandwerk am 13.11.1991 vor der Handwerkskammer Münster abgelegt zu haben.
Ebenfalls am 14.06.2007 meldete der Kläger die Aufnahme eines Gewerbes als Bezirksschornsteinfeger bei der Stadt Recklinghausen ab dem 01.07.2007 an und nahm seine Tätigkeit im dortigen Kehrbezirk zu diesem Datum auf.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27.06.2007 die Gewährung eines Gründungszuschusses gegenüber dem Kläger ab. Ein solcher diene zur Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Absicherung in der ersten Phase der Selbständigkeit, in der dem Gründer der Marktzutritt noch nicht gelungen sei und daher die weitere wirtschaftliche Entwicklung noch unsicher sei. Bei Übernahme eines Kehrbezirks existiere keine Konkurrenz und sei ein fester Kundenstamm vorhanden. Daher könne kein Gründungszuschuss gezahlt werden, weil keine Notwendigkeit bestehe, diese Gründung mit einem Zuschuss abzusichern. Es werde aufgrund der dadurch zu erzielenden gesicherten Einkünfte kein unternehmerisches Risiko übernommen.
Mit Schreiben vom 16.07.2007 legte der Kläger Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 27.06.2007 ein. Es sei für die Gewährung des Gründungszuschusses nicht relevant, ob er über einen festen Kehrbezirk verfüge bzw. aufgrund eines festen Kundenstammes keiner Konkurrenz ausgesetzt sei. Auch trage er ein unternehmerisches Risiko. Seine Einkünfte seien nicht gesichert. Insbesondere sei nicht vorhersehbar, ob sämtliche Kunden die ihnen gestellten Rechnungen begleichen würden. Zudem sei in der Anlaufphase des Unternehmens eine Rechnungsstellung erst nach Durchführung der ersten Arbeiten möglich. Einnahmen seien erst im Anschluss zu erzielen. Auch sei er zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit, insbesondere da er einen Mitarbeiter beschäftige, zur Zwischenfinanzierung in Form eines Darlehens gezwungen.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2007 zurück. Bezirksschornsteinfegermeister nähmen öffentliche Aufgaben wahr und bekämen von der zuständigen Verwaltungsbehörde einen Kehrbezirk zugeteilt. Aufgrund dessen bestehe ein fester Kundenstamm und keine Konkurrenz. Der Marktzutritt sei bereits gelungen. Auch bestehe ein festes gesichertes Einkommen. Ein unternehmerisches Risiko werde nicht eingegangen. Ein solches sei auch nicht in der Gefahr der Nichtzahlung von gestellten Rechnungen durch Kunden zu erblicken. Der Gründungszuschuss diene der Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung, wobei es sich um eine Tatbestandsvoraussetzung handele, und nicht der Finanzierung der Zeit in der Zahlungsverzögerungen der Kunden vorlägen. Der Tatbestand der Anspruchsnorm sei nicht erfüllt.
Mit seiner am 06.08.2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses weiter. Die Formulierung "zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung" in § 57 Abs. 1 SGB III n. F. stelle keine eigenständige Tatbestandsvoraussetzung der Gewährung eines Gründungszuschusses dar, sondern gebe lediglich die Intention des Gesetzgebers wieder. Eine Bedürftigkeitsprüfung setze § 57 Abs. 1 SGB III n. F. damit nicht voraus. Daher seien dessen Voraussetzungen erfüllt. Auch sei der Beklagten kein Ermessen bezüglich der Gewährung eingeräumt. Wie jeder andere Unternehmer auch, benötige er den Gründungszuschuss in der Gründungsphase seines Unternehmens zur Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Sicherung. Auch trage er ein unternehmerisches Risiko. Er habe zunächst Investitionen zu tätigen, insbesondere seine Ausrüstungsgegenstände sowie ein Firmenfahrzeug anzuschaffen. Einnahmen seien nicht vom ersten Tag an zu erzielen, sondern erst nach Durchführung der ersten Arbeiten sowie der Begleichung der den Kunden gestellten Rechnungen. Hier bestehe das nicht durch die Übernahme eines festen Kehrbezirkes abwendbare Risiko, dass diese Rechnungen nicht ausglichen würden. Auch habe er für den von ihm angestellten Mitarbeiter Lohn zu zahlen und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Zudem habe er seinen eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren. Auch sei zu beachten, dass andere Bezirksschornsteinfeger durch entsprechende Leistungen der Beklagten gefördert würden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2007 zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss zu gewähren, hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2007 zu verurteilen ihm einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger könne seinen Lebensunterhalt auch ohne die Gewährung eines Gründungszuschusses sicherstellen und habe daher keinen Anspruch auf einen solchen. Sein zu erwartender Gewinn übersteige bereits von Beginn der Tätigkeit an das der Bewilligung des zuletzt durch ihn bezogenen Arbeitslosengeldes I zugrundegelegte tägliche Bemessungsentgelt von 103,62 EUR. Der durch die Förderung beabsichtigte Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts des Klägers könne aufgrund der Besonderheiten seiner Tätigkeit, insbesondere des Bestehens eines festen Kehrbezirks, keiner Konkurrenz, eines eigenen Kundenstamms, eines gesicherten Einkommens sowie des Fehlens eines unternehmerischen Risikos, nicht erreicht werden.
