Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 1709/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 531/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 16. Januar 2008 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist im Wege der Neufeststellung, ob dem Kläger ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als 60 zusteht.
Bei dem 1951 geborenen Kläger stellte der Beklagte zuletzt mit bestandskräftigem Bescheid vom 04.01.2006 einen GdB in Höhe von 30 ab dem 22.06.1998 und einen GdB von 40 ab dem 01.09.2004 fest. Der Bescheid erging in Ausführung des Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe (SG) vom 08.11.2005 (- S 6 SB 530/04 -). Dabei ging der Beklagte von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen aus:
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Versteifung C 6/7;
Nervenwurzelreizerscheinungen;
Eingepflanzte Kunstlinse beidseits;
Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar);
Refluxkrankheit der Speiseröhre.
Am 13.06.2006 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB und gab zur Begründung an, schon seit längerem unter Tinnitus und Depressionen zu leiden.
Der Beklagte zog daraufhin zunächst einen Befundbericht der Dres. S., E., H., Neurologen und Psychiater, ohne Datum, bei dem Beklagten am 01.09.2006 eingegangen, bei. Die Nervenärzte teilten mit, dass beim Kläger seit ca. drei Jahren schwere Ängste und depressive Verstimmungen im Rahmen beruflicher und privater Belastungen bestünden. Es sei eine generalisierte Angststörung diagnostiziert worden. Der Kläger lebe sozial isoliert mit der Ehefrau und werde mit ambulanter Gesprächstherapie und medikamentös therapiert.
Der Beklagte zog ferner Untersuchungsunterlagen des behandelnden HNO-Arztes Dr. R. bei. Insoweit wird auf Bl. 125 bis 129 der Verwaltungsakte verwiesen.
Auf Anforderung des Beklagten an den behandelnden Hausarzt Dr. K., Befund- und Untersuchungsberichte vorzulegen, übersandte der Kläger selbst zahlreiche Befundunterlagen, die er bei Dr. K. kopiert hatte.
Unter diesen ärztlichen Unterlagen befand sich unter anderem ein Befundbericht des behandelnden HNO-Arztes Dr. R. vom 25.10.2006, in welchem er eine geringgradige Hörminderung beidseits mit Schwellenverlauf bei 10 und 20 Dezibel feststellte. Der Tinnitus des Klägers lasse sich beidseits bei 8 Kilohertz mit 20 Dezibel vertäuben. Es liege kein Hinweis auf eine akute Innenohrfunktionsstörung vor.
Unter den Unterlagen befand sich ferner ein ärztlicher Entlassungsbericht über ein stationäres Heilverfahren in der Bliestalklinik, Fachklinik für psychosomatische Medizin, vom 05.07.2006 mit folgenden Diagnosen: 1. mittelgradige depressive Episode 2. anhaltende somatoforme Schmerzstörung 3. Kombinationskopfschmerz (Spannungs- und cervikogener Kopfschmerz) 4. Degeneratives HWS-/LWS-Syndrom 5. Diabetes mellitus Leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne Überkopfarbeiten, ohne Zwangshaltungen, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg, ohne häufiges Bücken, Hocken und Knien, ohne Nässe, Zugluft und extrem schwankende Temperaturen könne der Kläger im Innendienst, ohne Nachtschicht, sechs Stunden und mehr täglich ausüben.
Hinsichtlich des Inhalts der übrigen Berichte wird auf Bl. 132 bis 148 der Verwaltungsakte verwiesen.
