Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 10 U 160/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten wegen der Veranlagung des Klägers zum Gefahrtarif 2007 der Beklagten und der Höhe der Beiträge für das Jahr 2007.
Der Kläger ist ein in der Rechtsform des eingetragenen Vereins betriebener Zusammenschluss von Mietern und Pächtern. Gemäß seiner Satzung ist der Verein parteipolitisch und konfessionell neutral und bezweckt: 1.Den Zusammenschluss aller Mieter und Pächter mit dem Ziel, die Mitglieder vor Benachteiligung in Mietwohnungs- und Pachtrecht zu schützen und für das gesamte Miet,- Wohnungs,- und Pachtwesen die Wahrnehmung der rechtlich verbürgten Interessen zu gewährleisten; 2.Die Vertretung der berechtigten Belange der Mitglieder im Rahmen dieser Satzung gegenüber Haus- und Wohungseigentümern, Verwaltern, Verpächtern, auch vor Behörden und Gerichten, vor Gericht jedoch nur im Rahmen der Vorstandsbeschlüsse und sofern eine Vertretung durch den Verein zulässig ist; 3.Die Schaffung von Einrichtungen, die der Information, Beratung und Betreuung der Mitglieder dienen; 4.Die Einwirkung auf die gesetzgebenden Organe und die öffentliche Meinung zur Förderung der Ziele der Vereine insbesondere einer sozialen Wohnungswirtschaft.
Mit Bescheid vom 27.06.2007 veranlagte die Beklagte den Kläger im Rahmen des ab 01.01.2007 geltenden neuen Gefahrtarifs entsprechend der Gefahrtarifstelle 15 (Unternehmensart: Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen) mit der Gefahrklasse 1,36.
Den von dem Kläger hiergegen eingelegten Widerspruch vom 02.10.2007 begründete er damit, dass sein Unternehmen nicht der Gefahrtarifstelle 15 (Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen), sondern der Gefahrstelle 8 (rechts- und wirtschaftsberatende Unternehmen) unterfällt, sodass die Gefahrklasse nicht auf 1,36, sondern auf 0,44 festzusetzen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück unter Hinweis darauf, dass der Gefahrtarifstelle 15 Unternehmen zugeordnet seien, die der Wahrnehmung und Förderung insbesondere ideeller und persönlicher Interessen dienen, bei denen der wirtschaftliche Erfolg nicht im Vordergrund stehe.
Hiergegen richtet sich die am 24.12.2007 beim Sozialgericht Gelsenkirchen eingegangene Klage des Klägers, mit der der Kläger seinen Anspruch weiter verfolgt. Er ist der Auffassung, dass die Beklagte nicht nachvollziehbar belegt habe, auf welchen Einzelkriterien die Entscheidung beruhe. Das System der Berufsgenossenschaften sei im Hinblick auf europarechtliche Normen überdies äußerst fraglich und scheine die Grenzen zur Verfassungswidrigkeit überschritten zu haben. Die Kriterien der Bewertung bei der Einstufung müssten bekannt sein. Hier geschehe das nicht. Insbesondere sei nicht einzusehen, aus welchem Grunde Zusammenschlüsse von Arbeitnehmen oder Bürgern einer bestimmten politischen Gruppe (Gewerkschaften bzw. Parteien) in die Gefahrtarifstelle 11 eingestuft werden, wobei gerade diese Zusammenschlüsse in erster Linie in der Öffenlichkeit auftreten und gerade hier auch massiv körperlich - z. B. bei Protestaktionen - tätig seien. Aufgrund der rechtsberatenden Tätigkeit der Mietervereine müsse auch eine Gleichstellung bei der Einordnung in Gefahrtarifstellen Berücksichtigung finden.
Ungeachtet des Hinweises der Kammer zur Stellung eines sachgerechten Antrags in der mündlichen Verhandlung stellt der Vertreter des Klägers den Antrag,
unter Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2007 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2007 die Beklagte zu verurteilen, den Gefahrtarif 2007 mit der Gefahrklasse 1,36 insgesamt aufzuheben und den Kläger erneut zu bescheiden; hilfsweise den Kläger in die Gefahrtarifstelle 11 (wirtschaftliche und politische Interessenvertretung) zu veranlagen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass ihr Bescheid der Sach- und Rechtslage entsprechend rechtmäßig sei.