Die Beteiligten sind mit Schreiben des Gerichts vom 04.01.2008 sowie 28.01.2008 darauf hingewiesen worden, dass das Gericht beabsichtigt, durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden. Beide haben sich mit Schreiben vom 09.01.2008 bzw. 10.01.2008 sowie 21.01.2008 bzw. 31.01.2008 mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese haben dem Gericht vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Im vorliegenden Fall ist nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 i. V. m. § 136 SGG entschieden worden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist durch den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 27.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2007 beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Der Bescheid ist rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 SGB III n. F. ab dem 01.07.2007. Die Beklagte hat diesen Anspruch zu Unrecht abgelehnt.
Gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 SGB III n. F. haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Gemäß § 57 Abs. 2 SGB III n. F. wird ein Gründungszuschuss geleistet, wenn der Arbeitnehmer 1.bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buch gefördert worden ist, 2.bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt 3.der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 4.seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit dargelegt.
Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen der vorstehend zitierten Norm. Er ist Arbeitnehmer und hat mit der Aufnahme seiner 40 Wochenstunden umfassenden Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister in Recklinghausen ab dem 01.07.2007 eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit aufgenommen. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass es sich auch bei der Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister um eine selbständige Tätigkeit im Sinne von § 57 Abs. 1 SGB III n. F. handelt. Selbständig ist eine Erwerbstätigkeit, die nicht in Abhängigkeit von fremden Weisungen ausgeübt wird. Typisch für eine solche sind die eigene Betriebsstätte, der Einsatz eigener Betriebsmittel und das Arbeiten auf eigene Rechnung, die Verfügung über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestellte Tätigkeit und Arbeitszeit (Winkler in: Gagel, Kommentar zum SGB III, Stand: Dezember 2006/ EL 28, § 57, Rn. 23). Der Kläger hat mit der Aufnahme seiner Tätigkeit ein Unternehmen errichtet. Ab dem 01.07.2007 tritt er nach außen unternehmerisch im Geschäftsverkehr auf. Dabei verfügt er über eine eigene Betriebsstätte und beschäftigt einen weiteren Mitarbeiter. Diesem gegenüber tritt er als Arbeitgeber auf. Er hat eigene Betriebsmittel, insbesondere die zum Kehren der Schornsteine notwendigen Handwerksmittel, wie auch ein Betriebsfahrzeug finanziert und angeschafft. Auch führt er Arbeiten auf eigene Rechnung aus und trägt dabei ein Ausfall- sowie Insolvenzrisiko. Das Gericht ist, entgegen der von der Beklagten geäußerten Rechtsansicht, davon überzeugt, dass damit die Übernahme eines unternehmerischen Risikos verbunden ist. Selbst soweit der Kläger über einen festen Kundenstamm aufgrund der durch Gesetz vorgegebenen Zuweisung eines festen Kehrbezirks verfügt, trägt er das Risiko, dass die von ihm getätigten Investitionen sich nicht auszahlen. Auch ist keineswegs garantiert, dass die ihm zugewiesenen Kunden die von ihm gestellten Rechnungen akzeptieren und begleichen. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Kläger entgegen der bestehenden gesetzlichen Vorgaben aus staatlichen Mitteln finanziert würde und nicht zur Rechnungsstellung gegenüber seiner Kunden berechtigt wäre. Auch ist er bezüglich Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsweise nicht an die Weisungen eines Dritten gebunden. Darüber hinaus hat der Kläger durch die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister seine Arbeitslosigkeit beendet. Er hat in der Zeit vom 01.06.2007 bis 30.06.2007 Arbeitslosengeld I von der Beklagten bezogen. Am 30.06.2007 bestand ein weiterer Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld I für mehr als 90 Tage. Die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zum 01.07.2007 fand direkt im Anschluss an die Gewährung von Arbeitslosengeld I statt. Auch hat der Kläger mit der Einreichung seines Meisterbriefes sowie der Bescheinigung des Dipl.-Kaufmanns und Steuerberaters Knut Krause vom 11.06.2007 im Sinne einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung, das Bestehen der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit sowie die Tragfähigkeit seiner Existenzgründung nachgewiesen. Die Stellungnahme des Dipl.-Kaufmanns und Steuerberaters Knut Krause stellt eine solche im Sinne von § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, S. 2 SGB III n. F. dar.