Mit Bescheid vom 17.01.2007 stellte der Beklagte ab Antragstellung einen GdB von 50 fest. Dabei ging er von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen aus:
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 30) Nervenwurzelreizerscheinungen Operierter Bandscheibenschaden Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten Eingepflanzte Kunstlinse beidseits (Teil-GdB 10) Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar) (Teil-GdB 10) Refluxkrankheit der Speiseröhre (Teil-GdB 10) Funktionelle Reststörungen nach Verlust der Gallenblase Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks (Teil-GdB 10) Ohrgeräusche (Tinnitus) (Teil-GdB 10) Seelische Störung (Teil-GdB 30) Funktionelle Organbeschwerden Kopfschmerzsyndrom
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, den er damit begründete, dass für seinen Diabetes nach einem ihm bekannten Urteil des SG Köln ein GdB von 20 und nicht nur von 10 angesetzt werden müsse. Auch sei ihm unverständlich, warum seine Innenohrschwerhörigkeit keinen GdB bedinge.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2007 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 04.04.2007 Klage zum SG mit der Begründung erhoben, der Beklagte habe für seine Erkrankungen jeweils höhere GdB-Werte anzusetzen. Der Beklagte habe ihm ferner mitzuteilen, welche Bedeutung die Sternchen sowie die verwendeten Buchstaben-Zahlen-Kombinationen bei der Bezeichnung der Behinderungen in den ärztlichen Vermerken des Beklagten hätten. Auch sei im Rahmen der Klage festzustellen, dass der Beklagte insoweit seine Informations- und Auskunftspflichten verletzt habe.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung von Dr. R., Facharzt für HNO-Heilkunde, vom 14.09.2007, Dr. E., Fachärztin für Psychiatrie, vom 18.09.2007, Dr. K., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 14.11.2007, und Diplompsychologin Z., vom 05.02.2008.
Dr. R. hat mitgeteilt, für die geringgradige Innenohrschwerhörigkeit und den Tinnitus sei ein GdB von 20 anzusetzen.
Dr. E. hat angegeben, der Kläger leide zumindest seit 2005 an einer mittelschweren depressiven Störung. Insoweit liege eine schwere soziale Anpassungsstörung vor. Den GdB auf seinem Fachgebiet schätze er mit 50 ein.
Dr. K. hat u.a. ausgeführt, der Kläger leide unter einer mittelgradigen sozialen Anpassungsstörung, für die ein GdB von 50 anzusetzen sei.
Diplompsychologin Z. hat mitgeteilt, die depressive Symptomatik des Klägers sei als mittel bis schwergradig zu beschreiben und bedinge daher einen Grad der Behinderung von 50.
Aufgrund dieser Arztauskünfte hat der Beklagte gestützt auf die versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.06.2008 (Dr. L.) mit Schreiben vom 30.06.2008 ein Vergleichsangebot dahingehend abgegeben, dass ab Antragstellung ein GdB von 60 festzusetzen sei. Dieses Vergleichsangebot hat der Kläger mit dem Bemerken abgelehnt, seine behandelnden Ärzte seien der Auffassung, für seine psychiatrische Erkrankung sei bereits ein Teil-GdB von 50 angemessen, weswegen der Gesamt-GdB mindestens 70 betragen müsse.
Das SG hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines nervenfachärztlichen Gutachtens von Dr. W., Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, vom 10.10.2008.
Der Gutachter hat die Diagnose einer anankastischen Persönlichkeitsakzentuierung mit Somatisierungstendenzen und einer Neigung zur depressiven Symptomatik gestellt. Den Einzel-GdB für diese seelische Störung hat der Gutachter mit 40 eingeschätzt, da es sich um eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit handele.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.12.2008 hat das SG der Klage teilweise stattgegeben, indem es die angefochtenen Bescheide teilweise abgeändert, einen GdB von 60 ab Antragstellung festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen hat. Im Hinblick auf das Auskunftsbegehren des Klägers und sein Begehren auf Feststellung einer Verletzung der Beratungspflicht hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen, da der Beklagte die Fragen des Klägers im Hinblick auf die Sternchen und die Buchstabenzahlenkombinationen bereits mit Schreiben vom 16.02.2007 und 27.03.2007 ausreichend beantwortet habe. Eine Auskunftspflichtverletzung des Beklagten sei daher nicht ersichtlich.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.01.2009 Berufung eingelegt, mit dem er sein Begehren, einen höheren GdB als 60 zu erhalten, weiterverfolgt. Zur Begründung hat der Kläger angegeben, Dr. W., der ihn lediglich 45 Minuten gesehen habe, könne ihn nicht besser einschätzen als seine langjährig behandelnden Ärzte. Demnach sei für seine seelische Störung mindestens ein GdB von 50 anzusetzen. Der GdB sei insgesamt weiter zu erhöhen.
Mit Bescheid vom 16.01.2009 hat der Beklagte in Ausführung des Gerichtsbescheides vom 17.12.2008 beim Kläger einen GdB von 60 ab 13.06.2006 festgestellt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Dezember 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. März 2007 sowie des Bescheides vom 16. Januar 2009 zu verurteilen, bei ihm einen höheren GdB als 60 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 16. Januar 2009 abzuweisen.
