Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 93/70
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der röntgenologische Befund einer Spondylitis ankylopoetica läßt sichere Schlüsse über den Verlauf der Krankheit und ihre Entstehung zu.
Lag 1965 noch kein fortgeschrittenes Stadium der Krankheit vor, scheiden ursächliche Gefangenschaftseinflüsse aus.
Lag 1965 noch kein fortgeschrittenes Stadium der Krankheit vor, scheiden ursächliche Gefangenschaftseinflüsse aus.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 25. November 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1911 geborene Kläger, der sich vom 23. Januar 1943 bis 9. November 1948 in russischer Kriegsgefangenschaft befunden hatte, stellte am 3. Dezember 1948 Antrag auf Gewährung einer Rente nach dem KB-Leistungsgesetz wegen der durch die lange Kriegsgefangenschaft erlittenen Entkräftigung und des durchgemachten Fleckfiebers. Der dazu gehörte Vertragsarzt Dr. M. nahm in dem Gutachten vom 7. Dezember 1948 einen "Zustand nach Eiweißmangelerkrankung und Narben an den Großzehen nach Erfrierung” als Leistungsgrund an und setzte dafür die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 40 v.H. fest. Der Vertragsarzt Dr. S. stellte bereits am 21. Mai 1949 eine wesentliche Besserung fest. Der hierzu erteilte Bescheid vom 13. Juni 1949 führte aus, die heute noch geklagten Schmerzen in beiden Beinen mit auftretenden Krampferscheinungen könnten nicht als Folge der Dystrophie aufgefaßt werden, sondern seien durch die hochgradige Senk-Spreizfußbildung bedingt.
Nachdem der Kläger wegen eines Rheuma- und Bandscheibenleidens vom 24. März 1965 bis 20. Januar 1966 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und deshalb vom 24. November 1965 bis 4. Januar 1966 stationär behandelt worden war, stellt er am 10. November 1966 erneut Antrag auf Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und verwies dazu auf die Bescheinigung des Facharztes für Orthopädie Dr. V. vom 9. Dezember 1966, der darin meinte die Spondylitis ankylopoetica in ihrer typischen progrediente Verlaufsform müsse im Sinne einer Verschlimmerung auf die Kriegseinwirkungen zurückgeführt werden.
Unter Auswertung des Krankenauszugs der Betriebskrankenkasse der K. AG in W., des Krankenblattes des Hospitals H. W., des Entlassungsbefundes des Hauses H. und des Arztbriefes der Orthopädischen Klinik W. vertrat der Facharzt für Chirurgie Dr. in dem Gutachten vom 30. August 1967 die Ansicht, die bei dem Kläger gegebene Spondylitis ankylopoetica befinde sich keineswegs in einem fortgeschrittenen oder gar Endstadium. Ein solches müsse sich jedoch radiologisch dokumentieren lassen und sei Forderung, wolle man zur Bejahung der Zusammenhangsfrage im Sinne der Verschlimmerung oder der Mitverursachung durch die Gefangenschaftseinflüsse kommen. Das sei vorliegend jedoch nicht zu bejahen.
Dieser Meinung schlossen sich ebenfalls Dres. G. und S. an.
Der Hessische Sozialminister erteilte hiernach mit Schreiben vom 15. Januar 1968 nicht seine Zustimmung für eine Versorgung als Kannleistung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG, da eine zeitliche Verbindung zwischen den Auftreten der Bechterew’schen Erkrankung und schädigenden Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG nicht wahrscheinlich gemacht werden könne.
Der Bescheid vom 24. Januar 1968 stellte daraufhin fest die Bechterew’sche Erkrankung, die im Jahre 1966 festgestellt worden sei, stehe weder zeitlich noch ursächlich mit Einflüssen des Kriegsdienstes und der Gefangenschaft in Zusammenhang. Eine Versorgung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 oder Satz 2 BVG könne nicht begründet werden.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. April 1968).
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/Main hat der Kläger unter Hinweis auf die eidesstattliche Erklärung des H. P. der amtsärztlichen Bescheinigung des Ärztlichen Dienstes der Landesversicherungsanstalt Hessen vom 7. Dezember 1948 und der ärztlichen Bescheinigung des prakt. Arztes Dr. F. vom 21. Dezember 1953 vorgetragen, bereits seit 1953 sei bei ihm ein Rheumatismus festgestellt worden. Die Beschwerden hätten sich im Jahre 19 ... verstärkt und Krankenhausbehandlungen erforderlich gemacht. Dr. V. habe unter Berücksichtigung der vorherrschenden Lehrmeinung bestätigt, daß die Spondylitis ankylopoetica durch die durchgemachte Kriegsgefangenschaft mit verursacht worden sei.