Damit hat der Kläger sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 SGB III erfüllt. Bei dem in § 57 Abs. 1 enthaltenen Passus: " ... zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung ..." handelt es sich hingegen nicht um Tatbestandsmerkmale der Norm. Vielmehr drückt sich in dieser Formulierung die Intention des Gesetzgebers sowie der gesetzgeberische Zweck der Vorschrift aus (Winkler in: Gagel, a.a.O., § 57, Rn. 7, 9; Stratmann in: Niesel, Kommentar zum SGB III, 4. Auflage 2007, § 57, Rn. 5 ff.; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW -, Urteil vom 01.03.2006, L 12 AL 134/05; Sozialgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 28.04.2004, Az.: S 4 AL 279/04 und Gerichtsbescheid vom 06.02.2006, Az.: S 5 (11) AL 464/04). Dieser ist darin zu erblicken, für eine Übergangs- und Anfangszeit, in der aus der neu aufgenommenen selbständigen Tätigkeit keine vollen Einnahmen zu erwarten sind, den Lebensunterhalt des vorher Arbeitslosen zu sichern (Stratmann in: Niesel, a.a.O., § 57, Rn. 3). Nach Abschaffung der Ermessensprüfung bezüglich der Gewährung von Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III a. F. geht der Gesetzgeber davon aus, dass das Überbrückungsgeld zur Sicherung des Lebensunterhalts erforderlich ist. Eine Überprüfung, ob die Förderung im konkreten Einzelfall notwendig ist, soll seit dem 01.01.2004 nicht mehr stattfinden. Aus der Gesetzesänderung kann nur gefolgert werden, dass eine Förderung den Regelfall darstellen soll, auf die individuelle Notwendigkeit aber nur noch in Ausnahmefällen (z. B. bei einem offensichtlichen Mitnahmeeffekt oder Missbrauch) abgestellt werden soll (LSG NRW, a.a.O.). Dieses muss nach Überzeugung des Gerichts auch bezüglich der vorliegend streitgegenständlichen neuen Leistung des Gründungszuschusses gemäß § 57 SGB III n. F., als vom Gesetzgeber vorgesehener Nachfolgeleistung des Überbrückungsgeldes nach § 57 SGB III a. F., gelten (Winkler in: Gagel, a.a.O., § 57, Rn. 9, m.w.N.). Das Vorliegen eines Ausnahmefalles in Form des Bestehens eines offensichtlichen Mitnahmeeffekts bzw. eines sich aufdrängenden Missbrauchs liegt zur Überzeugung des Gerichts hier nicht vor. Zwar besteht, wie von der Beklagten angeführt, die Besonderheit der Aufnahme einer Tätigkeit, für die der Gesetzgeber die Zuweisung eines festen Bezirks und damit eines festen Kundenstammes vorgegeben hat. Jedoch ist zur Überzeugung des Gerichts auch in diesem Fall eine Erreichung des Förderzwecks des § 57 SGB III n. F. möglich. Auch bei der Aufnahme einer solchen Tätigkeit ist die Sicherung des Lebensunterhalts sowie die soziale Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung notwendig. Auch durch den Kläger waren entsprechende Investitionen zur Aufnahme der Tätigkeit vorzunehmen und sind zu deren Finanzierung die ersten Einnahmen aus der Tätigkeit vermehrt zu verwenden. Zudem ist - wie vom Kläger vorgetragen - davon auszugehen, dass in der ersten Zeit der Tätigkeit zunächst die Ausführung einiger Aufträge zu erfolgen hat, bevor konkrete Einnahmen aus der Tätigkeit zu erzielen sind. Die Aufwendungen des Klägers zur Sicherung seines Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung bestehen jedoch von Anfang an und fortdauernd. Damit scheidet ein offensichtlicher Mitnahmeeffekt aus. Auch ist das Vorliegen eines Missbrauchs nicht ersichtlich. Insbesondere ist der vorliegende Fall dem, der der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 04.05.2007 (Aktenzeichen S 22 AL 52/06) zugrunde lag, nicht vergleichbar. Der Kläger übernimmt nicht den bestehenden Betrieb eines Familienangehörigen.
