L 6 SF 48/08

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 48/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Begutachtung chronischer nicht monokausal erklärbarer Schmerzen ist eine interdisziplinäre Aufgabe, die Kompetenz sowohl zur Beurteilung körperlicher als auch psychischer Störungen erfodert. Dann sind zur Einschätzung der Diagnose, der Funktionsbeeinträchtigungen und der prognostischen Bewertung umfassende und vielschichtige differentialdiagnostische Erwägungen erforderlich. Bei einer fachgerechten Auseinandersetzung mit der relevanten Leitlinie ist ein Gutachten nach der Honorargruppe M3 anzunehmen.
Die Vergütung für das Gutachten der Erinnerungsführerin vom 16. Juni 2008 wird auf 1.347,80 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

In dem Berufungsverfahren Renate N .../. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (Az.: L 6 R 47/08) beauftragte der Vorsitzende des erkennenden Senats die Erinnerungsführerin – Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Fachärztin für Innere Medizin, Spezielle Schmerztherapie - mit Beweisanordnung vom 19. März 2008 mit der Erstellung eines Gutachtens aufgrund ambulanter Untersuchung. Übersandt wurden ihr insgesamt 234 Blatt Akten (54 Blatt Verwaltungsakte, 45 Blatt Verwaltungsakte – Medizinische Beiakte, 135 Blatt Gerichtsakte) und 14 Röntgenaufnahmen. Diese fertigte unter dem 16. Juni 2008 ihr Gutachten aufgrund von zwei ambulanten Untersuchungen am 2. und 9. Mai 2008 auf insgesamt 25 Blatt (einschließlich Literaturliste). In ihrer Kostenrechnung machte sie insgesamt 1.347,80 Euro geltend (15 Stunden Zeitaufwand zu einem Stundensatz von 85,00 Euro, Schreibauslagen/Kopien 63,25 Euro, Porto 7,55 Euro, Foto 2,00 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 16 des Kostenhefts verwiesen. Zur Begründung der begehrten Honorargruppe M3 führte sie an, es habe sich um ein komplexes Schmerzgutachten gehandelt, das entsprechend den aktuellen Leitlinien zur Begutachtung von Schmerzen und zum Fibromyalgiesyndrom erstellt worden sei. Es handle sich um ein Zusammenhangsgutachten, das sich mit früheren, insbesondere orthopädischen Gutachten auseinander setze. Für die fachübergreifende Begutachtung (schmerzmedizinisch, psychosomatisch und internistisch) sei eine besondere Fachkompetenz erforderlich gewesen.

Mit Verfügung vom 25. Juni 2008 kürzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung auf 972,80 Euro. Er legte dabei einen Stundensatz nach der Honorargruppe M2 (60,00 Euro) zugrunde. Die beantragte Honorargruppe M3 komme nicht in Betracht, denn es habe sich nicht um ein Zusammenhangsgutachten gehandelt; eine Auseinandersetzung mit Vorgutachten gehöre regelmäßig zur Tätigkeit eines Sachverständigen.

Am 9. Juli 2008 hat die Erinnerungsführerin die richterliche Festsetzung beantragt, die Vergütung nach der Honorargruppe M3 begehrt und sich auf die Beschlüsse des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. Juli 2006 (Az.: L 12 R 2761/06 KO-B) und des Sozialgerichts Mannheim vom 23. März 2006 (Az.: S 8 R 922/06 KO-A) bezogen. Sie trägt vor, es habe sich bei dem erstellten Gutachten um ein komplexes Zusammenhangsgutachten und nicht nur um eine beschreibende Ist-Zustands-Begutachtung nach standardisiertem Schema gehandelt. Tatsächlich seien spezielle Kausalzusammenhänge unter Berücksichtigung differentialdiagnostischer Fragestellungen und Beachtung der aktuellen Leitlinien zur Begutachtung von chronischen Schmerzen berücksichtigt worden.

Die Erinnerungsführerin beantragt,

die Vergütung für das Gutachten vom 16. Juni 2008 auf 1.347,80 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Vergütung für das Gutachten vom 16. Juni 2008 auf 972,80 Euro festzusetzen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 11. Juli 2008) und die Akten dem 6. Senat vorgelegt.