Demgegenüber hat der Beklagte geltend gemacht, die von Dr. F. im Jahre 1953 gestellte Diagnose "Rheumatismus” sei schlecht verwertbar, da entsprechende Befunde nicht angegeben seien. Bei einem typischen Gelenkrheumatismus oder rheumatischen Erscheinungen, die auf eine Bechterew’sche Erkrankung hingewiesen hätten, wäre Dr. F. damals zu entsprechenden therapeutischen Maßnahme veranlaßt worden, die jedoch unterblieben seien. Diagnostische Rückschlüsse seien demgemäß daraus nicht zu ziehen. Unter Würdigung der Befunde und des großen zeitlichen Abstandes zwischen dem Ende der Kriegsgefangenschaft und dem Auftreten der ersten Beschwerden seien die Voraussetzungen zur Anerkennung im Sinne eines Rechtsanspruchs oder für eine Kannleistung nicht erfüllt.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben und hat von Dr. F. Befundunterlagen beigezogen sowie ihn über die Behandlung des Klägers befragt. Er hat am 26. Juli 1969 mitgeteilt, der Kläger sei seit seiner Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft behandelt worden. Er habe an einer Dystrophie gelitten. 1953 seien rheumatische Beschwerden aufgrund einer Untersuchung festgestellt worden. Er habe ziehende Schmerzen in den Gelenken angegeben und sich laufend über Gelenkbeschwerden in Form von Steifigkeit und Schmerzen beklagt. Später sei die Diagnose "Bechterew’sche Erkrankung” gestellt worden.
Mit Urteil vom 25. November 1969 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Bechterew’sche Erkrankung könne nicht mit Wahrscheinlichkeit auf schädigende Einwirkungen des Wehrdienstes oder der Kriegsgefangenschaft zurückgeführt werden. Die abweichende Meinung des Dr. V. sei durch das Gutachten des Dr. B. widerlegt worden, der die Vorgeschichte ausgewertet, die wissenschaftliche Lehrmeinung berücksichtigt und aus den erhobenen Befunden überzeugende Schlüsse gezogen habe. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang des Leidens spräche bereite der zeitliche Abstand zwischen der Beendigung der Gefangenschaft und den ersten infrage kommenden Krankheitserscheinungen. Selbst wenn man die ersten rheumatischen Erscheinungen des Jahres 1953 als Frühsymptome der Bechterew’schen Krankheit ansehen wollte, bestünde immer noch ein zeitlicher Abstand von etwa 5 Jahren. Die aus dem Jahre 1965 resultierenden Röntgenaufnahmen zeigten im übrigen, daß die Erkrankung sich noch in keinem fortgeschrittenen Stadium befinde, was die alleinige Annahme zulasse, daß es sich um Krankheitsgeschehen jüngeren Datums handeln müsse. Daraus folge zugleich, daß es als nicht ermessensmißbräuchlich gesehen werden könne, wenn die Versorgungsverwaltung die Gewährung einer Versorgung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG abgelehnt habe.
Gegen das dem Kläger am 6. Januar 1970 zugestellte Urteil ist die Berufung am 3. Februar 1970 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 25. November 1969 und den Bescheid vom 24. Januar 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 1968 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, wegen des Morbus Bechterew Versorgungsrente nach einer MdE um 70 v.H. zu gewähren;
hilfsweise,
die Bescheide, soweit sie Kannversorgung betreffen, aufzuheben, hilfsweise,
ein Gutachten von Amts wegen einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben und hat auf Veranlassung des Klägers von Prof. Dr. O. das Gutachten vom 1. August 1972 gemäß § 109 SGG eingeholt. Der medizinische Sachverständige hat darin die Ansicht vertreten, die Röntgenaufnahmen des Jahres 1966 zeigten eine ankylosierende Spondylitis in Mischfolge mit degenerativen Veränderungen. Aufgrund der Befunde und der medizinischen Unterlagen könnten für die Zeit des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft in Rußland Krankheitserscheinungen, welche typisch für eine ankylosierende Spondylitis gewesen wären, nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. Nach der Gefangenschaft hätten keine beginnenden subjektiven oder objektiven Symptome einer solchen Krankheit bestanden. Die 1953 von dem Hausarzt bescheinigten rheumatischen Beschwerden seien nicht genau lokalisierter, jedenfalls hätten damals keine schweren entzündlichen gelenkrheumatischen Veränderungen an den Gliedmaßen vorgelegen. Durch röntgenologische Untersuchung sei die ankylosierende Spondylitis erst seit 1964 nachgewiesen. Verglichen mit dem Zeitraum seit Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft sei in den wenigen Jahren zwischen 1965 und 1971 die Erkrankung von einem noch wenig weit fortgeschrittenen Stadium zu einem mittelweit ausgeprägten Stadium weitergegangen, woraus sich auch Rückschlüsse auf die Geschwindigkeit des vorhergehenden Krankheitsverlaufs ergäben. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen und Überlegung sei der zwingende Schluß zu ziehen, daß während des Kriegsdienstes und zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft sowie in den ersten Jahren danach beim Kläger eine ankylosierende Spondylitis noch nicht bestanden habe. Die Annahme, die Krankheit hätte von 1948 bis 1955 vollkommen geschlummert ohne jedes typische Initialsymptom zur Zeit des Kriegsdienstes und der Gefangenschaft, sei nach wissenschaftlichen Kenntnissen nicht vertretbar.