Auf den Gründungszuschuss besteht gemäß §§ 57 ff. SGB III n. F. für die ersten 9 Monate ein Rechtsanspruch (Winkler in: Gagel, a.a.O., § 57, Rn. 38; Stratmann in: Niesel, a.a.O., § 57, Rn. 4). Die vorzunehmende Leistungsbewilligung wird die Beklagte der Anspruchsdauer und Höhe nach an den weiteren bestehenden gesetzlichen Vorgaben ausrichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem
Sozialgericht Gelsenkirchen, Ahstraße 22, 45879 Gelsenkirchen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (Bundesgesetzblatt I, S. 1706) (n. F.) im Streit.
Der am 07.01.1967 geborene Kläger bezog zunächst Arbeitslosengeld I für die Zeit vom 01.06.2007 bis 30.06.2007 von der Beklagten. Die Leistungsbewilligung erfolgte mit Bescheid vom 15.05.2007 in Höhe von 47,72 EUR täglich (Bemessungsentgelt: 103,62 EUR/Tag) für eine Anspruchsdauer von 360 Tagen. Aufgehoben wurde die Leistungsbewilligung ab dem 01.07.2007 mit Bescheid vom 25.06.2007.
Am 09.05.2007 beantragte der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer wöchentlich 40 Stunden umfassenden selbständigen Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister in Recklinghausen zum 01.07.2007 bei der Beklagten. Am 14.06.2007 übergab er dieser die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 11.06.2007 erstellt durch den Dipl.-Kaufmann und Steuerberater Knut Krause aus Herten. Aus dieser geht u. a. hervor, dass mit dem Vorhaben des Klägers der Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung insgesamt realisierbar erscheine. Aus einem eingereichten Rentabilitätsplan des Klägers geht hervor, dass dieser damit rechne, im Jahr 2007 einen Überschuss von 17900,00 EUR, im Jahr 2008 in Höhe von 40400,00 EUR sowie im Jahr 2009 in Höhe von 40100,00 EUR zu erzielen. Zudem wies er gegenüber der Beklagten nach, die Meisterprüfung im Schornsteinfegerhandwerk am 13.11.1991 vor der Handwerkskammer Münster abgelegt zu haben.
Ebenfalls am 14.06.2007 meldete der Kläger die Aufnahme eines Gewerbes als Bezirksschornsteinfeger bei der Stadt Recklinghausen ab dem 01.07.2007 an und nahm seine Tätigkeit im dortigen Kehrbezirk zu diesem Datum auf.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27.06.2007 die Gewährung eines Gründungszuschusses gegenüber dem Kläger ab. Ein solcher diene zur Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Absicherung in der ersten Phase der Selbständigkeit, in der dem Gründer der Marktzutritt noch nicht gelungen sei und daher die weitere wirtschaftliche Entwicklung noch unsicher sei. Bei Übernahme eines Kehrbezirks existiere keine Konkurrenz und sei ein fester Kundenstamm vorhanden. Daher könne kein Gründungszuschuss gezahlt werden, weil keine Notwendigkeit bestehe, diese Gründung mit einem Zuschuss abzusichern. Es werde aufgrund der dadurch zu erzielenden gesicherten Einkünfte kein unternehmerisches Risiko übernommen.
