L 2 AL 134/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 5 AL 1059/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 134/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anrechnung nicht überführter Versorgungsleistung auf das Arbeitslosengeld
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis zum 25. Mai 2006.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 1990 bewilligte das Ministerium für innere Angelegenheiten der damaligen DDR dem am 1944 geborenen Kläger im Hinblick auf dessen Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis zum 31. September 1990 ab den 1. Oktober 1990 eine Übergangsrente nach der Versorgungsordnung dieses Ministeriums in Höhe von monatlich 396,00 Mark. Diese Leistung wurde nicht in die gesetzliche Rentenversicherung überführt, sondern aufgrund der Verordnung über nicht überführte Leistungen der Sonderversorgungssysteme der DDR vom 26. Juni 1992 (BGBl. I S. 1174) von der damaligen Bezirksregierung H. weitergezahlt. Während der Bezugszeit der Übergangsrente war der Kläger zunächst als Schichtführer der Werksfeuerwehr bei der I. I. und S. GmbH beschäftigt. Mit Bescheid vom 18. Mai 1992 stellte die Bezirksregierung H. die vollständige Einstellung der Zahlung der Übergangsrente ab dem 1. Mai 1992 wegen der Anrechnung des "hohen Nettoverdienstes" des Klägers fest. Vom 1. Oktober 2000 bis zum 30. September 2003 war der Kläger dann als Hauptsachbearbeiter bei der A. A. - und S. gesellschaft mbH in M. (= A. ) beschäftigt. Die Beschäftigung wurde im Rahmen einer Strukturanpassungsmaßnahme gefördert. Ab dem 1. Oktober 2003 war der Kläger arbeitslos. Die nunmehr für die Zahlung der nicht überführten Übergangsrente zuständige Polizeidirektion M. stellte mit Bescheid vom 1. September 2003 die Wiederaufnahme der Zahlung der Übergangsrente ab dem 1. Oktober 2003 in Höhe von 233,67 EUR monatlich fest. Der Kläger erhielt die Leistung bis Mai 2006.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab dem 1. Oktober 2003 Alg nach einem anfänglichen Bemessungsentgelt von 680,00 EUR nach der Leistungsgruppe A/ohne Kindermerkmal (= allgemeiner Leistungssatz). Maßgeblich für das Bemessungsentgelt war eine fiktive Einstufung, weil die Zeiten der als Strukturanpassungsmaßnahme geförderten Beschäftigung des Klägers bis zum 30. September 2003 bei der A. keine Berücksichtigung fanden. Zugrunde gelegt wurde eine Tätigkeit des Klägers als Sicherheitsingenieur mit einem Entgelt nach der Entgeltgruppe 10 des Tarifvertrages für die chemische Industrie mit 2.756,00 EUR brutto monatlich. Bei der Leistungsgewährung berücksichtigte die Beklagte eine wöchentlichen Anrechnungsbetrag von 53,93 EUR, wobei sie die gezahlte Übergangsrente voll leistungsmindernd anrechnete (Bescheid vom 22. Oktober 2003). Der Kläger erhob am 30. Oktober 2003 Widerspruch und wandte sich gegen die Anrechnung und zunächst auch noch gegen die Höhe des zugrunde gelegten Bemessungsentgelts. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2003 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 3. Dezember 2003 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Im Klageverfahren hat er erklärt, sich nur noch gegen die Höhe des Anrechnungsbetrages zu wenden und beantragt, ihm Alg für den Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis zum 25. Mai 2006 unter Anrechnung nur eines Betrages von 40% der bezogenen Übergangsrente zu gewähren.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 14. September 2006 abgewiesen und in den Gründen ausgeführt: Der Anspruch des Klägers auf Alg ruhe in Höhe der bezogenen Versorgungsleistung. Die Voraussetzungen für ein Ruhen nur in Höhe eines Teilbetrages der Versorgungsleistung lägen nicht vor. Denn dies setze voraus, dass der Arbeitslose nach dem Beginn der Versorgungsleistung mindestens 180 Kalendertage in einem Pflichtversicherungsverhältnis gestanden habe. Diese Voraussetzung habe der Kläger nach dem (Wieder)beginn der Versorgungsleistung am 1. Oktober 2003 nicht erfüllt.

Gegen das am 29. November 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. Dezember 2006 Berufung eingelegt und vorgetragen: Er erfülle die Voraussetzungen für eine Anrechnung von nur 40% der Versorgungsleistung auf das Alg, weil er den Anspruch auf die Versorgungsleistung bereits aufgrund des Bescheides vom 11. Dezember 1990 erworben habe. Der zwischenzeitlich ruhende Anspruch sei dann ab dem 1. Oktober 2003 lediglich wieder aufgelebt. Nach einem ihm von der damaligen Bezirksregierung übergebenen Merkblatt für Versorgungsbezieher habe das Ruhen nicht zum Verlust des einmal erworbenen Anspruchs geführt. In ihm bekannten vergleichbaren Fällen rechne die Beklage die Versorgungsleistung nur zum Teil auf das Alg an.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 14. September 2006 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2003 sowie die nachfolgenden Anpassungsbescheide abzuändern und ihm für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 25. Mai 2006 unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen das Arbeitslosengeld nur vermindert um einen Anrechnungsbetrag in Höhe von 40% der im Leistungszeitraum bezogenen Übergangsrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint: Der Anspruch des Klägers auf Übergangsrente habe am 30. April 1992 geendet, weil aufgrund des Einkommens des Klägers keine Differenz zwischen vormals höheren Dienstbezügen und dem Verdienst aus der Zivilbeschäftigung mehr auszugleichen gewesen wäre. Mit dem 1. Oktober 2003 habe dann eine neue Übergangsrente begonnen, die voll für das Ruhen des Alg zu berücksichtigen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Die Beklagte hat im Ergebnis zu Recht ein Ruhen des Alg-Anspruchs in einem der vollen Höhe der bezogenen Versorgungsleistung entsprechendem Umfang festgestellt. Die Rechtsgrundlage für das Ruhen ergibt sich aus der auf Grund des § 151 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) erlassenen Verordnung über das Ruhen von Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bei Zusammentreffen mit Versorgungsleistungen der Sonderversorgungssysteme (= VO) vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I, S. 3359).

