Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 SB 2513/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2883/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. März 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den GdB der Klägerin zu Recht herabgesetzt hat.
Mit Bescheid vom 19.08.1999 stellte das Versorgungsamt Stuttgart (VA) bei der 1953 geborenen Klägerin unter Berücksichtigung eines Teilverlusts der linken Brust im Stadium der Heilungsbewährung und Ausräumung der linken Achselhöhle einen GdB von 50 ab 25.11.1998 fest.
Im Rahmen der Nachprüfung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin holte das VA von ihren behandelnden Ärzten Dr. W., Dr. W., Dr. Sch. und Dr. B. Befundberichte ein und gab der Klägerin anschließend Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Herabsetzung des GdB auf 30 wegen inzwischen eingetretener Heilungsbewährung zu äußern. Die Klägerin brachte vor, sie leide unter ständigen Schmerzen bei allen Tätigkeiten des täglichen Lebens. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme hob das VA mit Bescheid vom 05.11.2004 den Bescheid vom 19.08.1999 auf und entschied, dass der GdB ab 11.11.2004 wegen Ablauf der Heilungsbewährungsfrist nur noch 30 betrage. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden ein Teilverlust der linken Brust, eine Lymphstauung des linken Armes und eine seelische Störung berücksichtigt.
Dagegen legte die Klägerin am 18.11.2004 Widerspruch ein, mit dem sie sich gegen die Herabsetzung des GdB wandte. Zur Begründung brachte sie vor, das VA sei im Wesentlichen lediglich auf die Frage der Heilungsbewährung nach Mammakarzinom eingegangen und habe nicht genügend die immer noch bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen und Schmerzen berücksichtigt. Dies gelte selbstverständlich für die Folgen der Brustoperation, die noch mit erheblichen Beeinträchtigungen und Schmerzen verbunden sei. Schwere Arbeiten seien ihr nach wie vor nicht möglich. Auch die psychische Komponente sei bislang unberücksichtigt geblieben. Die Klägerin legte hierzu das Gutachten des Kreiskrankenhauses L. (zur Vorlage beim Versorgungsamt) vom 18.10.2004 vor. Das VA holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme ein, in der vorgeschlagen wurde, dem Widerspruch (teilweise) stattzugeben und die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin (Teilverlust der linken Brust, Lymphstauung des linken Armes, Gebrauchseinschränkung des linken Armes, seelische Störung) mit einem GdB von 40 zu bewerten. Das nunmehr zuständige Landratsamt Böblingen erließ den Teilabhilfebescheid vom 02.03.2005 (GdB 40 seit 11.11.2004). Mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2005 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch der Klägerin zurück.
Am 29.04.2005 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der sie an ihrem Ziel festhielt. Sie trug vor, die bei ihr vorliegenden massiven Folgeprobleme der erfolgten Brustoperation rechtfertigten einen GdB von 50. Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.06.2006 geltend, der zusätzlich zu berücksichtigende Verlust beider Eierstöcke bedinge einen - sich nicht auf den Gesamt-GdB von 40 auswirkenden - GdB von 10. Das SG hörte die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. und den Chefarzt der Frauenklinik des Kreiskrankenhauses Leonberg Dr. W. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. B. schilderte am 26.04.2006 den Krankheits- und Behandlungsverlauf und gab an, es hätten sich bisher keine Hinweise für Metastasen oder ein Rezidiv des Mammakarzinoms gefunden. Außer den Beschwerden im Bereich des linken Armes, des linken Schultergelenks und des linken Thorax leide die Klägerin an einem psychovegetativen Erschöpfungszustand mit lavierter depressiven Verstimmung. Die psychische Symptomatik habe sich in den letzten Jahren verschlechtert, zusätzlich auch noch seit einem Autounfall mit dem Tod des Unfallgegners im Dezember 2004. Nach ihrer Einschätzung liege eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sowie eine mittelgradige soziale Anpassungsstörung vor. Dr. W. gab unter dem 10.05.2006 an, bisher seien keine Metastasen aufgetreten. Gewisse Funktionseinbußen seien durch das leichte Lymphödem im linken Arm zu erklären. Er stimme der Auffassung des Versorgungsärztlichen Dienstes zu. Ferner holte das SG von dem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. F. ein nervenärztliches Gutachten ein. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin gelangte dieser am 21.09.2006 zu der Beurteilung, als zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung sei ein Kopfschmerzleiden unter Einschluss eines Migränekopfschmerzes mit einem GdB von 10 zu berücksichtigen. Die seelische Störung sei mit einem GdB von 20 zu bewerten und unter Einschluss aller anderen Funktionsbeeinträchtigungen einschließlich des Lymphstaus die - jeweils für sich betrachtet - einen GdB von 10 nicht überschritten, gehe er von einem Gesamt-GdB von 30 seit November 2004 aus.