Mit Schreiben vom 16.07.2007 legte der Kläger Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 27.06.2007 ein. Es sei für die Gewährung des Gründungszuschusses nicht relevant, ob er über einen festen Kehrbezirk verfüge bzw. aufgrund eines festen Kundenstammes keiner Konkurrenz ausgesetzt sei. Auch trage er ein unternehmerisches Risiko. Seine Einkünfte seien nicht gesichert. Insbesondere sei nicht vorhersehbar, ob sämtliche Kunden die ihnen gestellten Rechnungen begleichen würden. Zudem sei in der Anlaufphase des Unternehmens eine Rechnungsstellung erst nach Durchführung der ersten Arbeiten möglich. Einnahmen seien erst im Anschluss zu erzielen. Auch sei er zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit, insbesondere da er einen Mitarbeiter beschäftige, zur Zwischenfinanzierung in Form eines Darlehens gezwungen.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2007 zurück. Bezirksschornsteinfegermeister nähmen öffentliche Aufgaben wahr und bekämen von der zuständigen Verwaltungsbehörde einen Kehrbezirk zugeteilt. Aufgrund dessen bestehe ein fester Kundenstamm und keine Konkurrenz. Der Marktzutritt sei bereits gelungen. Auch bestehe ein festes gesichertes Einkommen. Ein unternehmerisches Risiko werde nicht eingegangen. Ein solches sei auch nicht in der Gefahr der Nichtzahlung von gestellten Rechnungen durch Kunden zu erblicken. Der Gründungszuschuss diene der Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung, wobei es sich um eine Tatbestandsvoraussetzung handele, und nicht der Finanzierung der Zeit in der Zahlungsverzögerungen der Kunden vorlägen. Der Tatbestand der Anspruchsnorm sei nicht erfüllt.
Mit seiner am 06.08.2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger die Gewährung eines Gründungszuschusses weiter. Die Formulierung "zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung" in § 57 Abs. 1 SGB III n. F. stelle keine eigenständige Tatbestandsvoraussetzung der Gewährung eines Gründungszuschusses dar, sondern gebe lediglich die Intention des Gesetzgebers wieder. Eine Bedürftigkeitsprüfung setze § 57 Abs. 1 SGB III n. F. damit nicht voraus. Daher seien dessen Voraussetzungen erfüllt. Auch sei der Beklagten kein Ermessen bezüglich der Gewährung eingeräumt. Wie jeder andere Unternehmer auch, benötige er den Gründungszuschuss in der Gründungsphase seines Unternehmens zur Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Sicherung. Auch trage er ein unternehmerisches Risiko. Er habe zunächst Investitionen zu tätigen, insbesondere seine Ausrüstungsgegenstände sowie ein Firmenfahrzeug anzuschaffen. Einnahmen seien nicht vom ersten Tag an zu erzielen, sondern erst nach Durchführung der ersten Arbeiten sowie der Begleichung der den Kunden gestellten Rechnungen. Hier bestehe das nicht durch die Übernahme eines festen Kehrbezirkes abwendbare Risiko, dass diese Rechnungen nicht ausglichen würden. Auch habe er für den von ihm angestellten Mitarbeiter Lohn zu zahlen und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Zudem habe er seinen eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren. Auch sei zu beachten, dass andere Bezirksschornsteinfeger durch entsprechende Leistungen der Beklagten gefördert würden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2007 zu verurteilen, ihm einen Gründungszuschuss zu gewähren, hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2007 zu verurteilen ihm einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger könne seinen Lebensunterhalt auch ohne die Gewährung eines Gründungszuschusses sicherstellen und habe daher keinen Anspruch auf einen solchen. Sein zu erwartender Gewinn übersteige bereits von Beginn der Tätigkeit an das der Bewilligung des zuletzt durch ihn bezogenen Arbeitslosengeldes I zugrundegelegte tägliche Bemessungsentgelt von 103,62 EUR. Der durch die Förderung beabsichtigte Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts des Klägers könne aufgrund der Besonderheiten seiner Tätigkeit, insbesondere des Bestehens eines festen Kehrbezirks, keiner Konkurrenz, eines eigenen Kundenstamms, eines gesicherten Einkommens sowie des Fehlens eines unternehmerischen Risikos, nicht erreicht werden.
Die Beteiligten sind mit Schreiben des Gerichts vom 04.01.2008 sowie 28.01.2008 darauf hingewiesen worden, dass das Gericht beabsichtigt, durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden. Beide haben sich mit Schreiben vom 09.01.2008 bzw. 10.01.2008 sowie 21.01.2008 bzw. 31.01.2008 mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese haben dem Gericht vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Im vorliegenden Fall ist nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 i. V. m. § 136 SGG entschieden worden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist durch den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 27.06.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2007 beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Der Bescheid ist rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 SGB III n. F. ab dem 01.07.2007. Die Beklagte hat diesen Anspruch zu Unrecht abgelehnt.
Gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 SGB III n. F. haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Gemäß § 57 Abs. 2 SGB III n. F. wird ein Gründungszuschuss geleistet, wenn der Arbeitnehmer 1.bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit a) einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat oder b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach diesem Buch gefördert worden ist, 2.bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfügt 3.der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 4.seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit dargelegt.
Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen der vorstehend zitierten Norm. Er ist Arbeitnehmer und hat mit der Aufnahme seiner 40 Wochenstunden umfassenden Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister in Recklinghausen ab dem 01.07.2007 eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit aufgenommen. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass es sich auch bei der Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister um eine selbständige Tätigkeit im Sinne von § 57 Abs. 1 SGB III n. F. handelt. Selbständig ist eine Erwerbstätigkeit, die nicht in Abhängigkeit von fremden Weisungen ausgeübt wird. Typisch für eine solche sind die eigene Betriebsstätte, der Einsatz eigener Betriebsmittel und das Arbeiten auf eigene Rechnung, die Verfügung über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestellte Tätigkeit und Arbeitszeit (Winkler in: Gagel, Kommentar zum SGB III, Stand: Dezember 2006/ EL 28, § 57, Rn. 23). Der Kläger hat mit der Aufnahme seiner Tätigkeit ein Unternehmen errichtet. Ab dem 01.07.2007 tritt er nach außen unternehmerisch im Geschäftsverkehr auf. Dabei verfügt er über eine eigene Betriebsstätte und beschäftigt einen weiteren Mitarbeiter. Diesem gegenüber tritt er als Arbeitgeber auf. Er hat eigene Betriebsmittel, insbesondere die zum Kehren der Schornsteine notwendigen Handwerksmittel, wie auch ein Betriebsfahrzeug finanziert und angeschafft. Auch führt er Arbeiten auf eigene Rechnung aus und trägt dabei ein Ausfall- sowie Insolvenzrisiko. Das Gericht ist, entgegen der von der Beklagten geäußerten Rechtsansicht, davon überzeugt, dass damit die Übernahme eines unternehmerischen Risikos verbunden ist. Selbst soweit der Kläger über einen festen Kundenstamm aufgrund der durch Gesetz vorgegebenen Zuweisung eines festen Kehrbezirks verfügt, trägt er das Risiko, dass die von ihm getätigten Investitionen sich nicht auszahlen. Auch ist keineswegs garantiert, dass die ihm zugewiesenen Kunden die von ihm gestellten Rechnungen akzeptieren und begleichen. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Kläger entgegen der bestehenden gesetzlichen Vorgaben aus staatlichen Mitteln finanziert würde und nicht zur Rechnungsstellung gegenüber seiner Kunden berechtigt wäre. Auch ist er bezüglich Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsweise nicht an die Weisungen eines Dritten gebunden. Darüber hinaus hat der Kläger durch die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister seine Arbeitslosigkeit beendet. Er hat in der Zeit vom 01.06.2007 bis 30.06.2007 Arbeitslosengeld I von der Beklagten bezogen. Am 30.06.2007 bestand ein weiterer Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld I für mehr als 90 Tage. Die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zum 01.07.2007 fand direkt im Anschluss an die Gewährung von Arbeitslosengeld I statt. Auch hat der Kläger mit der Einreichung seines Meisterbriefes sowie der Bescheinigung des Dipl.-Kaufmanns und Steuerberaters Knut Krause vom 11.06.2007 im Sinne einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung, das Bestehen der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit sowie die Tragfähigkeit seiner Existenzgründung nachgewiesen. Die Stellungnahme des Dipl.-Kaufmanns und Steuerberaters Knut Krause stellt eine solche im Sinne von § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, S. 2 SGB III n. F. dar.