Das Gericht hat den Gefahrtarif 2007 der Beklagten in seiner vollständigen Fassung beigezogen. Im übrigen nimmt das Gericht auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten und der vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, weil dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 SGG (Sozialgerichtsgesetz)). Im vorliegenden Fall bedarf der vom Kläger gestellte Antrag der Auslegung, da der Kläger trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts an seinem Antrag festgehalten hat.
Soweit der Kläger beantragt hat, den Gefahrtarif 2007 mit der Gefahrklasse 1,36 insgesamt aufzuheben, ist dieser Antrag unzulässig. Eine Beschwer ist lediglich durch den angefochtenen Verwaltungsakt gegeben, nicht jedoch durch die Existenz des Gefahrentarifes mit der Gefahrklasse 1,36. Das Begehren des Klägers, den Gefahrtarif insgesamt aufzuheben, stellt sich als ein unzulässiges Popularklagebegehren dar.
Soweit der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2007 hilfsweise beantragt, ihn in die Gefahrtarifstelle 11 (wirtschaftliche und politische Interessenvertretung) zu veranlagen, bedarf der Antrag der Auslegung. Die Kammer legte den Antrag dahingehend aus, dass der Kläger beantragen wollte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2007 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2007 die Beklagte zu verurteilen, die Einstufung des Klägers in die Gefahrtarifstelle 15 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. In diesem Sinne ist die Klage zulässig, jedoch nicht begründet.
Gem. § 157 SGB VII Abs. 1 Satz 1 setzt der Unfallversicherungsträger als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. Als autonom gesetztes objektives Rechts ist der Gefahrtarif nur darauf überprüfbar, ob er mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage beinhaltet umd mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist. De Unfallversicherungsträger hat im Rahmen der rechtlich zulässigen Regeln einen weiten inhaltlichen Regelungsspielraum (BSG-E 27, 240 vgl. LSG NRW - Urteil vom 15.01.2003 - L 17 U 42/02 m.w.N.). Die Beklagte hat im vorliegenden Fall den ab 2007 geltenden Gefahrtarif unter Nennung ihrer Beschlussgrundlagen sowie der Richtlinien zum Gefahrtarifstellenzusammensetzung unter Berücksichtigung des versicherungsmäßigen Risikoausgleichs (vgl. § 157 Abs. 2 SGB VII) gebildet. Die Überprüfungsbefugnis der Gerichte beschränkt sich insoweit auf die Übereinstimmung des Gefahrtarifs mit den tragenden Grundsätzen der Beitragsberechnung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Nützlichkeits- oder Zweckmäßigkeitserwägungen spielen dabei keine entscheidende Rolle. Bei der Auslegung des Gefahrtarifs hat der Versicherungsträger keinen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum, es sei denn, dass dies ausdrücklich im Gefahrtarif so bestimmt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 730 Nr. 2). Rechtsgrundlage des Veranlagungsbescheides ist dabei § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zur Gefahrklasse veranlagt. Die in der gesetzlichen Unfallversicherung allein von den Unternehmern aufzubringenden Beiträge berechnen sich dem Finanzbedarf der Berufsgenossenschaften, den Arbeitsentgelten der Versicherten und dem in der Gefahrklasse zum Ausdruck kommenden Grad der Unfallgefahr in den Unternehmen (§ 153 Abs. 1, § 157 Abs. 2 Satz 2 SGB VII). Um eine Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr zu ermöglichen, muss jede Berufsgenossenschaft einen Gefahrtarif aufstellen und diesen nach Tarifstellen gliedern, denen jeweils einen aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten errechnete Gefahrklasse zugeordnet ist. In den Tarifstellen sind unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs Gruppen von Unternehmen oder Tätigkeitsbereichen mit gleich oder ähnlichen Gefährdungsrisiken zur Gefahrengemeinschaft zusammenzufassen (§ 157 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Die Beklagte hat diese gesetzlichen Vorgaben in dem Gefahrtarif 2007 in der Weise umgesetzt, dass sie als Anknüpfungspunkt für die Bildung von Gefahrtarifstellen Unternehmensarten zusammengefasst hat, für die ein ausreichend stabiles Gefährdungsrisiko bestimmt werden konnte und diese in eigene Tarifstellen eingruppiert hat. Darüber hinaus sind entsprechend ihrem Gefahrtarif Gefahrtarifstellen