Die Versorgungsakte mit der Archiv-Nr. hat vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Sie ist jedoch nicht begründet.
Der Bescheid vom 24. Januar 1968, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 1969 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Versorgung nach dem BVG wegen Spondylitis ankylopoetica, weil nicht wahrscheinlich im Sinne der im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsnorm ist, daß diese Erkrankung Schädigungsfolge nach dem BVG ist. Auch der Senat folgt den schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. und des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. O. die unter Verwertung sämtlicher über den Kläger nach dem Kriege vorhandenen Krankenunterlagen, Befundberichten und Anamnesen zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt sind, daß die Spondylitis ankylopoetica nicht durch die ab 1943 bis 1948 abgelaufene Kriegsgefangenschaft verursacht oder verschlimmert worden ist und es damit an dem schädigenden Ereignis fehlt (§ 1 Abs. 1 BVG). Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und ärztlichen Berichte ist davon auszugehen, daß eine rheumatische Erkrankung in der Kriegsgefangenschaft oder in der unmittelbaren Zeit danach nicht aufgetreten ist, was auch aus den Gutachten des Vertragsarztes Dr. M. vom 7. Dezember 1948 und des Dr. vom 21. Mai 1949 folgt. Im Vordergrund der klinischen Beschwerden stand damals die Dystrophie und ihre Folgeerscheinungen wobei in den Jahren 1948 und 1949 nicht über Rückenschmerzen geklagt worden ist. Erst 1957 ist es zu einer Arbeitsunfähigkeit wegen rheumatischer Beschwerden gekommen, deren Diagnose im Jahre 1965 mit dem Verdacht auf eine Spondylitis ankylopoetica wiederholt wird. Die von Dr. F. erwähnten rheumatischen Beschwerden im Jahre 1953 haben dagegen nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt, wobei diese Diagnose mit Rheumatismus auch nicht als einwandfrei gesichert gilt. So zeichnet er lediglich in dem von ihm am 26. Juli 1967 gegebenen Bericht auf, daß der Kläger über ziehende Schmerzen in den Gelenken geklagt, die er als rheumatische Beschwerden gedeutet habe. Die Beschreibung dieses Befundes hat den medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. O. zu der zutreffenden Feststellung veranlaßt, daß damals keine schweren entzündlichen gelenkrheumatischen Veränderungen an den Gliedmaßen vorgelegen haben. Selbst wenn man bereits 1953 als das Jahr ansieht, in dem die rheumatischen Beschwerden begonnen haben, ergibt sich dann auch noch, daß zwischen der Beendigung der Gefangenschaft und den ersten rheumatischen Beschwerden – wenn man dabei das Jahr 1953 zugrunde legt – ein Zeitraum von 5 Jahren liegt und zwischen der gestellten Verdachtsdiagnose sogar ein solcher von 17 Jahren, der es vorliegend wegen des nur floriden Geschehens ausschließt, die Kriegsgefangenschaft als verschlimmernden Faktor anzusprechen.
Die von dem Facharzt für Chirurgie Dr. B. und Prof. Dr. O. richtig gedeuteten Röntgenbilder weisen nämlich nur ein akutes Stadium aus, das an den Ileosacralgelenken noch keine Verknöcherung erkennen läßt und zeigen, daß die Erkrankung, verglichen mit dem langen Zeitraum seit 1948, in den Jahren 1965 bis 1971 von einem noch wenig fortgeschrittenen Stadium zu einem mittelweit ausgeprägten Stadium weitergegangen ist. Ein fortgeschrittenes oder Endstadium müßte sich aber radiologisch dokumentieren lassen, um den Gefangenschaftseinflüssen eine verschlimmernde oder mit verursachende Bedeutung zu geben. Das läßt den alleinigen Schluß zu, daß für das beim Kläger vorliegende Krankheitsgeschehen die Kriegsgefangenschaft nicht mehr verantwortlich gemacht werden kann. Diese zutreffende Ansicht wird auch nicht durch die allgemein gehaltenen Ausführungen des Facharztes für Orthopädie Dr. V. widerlegt, der meint, daß eine Unterkühlung, körperliche Strapazen, eine Verwundung und nicht zuletzt eine psychische Belastung durch Kampfhandlungen als Streß über das Endokrinium wirksam würden und auch in die allergische Komponente der entzündlichen Reaktionen eingreifen könnten. Er übersieht dabei jedoch, daß zwischen Beendigung der Kriegsgefangenschaft des Klägers und dem Auftreten der Spondylitis ankylopoetica mindestens ein Zeitraum von 5 Jahren liegt, wenn man die rheumatischen Beschwerden im Jahre 1953 als solche charakterisieren kann. Außerdem wird bei der von Dr. V. getroffenen Feststellung nicht beachtet, daß das Röntgenbild des Jahres 1965 kein fortgeschrittenes oder gar ein Endstadium zeigt, was jedoch der Fall sein müßte, um die Gefangenschaft als verschlimmernden oder mit verursachenden Faktor ansehen zu können.
