L 11 EL 5023/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 EL 2268/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EL 5023/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Gewährung von Elterngeld für Miglieder der in Deutschland stationierten ausländischen NATO-Streitkräften, des zivilen Gefolges und ihrer Angehörigen steht Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk vom 3. August 1959 (BGBl. II S. 1961, 1183, 1218) i. V. m. den Vorschriften des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantik-Vertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATOTrStat) vom 19. Juni 1951 (BGBl. II S. 1961, 1190) entgegen.
2. Die Rspr des BSG zum Erziehungsgeld, wonach es keinen Grund gibt, rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung, die außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften oder ihrem zivilen Gefolge begründet worden sidn, nur deshalb zu beschneiden, weil es sich gleichzeitig um Mitglieder der NATO-Streitkräfte, des zivilen Gefolges oder Angehörige handelt (zuletzt Urteil vom 2. Oktober 1997, 14/10 RKg 12/96, SozR 3-6180 Art 13 Nr. 8), ist auf das BEEG übertragbar.
3. Solche rechtlichen Beziehungen liegen noch nicht vor bei einer vor ihrer Elternschaft selbstständig Tätigen, die allein zurückliegende Beitragzeiten in der Rentenversicherung, eine freiwillige Unternehmerversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung sowie eine private Pflege(pflicht)versicherung aufweisen kann und nicht Arbeitgeberin sozialversicherungspflichtiger Beschäftiger war.
(Revision wurde zugelassen)
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) geltend.

Die am 4. September 1973 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie ist Mutter des am 18. Februar 2008 geborenen Kindes M. M. (nachfolgend M), das im Haushalt der Klägerin lebt und von ihr betreut wird. Seit dem 21. September 2007 ist die Klägerin mit einem US-amerikanischen Staatsangehörigen und Mitglied einer in Deutschland stationierten Truppe der NATO-Streitkräfte verheiratet. Beide haben ihren Wohnsitz in Deutschland, die Klägerin seit Geburt, ihr Ehemann seit dem 16. April 2007.

Die Klägerin war bis zur Geburt des Kindes als selbstständige Versicherungsmaklerin tätig und beschäftigte keine sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Sie war und ist privat krankenversichert, privat pflege(pflicht)versichert und versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung. An rentenrechtlich bedeutsamen Zeiten sind im Versicherungsverlauf neben der Kindererziehungszeit für M lediglich die Zeit vom 1. August 1993 bis 3. Juli 1996 als Pflichtbeitragszeit/berufliche Ausbildung gespeichert (Wartezeitauskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 18. November 2008, AS 37, 38 der Senatsakten). Bis zu ihrer Schwangerschaft war die Klägerin als Unternehmerin freiwillig bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft unfallversichert (s. Beitragsbescheid für 2007, AS 58 der Senatskaten). Seit der Geburt des Kindes ist die Klägerin nicht mehr erwerbstätig.

Am 19. März 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Elterngeld für 12 Monate ab Geburt ihrer Tochter.

Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 28. April 2008 und mit der Begründung ab, die Klägerin sei mit einem Mitglied einer in Deutschland stationierten Truppe der NATO-Streitkräfte verheiratet und nicht in alle Zweige der deutschen Sozialversicherung (Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung) eingebunden.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und trug vor, sie sei in Deutschland geboren, aufgewachsen und in das deutsche Sozialsystem eingegliedert. Eine Heirat mit einem Angehörigen der US-Armee könne keinen Ausschluss von Elterngeld nach sich ziehen. Der Ausschluss in Art. 13 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut (NATOTrStatZAbk) sei nicht einschlägig, da mit dem Elterngeld kein Fall der Gewährung der Sozialen Sicherheit vorliege, sondern eine einjährige persönliche Betreuung eines Neugeborenen ohne finanzielle Verluste und ohne dass der Arbeitsplatz in Gefahr gerate ermöglicht werden solle. Im Übrigen sei dort geregelt, dass Rechte, die während eines früheren Aufenthalts im Bundesgebiet erwachsen seien, unberührt blieben. Ein Leistungsausschluss würde gegen Art. 3 und 6 des Grundgesetzes (GG) verstoßen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Mitglieder einer in Deutschland stationieren Truppe, Mitglieder des zivilen Gefolges sowie deren Ehegatten und Lebenspartner seien nach Art. 13 NATOTrStatZAbk in das soziale System des Entsendestaats integriert und grundsätzlich von der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit ausgenommen, soweit dort nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen sei. Eine solche Ausnahmeregelung enthalte das BEEG nicht. Auch eine Ausnahme auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach in allen Zweigen der deutschen Sozialversicherung eingebundenen Beschäftigten eigene rechtliche Beziehungen zur Bundesrepublik zukämen, sei im Fall der Klägerin nicht möglich.