Mit Beschluss vom 23. Oktober 2008 hat der Senatsvorsitzende das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.

II.

Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz – JVEG -) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG).

Im vorliegenden Fall hat die Erinnerungsführerin am 9. Juli 2008 die Festsetzung beantragt. Die Vergütung wird antragsgemäß auf 1.347,80 Euro festgesetzt.

Bei der Erinnerung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen wurden (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 4. April 2005 – Az.: L 6 SF 83/05 in MedSach 2005, 137 ff., 27. Januar 2005 – Az.: L 6 SF 745/04, 1. August 2003 – Az.: L 6 SF 220/03 in MedSach 2004, 102 f; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. Oktober 2005 – Az.: 1 B 97.1352, nach juris). Insofern kommt es nicht darauf an, dass sich die Erinnerungsführerin nur gegen die Honorargruppe M2 wendet.

Grundsätzlich ist der Senat bei der Festsetzung weder an die Höhe der Einzelansätze noch an die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gebunden, denn das Verschlechterungsverbot (sog. "reformatio in peius") gilt bei der erstmaligen richterlichen Festsetzung nicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. April 2005 - Az.: L 6 SF 2/05 und vom 16. September 2002 - Az.: L 6 B 51/01 SF; Meyer/Höver/Bach, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, 24. Auflage 2007, § 4 Rdnr. 4.3). Allerdings kann er insgesamt nicht mehr festsetzen als tatsächlich verlangt worden ist (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., § 4 Rdnr. 4.12 m.w.N.).

Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs. 1).

Das Honorar eines Sachverständigen errechnet sich nach den §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Es ist unerheblich, wie viele Stunden tatsächlich aufgewendet wurden. Relevant ist der erforderliche Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität (vgl. u.a. Bundesgerichtshof (BGH); Beschluss vom 16. Dezember 2003 – Az.: X ZR 206/98, nach juris; Senatsbeschlüsse vom 21. Dezember 2006 - Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f. und 11. März 2004 – Az.: L 6 980/03; Hartmann in Kostengesetze, 38. Auflage 2008, § 8 JVEG Rdnr. 35). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006 - Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f.; Thüringer OVG, Beschluss vom 3. Juli 2006 – Az.: 4 VO 487/05, nach juris; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – Az.: L 2/9 SF 82/04, nach juris; LSG Baden-Württemberg vom 22. September 2004 – Az.: L 12 RJ 3686/04 KO-A, nach juris). Werden die üblichen Erfahrungswerte um mehr als 15 v.H. überschritten (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006 - Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f.) oder bietet die Kostenrechnung keinen Anhalt für einen realistischen Ansatz (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2007 - Az.: L 6 B 172/07 SF), ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen.

Die Aufteilung der Sachverständigenleistung erfolgt entsprechend dem Thüringer "Merkblatt über die Entschädigung von medizinischen Sachverständigen" grundsätzlich in fünf Bereichen: a) Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten, b) Erhebung der Vorgeschichte, c) notwendige Untersuchungen, d) Abfassung der Beurteilung, e) Diktat sowie Durchsicht des Gutachtens.

Für die Erstellung des Gutachtens vom 16. Juni 2008 war nach der Senatsrechtsprechung angesichts der übersandten Unterlagen und unter Berücksichtigung der üblichen Erfahrungswerte ein Zeitaufwand von 16 ½ Stunden erforderlich.

Für das Aktenstudium ist - wie beantragt - ein Zeitaufwand von 3 Stunden für das Studium der übersandten Akten anzusetzen; zusätzlich zu berücksichtigen sind allerdings 1 Stunde und 10 Minuten für die Nachbefundung von 14 Röntgenbilder.

