L 2 R 2885/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2067/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 2885/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am x 1961 geborene Klägerin ist gelernte Friseurin. Diesen Beruf übte sie lediglich von September 1979 bis März 1980 aus und arbeitete ab 1980 in einem Kaufhaus zunächst als Aushilfe, später als kaufmännische Angestellte, zuletzt mit Führungsverantwortung im Bereich der Lagerhaltung. Diese Beschäftigung endete durch Aufgabe der Betriebsstätte im Mai 1994. Zuletzt war sie als Postzustellerin bei der D. P. AG beschäftigt. Ab Januar 2001 war sie zunächst arbeitsunfähig krank und anschließend seit dem 1. Mai 2001 arbeitslos.

Die Klägerin stellte am 2. Oktober 2006 bei der Beklagten einen Antrag auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin auf ihrer klinischen Begutachtungsstation untersuchen und begutachten. Unter Berücksichtigung von Zusatzgutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. und des Facharztes für Orthopädie Dr. S. gelangte der Arzt für Innere Medizin Dr. M. in seinem mehrfachärztlichen Gutachten vom 10. Januar 2007 zu dem Ergebnis, die Klägerin leide an einem leicht- bis mittelgradig ausgeprägten depressiven Verstimmungszustand bei primär histrionischen Persönlichkeitsstrukturen, einer Fehlstatik der Wirbelsäule mit Mehrfachskoliosen, einem Cervikalsyndrom bei Osteochondrose C 4 bis 7, einer beginnenden Arthrose des linken Knie- und Kniescheibengelenks sowie Migränekopfschmerzen. Gleichwohl sei sie noch in der Lage, unter Berücksichtigung bestimmter qualitativer Leistungseinschränkungen einer leichten bis mittelschweren Arbeit in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden pro Tag nachzugehen. Gestützt auf dieses Ermittlungsergebnis lehnte die Beklagte die beantragte Rente mit Bescheid vom 12. Januar 2007 ab, da die Klägerin nicht erwerbsgemindert sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 23. Januar 2007 Widerspruch ein und machte geltend, ihr Leistungsvermögen sei erheblich stärker eingeschränkt als von der Beklagten angenommen. Neben den orthopädischen Erkrankungen - die zu Schmerzen im gesamten Bereich der Wirbelsäule mit Ausstrahlungen in die oberen und unteren Extremitäten führten - leide sie insbesondere unter schweren Ängsten. Oft müsse sie "einfach losheulen" und sei danach ganz apathisch. Auch habe sie Probleme, den eigenen Tagesablauf zu strukturieren. Wegen ihrer psychischen Beschwerden sei im Übrigen eine berufliche Trainingsmaßnahme bei der Fa. S. und P. im Jahr 2006 gescheitert. Nachdem die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme Dr. M. eingeholt hatte, wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2007 zurück und führte zur Begründung aus, das Widerspruchsverfahren habe keine neuen medizinischen Gesichtspunkte ergeben. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Denn eine solche Rente käme nur für Versicherte in Betracht, die vor dem 2. Januar 1961 geboren seien.

Mit der am 25. April 2007 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und ergänzend vorgetragen, die Arthrose im linken Kniegelenk führe zu Instabilität und bereite ihr starke Schmerzen. Ihre Migräne trete fünf- bis sechsmal im Monat auf und beeinträchtige dann zusätzlich ihr Wohlbefinden für zwei bis drei Tage. Auch die weiteren Gesundheitsstörungen dauerten fort. Seit März 2007 befinde sie sich in einer engmaschigen psychotherapeutischen Behandlung. Zudem habe sie vom 19. Juni - 30. Juli 2007 in der Klinik K. eine stationäre psychotherapeutische Rehabilitation absolviert. Im Entlassungsbericht komme die Klinik zu dem Ergebnis, dass ihr Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden gesunken sei. Das SG hat Beweis erhoben durch Anhörung der sachverständige Zeugen Dr. S., Dr. S. und Dr. E. sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W., das dieser am 6. Oktober 2007 erstattet hat. Auf Antrag der Klägerin hat das SG weiterhin gemäß § 109 SGG ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dr. B. eingeholt, das dieser am 9. Februar 2008 erstattet hat. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die Klägerin - unter Hinweis auf eine ergänzende ärztliche Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes vom 10. März 2008 - weiterhin nicht für erwerbsgemindert gehalten.