Die Klägerin hat hiergegen am 8. Juli 2008 Klage bei dem Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Sie hat im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag wiederholt und darauf verwiesen, dass sie für M Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG) erhalte.

Mit Urteil vom 23. September 2008 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. April 2008 sowie des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2008 verurteilt, der Klägerin Elterngeld nach dem BEEG anlässlich der Geburt ihrer Tochter M zu gewähren. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 BEEG, denn sie habe ihren Wohnsitz in Deutschland, lebe mit ihrer Tochter M in einem Haushalt, betreue und erziehe sie selbst und übe keine Erwerbstätigkeit aus. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk stehe dem Anspruch nicht entgegen. Zwar sei die Regelung grundsätzlich auf die Klägerin anwendbar, doch könnten nach der Rechtsprechung des BSG außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften oder zu den Angehörigen der Streitkräfte begründete rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung oder sonstigen sozialen Sicherheitssystemen Bestand haben. Dieses sei bei der Klägerin der Fall, denn sie sei vor ihrer Selbständigkeit drei Jahre lang pflichtversichert gewesen und weise daher entsprechende Zeiten in der Rentenversicherung auf. Dass sie sich mit Beginn ihrer selbständigen Tätigkeit auf unbefristete Zeit von der Rentenversicherungspflicht habe befreien lassen, könne ebenso wenig wie die private Krankenversicherung zu Lasten der Klägerin berücksichtigt werden. Denn damit habe sie nur von einer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Die Klägerin sei auch in der Pflegeversicherung sowie als Selbständige in der Unfallversicherung freiwillig versichert. Dies genüge, um ausreichende rechtliche Beziehungen zur sozialen Sicherheit und Fürsorge in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen. Als Selbständige habe sie nicht die Möglichkeit gehabt, sich in der Arbeitslosenversicherung zu versichern, weshalb allein schon die Argumentation, sie müsse in allen fünf Zweigen der Sozialversicherung versichert sein, ausscheide.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 2. Oktober 2008 zugestellte Urteil am 29. Oktober 2008 Berufung eingelegt und zur Begründung ihre Rechtsansicht unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG und Gesetzesmaterialien zum BEEG wiederholt. Bei der Klägerin lägen keine ausreichenden Beziehungen zur sozialen Sicherheit und Fürsorge in der Bundesrepublik Deutschland vor. Sie habe weder in den Monaten vor noch nach der Geburt (freiwillige oder Pflicht-)Beiträge zur Rentenversicherung geleistet. Dass die Klägerin auf Dauer in Deutschland verbleiben wolle, sei lediglich eine Meinungsäußerung aus heutiger Sicht. Wie die Klägerin sich verhalte, sollte ihr Mann zurück in die USA oder an einen anderen Militärstützpunkt versetzt werden, könne zum heutigen Zeitpunkt niemand endgültig vorhersagen. Die Erfahrung in vergleichbaren Fällen zeige jedoch, dass der Ehegatte mitziehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. In dem Moment, in dem ein deutscher Ehepartner selbstständig tätig geworden sei, seien Verknüpfungen zum deutschen Sozialsystem ausreichend vorhanden; insoweit sei die Rechtsprechung des BSG weiterzuentwickeln. Als Selbstständige ohne Beschäftigte habe sie keine Möglichkeit in der Rentenversicherung pflichtversichert zu sein. Sie sei in Deutschland auch unumschränkt steuerpflichtig. Sie wolle weiter in Deutschland bleiben. Der Entsendestaat, die USA, habe ihr gegenüber keinerlei Verpflichtungen, soziale Sicherheit zu gewähren.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Elterngeld zu gewähren. Ein Anspruch der Klägerin auf Elterngeld für das Kind M besteht nicht.