möglich, die aus mehr als einer Unternehmensform bestehen, um den versicherungsmäßigen Risikoausgleich sicherzustellen. Im Einzelnen verweist dazu das Gericht auf die dem Gefahrtarif anliegenden Berechnungen der Beklagten in der die Entschädigungsleistungen und Entgelt- und Versicherungssummen gegenüber gestellt worden sind. Im vorliegenden Fall ist der Kläger in die Tarifklasse 15 zutreffend einstuft worden. Bei dem Mieterverein handelt es sich ausweislich seiner Satzung um einen Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen. Folglich ist dieser auch zutreffend etwa mit Elternverbänden, Haus- und Grundeigentümern, Spitzenorganisationen des Sports, Verbraucherschutzzentralen, Vertretung von Interessen politisch-gesellschaftlicher, allgemein-gesellschaftlicher oder kultureller Art (Förderung von Wissenschaft und Forschung, Erhaltung von Kulturgut, Bildungsförderung, usw.) eingestuft worden. Die offensichlich von dem Kläger angestrebte Privilegierung von Mietervereinen ist nicht zu rechtfertigen. Der Hinweis auf die Rechtsberatung geht fehl, da auch andere Vereine, die in die Gefahrtarifstelle 15 eingestuft worden sind - wie Haus und Grund - Rechtsberatung betreiben. Da der Verein aber ausweislich seiner Satzung auch über die reine Rechtsberatung hinausgehende Zwecke verfolgt, ist eine Zuordnung zur Gefahrtarifstelle, etwa der rechtsberatenden Berufe, nicht ermessensgerecht. Inwieweit die Arbeit im Büro des Alptenvereins, bei Sportverbänden oder in Bürgerinitiativen gefährlicher sein soll, als die Arbeit im Büro des Mietervereins erschließt sich der Kammer nicht. Der Kläger hat nicht belegt, dass eine solche Arbeit gefahrengeneigter wäre bzw. dass das Schadensaufkommen höher ist. Dafür gibt es nach Aufassung der Kammer auch keinerlei Anhaltspunkte. In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass das BSG (vgl. Urteil vom 21.03.2006 - B 2 U 2/05 R) die Auffassung vertritt, dass bei der Zuordnung eines einzelnen Unternehmens zu der betreffenden Gefahrtarifstelle dessen spezielle Gefährdungssituation und die Zahl der von ihm gemeldeten Unfälle sowie die Höhe der von der Berufsgenossenschaft tatsächlichen Leistung irrelevant sind und dass die Rechtsmäßigkeit der Bildung einer anderen Tarifstelle der das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist - hier etwa die Gefahrtarifstelle Gewerkschaft bzw. rechtsberatende Berufe - keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen Tarifstellen hat.
Soweit der Kläger beanstandet, dass die Zwangsmitgliedschaft im Rahmen der Beklagten im Hinblick auf europarechtliche Normen äußert fraglich sei und die Grenze zur Verfassungswidrigkeit überschritten zu haben, hat er seine diesbezüglichen Beanstandungen nicht konkretisiert. Die Kammer konnte schlüssige Argumente gegen die Zwangsmitgliedschaft weder dem Vortrag des Klägers entnehmen, noch teilt sie im Anschluss an die Rechtsprechung des EU-GH diese Bedenken. (vgl. EU-GH C-67/96 Urteil vom 21.09.1999).
Die Beklagte hat in diesem Sinne schlüssig dargelegt, dass eine Einstufung des Klägers in die Gefahrtarifstelle 11 (wirtschaftliche und politische Interessenvertretung) nicht möglich ist, da diese überwiegend Unternehmen erfasst, die berufliche und unternehmerische Tätigkeiten unterstützen, wobei auch öffentliche Aufgaben beispielsweise die Abnahme von Prüfungen wahrgenommen werden (Innungen, Kreishandwerkerschaften, Rechtsanwaltskammern, usw.). Solche öffentlichen Aufgaben werden vom Kläger ebensowenig übernommen, wie von Haus und Grund oder Sportvereinen, sie stellen lediglich Gemeinschaften zur Verfolgung gemeinsamer Interessen dar und sind deshalb zutreffen in der Gefahrtarifstelle 15 erfasst, da sie insbesondere ideelle Interessen verfolgen, wobei der wirtschaftliche Erfolg nicht im Vordergrund steht, wie auch der Kläger selbst betont, wenn er ausführt, dass er ausdrücklich widerspricht, falls die Beklagte der Auffassung sei, bei im stünden wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Die Kammer konnte nicht feststellen, dass die Beklagte sich bei ihrer Differenzierung von rechtswidrigen Erwägungen hat leiten lassen, auch liegt offensichtlich kein Verstoss gegen höherrangiges Recht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten wegen der Veranlagung des Klägers zum Gefahrtarif 2007 der Beklagten und der Höhe der Beiträge für das Jahr 2007.