Mit Urteil vom 26. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, nach den Feststellungen des Gutachters Dr. S., denen sich die Kammer anschließe, leide die Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet an einer Fehlstatik der Wirbelsäule mit Mehrfachskoliosen, einem Cervikalsyndrom bei Osteochondrose C 4 bis 7 sowie einer beginnenden Arthrose des linken Knie- und Kniescheibengelenks. Für die Kammer nachvollziehbar gehe Dr. Schulz - in Übereinstimmung mit dem behandelnden Facharzt für Orthopädie Dr. S. und dem behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. E. - davon aus, dass diese orthopädischen Erkrankungen das Leistungsvermögen der Klägerin zwar qualitativ, aber nicht quantitativ einschränken. Im Vordergrund stünden bei der Klägerin die Erkrankungen auf psychiatrisch-neurologischem Fachgebiet. Die Erkrankungen würden von den Gutachtern Dr. S. und Dr. W. als leicht- bis mittelgradige depressive Störung vor dem Hintergrund einer histrionischen Persönlichkeitsstörung gedeutet; nach Dr. W. sei die depressive Störung gemischt mit Angst. Hinzu komme nach der übereinstimmenden Einschätzung der beiden Gutachter eine Migräne. Diese Diagnosen deckten sich in etwa mit der Einschätzung der behandelnden Ärzte im Entlassungsbericht der Klinik Kinzigtal vom 17. August 2007, wonach bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung bestehe, verbunden mit einer Angststörung sowie einer rezidivierenden depressiven Störung. Der Sachverständige Dr. Dr. B. schließlich gehe von einem "depressiven Syndrom" aus. Es stehe indes nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass diese psychiatrisch-neurologischen Erkrankungen (zusammen mit den orthopädischen Erkrankungen) eine leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausschlössen. Nachvollziehbar erscheine vielmehr die Einschätzung der Gutachter Dr. S. und Dr. W., die unter Hinweis auf die weitgehend erhaltene Tagesstruktur der Klägerin von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ausgingen.

Gegen dieses ihr am 3. Juni 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. Juni 2008 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Zur Stützung des Berufungsbegehrens hat sie geltend gemacht, dass mit dem nach § 109 SGG eingeholten nervenfachärztlichen Gutachten des Dr. Dr. B. vom 9. Februar 2008, dem Entlassungsbericht der Klinik Kinzigtal vom 17. August 2007 und der sachverständigen Zeugenauskunft des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 6. Juli 2007 tragfähige fachkompetente gutachterliche bzw. fachärztliche Stellungnahmen vorlägen, welche geeignet seien, das Begehren der Klägerin zu stützen. In Anbetracht der sich erheblich widersprechenden Leistungsbeurteilungen der gehörten Ärzte werde weitere medizinische Sachaufklärung auf neurologisch/psychiatrischem Gebiet ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt. Hinzu komme, dass auch der entscheidungserhebliche medizinische Sachverhalt auf fachorthopädischem Gebiet weiterer Aufklärung bedürfe. Diesbezüglich mache die Klägerin geltend, dass in ihrem linken Knie zwischenzeitlich nach 4-maliger Operation eine Knorpelschädigung IV-Grades festgestellt worden sei. Der Befund erkläre die von der Klägerin immer wieder geklagten andauernden schmerzhaften Bewegungseinschränkungen (Funktionsausfälle). Nur der Vollständigkeit halber werde erwähnt, dass auch am linken Daumen arthrotische Veränderungen bestünden. Sie befinde sich seit Neuestem in fachorthopädischer Behandlung bei Dr. N ...

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Mai 2008 und den Bescheid vom 12. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Oktober 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die schriftliche Vernehmung des Orthopäden Dr. N. als sachverständigen Zeugen. Dieser hat unter dem 16. Oktober 2008 mitgeteilt, er habe die Klägerin ein einziges Mal - am 11. Juni 2008 - untersucht und behandelt. Sie habe über Schmerzen in der ganze linke Körperseite, am stärksten im Bereich des Nackens und der linken Schulter und des linken Daumens geklagt. Als Untersuchungsbefund hat Dr. N. angegeben: Trapezius druckschmerzhaft verspannt; Klopfschmerz cervico-thorakal und mittlere BWS; Schulterbewegungsschmerz links; grobe Kraft des linken Armes (schmerzbedingt?) herabgesetzt; Druckschmerz über dem Daumensattelgelenk links und Epicondylus radialis links. Keine Schmerzen bei Stressprüfung. Weiterhin hat er angegeben, da er die Klägerin nur ein einziges Mal gesehen habe, könne er Veränderungen im zeitlichen Verlauf nicht beurteilen.