Anspruch auf Elterngeld hat nach § 1 Abs. 1 BEEG, wer 1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, 2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, 3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und 4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen. Ihr steht ein Anspruch auf Elterngeld aber nicht zu, weil sie Angehörige eines Mitglieds der in Deutschland stationierten NATO-Truppen ist und daher vom Anwendungsbereich des BEEG ausgenommen ist.

Der Anwendbarkeit des BEEG steht Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk vom 3. August 1959 (BGBl. II S. 1961, 1183, 1218) i. V. m. den Vorschriften des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantik-Vertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATOTrStat) vom 19. Juni 1951 (BGBl. II S. 1961, 1190), beide Abkommen für die Bundesrepublik Deutschland am 1. Juli 1963 in Kraft getreten (BGBl. II S. 745), entgegen. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk werden im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder der NATO-Truppen und des zivilen Gefolges sowie die jeweiligen Angehörigen nicht angewendet, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist. Der Vorrang der Regelung als solche zwischenstaatlichen Rechts folgt aus § 30 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (BSG, Urteile vom 12. Juli 1988, 4/11a REg 4/87, SozR 6180 Art. 12 Nr. 5, vom 18. Juli 1989, 10 RKg 21/88, SozR 6180 Art. 13 Nr. 6, vom 25. April 1990, 4 REg 3/89, vom 28. Juni 1990, 4 REg 36/89, vom 26. Juni 1991, 10 RKg 25/90, vom 25. Februar 1992, 4 RA 34/91, SozR 3-6180 Art. 13 Nr. 2, und vom 3. November 1993, 14b Reg 5/93).

Die USA gehören zu den Vertragsstaaten des NATOTrStatZAbk. Die Klägerin ist mit einem Mitglied der US-amerikanischen Truppen (Art. 1 Abs. 1 Buchst. a NATOTrStat ) verheiratet und daher Angehörige im Sinne der Regelung (Art. 1 Abs. 1 Buchst. c NATOTrStat). Ihre deutsche Staatsangehörigkeit ist dabei ohne Belang (BSG, Urteil vom 26. Juni 1991, 10 RKg 25/90).

Zu den Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge zählt auch das Elterngeld. Das BSG hat dies für das Kindergeld (BSG, Urteile vom 18. Juli 1989, a.a.O., vom 26. Juni 1991, 10 RKg 25/90, vom 15. Dezember 1992, 10 RKg 22/91, SozR 3-6180 Art 13 Nr. 3, und vom 2. Oktober 1997, 14/10 RKg 12/96, SozR 3-6180 Art 13 Nr. 8) ebenso wie für das Bundeserziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzG - (BSG, Urteile vom 12. Juli 1988, a.a.O., vom 25. April 1990, 4 REg 3/89, vom 28. Juni 1990, 4 REg 36/89, und vom 3. November 1993, 14b Reg 5/93) bejaht. Für das Elterngeld, das ebenso wie das Bundeserziehungsgeld Eltern in der Frühphase der Kindererziehung unterstützen soll (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juli 1988, a.a.O. unter Bezug auf BT-Drs. 10/3792 S. 13 einerseits und BT-Drs. 16/1889, S. 15 f. andererseits), gilt gleiches.

Hiervon ging auch der Gesetzgeber aus, denn die Frage der Einbeziehung von Angehörigen der Mitgliedern der NATO-Truppen und des zivilen Gefolges war Thema im Gesetzgebungsverfahren. Hintergrund ist, dass § 1 Abs. 8 des BErzGG die Einbeziehung von Ehegatten und Lebenspartnern ausdrücklich regelte, der Gesetzentwurf zum BEEG aber keine vergleichbare Regelung vorsah.

Der Bundesrat hatte (vgl. BT-Drs. 16/2454, S. 9) die Einfügung einer dem § 1 Abs. 8 BErzGG vergleichbaren Vorschrift vorgeschlagen und zur Begründung ausgeführt:

"Ein Verzicht auf diese [vom Bundesrat vorgeschlagene] Regelung hätte im Hinblick auf die Wirkungen des NATO-Truppenstatuts zur Folge, dass Personen, die aufgrund eines entsprechenden Arbeitsverhältnisses dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen, der Anspruch auf Elterngeld versagt werden müsste. Das Gleiche gilt für nicht erwerbstätige Ehegatten oder Lebenspartner eines Mitglieds der Truppe oder des zivilen Gefolges eines NATO-Mitglied- staats. Dies ist mit der Zielsetzung des Elterngeldes, insbesondere als Ersatz eines ausfallenden Erwerbseinkommens, nicht vereinbar."