Der Beklagte erachtet den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angegriffene Gerichtsbescheid ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die angegriffenen Bescheide des Beklagten sind, soweit sie durch den Gerichtsbescheid des SG vom 17.12.2008 abgeändert worden sind, rechtmäßig und verletzen den Kläger auch nicht in seinen Rechten.
Zu entscheiden hat der Senat im Wege der Klage außerdem über den Ausführungsbescheid des Beklagten vom 16.1.2009, welcher gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens wurde. Dieser ist ebenfalls rechtmäßig, weshalb auch die Klage unbegründet ist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 60.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Einstufung des GdB, da der Kläger sein Auskunfts- und Feststellungsbegehren im Berufungsverfahren nicht weiter verfolgt hat.
Das SG hat den Sachverhalt durch Befragung sämtlicher den Kläger behandelnden Ärzte und Einholung eines nervenfachärztlichen Gutachtens umfassend ermittelt und unter Berufung auf die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) und die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) in der Fassung von 2008 zutreffend einen Gesamt-GdB von 60 festgestellt. Der Senat sieht daher von der Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG weitgehend ab.
Lediglich ergänzend ist Bezug nehmend auf den Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren anzumerken, dass der Teil-GdB für die seelische Störung nach der Überzeugung des Senats zutreffend mit 40 v. H. zu bewerten ist. Diese Überzeugung des Senats stützt sich auf das nervenfachärztliche Gutachten von Dr. W. vom 10.10.2008 wie auch Nr. 26.3 der AHP.
Dr. W. kommt in seinem Gutachten nachvollziehbar und überzeugend, insbesondere im Hinblick auf die von ihm erhobene Anamnese, zu dem Ergebnis, dass der Kläger unter einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und nicht unter einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten leidet. Dem vom Kläger geschilderten Tagesablauf sind zwar gewisse soziale Rückzugstendenzen zu entnehmen, ihnen ist aber gleichfalls zu entnehmen, dass der Kläger in engem sozialen Kontakt mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern lebt, weswegen von mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten nicht die Rede sein kann. Nr. 26.3 der AHP (S. 48) sehen für stärker behindernde Störungen einen Rahmen zwischen 30 und 40 v. H. vor. Dem Senat erscheint es daher als angemessen und ausreichend, einen GdB von 40 festzusetzen. Die Einschätzung der behandelnden Nervenärzte bzw. der behandelnden Psychologin, es liege eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vor, wird vom Senat nicht geteilt, da Anhaltspunkte für eine schwere Zwangskrankheit beim Kläger nicht bestehen. Der Kläger zeigt ausweislich des Gutachtens von Dr. W. keine Psychosehinweise (Bl. 154 SG-Akte) und hat bei der Gutachtenserstellung gut und bereitwillig mitgearbeitet (Bl.153), woraus sich entnehmen lässt, dass seine sozialen Fähigkeiten durchaus erhalten sind.
Weiterhin ist auszuführen, dass ab dem 01.01.2009 gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX nunmehr die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 und die dazugehörige Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VMG) anstelle der AHP 2008 Anwendung finden. Da die VMG - soweit die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers außer der Zuckerkrankheit betroffen sind - inhaltlich den bisher geltenden AHP 2008 entsprechen, verbleibt es im Fall des Klägers bei einem Gesamt-GdB von 60. Bezüglich der Bewertung von Diabeteserkrankungen weichen die VMG auf der Grundlage der neueren BSG-Rechtsprechung zwar von den AHP 2008 ab, da nach Nr.15.1 (S. 74) der VMG ein Diabetes mellitus, der mit Diät und Medikamenten, die die Hypoglykämieneigung nicht erhöhen, mit 10 zu bewerten ist. Dieser Kategorie ist der Kläger indessen zuzuordnen, weil er mit Diät und dem Präparat Glucobay behandelt wird, weshalb es hier bei dem festgestellten Teil-GdB von 10 verbleibt.
Die angegriffenen Bescheide sind, soweit sie durch den angegriffenen Gerichtsbescheid des SG abgeändert wurden, nicht zu beanstanden. Der Gerichtsbescheid des SG und der daraufhin ergangene Ausführungsbescheid des Beklagten sind nicht zu beanstanden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen und die Klage gegen den Ausführungsbescheid vom 16.01.2008 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist im Wege der Neufeststellung, ob dem Kläger ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als 60 zusteht.