Damit hat der Kläger sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 SGB III erfüllt. Bei dem in § 57 Abs. 1 enthaltenen Passus: " ... zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung ..." handelt es sich hingegen nicht um Tatbestandsmerkmale der Norm. Vielmehr drückt sich in dieser Formulierung die Intention des Gesetzgebers sowie der gesetzgeberische Zweck der Vorschrift aus (Winkler in: Gagel, a.a.O., § 57, Rn. 7, 9; Stratmann in: Niesel, Kommentar zum SGB III, 4. Auflage 2007, § 57, Rn. 5 ff.; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW -, Urteil vom 01.03.2006, L 12 AL 134/05; Sozialgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 28.04.2004, Az.: S 4 AL 279/04 und Gerichtsbescheid vom 06.02.2006, Az.: S 5 (11) AL 464/04). Dieser ist darin zu erblicken, für eine Übergangs- und Anfangszeit, in der aus der neu aufgenommenen selbständigen Tätigkeit keine vollen Einnahmen zu erwarten sind, den Lebensunterhalt des vorher Arbeitslosen zu sichern (Stratmann in: Niesel, a.a.O., § 57, Rn. 3). Nach Abschaffung der Ermessensprüfung bezüglich der Gewährung von Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III a. F. geht der Gesetzgeber davon aus, dass das Überbrückungsgeld zur Sicherung des Lebensunterhalts erforderlich ist. Eine Überprüfung, ob die Förderung im konkreten Einzelfall notwendig ist, soll seit dem 01.01.2004 nicht mehr stattfinden. Aus der Gesetzesänderung kann nur gefolgert werden, dass eine Förderung den Regelfall darstellen soll, auf die individuelle Notwendigkeit aber nur noch in Ausnahmefällen (z. B. bei einem offensichtlichen Mitnahmeeffekt oder Missbrauch) abgestellt werden soll (LSG NRW, a.a.O.). Dieses muss nach Überzeugung des Gerichts auch bezüglich der vorliegend streitgegenständlichen neuen Leistung des Gründungszuschusses gemäß § 57 SGB III n. F., als vom Gesetzgeber vorgesehener Nachfolgeleistung des Überbrückungsgeldes nach § 57 SGB III a. F., gelten (Winkler in: Gagel, a.a.O., § 57, Rn. 9, m.w.N.). Das Vorliegen eines Ausnahmefalles in Form des Bestehens eines offensichtlichen Mitnahmeeffekts bzw. eines sich aufdrängenden Missbrauchs liegt zur Überzeugung des Gerichts hier nicht vor. Zwar besteht, wie von der Beklagten angeführt, die Besonderheit der Aufnahme einer Tätigkeit, für die der Gesetzgeber die Zuweisung eines festen Bezirks und damit eines festen Kundenstammes vorgegeben hat. Jedoch ist zur Überzeugung des Gerichts auch in diesem Fall eine Erreichung des Förderzwecks des § 57 SGB III n. F. möglich. Auch bei der Aufnahme einer solchen Tätigkeit ist die Sicherung des Lebensunterhalts sowie die soziale Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung notwendig. Auch durch den Kläger waren entsprechende Investitionen zur Aufnahme der Tätigkeit vorzunehmen und sind zu deren Finanzierung die ersten Einnahmen aus der Tätigkeit vermehrt zu verwenden. Zudem ist - wie vom Kläger vorgetragen - davon auszugehen, dass in der ersten Zeit der Tätigkeit zunächst die Ausführung einiger Aufträge zu erfolgen hat, bevor konkrete Einnahmen aus der Tätigkeit zu erzielen sind. Die Aufwendungen des Klägers zur Sicherung seines Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung bestehen jedoch von Anfang an und fortdauernd. Damit scheidet ein offensichtlicher Mitnahmeeffekt aus. Auch ist das Vorliegen eines Missbrauchs nicht ersichtlich. Insbesondere ist der vorliegende Fall dem, der der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 04.05.2007 (Aktenzeichen S 22 AL 52/06) zugrunde lag, nicht vergleichbar. Der Kläger übernimmt nicht den bestehenden Betrieb eines Familienangehörigen.
Auf den Gründungszuschuss besteht gemäß §§ 57 ff. SGB III n. F. für die ersten 9 Monate ein Rechtsanspruch (Winkler in: Gagel, a.a.O., § 57, Rn. 38; Stratmann in: Niesel, a.a.O., § 57, Rn. 4). Die vorzunehmende Leistungsbewilligung wird die Beklagte der Anspruchsdauer und Höhe nach an den weiteren bestehenden gesetzlichen Vorgaben ausrichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem
Sozialgericht Gelsenkirchen, Ahstraße 22, 45879 Gelsenkirchen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Rechtskraft
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NRW
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