Die Bundesregierung ist dem in ihrer Gegenäußerung wie folgt entgegengetreten (BT-Drs. 16/2454, S. 12):

"Grundsätzlich regelt das internationale Recht die Geltung sozialer Vorschriften für besondere Personengruppen wie NATO-Truppenmitglieder und deren Angehörige, Diplomaten und Mitglieder konsularischer Vertretungen und deren Angehörige befriedigend ... Diese Personen sollen in den Systemen der sozialen Sicherheit der Entsendestaaten verbleiben. Eine vergleichbare Regelung trifft das Gesetz zum Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen für Diplomaten und das Gesetz zum Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 für Mitglieder der konsularischen Vertretungen. Diese bewusst getroffenen Entscheidungen sind für deutsche Familienleistungen sinnvoll, da diese grundsätzlich nur solchen Personen zukommen sollen, von denen zu erwarten ist, dass sie sich dauerhaft in Deutschland aufhalten. Insbesondere das Elterngeld ist eine gezielte lenkende politische Gestaltungsmaßnahme, die Familien unterstützen soll, von denen zu erwarten ist, dass sie sich dauerhaft in Deutschland aufhalten. Das ist bei Ehegatten von NATO-Truppenmitgliedern naturgemäß nicht der Fall. Soll von diesen Regelungen eine "Rückausnahme" getroffen werden, so muss dies aus Gleichbehandlungsgründen für alle betroffenen Personengruppen, also sowohl für NATO-Truppenmitglieder als auch für Diplomaten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konsularischer Vertretungen geschehen. Jedoch sind auch ohne die vom Bundesrat vorgeschlagene Ergänzung des § 1 BEEG Ansprüche von Ehegatten der NATO-Truppenmitglieder bzw. Ehegatten der Mitglieder des zivilen Gefolges nicht gänzlich ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts haben Ehegatten, bei denen zusätzliche Umstände vorliegen, durch welche rechtliche Beziehungen zur sozialen Sicherheit und Fürsorge in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt werden, durchaus einen Anspruch auf deutsche Familienleistungen. Das ist der Fall, wenn der Ehegatte sozialversicherungspflichtig erwerbstätig ist bzw. als selbstständiger Arbeitgeber für Mitarbeiter Beiträge zu allen fünf Zweigen der Sozialversicherung leistet. Bestehen solche Beziehungen zur sozialen Sicherheit und Fürsorge nicht, so besteht auch kein Anspruch auf Elterngeld. Insbesondere sozialversicherungspflichtig erwerbstätige Deutsche und EU-/EWR-Staatsangehörige, die mit einem NATO-Truppenmitglied bzw. Mitglied des zivilen Gefolges verheiratet sind, haben damit stets einen Anspruch auf deutsches Elterngeld."

Demgemäß ist der Gesetzentwurf ohne die angeregte Änderung verabschiedet worden. Das BEEG enthält damit, anders als das BErzGG, keine Regelung zur Einbeziehung der in Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk genannten Personengruppen. Es handelt sich, wie aus der zitierten Gegenäußerung ersichtlich, auch um eine bewusste Entscheidung, so dass schon mangels Regelungslücke ("planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes, vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 373, und hierauf Bezug nehmend etwa BSG, Urteil vom 27. Mai 2008, B 2 U 11/07 R, SozR 4 - 2700 § 150 Nr. 3) eine analoge Anwendung anderer, zu einem Anspruch führender Vorschriften ausscheidet.

Ist ein Anspruch der Klägerin damit grundsätzlich nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk ausgeschlossen, kann hiervon auch nicht nach der von der Bundesregierung angesprochenen Rechtsprechung des BSG abgesehen werden.