Diese sich klar aus den Akten ergebenden Tatsachen und Umstände die sowohl gegen einen zeitlichen als auch gegen einen ursächlichen Zusammenhang sprechen, lassen damit die Feststellung nicht zu, daß die Spondylitis ankylopoetica Schädigungsfolge ist, da diese nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit auf die Einflüsse der Kriegsgefangenschaft zurückgeht.
Das Vordergericht hat mit zutreffender Begründung ebenfalls verneint, daß dem Kläger eine Kannleistung nach § 1 Abs. 3 S. 2 BVG zusteht.
Nach dieser Gesetzesvorschrift kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung – ersatzweise mit Zustimmung des Hessischen Sozialministers Versorgung – eine Kannleistung gewährt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung oder als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht. Die vom Kläger geltend gemachte Spondylitis ankylopoetica gehört zu diesen Erkrankungen. Da es sich als Kannleistung um eine Ermessensentscheidung der Versorgungsbehörde handelt, obliegt daher den Gerichten nicht die Nachprüfung des Verwaltungsermessens selbst, sondern nur die Prüfung der Frage, ob die Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 54 Abs. 2 Satz 2 (SGG).
Ein Ermessensmißbrauch oder eine Ermessensüberschreitung war nicht festzustellen, da die Ablehnung des Antrags einmal auf dem Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 8. Mai 1962, das durch das Rundschreiben vom 16. Juni 1969 (Schieckel-Gurgel, BVG – Komm., Bd. V ... E Nr. 551, S. 1998) ersetzt worden ist, bezüglich der Verordnung im Wege des Härteausgleichs und der Versorgung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG bei der Spondylarthritis ankylopoetica (Morbus Bechterew) beruht und zum anderen auf dem fachärztlichen Gutachten des Dr. B. vom 30. August 1967. Nach dem Rundschreiben vom 16. Juni 1969 kommt die vom Kläger begehrte Versorgung nur dann in Betracht, wenn infektiöse Prozesse mit einer nachhaltigen Auswirkung auf den Gesamtorganismus, körperliche Belastungen oder Kälte- und Nässeeinwirkungen, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet sind die Resistenz erheblich herabzusetzen sowie mechanische Belastungen der Wirbelsäule in Kombination mit den bereits genannten Noxen als Schädigungstatbestände vorgelegen haben und wenn auf einem Beginn des Leidens in einer zeitlichen Verbindung bis zu 6 Monaten danach begründet geschlossen werden kann. Diese zur Gewährung einer Versorgung aufgestellten Vorbedingungen sind damit nicht erfüllt, da frühestens 5 Jahre nach Beendigung der russischen Kriegsgefangenschaft rheumatische Beschwerden aufgetreten sind, wobei jedoch das Röntgenbild des Jahres 1965 darauf hindeutet, daß es sich um ein Krankheitsgeschehen jüngeren Datums handeln muß. Unter richtiger Wertung des Röntgenbefundes hat der Facharzt für Chirurgie Dr. B. den zutreffenden Schluß gezogen, daß die Beeinflussung des Krankheitsgeschehens durch exogene Faktoren der Gefangenschaft nicht sehr überwältigend war. Denn wäre durch die Gefangenschaftseinflüsse die Spondylitis ankylopoetica maßgeblich verschlimmert worden, so müßte der Röntgenbefund ein fortgeschrittenes oder ein Endstadium der Krankheit ausweisen, wobei auch der Verdacht auf eine solche Krankheit nicht erst 1965/66 aufgetreten wäre.
Damit wird ärztlicherseits eindeutig ausgeschlossen, daß Kriegsgefangenschaft verschlimmernd auf die Spondylitis ankylopoetica eingewirkt hat, wofür ebenfalls nicht der Behandlungsablauf spricht.
Die Versorgungsbehörde hat daher den Bescheid vom 24. Januar 1968 und den Widerspruchsbescheid vom 26. April 1968 auf sachgerechte Erwägungen gestützt, die außerdem von der Stellungnahme des Hessischen Sozialministers getragen werden, der nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage die Zustimmung für eine Versorgung als Kannleistung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG nicht erteilt hat. Ein Ermessensfehler der Versorgungsbehörde liegt daher nicht vor, weshalb der Berufung der Erfolg zu versagen war.