Nach § 1 Abs. 1 Ziffer 2 der VO steht der zum Ruhen des Alg-Anspruchs führenden Altersrente im Sinne des § 142 Abs. 1 Nr. 4 SGB III unter anderem die Übergangsrente im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a und Nr. 2 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes gleich. Eine solche Übergangsrente bezog der Kläger. In diesen Fällen ruht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 der VO der Anspruch auf Alg gemäß Nr. 1 zu dem Teil der zuerkannten Versorgungsleistung, um den der für das Arbeitslosengeld nach § 129 Nrn. 1 oder 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch maßgebliche Leistungssatz den Satz von 100 unterschreitet, wenn der Arbeitslose nach dem Beginn der Versorgungsleistung in einem Versicherungspflichtverhältnis nach dem SGB III von mindestens 180 Kalendertagen gestanden hat. In den nicht von Nr. 1 der Vorschrift erfassten Fällen ruht das Alg nach Nr. 2 in Höhe der zuerkannten Versorgungsleistung. Bei Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 Satz 2 der VO wäre im Falle des Klägers nach Auffassung des Senats die Ruhensregelung nach der Nr. 1 einschlägig. Der "Beginn der Versorgungsleistung" in Sinne des § 1 Abs. 2 diesem Sinne meint den Beginn im Sinne des Leistungsbezuges nach der erstmaligen Bewilligung der Leistung, mit der der Anspruch dem Grunde nach festgestellt wird. Ein zwischenzeitliches Ruhen der Leistung wegen einer Einkommensanrechnung ist insofern unschädlich, dass eine spätere Wiederbewilligung der Leistung keinen "Beginn der Versorgungsleistung" darstellt, sondern ein "Wiederaufleben". Nach dem Beginn der ihm dem Grunde nach bereits ab Oktober 1990 zustehenden Übergangsrente war der Kläger deutlich mehr als 180 Kalendertage versicherungspflichtig beschäftigt.

Im Falle des Klägers findet § 1 Abs. 2 Satz 2 der VO aber keine Anwendung, weil die speziellere Regelung im § 1 Abs. 2 Satz 3 VO eingreift. Diese Regelung lautet: "Ist eine Kürzung der Versorgungsleistung wegen des Eintritts der Beschäftigungslosigkeit weggefallen, so tritt in den Fällen des Satzes 2 Nr. 1 an die Stelle der zuerkannten Versorgungsleistung die um den Kürzungsbetrag geminderte Versorgungsleistung; zusätzlich ruht in diesen Fällen das Alg in Höhe des weggefallenen Kürzungsbetrages." Im Falle des Klägers war die Versorgung wegen seines Einkommensbezuges bis zum Ende des Monats September 2003 auf "0" gemindert, also um die volle Höhe der dem Grund nach zustehenden Versorgungsleistung gekürzt. Diese Kürzung fiel mit Eintritt der Arbeitslosigkeit am 1. Oktober 2003 weg. Daraus folgt, dass ab dem 1. Oktober 2003 der Anspruch auf Alg in voller Höhe der zugebilligten und nun wieder gezahlten Versorgungsleistung ruhte. Dies entspricht dem Sinne und Zweck der Ruhensbestimmungen in der VO. Die VO hat zum Ziel, die doppelte Inanspruchnahme von Entgeltersatzleistungen zu verhindern. Wird wegen des Eintritts der Beschäftigungslosigkeit eine höhere (oder überhaupt erst wieder eine) Übergangsrente geleistet, ist es sachgerecht, das Ruhen des Alg in Höhe dieser Mehrleistung anzuordnen. Etwas anderes würde gelten, wenn die Übergangsrente auch während der Beschäftigungszeit ungemindert gewährt worden wäre. Dann hätte diese neben dem Einkommen den Lebensstandard geprägt und könnte auch neben dem nun das Einkommen ersetzenden Alg bezogen werden (so die überzeugenden Ausführungen des Thüringer LSG im Urteil vom 30.6.2006 – L 3 AL 663/02, zitiert nach juris). Beim Kläger lag ein solcher Fall nicht vor. Er hatte während der Beschäftigungszeit bis Ende September 2003 wegen der Einkommenshöhe keinen Anspruch auf Übergangsrente. Die nun wieder gewährte Übergangsrente war deshalb in vollen Umfang auf das Alg anzurechnen.

Darauf, dass in ähnlich gelagerten Fällen von der Beklagten entsprechend des Vortrags des Klägers anderes verfahren wird, kommt es nicht an. Die Ruhensregelungen der VO sind nicht als Ermessenvorschriften ausgeformt. Aus einer in anderen Fällen behaupteten fehlerhaften Anwendung kann sich kein Anspruch des Klägers ergeben, gleichermaßen begünstigend unrechtmäßig behandelt zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Der Senat weicht nicht von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte ab.
Rechtskraft
Aus
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