Danach handelt es sich bei Art. 13 Abs. 1 Satz 1 NATOTrStatZAbk um eine internationale Kollisionsnorm, die die Anwendung von bundesdeutschen Bestimmungen der sozialen Sicherheit und Fürsorge auf solche Mitglieder der NATO-Truppen und des zivilen Gefolges sowie die jeweiligen Angehörigen verhindern soll, die lediglich zum Entsendestaat in rechtlichen Beziehungen stehen, weil es unangemessen wäre, allein wegen ihres tatsächlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland Rechte und Pflichten aus deutschen Bestimmungen der sozialen Sicherheit und Fürsorge zu begründen; für die soziale Sicherheit dieser Personen sollen grundsätzlich die Entsendestaaten und nicht die deutschen Stellen verantwortlich sein. Anders ist es dagegen, wenn von diesen Personen außerhalb der Mitgliedschaft zu den Streitkräften oder ihrem zivilen Gefolge rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung begründet worden sind (vgl. Art. 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 2 NATOTrStatZAbk); es besteht kein Grund, derartige rechtlichen Beziehungen nur deshalb zu beschneiden, weil es sich gleichzeitig um Mitglieder der Streitkräfte, des zivilen Gefolges oder Angehörige handelt (vgl. BSG, Urteile vom 26. Juni 1991, 10 RKg 25/90, vom 25. Februar 1992, a.a.O., und vom 2. Oktober 1997, a.a.O.).

Der Senat hat keine Zweifel, dass auch diese Rechtsprechung auf das Elterngeld übertragbar ist. Allerdings erfüllt die Klägerin die dort aufgestellten Voraussetzungen nicht.

Das BSG hat ausreichende rechtliche Beziehungen zur deutschen Sozialversicherung während einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder dem anschließenden Bezugs von Entgeltersatzleistungen wie Mutterschaftsgeld, Arbeitslosengeld, etc. bejaht (BSG, Urteil vom 26. Juni 1991, 10 RKg 25/90; BSG, Urteil vom 29. Januar 2002, B 10/14 EG 1/00 R, SozR 3-7833 § 1 Nr. 25 zum BErzGG im vergleichbaren Fall eines Angehörigen eines Mitglieds des konsularischen Korps). Im Urteil vom 15. Dezember 1992, a.a.O., war sogar die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung gefordert worden. Im Rahmen der Anrechnung von Kindererziehungszeiten war eine versicherungspflichtige Beschäftigung bis zum Beginn der Mutterschutzfrist als ausreichend angesehen worden (BSG, Urteil vom 25. Februar 1992, a.a.O.). Ebenfalls bejaht wurde ein Anspruch bei Selbstständigen, die als Arbeitgeber der Beitragszahlungspflicht für Versicherte unterworfen waren (BSG, Urteil vom 2. Oktober 1997, a.a.O.).

Der Fall der Klägerin, die seit Jahren außerhalb der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung steht, ist dem nicht vergleichbar. Für eine Ausweitung der dargestellten Fallgruppen gibt er keinen Anlass.

Früher in der Rentenversicherung zurückgelegte Beitragsmonate, die als solche erhalten bleiben (BSG, Urteil vom 25. Februar 1992, a.a.O.), bewirken keinen Versichertenstatus nach § 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bzw. § 2 Abs. 4 SGB IV i.V.m. den Vorschriften des ersten Kapitels des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch, sondern bestenfalls eine Anwartschaft auf künftige Sozialleistungen. Sie reichen daher nicht aus (BSG, Urteil vom 29. Januar 2002, a.a.O.). Gleiches gilt für die - bereits beendete - freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch), die Unternehmern offensteht und damit einem Kreis, der (abgesehen von Verpflichtungen bei Beschäftigten, über die die Klägerin nicht verfügt bzw. verfügte) gerade nicht der Sozialversicherung zugeordnet wird. Auch aus der privaten Pflegepflichtversicherung (§ 23 Elftes Buch Sozialgesetzbuch) der Klägerin lässt sich kein Bezug zur Sozialversicherung ableiten, denn dieser Versicherung unterfallen alle privat Krankenversicherten.

Nicht entscheidend ist, worauf das SG abgehoben hat, dass es der Klägerin als Selbständiger gar nicht möglich war, sich in der Arbeitslosenversicherung zu versichern und dass sie lediglich von dem ihr zustehenden rechtlichen Gestaltungsrahmen Gebrauch gemacht hat, indem sie sich von der Versicherungspflicht in der Kranken- bzw. Rentenversicherung hat befreien lassen (richtig: eine versicherungsfreie Tätigkeit ausgeübt hat). Art. 13 Abs. 1 Satz 2 NATOTrStatZAbk stellt auf die tatsächliche Einbindung in das soziale Netz und nicht auf die Gründe für eine etwa teilweise fehlende Einbindung ab.