Bei dem 1951 geborenen Kläger stellte der Beklagte zuletzt mit bestandskräftigem Bescheid vom 04.01.2006 einen GdB in Höhe von 30 ab dem 22.06.1998 und einen GdB von 40 ab dem 01.09.2004 fest. Der Bescheid erging in Ausführung des Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe (SG) vom 08.11.2005 (- S 6 SB 530/04 -). Dabei ging der Beklagte von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen aus:
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Versteifung C 6/7;
Nervenwurzelreizerscheinungen;
Eingepflanzte Kunstlinse beidseits;
Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar);
Refluxkrankheit der Speiseröhre.
Am 13.06.2006 beantragte der Kläger die Erhöhung des GdB und gab zur Begründung an, schon seit längerem unter Tinnitus und Depressionen zu leiden.
Der Beklagte zog daraufhin zunächst einen Befundbericht der Dres. S., E., H., Neurologen und Psychiater, ohne Datum, bei dem Beklagten am 01.09.2006 eingegangen, bei. Die Nervenärzte teilten mit, dass beim Kläger seit ca. drei Jahren schwere Ängste und depressive Verstimmungen im Rahmen beruflicher und privater Belastungen bestünden. Es sei eine generalisierte Angststörung diagnostiziert worden. Der Kläger lebe sozial isoliert mit der Ehefrau und werde mit ambulanter Gesprächstherapie und medikamentös therapiert.
Der Beklagte zog ferner Untersuchungsunterlagen des behandelnden HNO-Arztes Dr. R. bei. Insoweit wird auf Bl. 125 bis 129 der Verwaltungsakte verwiesen.
Auf Anforderung des Beklagten an den behandelnden Hausarzt Dr. K., Befund- und Untersuchungsberichte vorzulegen, übersandte der Kläger selbst zahlreiche Befundunterlagen, die er bei Dr. K. kopiert hatte.
Unter diesen ärztlichen Unterlagen befand sich unter anderem ein Befundbericht des behandelnden HNO-Arztes Dr. R. vom 25.10.2006, in welchem er eine geringgradige Hörminderung beidseits mit Schwellenverlauf bei 10 und 20 Dezibel feststellte. Der Tinnitus des Klägers lasse sich beidseits bei 8 Kilohertz mit 20 Dezibel vertäuben. Es liege kein Hinweis auf eine akute Innenohrfunktionsstörung vor.
Unter den Unterlagen befand sich ferner ein ärztlicher Entlassungsbericht über ein stationäres Heilverfahren in der Bliestalklinik, Fachklinik für psychosomatische Medizin, vom 05.07.2006 mit folgenden Diagnosen: 1. mittelgradige depressive Episode 2. anhaltende somatoforme Schmerzstörung 3. Kombinationskopfschmerz (Spannungs- und cervikogener Kopfschmerz) 4. Degeneratives HWS-/LWS-Syndrom 5. Diabetes mellitus Leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne Überkopfarbeiten, ohne Zwangshaltungen, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg, ohne häufiges Bücken, Hocken und Knien, ohne Nässe, Zugluft und extrem schwankende Temperaturen könne der Kläger im Innendienst, ohne Nachtschicht, sechs Stunden und mehr täglich ausüben.
Hinsichtlich des Inhalts der übrigen Berichte wird auf Bl. 132 bis 148 der Verwaltungsakte verwiesen.