Da der Sachverhalt in medizinischer Einsicht voll aufgeklärt ist, bedarf es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachters von Amts wegen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1911 geborene Kläger, der sich vom 23. Januar 1943 bis 9. November 1948 in russischer Kriegsgefangenschaft befunden hatte, stellte am 3. Dezember 1948 Antrag auf Gewährung einer Rente nach dem KB-Leistungsgesetz wegen der durch die lange Kriegsgefangenschaft erlittenen Entkräftigung und des durchgemachten Fleckfiebers. Der dazu gehörte Vertragsarzt Dr. M. nahm in dem Gutachten vom 7. Dezember 1948 einen "Zustand nach Eiweißmangelerkrankung und Narben an den Großzehen nach Erfrierung” als Leistungsgrund an und setzte dafür die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 40 v.H. fest. Der Vertragsarzt Dr. S. stellte bereits am 21. Mai 1949 eine wesentliche Besserung fest. Der hierzu erteilte Bescheid vom 13. Juni 1949 führte aus, die heute noch geklagten Schmerzen in beiden Beinen mit auftretenden Krampferscheinungen könnten nicht als Folge der Dystrophie aufgefaßt werden, sondern seien durch die hochgradige Senk-Spreizfußbildung bedingt.
Nachdem der Kläger wegen eines Rheuma- und Bandscheibenleidens vom 24. März 1965 bis 20. Januar 1966 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und deshalb vom 24. November 1965 bis 4. Januar 1966 stationär behandelt worden war, stellt er am 10. November 1966 erneut Antrag auf Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und verwies dazu auf die Bescheinigung des Facharztes für Orthopädie Dr. V. vom 9. Dezember 1966, der darin meinte die Spondylitis ankylopoetica in ihrer typischen progrediente Verlaufsform müsse im Sinne einer Verschlimmerung auf die Kriegseinwirkungen zurückgeführt werden.
Unter Auswertung des Krankenauszugs der Betriebskrankenkasse der K. AG in W., des Krankenblattes des Hospitals H. W., des Entlassungsbefundes des Hauses H. und des Arztbriefes der Orthopädischen Klinik W. vertrat der Facharzt für Chirurgie Dr. in dem Gutachten vom 30. August 1967 die Ansicht, die bei dem Kläger gegebene Spondylitis ankylopoetica befinde sich keineswegs in einem fortgeschrittenen oder gar Endstadium. Ein solches müsse sich jedoch radiologisch dokumentieren lassen und sei Forderung, wolle man zur Bejahung der Zusammenhangsfrage im Sinne der Verschlimmerung oder der Mitverursachung durch die Gefangenschaftseinflüsse kommen. Das sei vorliegend jedoch nicht zu bejahen.
Dieser Meinung schlossen sich ebenfalls Dres. G. und S. an.
Der Hessische Sozialminister erteilte hiernach mit Schreiben vom 15. Januar 1968 nicht seine Zustimmung für eine Versorgung als Kannleistung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG, da eine zeitliche Verbindung zwischen den Auftreten der Bechterew’schen Erkrankung und schädigenden Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG nicht wahrscheinlich gemacht werden könne.
Der Bescheid vom 24. Januar 1968 stellte daraufhin fest die Bechterew’sche Erkrankung, die im Jahre 1966 festgestellt worden sei, stehe weder zeitlich noch ursächlich mit Einflüssen des Kriegsdienstes und der Gefangenschaft in Zusammenhang. Eine Versorgung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 oder Satz 2 BVG könne nicht begründet werden.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. April 1968).
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/Main hat der Kläger unter Hinweis auf die eidesstattliche Erklärung des H. P. der amtsärztlichen Bescheinigung des Ärztlichen Dienstes der Landesversicherungsanstalt Hessen vom 7. Dezember 1948 und der ärztlichen Bescheinigung des prakt. Arztes Dr. F. vom 21. Dezember 1953 vorgetragen, bereits seit 1953 sei bei ihm ein Rheumatismus festgestellt worden. Die Beschwerden hätten sich im Jahre 19 ... verstärkt und Krankenhausbehandlungen erforderlich gemacht. Dr. V. habe unter Berücksichtigung der vorherrschenden Lehrmeinung bestätigt, daß die Spondylitis ankylopoetica durch die durchgemachte Kriegsgefangenschaft mit verursacht worden sei.