Aus der Tatsache, dass die Klägerin Kindergeld erhält, folgt die notwendige Einbeziehung in die deutsche Sozialversicherung ebenfalls nicht. Die Klägerin erhält Kindergeld nach dem EStG als Steuervergütung, weil sie als deutsche Staatsangehörige unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland ist. Dies beruht auf einer Ausnahmeregelung für Nato-Angehörige (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Bundeskindergeldgesetz - BKGG), für die es keine Entsprechung im BEEG gibt. Dass die Klägerin - ihre Angaben als richtig unterstellt - in Deutschland steuerpflichtig ist, genügt nicht. Als - während der Kindererziehung - Nichterwerbstätige zahlt sie keine Steuer und ihr Ehemann ist nach Art. X NATOTrStat von der deutschen Steuerpflicht befreit (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juli 1988, a.a.O.).

Die Lage ist vergleichbar den Angehörigen eines konsularischen Korps, die nach Art. 48 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (BGBl. 1969 II S. 1585) ebenfalls vom Bezug von Familienleistungen ausgeschlossen sind (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2002, a.a.O.).

Dem in der EWG-VO 1408/71 enthaltenen Gemeinschaftsrecht kommt kein Vorrang gegenüber den Kollisionsregeln des NATO-TrStatZAbk zu. Die Klägerin unterfällt zwar als deutsche Staatsangehörige, die im Inland selbständig tätig ist, nach Art. 2 EWG-VO 1408/71 dem persönlichen und sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung. Jedoch ergibt sich aus Art. 17 der EWG-VO 1408/71, dass das EWG-Recht für sich keine abschließende Kompetenz für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts in Anspruch nimmt. Es überlässt es vielmehr den Mitgliedstaaten, abweichende Kollisionsregeln für die Versicherungszugehörigkeit bestimmter Personengruppen zu schaffen. Die NATO-Abkommen, die durch Art. 6 EWG-VO 1408/71 nicht außer Kraft getreten sind, beinhalten ein solches Sonderrecht für bestimmte in der Bundesrepublik befindliche Personengruppen (BSG, Urteile vom 12. Juli 1988, a.a.O. und 26. Juni 1991, 10 RKg 25/90).

Wortlaut und Auslegung des Art. 13 Abs 1 des NATO-TrStatZAbk verstoßen auch nicht gegen Verfassungsrecht. Das hat das BSG sowohl für das Kindergeld (BSG, Urteile vom 18. Juli 1989, a.a.O., und vom 26. Juni 1991, 10 RKg 25/90) wie für das Bundeserziehungsgeld (BSG, Urteile vom 12. Juli 1988, a.a.O., vom 25. April 1990, 4 REg 3/89, vom 28. Juni 1990, 4 REg 36/89, und vom 3. November 1993, 14b Reg 5/93) entschieden. Für das Elterngeld gilt nichts anderes. Eine nach Art. 3 Abs 1 GG bedeutsame sachfremde Differenzierung zwischen deutschen Staatsangehörigen liegt nicht vor. Die Klägerin wird als deutsche Staatsangehörige mit anderen Angehörigen der NATO-Streitkräfte gleichbehandelt. Nach dem Willen und der Konzeption der Vertragsparteien unterliegen die Angehörigen der sozialen Sicherheit und Fürsorge des Entsendestaates. Sie teilen grundsätzlich das rechtliche Schicksal der Mitglieder einer Truppe im sozialen Bereich. Nur ausnahmsweise sind die Familienangehörigen in das soziale Gefüge des Aufnahmestaates eingebettet. Gerade Art. 13 Abs 1 NATO-TrStatZAbk stellt sicher, dass eine Doppelversorgung durch den Entsendestaat und den Aufnahmestaat vermieden wird. Damit ist auch dem Schutz der Ehe (Art. 6 GG) in ausreichender und gebührender Weise Genüge getan und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht verletzt.

Es kommt auch nicht darauf an, ob der Entsendestaat eine soziale Sicherheit und Fürsorge gewährleistet, die in jeder Hinsicht dem deutschen Sicherungsniveau entspricht, insbesondere alle Sicherungszweige und Leistungsarten umfasst, wie sie im Sozialgesetzbuch geregelt sind (BSG, Urteil vom 28. Juni 1990, 4 REg 36/89).

Damit besteht der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nicht. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Mannheim aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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