Mit Bescheid vom 17.01.2007 stellte der Beklagte ab Antragstellung einen GdB von 50 fest. Dabei ging er von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen aus:
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 30) Nervenwurzelreizerscheinungen Operierter Bandscheibenschaden Versteifung von Wirbelsäulen-Abschnitten Eingepflanzte Kunstlinse beidseits (Teil-GdB 10) Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar) (Teil-GdB 10) Refluxkrankheit der Speiseröhre (Teil-GdB 10) Funktionelle Reststörungen nach Verlust der Gallenblase Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks (Teil-GdB 10) Ohrgeräusche (Tinnitus) (Teil-GdB 10) Seelische Störung (Teil-GdB 30) Funktionelle Organbeschwerden Kopfschmerzsyndrom
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, den er damit begründete, dass für seinen Diabetes nach einem ihm bekannten Urteil des SG Köln ein GdB von 20 und nicht nur von 10 angesetzt werden müsse. Auch sei ihm unverständlich, warum seine Innenohrschwerhörigkeit keinen GdB bedinge.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2007 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 04.04.2007 Klage zum SG mit der Begründung erhoben, der Beklagte habe für seine Erkrankungen jeweils höhere GdB-Werte anzusetzen. Der Beklagte habe ihm ferner mitzuteilen, welche Bedeutung die Sternchen sowie die verwendeten Buchstaben-Zahlen-Kombinationen bei der Bezeichnung der Behinderungen in den ärztlichen Vermerken des Beklagten hätten. Auch sei im Rahmen der Klage festzustellen, dass der Beklagte insoweit seine Informations- und Auskunftspflichten verletzt habe.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung von Dr. R., Facharzt für HNO-Heilkunde, vom 14.09.2007, Dr. E., Fachärztin für Psychiatrie, vom 18.09.2007, Dr. K., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 14.11.2007, und Diplompsychologin Z., vom 05.02.2008.
Dr. R. hat mitgeteilt, für die geringgradige Innenohrschwerhörigkeit und den Tinnitus sei ein GdB von 20 anzusetzen.
Dr. E. hat angegeben, der Kläger leide zumindest seit 2005 an einer mittelschweren depressiven Störung. Insoweit liege eine schwere soziale Anpassungsstörung vor. Den GdB auf seinem Fachgebiet schätze er mit 50 ein.
Dr. K. hat u.a. ausgeführt, der Kläger leide unter einer mittelgradigen sozialen Anpassungsstörung, für die ein GdB von 50 anzusetzen sei.
Diplompsychologin Z. hat mitgeteilt, die depressive Symptomatik des Klägers sei als mittel bis schwergradig zu beschreiben und bedinge daher einen Grad der Behinderung von 50.
Aufgrund dieser Arztauskünfte hat der Beklagte gestützt auf die versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.06.2008 (Dr. L.) mit Schreiben vom 30.06.2008 ein Vergleichsangebot dahingehend abgegeben, dass ab Antragstellung ein GdB von 60 festzusetzen sei. Dieses Vergleichsangebot hat der Kläger mit dem Bemerken abgelehnt, seine behandelnden Ärzte seien der Auffassung, für seine psychiatrische Erkrankung sei bereits ein Teil-GdB von 50 angemessen, weswegen der Gesamt-GdB mindestens 70 betragen müsse.
Das SG hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines nervenfachärztlichen Gutachtens von Dr. W., Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, vom 10.10.2008.
Der Gutachter hat die Diagnose einer anankastischen Persönlichkeitsakzentuierung mit Somatisierungstendenzen und einer Neigung zur depressiven Symptomatik gestellt. Den Einzel-GdB für diese seelische Störung hat der Gutachter mit 40 eingeschätzt, da es sich um eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit handele.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.12.2008 hat das SG der Klage teilweise stattgegeben, indem es die angefochtenen Bescheide teilweise abgeändert, einen GdB von 60 ab Antragstellung festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen hat. Im Hinblick auf das Auskunftsbegehren des Klägers und sein Begehren auf Feststellung einer Verletzung der Beratungspflicht hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen, da der Beklagte die Fragen des Klägers im Hinblick auf die Sternchen und die Buchstabenzahlenkombinationen bereits mit Schreiben vom 16.02.2007 und 27.03.2007 ausreichend beantwortet habe. Eine Auskunftspflichtverletzung des Beklagten sei daher nicht ersichtlich.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.01.2009 Berufung eingelegt, mit dem er sein Begehren, einen höheren GdB als 60 zu erhalten, weiterverfolgt. Zur Begründung hat der Kläger angegeben, Dr. W., der ihn lediglich 45 Minuten gesehen habe, könne ihn nicht besser einschätzen als seine langjährig behandelnden Ärzte. Demnach sei für seine seelische Störung mindestens ein GdB von 50 anzusetzen. Der GdB sei insgesamt weiter zu erhöhen.
Mit Bescheid vom 16.01.2009 hat der Beklagte in Ausführung des Gerichtsbescheides vom 17.12.2008 beim Kläger einen GdB von 60 ab 13.06.2006 festgestellt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Dezember 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. März 2007 sowie des Bescheides vom 16. Januar 2009 zu verurteilen, bei ihm einen höheren GdB als 60 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 16. Januar 2009 abzuweisen.