Mit Urteil vom 30.03.2007 wies das SG die Klage ab. Hierbei stützte es sich auf die Angaben der behandelnden Ärzte der Klägerin und das eingeholte Gutachten von Dr. F. und bejahte eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin wegen des Ablaufs der Heilungsbewährungsfrist nach ihrer Brustkrebsoperation. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des vorliegenden Empfangsbekenntnisses am 15.05.2007 zugestellt.
Dagegen hat die Klägerin am 08.06.2007 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, ihr Gesundheitszustand habe sich in den letzten Monaten auf mehreren Fachgebieten rasant geändert. Im Übrigen sei im Hinblick auf das angefochtene Urteil lediglich darauf hinzuweisen, dass eine Gesamtschau ihrer gesundheitlichen Situation einen GdB von 50 rechtfertige. Die psychisch-soziale Komponente sei darin falsch eingeschätzt worden, da es ihr sehr schwer falle, auch nur die wichtigsten ihrer sozialen Kontakte aufrechtzuerhalten. Der hierfür erforderliche Kraftaufwand sei ihr immer häufiger nicht mehr möglich. Sie sitze dann einfach zu Hause und sei körperlich und seelisch "fertig". Die Ausführungen im angefochtenen Urteil, wonach bei ihr keine sozialen Anpassungsschwierigkeiten bestünden und die gestellte psychische Diagnose sich auf ihr Berufs- und Privatleben nur sehr gering auswirke, seien deshalb nicht vertretbar. Es sei für diesen Bereich ein GdB von 40 anzunehmen, so dass insgesamt ein GdB von 50 bestehe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. März 2007 und die Bescheide des Beklagten vom 5. November 2004 und vom 2. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Den Neufststellungsantrag der Klägerin vom 24.06.2008 hat der Beklagte nach weiteren Ermittlungen mit Bescheid vom 26.08.2008 abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden können, denn in der der Klägerin ordnungsgemäß zugegangenen Ladung zum Termin war auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 126, 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ). Der von der Klägerin vor dem Termin angezeigten Mandatskündigung waren Hinderungsgründe für eine Teilnahme nicht zu entnehmen. Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG-) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und insgesamt zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Neufeststellungsbescheid des Beklagten ist rechtmäßig. Die damit erfolgte Herabsetzung des GdB von 50 auf 40 ist zu Recht erfolgt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der angegriffenen Bescheide, weil eine wesentliche Änderung (in Form von Heilungsbewährung) gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid eingetreten ist und der GdB seit November 2004 nur noch 40 beträgt.
Streitgegenstand ist der (Teilabhilfe-) Bescheid vom 02.03.2005, der den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 05.11.2004 ( GdB 30) ersetzt hat, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2005, mit dem der Beklagte im Wege der Neufeststellung den GdB wegen wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin von 50 auf 30 herabgesetzt hat. Die wesentliche Änderung der Verhältnisse bestehe im rückfallfreien Ablauf der Heilungsbewährungsfrist nach der im November 1998 bei der Klägerin erfolgten Brustoperation. Mit der Anfechtungsklage macht die Klägerin demgegenüber geltend, dass der GdB - in erster Linie mit Blick auf ihre psychischen Beeinträchtigungen - weiter 50 betrage.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist nicht formell rechtswidrig, da die Klägerin vor dem Erlass des Bescheides ordnungsgemäß angehört worden ist (§ 24 Abs. 1 SGB X). Er ist auch nicht materiell rechtswidrig, da die Voraussetzungen für die erfolgte Herabsetzung des GdB wegen Eintritts einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfüllt sind. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist zu beachten, dass sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens beurteilt (Widerspruchsbescheid vom 12.04.2005). Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997, 9 RVs 15/96, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin, die dem Erstfeststellungsbescheid vom 19.08.1999 zugrunde lagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der im November 1998 erfolgten Brustkrebsoperation ein Teilverlust der linken Brust im Stadium der Heilungsbewährung und Ausräumung der linken Achselhöhle als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie hier - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Danach ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren beendet, da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist. Dies steht für den Senat aufgrund der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Berichte der behandelnden Hausärztin Dr. B. und des Klinikarztes Dr. W., fest. Dass keine Heilungsbewährung eingetreten und/oder die Heilungsbewährungsfrist noch nicht abgelaufen ist, macht auch die Klägerin nicht geltend. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung der Klägerin wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.