Der Kläger ist ein in der Rechtsform des eingetragenen Vereins betriebener Zusammenschluss von Mietern und Pächtern. Gemäß seiner Satzung ist der Verein parteipolitisch und konfessionell neutral und bezweckt: 1.Den Zusammenschluss aller Mieter und Pächter mit dem Ziel, die Mitglieder vor Benachteiligung in Mietwohnungs- und Pachtrecht zu schützen und für das gesamte Miet,- Wohnungs,- und Pachtwesen die Wahrnehmung der rechtlich verbürgten Interessen zu gewährleisten; 2.Die Vertretung der berechtigten Belange der Mitglieder im Rahmen dieser Satzung gegenüber Haus- und Wohungseigentümern, Verwaltern, Verpächtern, auch vor Behörden und Gerichten, vor Gericht jedoch nur im Rahmen der Vorstandsbeschlüsse und sofern eine Vertretung durch den Verein zulässig ist; 3.Die Schaffung von Einrichtungen, die der Information, Beratung und Betreuung der Mitglieder dienen; 4.Die Einwirkung auf die gesetzgebenden Organe und die öffentliche Meinung zur Förderung der Ziele der Vereine insbesondere einer sozialen Wohnungswirtschaft.
Mit Bescheid vom 27.06.2007 veranlagte die Beklagte den Kläger im Rahmen des ab 01.01.2007 geltenden neuen Gefahrtarifs entsprechend der Gefahrtarifstelle 15 (Unternehmensart: Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen) mit der Gefahrklasse 1,36.
Den von dem Kläger hiergegen eingelegten Widerspruch vom 02.10.2007 begründete er damit, dass sein Unternehmen nicht der Gefahrtarifstelle 15 (Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen), sondern der Gefahrstelle 8 (rechts- und wirtschaftsberatende Unternehmen) unterfällt, sodass die Gefahrklasse nicht auf 1,36, sondern auf 0,44 festzusetzen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück unter Hinweis darauf, dass der Gefahrtarifstelle 15 Unternehmen zugeordnet seien, die der Wahrnehmung und Förderung insbesondere ideeller und persönlicher Interessen dienen, bei denen der wirtschaftliche Erfolg nicht im Vordergrund stehe.
Hiergegen richtet sich die am 24.12.2007 beim Sozialgericht Gelsenkirchen eingegangene Klage des Klägers, mit der der Kläger seinen Anspruch weiter verfolgt. Er ist der Auffassung, dass die Beklagte nicht nachvollziehbar belegt habe, auf welchen Einzelkriterien die Entscheidung beruhe. Das System der Berufsgenossenschaften sei im Hinblick auf europarechtliche Normen überdies äußerst fraglich und scheine die Grenzen zur Verfassungswidrigkeit überschritten zu haben. Die Kriterien der Bewertung bei der Einstufung müssten bekannt sein. Hier geschehe das nicht. Insbesondere sei nicht einzusehen, aus welchem Grunde Zusammenschlüsse von Arbeitnehmen oder Bürgern einer bestimmten politischen Gruppe (Gewerkschaften bzw. Parteien) in die Gefahrtarifstelle 11 eingestuft werden, wobei gerade diese Zusammenschlüsse in erster Linie in der Öffenlichkeit auftreten und gerade hier auch massiv körperlich - z. B. bei Protestaktionen - tätig seien. Aufgrund der rechtsberatenden Tätigkeit der Mietervereine müsse auch eine Gleichstellung bei der Einordnung in Gefahrtarifstellen Berücksichtigung finden.
Ungeachtet des Hinweises der Kammer zur Stellung eines sachgerechten Antrags in der mündlichen Verhandlung stellt der Vertreter des Klägers den Antrag,
unter Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2007 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2007 die Beklagte zu verurteilen, den Gefahrtarif 2007 mit der Gefahrklasse 1,36 insgesamt aufzuheben und den Kläger erneut zu bescheiden; hilfsweise den Kläger in die Gefahrtarifstelle 11 (wirtschaftliche und politische Interessenvertretung) zu veranlagen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass ihr Bescheid der Sach- und Rechtslage entsprechend rechtmäßig sei.
Das Gericht hat den Gefahrtarif 2007 der Beklagten in seiner vollständigen Fassung beigezogen. Im übrigen nimmt das Gericht auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten und der vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, weil dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 SGG (Sozialgerichtsgesetz)). Im vorliegenden Fall bedarf der vom Kläger gestellte Antrag der Auslegung, da der Kläger trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts an seinem Antrag festgehalten hat.