Der Beklagte erachtet den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angegriffene Gerichtsbescheid ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die angegriffenen Bescheide des Beklagten sind, soweit sie durch den Gerichtsbescheid des SG vom 17.12.2008 abgeändert worden sind, rechtmäßig und verletzen den Kläger auch nicht in seinen Rechten.
Zu entscheiden hat der Senat im Wege der Klage außerdem über den Ausführungsbescheid des Beklagten vom 16.1.2009, welcher gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens wurde. Dieser ist ebenfalls rechtmäßig, weshalb auch die Klage unbegründet ist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 60.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Einstufung des GdB, da der Kläger sein Auskunfts- und Feststellungsbegehren im Berufungsverfahren nicht weiter verfolgt hat.
Das SG hat den Sachverhalt durch Befragung sämtlicher den Kläger behandelnden Ärzte und Einholung eines nervenfachärztlichen Gutachtens umfassend ermittelt und unter Berufung auf die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) und die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) in der Fassung von 2008 zutreffend einen Gesamt-GdB von 60 festgestellt. Der Senat sieht daher von der Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG weitgehend ab.
Lediglich ergänzend ist Bezug nehmend auf den Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren anzumerken, dass der Teil-GdB für die seelische Störung nach der Überzeugung des Senats zutreffend mit 40 v. H. zu bewerten ist. Diese Überzeugung des Senats stützt sich auf das nervenfachärztliche Gutachten von Dr. W. vom 10.10.2008 wie auch Nr. 26.3 der AHP.
Dr. W. kommt in seinem Gutachten nachvollziehbar und überzeugend, insbesondere im Hinblick auf die von ihm erhobene Anamnese, zu dem Ergebnis, dass der Kläger unter einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und nicht unter einer schweren Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten leidet. Dem vom Kläger geschilderten Tagesablauf sind zwar gewisse soziale Rückzugstendenzen zu entnehmen, ihnen ist aber gleichfalls zu entnehmen, dass der Kläger in engem sozialen Kontakt mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern lebt, weswegen von mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten nicht die Rede sein kann. Nr. 26.3 der AHP (S. 48) sehen für stärker behindernde Störungen einen Rahmen zwischen 30 und 40 v. H. vor. Dem Senat erscheint es daher als angemessen und ausreichend, einen GdB von 40 festzusetzen. Die Einschätzung der behandelnden Nervenärzte bzw. der behandelnden Psychologin, es liege eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vor, wird vom Senat nicht geteilt, da Anhaltspunkte für eine schwere Zwangskrankheit beim Kläger nicht bestehen. Der Kläger zeigt ausweislich des Gutachtens von Dr. W. keine Psychosehinweise (Bl. 154 SG-Akte) und hat bei der Gutachtenserstellung gut und bereitwillig mitgearbeitet (Bl.153), woraus sich entnehmen lässt, dass seine sozialen Fähigkeiten durchaus erhalten sind.
Weiterhin ist auszuführen, dass ab dem 01.01.2009 gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX nunmehr die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 und die dazugehörige Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VMG) anstelle der AHP 2008 Anwendung finden. Da die VMG - soweit die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers außer der Zuckerkrankheit betroffen sind - inhaltlich den bisher geltenden AHP 2008 entsprechen, verbleibt es im Fall des Klägers bei einem Gesamt-GdB von 60. Bezüglich der Bewertung von Diabeteserkrankungen weichen die VMG auf der Grundlage der neueren BSG-Rechtsprechung zwar von den AHP 2008 ab, da nach Nr.15.1 (S. 74) der VMG ein Diabetes mellitus, der mit Diät und Medikamenten, die die Hypoglykämieneigung nicht erhöhen, mit 10 zu bewerten ist. Dieser Kategorie ist der Kläger indessen zuzuordnen, weil er mit Diät und dem Präparat Glucobay behandelt wird, weshalb es hier bei dem festgestellten Teil-GdB von 10 verbleibt.
Die angegriffenen Bescheide sind, soweit sie durch den angegriffenen Gerichtsbescheid des SG abgeändert wurden, nicht zu beanstanden. Der Gerichtsbescheid des SG und der daraufhin ergangene Ausführungsbescheid des Beklagten sind nicht zu beanstanden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen und die Klage gegen den Ausführungsbescheid vom 16.01.2008 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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