Zu Recht hat der Beklagte auch den GdB von 50 auf 40 herabgesetzt. Die Funktionsstörungen der Klägerin bedingen jedenfalls seit 11.11.2004 keinen höheren GdB als 40. Der Teilverlust der linken Brust sowie die Lymphstauung des linken Armes und die damit verbundene Gebrauchseinschränkung dieses Armes ist ebenso wie das zusätzlich zu berücksichtigende Kopfschmerzleiden der Klägerin (einmal wöchentlich auftretender Spannungskopfschmerz und selten auftretender Migränekopfschmerz) jeweils mit einem GdB von 10 zu bewerten. Dies folgt für den Senat aus dem vom SG eingeholten nervenärztlichen Gutachten von Dr. F. , dem insoweit nicht zu folgen kein Anlass besteht, zumal die Klägerin mit der Berufung insoweit keine substantiierten Einwände erhoben hat. Ferner liegt bei ihr eine seelische Störung vor, die keinen höheren GdB als 20 bedingt. Auch insoweit folgt der Senat der Beurteilung von Dr. F. in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 21.09.2006. Diese Bewertung entspricht leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen im Sinne von Nr. 26.3, S. 48 der bis 31.12.2008 maßgebenden und daher hier noch zu berücksichtigenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2008 (AHP). Danach ist für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen ein Bewertungsrahmen von 0 bis 20 vorgesehen. Ein GdB von 20, der mithin im oberen Bereich des vorgegebenen Bewertungsrahmens liegt, hält der Senat für angemessen. Der Auffassung der Klägerin, wonach ihre seelische Störung einen GdB von 40 bedingt, kann nicht gefolgt werden. Dies würde stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entsprechen, die nach den genannten AHP (aaO) mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten wären. Solche Störungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Die von ihr mit der Berufungsbegründung vorgebrachte Beeinträchtigung der Kontaktfähigkeit ist nicht so schwerwiegend, dass deshalb eine stärker behindernde Störung in diesem Sinne angenommen werden könnte. Abgesehen davon, dass die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Dr. F. nicht über solche Kontaktstörungen geklagt hat, ergibt sich dies insbesondere auch daraus, dass sich aus ihren Schilderungen anläßlich der Untersuchung durch Dr. F. keine wesentlichen Einschränkungen ihrer beruflichen und privaten Kontaktfähigkeit gezeigt haben. Dr. F. ist denn auch zu der den Senat überzeugenden Beurteilung gelangt, dass die seelische Störung die Lebensqualität der Klägerin mindert, sich jedoch auf das, was sie sowohl beruflich als auch privat realisiert, nur in geringem Umfang auswirkt, jedenfalls nur ganz selten, wie beklagt, den konzentrativ-kognitiven Bereich kurzfristig beschränkt.
Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 40. Außer der seelischen Störung, die einen GdB von 20 bedingt, bestanden zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 12.04.2005 lediglich Funktionsbeeinträchtigungen, die mit einem GdB von 10 zu bewerten waren. Solche Funktionsbeeinträchtigungen führen aber nach Nr. 19 Abs. 4 S. 26 der AHP nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Diese Beurteilung ist vom Bundessozialgericht ausdrücklich bestätigt worden (vgl. BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 28). Ein Ausnahmefall, der mit der in Nr. 19 Abs. 4 S. 26 der AHP genannten Art vergleichbar wäre, liegt nicht vor. Die Höhe der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden Teilbehinderungsgrade zeigt, dass der vom Beklagten festgestellte GdB von 40 wohlwollend ist. Dr. F. hat die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin nur mit einem GdB von 30 bewertet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den GdB der Klägerin zu Recht herabgesetzt hat.