Soweit der Kläger beantragt hat, den Gefahrtarif 2007 mit der Gefahrklasse 1,36 insgesamt aufzuheben, ist dieser Antrag unzulässig. Eine Beschwer ist lediglich durch den angefochtenen Verwaltungsakt gegeben, nicht jedoch durch die Existenz des Gefahrentarifes mit der Gefahrklasse 1,36. Das Begehren des Klägers, den Gefahrtarif insgesamt aufzuheben, stellt sich als ein unzulässiges Popularklagebegehren dar.
Soweit der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2007 hilfsweise beantragt, ihn in die Gefahrtarifstelle 11 (wirtschaftliche und politische Interessenvertretung) zu veranlagen, bedarf der Antrag der Auslegung. Die Kammer legte den Antrag dahingehend aus, dass der Kläger beantragen wollte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.06.2007 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2007 die Beklagte zu verurteilen, die Einstufung des Klägers in die Gefahrtarifstelle 15 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. In diesem Sinne ist die Klage zulässig, jedoch nicht begründet.
Gem. § 157 SGB VII Abs. 1 Satz 1 setzt der Unfallversicherungsträger als autonomes Recht einen Gefahrtarif fest. Als autonom gesetztes objektives Rechts ist der Gefahrtarif nur darauf überprüfbar, ob er mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage beinhaltet umd mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist. De Unfallversicherungsträger hat im Rahmen der rechtlich zulässigen Regeln einen weiten inhaltlichen Regelungsspielraum (BSG-E 27, 240 vgl. LSG NRW - Urteil vom 15.01.2003 - L 17 U 42/02 m.w.N.). Die Beklagte hat im vorliegenden Fall den ab 2007 geltenden Gefahrtarif unter Nennung ihrer Beschlussgrundlagen sowie der Richtlinien zum Gefahrtarifstellenzusammensetzung unter Berücksichtigung des versicherungsmäßigen Risikoausgleichs (vgl. § 157 Abs. 2 SGB VII) gebildet. Die Überprüfungsbefugnis der Gerichte beschränkt sich insoweit auf die Übereinstimmung des Gefahrtarifs mit den tragenden Grundsätzen der Beitragsberechnung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Nützlichkeits- oder Zweckmäßigkeitserwägungen spielen dabei keine entscheidende Rolle. Bei der Auslegung des Gefahrtarifs hat der Versicherungsträger keinen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum, es sei denn, dass dies ausdrücklich im Gefahrtarif so bestimmt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 730 Nr. 2). Rechtsgrundlage des Veranlagungsbescheides ist dabei § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zur Gefahrklasse veranlagt. Die in der gesetzlichen Unfallversicherung allein von den Unternehmern aufzubringenden Beiträge berechnen sich dem Finanzbedarf der Berufsgenossenschaften, den Arbeitsentgelten der Versicherten und dem in der Gefahrklasse zum Ausdruck kommenden Grad der Unfallgefahr in den Unternehmen (§ 153 Abs. 1, § 157 Abs. 2 Satz 2 SGB VII). Um eine Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr zu ermöglichen, muss jede Berufsgenossenschaft einen Gefahrtarif aufstellen und diesen nach Tarifstellen gliedern, denen jeweils einen aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten errechnete Gefahrklasse zugeordnet ist. In den Tarifstellen sind unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs Gruppen von Unternehmen oder Tätigkeitsbereichen mit gleich oder ähnlichen Gefährdungsrisiken zur Gefahrengemeinschaft zusammenzufassen (§ 157 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Die Beklagte hat diese gesetzlichen Vorgaben in dem Gefahrtarif 2007 in der Weise umgesetzt, dass sie als Anknüpfungspunkt für die Bildung von Gefahrtarifstellen Unternehmensarten zusammengefasst hat, für die ein ausreichend stabiles Gefährdungsrisiko bestimmt werden konnte und diese in eigene Tarifstellen eingruppiert hat. Darüber hinaus sind entsprechend ihrem Gefahrtarif Gefahrtarifstellen möglich, die aus mehr als einer Unternehmensform bestehen, um den versicherungsmäßigen Risikoausgleich sicherzustellen. Im Einzelnen verweist dazu das Gericht auf die dem Gefahrtarif anliegenden Berechnungen der Beklagten in der die