Auf eine Aussage der behandelnden Ärztin für Psychotherapie, Psychoanalyse O. als sachverständige Zeugin hat der Senat auf deren Bitte verzichtet, da sie durch eine Aussage eine Störung des Vertrauensverhältnisses und damit eine Gefährdung des Behandlungserfolges befürchtete.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 12. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007, mit dem die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente.

Gemäß § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung (zu deren Anwendbarkeit siehe § 300 SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (s. § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 SGB VI). Demnach besteht bei einer 6-stündigen Leistungsfähigkeit täglich keine Erwerbsminderung (s. nur Kreikebohm § 43 SGB VI Rdnr. 1, 4; Kasseler-Kommentar § 43 SGB VI Rdnr. 61, 62).

Diese Voraussetzungen für eine Rentengewährung liegen nicht vor. Die Klägerin hat zwar die allgemeine Wartezeit und - bezogen auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung - die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (s. hierzu Blatt 167 f. Verw.-Akte) erfüllt.

Nach dem Gesamtergebnis der Beweisermittlungen ist die Klägerin jedoch weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Der vom SG vorgenommenen schlüssigen Beweiswürdigung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung hinsichtlich der geklagten orthopädischen Beschwerden in vollem Umfang an. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Anhaltspunkte für eine Verschlechterung haben sich auf orthopädischem Gebiet nicht ergeben. Der Orthopäde Dr. N., bei dem die Klägerin nach ihren Angaben im Schriftsatz vom 28. Juli 2008 seit Neuestem in Behandlung ist, hat in seiner Aussage vom 16. Oktober 2008 angegeben, dass sie bei ihm bisher lediglich am 11. Juni 2008 in Behandlung war. Auf der Grundlage des von ihm dabei erhobenen Befunds konnte er nachvollziehbar keine Angaben über Veränderungen oder Dauerhaftigkeit der Beschwerden machen. Allein der Umstand, dass sich die Klägerin zum Zeitpunkt dieser Aussage bereits seit vier Monaten bei ihm nicht mehr vorgestellt hat, dürfte auf einen nicht fortbestehenden Leidensdruck schließen lassen. Zumindest ergeben sich hieraus aber, auch wenn im Juni 2008 eine Verschlechterung vorgelegen haben sollte, keine Anhaltspunkte dafür, dass diese länger angedauert hätte. Dem entspricht die Aussage von Dr. N., dass er gegen das Gutachten von Dr. S. keine Einwände vorbringen könne.

Für den Senat steht darüber hinaus auf der Grundlage des schlüssigen und überzeugenden Sachverständigengutachtens von Dr. W. fest, dass die Klägerin jedenfalls leichte Tätigkeiten noch sechs Stunden täglich verrichten kann und sich dementsprechend eine quantitative Leistungseinschränkung auch aus den psychiatrischen Leiden nicht herleiten lässt. Zusammenfassend hat der Sachverständige dargelegt, dass die Klägerin bei emotional instabiler und histrionisch strukturierter Persönlichkeitsakzentuierung an einer chronifizierten depressiven Symptomatik mit Angst- und Panikanteilen und an einer schmerzhaften Kniegelenksarthrose links leide. Sie besorge ihren Haushalt, kaufe ein, koche, habe aber nach ihren glaubhaften Schilderungen doch erhebliche Mühe, alles auf die Reihe zu bekommen, leide vor allem auch unter Antriebs- und Arbeitsstörungen, müsse immer wieder zu Initiativen angestoßen werden. Dennoch fahre sie Fahrrad und Auto, allerdings nicht an allen Tagen. Von einer Freundin werde sie oft zum Spaziergang abgeholt, beschäftige sich auch im Garten, mache auch mit dem Mann noch mal gelegentlich einen kleinen Spaziergang oder eine kleine Fahrradtour. Jeden Freitagabend spiele sie mit ihrem Ehemann und einem Nachbarn Canasta. Trotz aller Einschränkungen, unter anderem auch durch Migräneanfälle etwa fünf- bis sechsmal pro Monat, die mit Migraeflux oder Benuron kupierbar seien, habe sie sich aber doch offensichtlich in ihrem jetzigen Leben einigermaßen eingerichtet, wenngleich sie glaubhaft darüber klage, alles nicht mehr richtig auf die Reihe zu kriegen. Der rein neurologische Befund sei in Ordnung. Hirnorganisch fänden sich keine gröberen Ausfälle, lediglich die kognitiven Fähigkeiten wie Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, Umstellungsfähigkeit und Flexibilität seien eingeschränkt.