Grundsätzlich wird unterstellt, dass ein Sachverständiger für das Aktenstudium und vorbereitende Maßnahmen einschließlich der Fertigung von Notizen und Exzerpten einen Zeitaufwand von etwa 1 Stunde für etwa 80 Blatt mit ca. 1/4 medizinischem Inhalt benötigt (vgl. u. a. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2007 - Az.: L 6 B 172/07 SF). Ist der medizinische Anteil - wie hier (ca. 32 v.H.) - höher, sind die Akten mit allgemeinem und mit medizinischem Inhalt getrennt zu erfassen und unterschiedlich zu bewerten (vgl. Senatsbeschluss vom 1. August 2003 – Az.: L 6 SF 220/03 in MedSach 2004, 102 f.): medizinische Unterlagen mit ca. 1 Stunde für 50 Blatt, sonstige Unterlagen mit ca. 1 Stunde für 100 Blatt. Wegen der Doppelheftungen des Entlassungsberichts vom 20. Oktober 2006 sind von den übersandten 234 Blatt 12 Blatt bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen. Damit errechnet sich bei 77 Blatt mit medizinischem und 145 Blatt mit allgemeinem Inhalt ein Zeitaufwand von ca. 3 Stunden.

Die Honorierung von Röntgenbildern wird in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt (vgl. die Aufstellung von Widder/Gaidzig "Leistungsgerechte Vergütung nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz?" in MedSach 2005, 127, 130, 132). Nach der Rechtsprechung des 5. Senats des Thüringer Landessozialgerichts (vgl. Beschluss vom 19. September 1995 - Az.: L-5/-17/94) ist mit dem o.g. Ansatz für das Aktenstudium auch die Beurteilung einer geringen Anzahl von Röntgenaufnahmen mit abgegolten, wenn es auf das Studium für die Erstellung des Gutachtens ankommen kann. Der erkennende Senat hat sich dieser Entscheidung bei einer Nachbefundung von 4 Röntgenbildern angeschlossen (vgl. Beschluss vom 19. Dezember 2007 - Az.: L 6 B 172/07 SF). Im vorliegenden Fall sind die übersandten 14 grundsätzlich relevanten Röntgenaufnahmen nicht unter die "geringe Anzahl" zu subsumieren. Der damit erforderliche zusätzliche Zeitaufwand beträgt bei 5 Minuten pro Aufnahme (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 19. September 1995 - Az.: L-5/-17/94) insgesamt 70 Minuten.

Für die Erhebung der Vorgeschichte hat die Erinnerungsführerin 4 Stunden, für die körperliche Untersuchung ½ Stunde angesetzt. Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass sie die notwendige Zeit für die ambulanten Gespräche am 2. und 9. Mai 2008 zur Erhebung der Vorgeschichte gerechnet hat. Gegen die zeitlichen Ansätze bestehen damit keine Bedenken, denn die Begutachtung somatoformer Schmerzstörungen erfordert grundsätzlich eine detaillierte und umfassende Exploration mit einem deutlich höheren Zeitaufwand gegenüber dem "normalen" Gutachten (vgl. Senatsbeschluss vom 1. August 2003 - Az.: L 6 SF 220/03 in MedSach 2004, 102 unter Hinweis auf Widder, Hausotter, Marx, Puhlmann, Wallesch "Empfehlungen zur Schmerzbegutachtung" in MedSach 2002, 27, 28).

Für die Abfassung der Beurteilung können, wie beantragt, angesichts der Schreibweise 3 ½ Stunden berücksichtigt werden. Sie umfasst grundsätzlich die Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen und die nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können, also die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung. Bei einem durchschnittlichen Sachverständigen ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung ein Zeitaufwand von in der Regel 3 Seiten pro Stunde angemessen (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2007 - Az.: L 6 B 172/07 SF).

Für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens wird ein zeitlicher Aufwand von 4 Stunden für 25 Blatt angesetzt. Nach der Senatsrechtsprechung kommt für ca. 5 bis 6 Seiten etwa 1 Stunde Zeitaufwand in Betracht (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 1. August 2003– Az.: L 6 SF 220/03 in MedSach 2004, 102 f.).

Im vorliegenden Fall akzeptiert der Senat die Zuordnung zu der Honorargruppe M3 (85,00 Euro). Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde:

Die Voraussetzungen der zwischen den Beteiligten in Streit stehenden Honorargruppen werden in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG wie folgt beschrieben: • M2: Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad; • M3: Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge und / oder differenzialdiagnostischer Probleme und / oder Beurteilung der Prognose und / oder strittiger Kausalitätsfragen).