Entschädigungsleistungen und Entgelt- und Versicherungssummen gegenüber gestellt worden sind. Im vorliegenden Fall ist der Kläger in die Tarifklasse 15 zutreffend einstuft worden. Bei dem Mieterverein handelt es sich ausweislich seiner Satzung um einen Zusammenschluss zur Verfolgung gemeinsamer Interessen. Folglich ist dieser auch zutreffend etwa mit Elternverbänden, Haus- und Grundeigentümern, Spitzenorganisationen des Sports, Verbraucherschutzzentralen, Vertretung von Interessen politisch-gesellschaftlicher, allgemein-gesellschaftlicher oder kultureller Art (Förderung von Wissenschaft und Forschung, Erhaltung von Kulturgut, Bildungsförderung, usw.) eingestuft worden. Die offensichlich von dem Kläger angestrebte Privilegierung von Mietervereinen ist nicht zu rechtfertigen. Der Hinweis auf die Rechtsberatung geht fehl, da auch andere Vereine, die in die Gefahrtarifstelle 15 eingestuft worden sind - wie Haus und Grund - Rechtsberatung betreiben. Da der Verein aber ausweislich seiner Satzung auch über die reine Rechtsberatung hinausgehende Zwecke verfolgt, ist eine Zuordnung zur Gefahrtarifstelle, etwa der rechtsberatenden Berufe, nicht ermessensgerecht. Inwieweit die Arbeit im Büro des Alptenvereins, bei Sportverbänden oder in Bürgerinitiativen gefährlicher sein soll, als die Arbeit im Büro des Mietervereins erschließt sich der Kammer nicht. Der Kläger hat nicht belegt, dass eine solche Arbeit gefahrengeneigter wäre bzw. dass das Schadensaufkommen höher ist. Dafür gibt es nach Aufassung der Kammer auch keinerlei Anhaltspunkte. In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass das BSG (vgl. Urteil vom 21.03.2006 - B 2 U 2/05 R) die Auffassung vertritt, dass bei der Zuordnung eines einzelnen Unternehmens zu der betreffenden Gefahrtarifstelle dessen spezielle Gefährdungssituation und die Zahl der von ihm gemeldeten Unfälle sowie die Höhe der von der Berufsgenossenschaft tatsächlichen Leistung irrelevant sind und dass die Rechtsmäßigkeit der Bildung einer anderen Tarifstelle der das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist - hier etwa die Gefahrtarifstelle Gewerkschaft bzw. rechtsberatende Berufe - keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen Tarifstellen hat.
Soweit der Kläger beanstandet, dass die Zwangsmitgliedschaft im Rahmen der Beklagten im Hinblick auf europarechtliche Normen äußert fraglich sei und die Grenze zur Verfassungswidrigkeit überschritten zu haben, hat er seine diesbezüglichen Beanstandungen nicht konkretisiert. Die Kammer konnte schlüssige Argumente gegen die Zwangsmitgliedschaft weder dem Vortrag des Klägers entnehmen, noch teilt sie im Anschluss an die Rechtsprechung des EU-GH diese Bedenken. (vgl. EU-GH C-67/96 Urteil vom 21.09.1999).
Die Beklagte hat in diesem Sinne schlüssig dargelegt, dass eine Einstufung des Klägers in die Gefahrtarifstelle 11 (wirtschaftliche und politische Interessenvertretung) nicht möglich ist, da diese überwiegend Unternehmen erfasst, die berufliche und unternehmerische Tätigkeiten unterstützen, wobei auch öffentliche Aufgaben beispielsweise die Abnahme von Prüfungen wahrgenommen werden (Innungen, Kreishandwerkerschaften, Rechtsanwaltskammern, usw.). Solche öffentlichen Aufgaben werden vom Kläger ebensowenig übernommen, wie von Haus und Grund oder Sportvereinen, sie stellen lediglich Gemeinschaften zur Verfolgung gemeinsamer Interessen dar und sind deshalb zutreffen in der Gefahrtarifstelle 15 erfasst, da sie insbesondere ideelle Interessen verfolgen, wobei der wirtschaftliche Erfolg nicht im Vordergrund steht, wie auch der Kläger selbst betont, wenn er ausführt, dass er ausdrücklich widerspricht, falls die Beklagte der Auffassung sei, bei im stünden wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Die Kammer konnte nicht feststellen, dass die Beklagte sich bei ihrer Differenzierung von rechtswidrigen Erwägungen hat leiten lassen, auch liegt offensichtlich kein Verstoss gegen höherrangiges Recht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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