Vor diesem aus seiner Untersuchung und der von ihm erhobenen Anamnese abgeleiteten Ergebnis überzeugt auch die Leistungseinschätzung des Sachverständigen, der dargelegt hat, dass aufgrund der körperlichen Einschränkungen (Lumbago bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und schmerzhafte Kniegelenksarthrose links) eine Tätigkeit in überwiegend gehender Funktion bzw. mit der Notwendigkeit, auf Leitern oder Gerüste zu steigen oder häufig Treppen zu steigen, nicht mehr zumutbar seien. Von Seiten der psychischen Situation seien Arbeiten unter Schicht-, Akkord- und Nachtarbeitsbedingungen sowie Arbeiten, die selbstständige Entscheidungen verlangten, wie z. B. in der letzten Tätigkeit als stellvertretende Abteilungsleiterin, ebenfalls nicht mehr zumutbar, da die kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt seien. Insgesamt handele es sich hier aber um qualitative und nicht um quantitative Leistungseinschränkungen. Anzumerken sei auch, dass die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten bisher nicht ausgeschöpft seien. Erst jetzt beginne die Klägerin eine psychotherapeutische Behandlung. Sie befinde sich auch derzeit noch nicht in einer unbedingt zu empfehlenden, konsequenten fachpsychiatrischen Mitbehandlung. Je Arbeitstag könne die Klägerin im Rahmen einer 5-Tage-Woche, bei Beachtung der qualitativen Leistungseinschränkungen, noch 8 Stunden pro Tag maximal tätig sein. Bei Beachtung der qualitativen Einschränkungen seien zusätzliche Arbeitsbedingungen nicht zu fordern. Die zur Erlangung von Arbeitsplätzen erforderliche Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Die Klägerin könne Strecken von ca. 500 m bei einem Zeitaufwand von maximal 15 bis 18 Minuten zu Fuß zurücklegen, öffentliche Verkehrsmittel erreichen und benützen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Wechselwirkung/Summierung bei der Berücksichtigung der auf anderen Fachgebieten festgestellten Gesundheitsstörungen ergäben sich keine weitergehenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Auf Grund dieser überzeugenden Leistungsbeurteilung steht für den Senat fest, dass die Klägerin in ihrer Leistungsfähigkeit nicht quantitativ eingeschränkt ist. Anhaltspunkte für eine inzwischen eingetretene Verschlechterung liegen auch insoweit nicht vor, weshalb es keiner weiteren Ermittlungen bedurfte. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der Sachverständige Dr. W. hervorgehoben hat, dass die Leiden der Klägerin auf psychiatrischem Gebiet behandlungsfähig seien. Er hat hierzu dargelegt, es handele sich bei den festgestellten Gesundheitsstörungen nicht um solche von Dauercharakter. Bei Optimierung der bisher nicht ausgeschöpften ambulanten Behandlungsmöglichkeiten sei mit einer Verbesserung der qualitativen Leistungseinschränkung durchaus zu rechnen. Insoweit hat er neben der damals gerade erst begonnenen psychotherapeutischen Behandlung bei Frau Oehler eine konsequente fachpsychiatrische Mitbehandlung für unbedingt empfehlenswert erachtet. Eine solche Mitbehandlung findet wohl weiterhin nicht statt. Immerhin erfolgt die psychotherapeutische Behandlung nach Angaben der behandelnden Ärztin jedenfalls seit März 2008 regelmäßig. Ob sich insoweit bereits eine Besserung ergeben hat, bedarf nach dem oben Dargelegten keiner Aufklärung. Hinweise auf eine – dauerhafte – Verschlechterung ergeben sich weder aus der Tatsache der Behandlung selbst noch aus der Stellungnahme der Ärztin, die aus nachvollziehbaren Gründen keine näheren Angaben über den Gesundheitszustand und den Therapieverlauf machen wollte. Hinsichtlich des Migräneleidens ist anzumerken, dass dies, wenn die Beschwerden akut sind, zur - vorübergehenden - Arbeitsunfähigkeit führen dürfte, aber jedenfalls keine dauerhafte Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit bedingt.