Demgegenüber hat der Beklagte geltend gemacht, die von Dr. F. im Jahre 1953 gestellte Diagnose "Rheumatismus” sei schlecht verwertbar, da entsprechende Befunde nicht angegeben seien. Bei einem typischen Gelenkrheumatismus oder rheumatischen Erscheinungen, die auf eine Bechterew’sche Erkrankung hingewiesen hätten, wäre Dr. F. damals zu entsprechenden therapeutischen Maßnahme veranlaßt worden, die jedoch unterblieben seien. Diagnostische Rückschlüsse seien demgemäß daraus nicht zu ziehen. Unter Würdigung der Befunde und des großen zeitlichen Abstandes zwischen dem Ende der Kriegsgefangenschaft und dem Auftreten der ersten Beschwerden seien die Voraussetzungen zur Anerkennung im Sinne eines Rechtsanspruchs oder für eine Kannleistung nicht erfüllt.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben und hat von Dr. F. Befundunterlagen beigezogen sowie ihn über die Behandlung des Klägers befragt. Er hat am 26. Juli 1969 mitgeteilt, der Kläger sei seit seiner Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft behandelt worden. Er habe an einer Dystrophie gelitten. 1953 seien rheumatische Beschwerden aufgrund einer Untersuchung festgestellt worden. Er habe ziehende Schmerzen in den Gelenken angegeben und sich laufend über Gelenkbeschwerden in Form von Steifigkeit und Schmerzen beklagt. Später sei die Diagnose "Bechterew’sche Erkrankung” gestellt worden.
Mit Urteil vom 25. November 1969 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Bechterew’sche Erkrankung könne nicht mit Wahrscheinlichkeit auf schädigende Einwirkungen des Wehrdienstes oder der Kriegsgefangenschaft zurückgeführt werden. Die abweichende Meinung des Dr. V. sei durch das Gutachten des Dr. B. widerlegt worden, der die Vorgeschichte ausgewertet, die wissenschaftliche Lehrmeinung berücksichtigt und aus den erhobenen Befunden überzeugende Schlüsse gezogen habe. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang des Leidens spräche bereite der zeitliche Abstand zwischen der Beendigung der Gefangenschaft und den ersten infrage kommenden Krankheitserscheinungen. Selbst wenn man die ersten rheumatischen Erscheinungen des Jahres 1953 als Frühsymptome der Bechterew’schen Krankheit ansehen wollte, bestünde immer noch ein zeitlicher Abstand von etwa 5 Jahren. Die aus dem Jahre 1965 resultierenden Röntgenaufnahmen zeigten im übrigen, daß die Erkrankung sich noch in keinem fortgeschrittenen Stadium befinde, was die alleinige Annahme zulasse, daß es sich um Krankheitsgeschehen jüngeren Datums handeln müsse. Daraus folge zugleich, daß es als nicht ermessensmißbräuchlich gesehen werden könne, wenn die Versorgungsverwaltung die Gewährung einer Versorgung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG abgelehnt habe.
Gegen das dem Kläger am 6. Januar 1970 zugestellte Urteil ist die Berufung am 3. Februar 1970 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 25. November 1969 und den Bescheid vom 24. Januar 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 1968 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, wegen des Morbus Bechterew Versorgungsrente nach einer MdE um 70 v.H. zu gewähren;
hilfsweise,
die Bescheide, soweit sie Kannversorgung betreffen, aufzuheben, hilfsweise,
ein Gutachten von Amts wegen einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Beweis erhoben und hat auf Veranlassung des Klägers von Prof. Dr. O. das Gutachten vom 1. August 1972 gemäß § 109 SGG eingeholt. Der medizinische Sachverständige hat darin die Ansicht vertreten, die Röntgenaufnahmen des Jahres 1966 zeigten eine ankylosierende Spondylitis in Mischfolge mit degenerativen Veränderungen. Aufgrund der Befunde und der medizinischen Unterlagen könnten für die Zeit des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft in Rußland Krankheitserscheinungen, welche typisch für eine ankylosierende Spondylitis gewesen wären, nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. Nach der Gefangenschaft hätten keine beginnenden subjektiven oder objektiven Symptome einer solchen Krankheit bestanden. Die 1953 von dem Hausarzt bescheinigten rheumatischen Beschwerden seien nicht genau lokalisierter, jedenfalls hätten damals keine schweren entzündlichen gelenkrheumatischen Veränderungen an den Gliedmaßen vorgelegen. Durch röntgenologische Untersuchung sei die ankylosierende Spondylitis erst seit 1964 nachgewiesen. Verglichen mit dem Zeitraum seit Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft sei in den wenigen Jahren zwischen 1965 und 1971 die Erkrankung von einem noch wenig weit fortgeschrittenen Stadium zu einem mittelweit ausgeprägten Stadium weitergegangen, woraus sich auch Rückschlüsse auf die Geschwindigkeit des vorhergehenden Krankheitsverlaufs ergäben. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen und Überlegung sei der zwingende Schluß zu ziehen, daß während des Kriegsdienstes und zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft sowie in den ersten Jahren danach beim Kläger eine ankylosierende Spondylitis noch nicht bestanden habe. Die Annahme, die Krankheit hätte von 1948 bis 1955 vollkommen geschlummert ohne jedes typische Initialsymptom zur Zeit des Kriegsdienstes und der Gefangenschaft, sei nach wissenschaftlichen Kenntnissen nicht vertretbar.