In den aufgezählten Beispielsfallgruppen werden Gutachten zur Feststellung einer Erwerbsminderung nicht ausdrücklich genannt. Diese Zustandsgutachten werden nach der h.M. im Regelfall in der Honorargruppe M 2 vergütet (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Dezember 2007 – Az.: L 6 B 172/07 SF, 21. Dezember 2006 Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f. und 4. April 2005 - Az.: L 6 SF 83/05 in MedSach 2005, 137f.; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – Az.: L 2/9 SF 82/04 nach juris mit Anmerkung Keller in jurisPK-SozR 26/05 Anm. 6; Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 872; Keller, "Die Vergütung ärztlicher Sachverständigengutachten im sozialgerichtlichen Verfahren nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz" in MedSach 2005, 154, 156).

Die Zuerkennung einer höheren Honorargruppe allein wegen des Fachgebiets des Sachverständigen hat der Senat bereits bei der Vorgängerregelung grundsätzlich abgelehnt (z.B. bei Schmerzgutachten mit Beschluss vom 14. November 2002 - Az.: L 6 B 26/02 SF). Er hält weiter daran fest. Hier ist der Erinnerungsführerin jedoch zuzugeben, dass die Begutachtung chronischer nicht monokausal erklärbarer Schmerzen eine interdisziplinäre Aufgabe ist, die Kompetenz sowohl zur Beurteilung körperlicher als auch psychischer Störungen erfordert (vgl. Leitlinie für die Begutachtung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften - AWMF, Stand 3/2007; www.uni-duesseldorf.de/AWMF/II/030-102.htm). Dann sind zur Einschätzung der Diagnose, der Funktionsbeeinträchtigungen und der prognostischen Bewertung unfassende und vielschichtige differentialdiagnostische Erwägungen erforderlich. Im Hauptsacheverfahren hatte der Sachverständige Dr. Dr. B. in seinem orthopädischen Gutachten vom 21. August 2007 den körperlichen Anteil an der Schmerzsymptomatik der Klägerin beurteilt. Die Erinnerungsführerin hatte daraufhin fachübergreifend den Anteil der erklärbaren Schmerzen durch körperliche und psychische Störungen durch Schädigungen des Nervensystems und anderer Gewebearten festzustellen und zu beurteilen. Hierfür waren eingehende Kenntnisse der Erfassung und Bewertung chronischer Schmerzen und eine Auseinandersetzung mit der herrschenden Lehre unabdingbar. U.a. musste die Erinnerungsführerin die Selbsteinschätzungsskalen und Fragebögen, die die Grundlage für die Beurteilung des Grades und des Ausmaßes der Symptomatik und der konkreten Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben durch den Sachverständigen bilden (vgl. BSG, Urteil vom 9. April 2003 - Az.: B 5 RJ 80/02 B, nach juris), anhand der nach ihrer Ansicht relevanten Leitlinie (Fibromyalgie) auswerten. Dies ist hier erfolgt. Insofern ist dieser Fall gerade nicht mit dem "Normalfall" vergleichbar, in dem sich ein Sachverständiger nur mit früheren Gutachten aus seinem Fachgebiet auseinander zu setzen hat. In einem solchen Fall bejaht er bei einer fachgerechten Auseinandersetzung mit der Leitlinie ein Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad nach der Gruppe M3 (so im Ergebnis auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. Juli 2006 - Az.: L 12 R 2761/06 KO-B).

Zusätzlich zu erstatten sind die verauslagten Portoauslagen (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG), die Schreibauslagen (12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 JVEG), die Kopier- und Fotokosten (§ 7 Abs. 2 S. 1 und 2 JVEG).

Danach errechnet sich die Vergütung wie folgt: 16,5 Stunden zu 85,00 Euro 1.402,50 Euro Portoauslagen 7,55 Euro Schreibauslagen 38,25 Euro Ablichtungen, Foto 27,00 Euro 1.475,30 Euro

Nachdem die Erinnerungsführerin nur 1.347,80 Euro gefordert hat, ist die Festsetzung auf diesen Betrag beschränkt.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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