Demgegenüber überzeugen die Leistungseinschätzungen des behandelnden Arztes Dr. S. und des Sachverständigen Dr. Dr. B. nicht. Der Senat nimmt insoweit wiederum auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen ist hier lediglich, dass der Sachverständige Dr. Dr. B. nicht dargelegt hat, woraus sich quantitative Einschränkungen für leichte Tätigkeiten ergeben sollen. Es ist nicht ersichtlich, dass er diese aus seinem – wie das SG zutreffend dargelegt hat - nicht überzeugenden neurologischen Befund ableitet. Auch welchen Schweregrad der Sachverständige hinsichtlich des depressiven Syndroms annimmt, ist seinem Gutachten nicht zu entnehmen. Insbesondere lässt der Hinweis auf einen – berichteten – Suizidversuch während der ersten Ehe, die die Klägerin schließlich gelöst hat, weil sie von ihrem damaligen Ehemann misshandelt wurde, keinen Rückschluss auf den gegenwärtigen Ausprägungsgrad zu. Die Klägerin lebt inzwischen nach ihren eigenen Angaben seit mehr als sieben Jahren in einer - dritten - harmonischen Ehe. Die Unterstützung des Ehemanns, die im Bericht der Klinik K. ausdrücklich als Ressource angegeben wird, wird vom Sachverständigen Dr. Dr. B. nicht diskutiert. Weiterhin ist nicht nachvollziehbar, weshalb unter den genannten Umständen eine Besserung der nicht organisch bedingten Beschwerden ausgeschlossen und mit einer Progression zu rechnen sein sollte. Eine Differenzierung in Bezug auf die verschiedenen Befunde nimmt der Sachverständige auch insoweit nicht vor.