Mit Bescheid vom 19.08.1999 stellte das Versorgungsamt Stuttgart (VA) bei der 1953 geborenen Klägerin unter Berücksichtigung eines Teilverlusts der linken Brust im Stadium der Heilungsbewährung und Ausräumung der linken Achselhöhle einen GdB von 50 ab 25.11.1998 fest.
Im Rahmen der Nachprüfung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin holte das VA von ihren behandelnden Ärzten Dr. W., Dr. W., Dr. Sch. und Dr. B. Befundberichte ein und gab der Klägerin anschließend Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Herabsetzung des GdB auf 30 wegen inzwischen eingetretener Heilungsbewährung zu äußern. Die Klägerin brachte vor, sie leide unter ständigen Schmerzen bei allen Tätigkeiten des täglichen Lebens. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme hob das VA mit Bescheid vom 05.11.2004 den Bescheid vom 19.08.1999 auf und entschied, dass der GdB ab 11.11.2004 wegen Ablauf der Heilungsbewährungsfrist nur noch 30 betrage. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden ein Teilverlust der linken Brust, eine Lymphstauung des linken Armes und eine seelische Störung berücksichtigt.
Dagegen legte die Klägerin am 18.11.2004 Widerspruch ein, mit dem sie sich gegen die Herabsetzung des GdB wandte. Zur Begründung brachte sie vor, das VA sei im Wesentlichen lediglich auf die Frage der Heilungsbewährung nach Mammakarzinom eingegangen und habe nicht genügend die immer noch bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen und Schmerzen berücksichtigt. Dies gelte selbstverständlich für die Folgen der Brustoperation, die noch mit erheblichen Beeinträchtigungen und Schmerzen verbunden sei. Schwere Arbeiten seien ihr nach wie vor nicht möglich. Auch die psychische Komponente sei bislang unberücksichtigt geblieben. Die Klägerin legte hierzu das Gutachten des Kreiskrankenhauses L. (zur Vorlage beim Versorgungsamt) vom 18.10.2004 vor. Das VA holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme ein, in der vorgeschlagen wurde, dem Widerspruch (teilweise) stattzugeben und die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin (Teilverlust der linken Brust, Lymphstauung des linken Armes, Gebrauchseinschränkung des linken Armes, seelische Störung) mit einem GdB von 40 zu bewerten. Das nunmehr zuständige Landratsamt Böblingen erließ den Teilabhilfebescheid vom 02.03.2005 (GdB 40 seit 11.11.2004). Mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2005 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch der Klägerin zurück.
Am 29.04.2005 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der sie an ihrem Ziel festhielt. Sie trug vor, die bei ihr vorliegenden massiven Folgeprobleme der erfolgten Brustoperation rechtfertigten einen GdB von 50. Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.06.2006 geltend, der zusätzlich zu berücksichtigende Verlust beider Eierstöcke bedinge einen - sich nicht auf den Gesamt-GdB von 40 auswirkenden - GdB von 10. Das SG hörte die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. und den Chefarzt der Frauenklinik des Kreiskrankenhauses Leonberg Dr. W. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. B. schilderte am 26.04.2006 den Krankheits- und Behandlungsverlauf und gab an, es hätten sich bisher keine Hinweise für Metastasen oder ein Rezidiv des Mammakarzinoms gefunden. Außer den Beschwerden im Bereich des linken Armes, des linken Schultergelenks und des linken Thorax leide die Klägerin an einem psychovegetativen Erschöpfungszustand mit lavierter depressiven Verstimmung. Die psychische Symptomatik habe sich in den letzten Jahren verschlechtert, zusätzlich auch noch seit einem Autounfall mit dem Tod des Unfallgegners im Dezember 2004. Nach ihrer Einschätzung liege eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sowie eine mittelgradige soziale Anpassungsstörung vor. Dr. W. gab unter dem 10.05.2006 an, bisher seien keine Metastasen aufgetreten. Gewisse Funktionseinbußen seien durch das leichte Lymphödem im linken Arm zu erklären. Er stimme der Auffassung des Versorgungsärztlichen Dienstes zu. Ferner holte das SG von dem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. F. ein nervenärztliches Gutachten ein. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin gelangte dieser am 21.09.2006 zu der Beurteilung, als zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung sei ein Kopfschmerzleiden unter Einschluss eines Migränekopfschmerzes mit einem GdB von 10 zu berücksichtigen. Die seelische Störung sei mit einem GdB von 20 zu bewerten und unter Einschluss aller anderen Funktionsbeeinträchtigungen einschließlich des Lymphstaus die - jeweils für sich betrachtet - einen GdB von 10 nicht überschritten, gehe er von einem Gesamt-GdB von 30 seit November 2004 aus.
Mit Urteil vom 30.03.2007 wies das SG die Klage ab. Hierbei stützte es sich auf die Angaben der behandelnden Ärzte der Klägerin und das eingeholte Gutachten von Dr. F. und bejahte eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin wegen des Ablaufs der Heilungsbewährungsfrist nach ihrer Brustkrebsoperation. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des vorliegenden Empfangsbekenntnisses am 15.05.2007 zugestellt.
Dagegen hat die Klägerin am 08.06.2007 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, ihr Gesundheitszustand habe sich in den letzten Monaten auf mehreren Fachgebieten rasant geändert. Im Übrigen sei im Hinblick auf das angefochtene Urteil lediglich darauf hinzuweisen, dass eine Gesamtschau ihrer gesundheitlichen Situation einen GdB von 50 rechtfertige. Die psychisch-soziale Komponente sei darin falsch eingeschätzt worden, da es ihr sehr schwer falle, auch nur die wichtigsten ihrer sozialen Kontakte aufrechtzuerhalten. Der hierfür erforderliche Kraftaufwand sei ihr immer häufiger nicht mehr möglich. Sie sitze dann einfach zu Hause und sei körperlich und seelisch "fertig". Die Ausführungen im angefochtenen Urteil, wonach bei ihr keine sozialen Anpassungsschwierigkeiten bestünden und die gestellte psychische Diagnose sich auf ihr Berufs- und Privatleben nur sehr gering auswirke, seien deshalb nicht vertretbar. Es sei für diesen Bereich ein GdB von 40 anzunehmen, so dass insgesamt ein GdB von 50 bestehe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. März 2007 und die Bescheide des Beklagten vom 5. November 2004 und vom 2. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Den Neufststellungsantrag der Klägerin vom 24.06.2008 hat der Beklagte nach weiteren Ermittlungen mit Bescheid vom 26.08.2008 abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden können, denn in der der Klägerin ordnungsgemäß zugegangenen Ladung zum Termin war auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 126, 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ). Der von der Klägerin vor dem Termin angezeigten Mandatskündigung waren Hinderungsgründe für eine Teilnahme nicht zu entnehmen. Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG-) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und insgesamt zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Neufeststellungsbescheid des Beklagten ist rechtmäßig. Die damit erfolgte Herabsetzung des GdB von 50 auf 40 ist zu Recht erfolgt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der angegriffenen Bescheide, weil eine wesentliche Änderung (in Form von Heilungsbewährung) gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid eingetreten ist und der GdB seit November 2004 nur noch 40 beträgt.
Streitgegenstand ist der (Teilabhilfe-) Bescheid vom 02.03.2005, der den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 05.11.2004 ( GdB 30) ersetzt hat, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2005, mit dem der Beklagte im Wege der Neufeststellung den GdB wegen wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin von 50 auf 30 herabgesetzt hat. Die wesentliche Änderung der Verhältnisse bestehe im rückfallfreien Ablauf der Heilungsbewährungsfrist nach der im November 1998 bei der Klägerin erfolgten Brustoperation. Mit der Anfechtungsklage macht die Klägerin demgegenüber geltend, dass der GdB - in erster Linie mit Blick auf ihre psychischen Beeinträchtigungen - weiter 50 betrage.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist nicht formell rechtswidrig, da die Klägerin vor dem Erlass des Bescheides ordnungsgemäß angehört worden ist (§ 24 Abs. 1 SGB X). Er ist auch nicht materiell rechtswidrig, da die Voraussetzungen für die erfolgte Herabsetzung des GdB wegen Eintritts einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfüllt sind. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist zu beachten, dass sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens beurteilt (Widerspruchsbescheid vom 12.04.2005). Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997, 9 RVs 15/96, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7).
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin, die dem Erstfeststellungsbescheid vom 19.08.1999 zugrunde lagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Seinerzeit war nach der im November 1998 erfolgten Brustkrebsoperation ein Teilverlust der linken Brust im Stadium der Heilungsbewährung und Ausräumung der linken Achselhöhle als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Bei Erkrankungen, die - wie hier - zu Rezidiven neigen, ist abzuwarten, ob es im Stadium der Heilungsbewährung zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Erkrankung kommt. Danach ist bei der Bewertung - im Unterschied zur Erstfeststellung - nur noch die bestehende Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Das Stadium der Heilungsbewährung war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren beendet, da es nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist. Dies steht für den Senat aufgrund der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, insbesondere der Berichte der behandelnden Hausärztin Dr. B. und des Klinikarztes Dr. W., fest. Dass keine Heilungsbewährung eingetreten und/oder die Heilungsbewährungsfrist noch nicht abgelaufen ist, macht auch die Klägerin nicht geltend. Der Beklagte war deshalb berechtigt und auch verpflichtet, eine Neufeststellung der Behinderung der Klägerin wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.
Zu Recht hat der Beklagte auch den GdB von 50 auf 40 herabgesetzt. Die Funktionsstörungen der Klägerin bedingen jedenfalls seit 11.11.2004 keinen höheren GdB als 40. Der Teilverlust der linken Brust sowie die Lymphstauung des linken Armes und die damit verbundene Gebrauchseinschränkung dieses Armes ist ebenso wie das zusätzlich zu berücksichtigende Kopfschmerzleiden der Klägerin (einmal wöchentlich auftretender Spannungskopfschmerz und selten auftretender Migränekopfschmerz) jeweils mit einem GdB von 10 zu bewerten. Dies folgt für den Senat aus dem vom SG eingeholten nervenärztlichen Gutachten von Dr. F. , dem insoweit nicht zu folgen kein Anlass besteht, zumal die Klägerin mit der Berufung insoweit keine substantiierten Einwände erhoben hat. Ferner liegt bei ihr eine seelische Störung vor, die keinen höheren GdB als 20 bedingt. Auch insoweit folgt der Senat der Beurteilung von Dr. F. in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 21.09.2006. Diese Bewertung entspricht leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen im Sinne von Nr. 26.3, S. 48 der bis 31.12.2008 maßgebenden und daher hier noch zu berücksichtigenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2008 (AHP). Danach ist für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen ein Bewertungsrahmen von 0 bis 20 vorgesehen. Ein GdB von 20, der mithin im oberen Bereich des vorgegebenen Bewertungsrahmens liegt, hält der Senat für angemessen. Der Auffassung der Klägerin, wonach ihre seelische Störung einen GdB von 40 bedingt, kann nicht gefolgt werden. Dies würde stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entsprechen, die nach den genannten AHP (aaO) mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten wären. Solche Störungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Die von ihr mit der Berufungsbegründung vorgebrachte Beeinträchtigung der Kontaktfähigkeit ist nicht so schwerwiegend, dass deshalb eine stärker behindernde Störung in diesem Sinne angenommen werden könnte. Abgesehen davon, dass die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen Dr. F. nicht über solche Kontaktstörungen geklagt hat, ergibt sich dies insbesondere auch daraus, dass sich aus ihren Schilderungen anläßlich der Untersuchung durch Dr. F. keine wesentlichen Einschränkungen ihrer beruflichen und privaten Kontaktfähigkeit gezeigt haben. Dr. F. ist denn auch zu der den Senat überzeugenden Beurteilung gelangt, dass die seelische Störung die Lebensqualität der Klägerin mindert, sich jedoch auf das, was sie sowohl beruflich als auch privat realisiert, nur in geringem Umfang auswirkt, jedenfalls nur ganz selten, wie beklagt, den konzentrativ-kognitiven Bereich kurzfristig beschränkt.
Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 40. Außer der seelischen Störung, die einen GdB von 20 bedingt, bestanden zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 12.04.2005 lediglich Funktionsbeeinträchtigungen, die mit einem GdB von 10 zu bewerten waren. Solche Funktionsbeeinträchtigungen führen aber nach Nr. 19 Abs. 4 S. 26 der AHP nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Diese Beurteilung ist vom Bundessozialgericht ausdrücklich bestätigt worden (vgl. BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 28). Ein Ausnahmefall, der mit der in Nr. 19 Abs. 4 S. 26 der AHP genannten Art vergleichbar wäre, liegt nicht vor. Die Höhe der bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden Teilbehinderungsgrade zeigt, dass der vom Beklagten festgestellte GdB von 40 wohlwollend ist. Dr. F. hat die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin nur mit einem GdB von 30 bewertet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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