Die Versorgungsakte mit der Archiv-Nr. hat vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Sie ist jedoch nicht begründet.
Der Bescheid vom 24. Januar 1968, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 1969 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Versorgung nach dem BVG wegen Spondylitis ankylopoetica, weil nicht wahrscheinlich im Sinne der im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsnorm ist, daß diese Erkrankung Schädigungsfolge nach dem BVG ist. Auch der Senat folgt den schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. und des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. O. die unter Verwertung sämtlicher über den Kläger nach dem Kriege vorhandenen Krankenunterlagen, Befundberichten und Anamnesen zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt sind, daß die Spondylitis ankylopoetica nicht durch die ab 1943 bis 1948 abgelaufene Kriegsgefangenschaft verursacht oder verschlimmert worden ist und es damit an dem schädigenden Ereignis fehlt (§ 1 Abs. 1 BVG). Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und ärztlichen Berichte ist davon auszugehen, daß eine rheumatische Erkrankung in der Kriegsgefangenschaft oder in der unmittelbaren Zeit danach nicht aufgetreten ist, was auch aus den Gutachten des Vertragsarztes Dr. M. vom 7. Dezember 1948 und des Dr. vom 21. Mai 1949 folgt. Im Vordergrund der klinischen Beschwerden stand damals die Dystrophie und ihre Folgeerscheinungen wobei in den Jahren 1948 und 1949 nicht über Rückenschmerzen geklagt worden ist. Erst 1957 ist es zu einer Arbeitsunfähigkeit wegen rheumatischer Beschwerden gekommen, deren Diagnose im Jahre 1965 mit dem Verdacht auf eine Spondylitis ankylopoetica wiederholt wird. Die von Dr. F. erwähnten rheumatischen Beschwerden im Jahre 1953 haben dagegen nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt, wobei diese Diagnose mit Rheumatismus auch nicht als einwandfrei gesichert gilt. So zeichnet er lediglich in dem von ihm am 26. Juli 1967 gegebenen Bericht auf, daß der Kläger über ziehende Schmerzen in den Gelenken geklagt, die er als rheumatische Beschwerden gedeutet habe. Die Beschreibung dieses Befundes hat den medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. O. zu der zutreffenden Feststellung veranlaßt, daß damals keine schweren entzündlichen gelenkrheumatischen Veränderungen an den Gliedmaßen vorgelegen haben. Selbst wenn man bereits 1953 als das Jahr ansieht, in dem die rheumatischen Beschwerden begonnen haben, ergibt sich dann auch noch, daß zwischen der Beendigung der Gefangenschaft und den ersten rheumatischen Beschwerden – wenn man dabei das Jahr 1953 zugrunde legt – ein Zeitraum von 5 Jahren liegt und zwischen der gestellten Verdachtsdiagnose sogar ein solcher von 17 Jahren, der es vorliegend wegen des nur floriden Geschehens ausschließt, die Kriegsgefangenschaft als verschlimmernden Faktor anzusprechen.
Die von dem Facharzt für Chirurgie Dr. B. und Prof. Dr. O. richtig gedeuteten Röntgenbilder weisen nämlich nur ein akutes Stadium aus, das an den Ileosacralgelenken noch keine Verknöcherung erkennen läßt und zeigen, daß die Erkrankung, verglichen mit dem langen Zeitraum seit 1948, in den Jahren 1965 bis 1971 von einem noch wenig fortgeschrittenen Stadium zu einem mittelweit ausgeprägten Stadium weitergegangen ist. Ein fortgeschrittenes oder Endstadium müßte sich aber radiologisch dokumentieren lassen, um den Gefangenschaftseinflüssen eine verschlimmernde oder mit verursachende Bedeutung zu geben. Das läßt den alleinigen Schluß zu, daß für das beim Kläger vorliegende Krankheitsgeschehen die Kriegsgefangenschaft nicht mehr verantwortlich gemacht werden kann. Diese zutreffende Ansicht wird auch nicht durch die allgemein gehaltenen Ausführungen des Facharztes für Orthopädie Dr. V. widerlegt, der meint, daß eine Unterkühlung, körperliche Strapazen, eine Verwundung und nicht zuletzt eine psychische Belastung durch Kampfhandlungen als Streß über das Endokrinium wirksam würden und auch in die allergische Komponente der entzündlichen Reaktionen eingreifen könnten. Er übersieht dabei jedoch, daß zwischen Beendigung der Kriegsgefangenschaft des Klägers und dem Auftreten der Spondylitis ankylopoetica mindestens ein Zeitraum von 5 Jahren liegt, wenn man die rheumatischen Beschwerden im Jahre 1953 als solche charakterisieren kann. Außerdem wird bei der von Dr. V. getroffenen Feststellung nicht beachtet, daß das Röntgenbild des Jahres 1965 kein fortgeschrittenes oder gar ein Endstadium zeigt, was jedoch der Fall sein müßte, um die Gefangenschaft als verschlimmernden oder mit verursachenden Faktor ansehen zu können.
Diese sich klar aus den Akten ergebenden Tatsachen und Umstände die sowohl gegen einen zeitlichen als auch gegen einen ursächlichen Zusammenhang sprechen, lassen damit die Feststellung nicht zu, daß die Spondylitis ankylopoetica Schädigungsfolge ist, da diese nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit auf die Einflüsse der Kriegsgefangenschaft zurückgeht.
Das Vordergericht hat mit zutreffender Begründung ebenfalls verneint, daß dem Kläger eine Kannleistung nach § 1 Abs. 3 S. 2 BVG zusteht.
Nach dieser Gesetzesvorschrift kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung – ersatzweise mit Zustimmung des Hessischen Sozialministers Versorgung – eine Kannleistung gewährt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung oder als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht. Die vom Kläger geltend gemachte Spondylitis ankylopoetica gehört zu diesen Erkrankungen. Da es sich als Kannleistung um eine Ermessensentscheidung der Versorgungsbehörde handelt, obliegt daher den Gerichten nicht die Nachprüfung des Verwaltungsermessens selbst, sondern nur die Prüfung der Frage, ob die Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 54 Abs. 2 Satz 2 (SGG).
Ein Ermessensmißbrauch oder eine Ermessensüberschreitung war nicht festzustellen, da die Ablehnung des Antrags einmal auf dem Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 8. Mai 1962, das durch das Rundschreiben vom 16. Juni 1969 (Schieckel-Gurgel, BVG – Komm., Bd. V ... E Nr. 551, S. 1998) ersetzt worden ist, bezüglich der Verordnung im Wege des Härteausgleichs und der Versorgung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG bei der Spondylarthritis ankylopoetica (Morbus Bechterew) beruht und zum anderen auf dem fachärztlichen Gutachten des Dr. B. vom 30. August 1967. Nach dem Rundschreiben vom 16. Juni 1969 kommt die vom Kläger begehrte Versorgung nur dann in Betracht, wenn infektiöse Prozesse mit einer nachhaltigen Auswirkung auf den Gesamtorganismus, körperliche Belastungen oder Kälte- und Nässeeinwirkungen, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet sind die Resistenz erheblich herabzusetzen sowie mechanische Belastungen der Wirbelsäule in Kombination mit den bereits genannten Noxen als Schädigungstatbestände vorgelegen haben und wenn auf einem Beginn des Leidens in einer zeitlichen Verbindung bis zu 6 Monaten danach begründet geschlossen werden kann. Diese zur Gewährung einer Versorgung aufgestellten Vorbedingungen sind damit nicht erfüllt, da frühestens 5 Jahre nach Beendigung der russischen Kriegsgefangenschaft rheumatische Beschwerden aufgetreten sind, wobei jedoch das Röntgenbild des Jahres 1965 darauf hindeutet, daß es sich um ein Krankheitsgeschehen jüngeren Datums handeln muß. Unter richtiger Wertung des Röntgenbefundes hat der Facharzt für Chirurgie Dr. B. den zutreffenden Schluß gezogen, daß die Beeinflussung des Krankheitsgeschehens durch exogene Faktoren der Gefangenschaft nicht sehr überwältigend war. Denn wäre durch die Gefangenschaftseinflüsse die Spondylitis ankylopoetica maßgeblich verschlimmert worden, so müßte der Röntgenbefund ein fortgeschrittenes oder ein Endstadium der Krankheit ausweisen, wobei auch der Verdacht auf eine solche Krankheit nicht erst 1965/66 aufgetreten wäre.
Damit wird ärztlicherseits eindeutig ausgeschlossen, daß Kriegsgefangenschaft verschlimmernd auf die Spondylitis ankylopoetica eingewirkt hat, wofür ebenfalls nicht der Behandlungsablauf spricht.
Die Versorgungsbehörde hat daher den Bescheid vom 24. Januar 1968 und den Widerspruchsbescheid vom 26. April 1968 auf sachgerechte Erwägungen gestützt, die außerdem von der Stellungnahme des Hessischen Sozialministers getragen werden, der nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage die Zustimmung für eine Versorgung als Kannleistung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG nicht erteilt hat. Ein Ermessensfehler der Versorgungsbehörde liegt daher nicht vor, weshalb der Berufung der Erfolg zu versagen war.
Da der Sachverhalt in medizinischer Einsicht voll aufgeklärt ist, bedarf es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachters von Amts wegen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
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