Schließlich ergeben sich auch aus dem Abschlussbericht der Klinik K. vom 17. August 2007 keine Zweifel an dem dargelegten Ergebnis. Aus der dort diagnostizierten somatoformen Schmerzstörung werden keine quantitativen Einschränkungen abgeleitet. Aus psychischer Sicht wird eine Einschränkung auf unter drei Stunden angegeben. Diese wird mit Einschränkungen bei der Teamfähigkeit, Kontaktfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Abgrenzungsfähigkeit und Konzentration begründet. Allerdings wurden auf Grund der im Rahmen der Maßnahme erfolgten ergotherapeutischen Diagnostik deutliche Defizite lediglich in Bezug auf Konzentration, Sorgfalt, Aufmerksamkeit und Antrieb festgestellt. Im Übrigen lagen die Fähigkeiten insbesondere auch kritische Kontrolle, Selbständigkeit, Verantwortung sowie Kontaktfähigkeit ebenso wie Auffassung, Gedächtnis und Reaktion im Durchschnitt. Die Fähigkeit, Probleme zu lösen sowie Zahlen/Rechnen/Logik wurden sogar als überdurchschnittlich bzw. gut durchschnittlich bewertet. Die Klägerin habe durch kontinuierliches Üben und ihre Teilnahme in fast allen Bereichen einen Trainingserfolg erzielen können. Sie habe vermehrt Hilfe bei der Aufgabenbearbeitung benötigt und habe insgesamt einen nicht sehr motivierten Eindruck am PC gemacht. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die defizitären Bereiche Konzentration, Sorgfalt, Aufmerksamkeit und Antrieb insbesondere auch von der jeweiligen Motivation abhängig sein können. Im Rahmen der Beschreibung des Rehabilitationsverlaufs wird hierzu hinsichtlich der festgestellten Konzentrationsstörungen mitgeteilt, dass insgesamt gesehen erschwerend hinzugekommen sei, dass die Klägerin innerlich in einer Ambivalenz verhaftet sei, da sie Widerspruch gegen die Ablehnung des Rentenantrags eingelegt habe und große Angst habe, wieder gesund geschrieben zu werden. Die für die Begründung der Leistungseinschränkung in den Vordergrund gestellten Einschränkungen sozialer Kompetenzen finden sich in den mitgeteilten ergotherapeutischen Diagnosen nicht. Nach alledem steht für den Senat im Einklang mit der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. L. fest, dass der Bericht über die während des laufenden Rentenverfahrens erfolgten Reha-Maßnahme keine Zweifel an der nachfolgenden Beurteilung des Sachverständigen Dr. W. begründet. Dieser hat in erster Linie Antrieb und Initiative als einschränkt bewertet und auf Grund der von ihm durchgeführten Tests am 27. September 2007 mitgeteilt, dass die Reproduktionsfähigkeit der Gedächtnisleistungen, Konzentration und Durchhaltevermögen im Normbereich liegen. Soweit im Abschlussbericht der Klinik K. zur Begründung der quantitativen Einschränkung weiter dargelegt wird, die Klägerin könne sich innerlich nicht mehr auf einen Arbeitsplatz einlassen, würden Forderungen an sie gestellt, dekompensiere sie mit Angst, schmerz- und depressiv besetzten Symptomen, um sich der Situation zu entziehen, findet sich im übrigen Bericht für nicht willentlich beeinflussbare Mängel des Durchhaltevermögens kein Beleg. Insbesondere wird von einem Abbruch einer Behandlung oder einer Maßnahme nicht berichtet. Es wird mitgeteilt, dass sie Schwierigkeiten gehabt habe, sich in die Gruppenpsychotherapien zu integrieren. Sie habe sich von den Schicksalen der Mitpatienten belastet gefühlt und innerlich wenig Distanz schaffen können, so dass es ihr nicht gelungen sei, von dieser Therapie zu profitieren. Dass sie sich dieser entzogen habe, lässt sich dem Bericht nicht entnehmen. Wie bereits oben erwähnt, wird im Rahmen der ergotherapeutischen Diagnostik vielmehr mitgeteilt, die Klägerin habe durch kontinuierliches Üben und ihrer Teilnahme in fast allen Bereichen einen Trainingserfolg erzielen können. Hier wird zwar teilweise mangelnde Motivation angegeben; dass die Klägerin sich Anforderungen entzogen hätte, ist aber nicht ersichtlich. Alleine damit, dass die Klägerin im Mai 2006 eine berufliche Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Praktikumsphase, in der sie körperlich nicht adäquaten Anforderungen ausgesetzt war, abgebrochen hatte, lässt sich die aktuelle Unmöglichkeit der Wiederaufnahme einer dauerhaften Erwerbstätigkeit, die selbst von Dr. Dr. B. nicht angenommen wurde, nach Überzeugung des Senats nicht begründen. Der Senat folgt daher, wie dargelegt, dem Sachverständigen Dr. W., der sich mit der aktuellen Situation der Klägerin ausführlich auseinandergesetzt hat, und auf der Grundlage seiner differenzierten Diagnose überzeugend ein vollschichtiges Leistungsvermögen bejaht hat. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass quantitative Einschränkung für Tätigkeiten ohne Arbeiten, die selbständige Entscheidungen verlangen, und unter Ausschluss von Schicht-, Akkord-, Nacharbeit, ohne überwiegend gehender Funktion, Steigen auf Leitern und Gerüsten sowie häufiges Treppensteigen gegeben sind, ergeben sich nach alledem weder aus den Ermittlungen noch aus dem Vorbringen der Beteiligten.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht der Klägerin keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt zu werden, was nach der Rechtsprechung erforderlich ist, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 - § 1246 Nrn. 117, 136) oder der Arbeitsmarkt sonst praktisch verschlossen ist, weil der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, zu üblichen betrieblichen Bedingungen zu arbeiten und oder seine Fähigkeit einen Arbeitsplatz zu erreichen, aus zeitlichen Gründen eingeschränkt ist (BSG SozR 2200 - § 1246 Nrn. 137, 139). Keiner dieser Umstände ist hier gegeben. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Wegefähigkeit.

Die Gewährung einer teilweisen Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) scheidet bereits im Hinblick auf das Geburtsdatum (20. Februar 1961) der Klägerin aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved