L 16 AL 282/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 22 AL 904/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 AL 282/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Juli 2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im gesamten Verfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist noch, ob die Beklagte berechtigt war, die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) zukunftsgerichtet für die Zeit vom 01. Juni 2004 bis 31. August 2004 aufzuheben.

Der 1986 geborene Kläger beantragte im Oktober 2003 die Gewährung von BAB für einen in der Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 31. August 2004 durchzuführenden Lehrgang bei dem IB-Bildungszentrum B – Außenstelle H – (im Folgenden: IB). Mit Bescheid vom 6. November 2003 bewilligte die Beklagte dem im Haushalt seiner Mutter lebenden Kläger für den Lehrgangszeitraum eine monatliche BAB von 265,00 EUR (192,00 EUR Bedarf für den Lebensunterhalt; 53,60 EUR Bedarf für die Fahrkosten; 19,00 EUR Bedarf für sonstige Aufwendungen). Der Bescheid erwuchs in Bestandskraft.

Der IB kündigte den Vertrag über die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme mit dem Kläger mit Schreiben vom 5. Mai 2004 zum 7. Mai 2004 wegen wiederholter unentschuldigter Fehlzeiten. Der Kläger nahm in der Folge an der Maßnahme nicht mehr teil. In einem hierauf angestrengten Kündigungsschutzverfahren hat das Arbeitsgericht (ArbG) Potsdam mit rechtskräftigem Versäumnisurteil vom 16. November 2004 (- 5 Ca 2291/04 -) festgestellt, dass das Ausbildungsverhältnis nicht mit dieser Kündigung, sondern fristgemäß mit Wirkung zum 31. August 2004 sein Ende gefunden habe.

Mit Bescheid vom 26. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2004 hob die Beklagte die BAB-Bewilligung mit Wirkung ab 1. Juni 2004 ganz auf, weil der Kläger vorzeitig aus der Maßnahme ausgeschieden sei. Mit Bescheid vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2004 hob die Beklagte zudem die BAB-Bewilligung bereits ab 8. Mai 2004 auf und forderte die Erstattung überzahlter BAB in der Zeit vom 08. Mai 2004 bis 31. Mai 2004 in Höhe von 179,40 EUR. Die rückwirkende Aufhebung beruhe auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X). Mit Bescheid vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2004 hob die Beklagte die Bewilligung von BAB ferner für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 7. Mai 2004 hinsichtlich der bewilligten Fahrkosten teilweise auf, und zwar in Höhe eines für den genannten Zeitraum gezahlten Betrages von 271,60 EUR.

Mit seiner Klage hat sich der Kläger zunächst (nur) gegen die Widerspruchsbescheide vom 15. September 2004 gewandt, diese Klage im Februar 2005 auf die mit Schriftsatz vom 7. Februar 2005 geltend gemachten höheren Fahrkosten erweitert und zudem die Gewährung der BAB auch ab 1. Juni 2004 bis zum ursprünglich vorgesehenen Abschluss der Maßnahme am 31. August 2004 begehrt; im einzelnen hat der Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 31. Mai 2004 eine um 8,00 EUR monatlich erhöhte BAB (insgesamt = 64,00 EUR), einen Betrag von 76,00 EUR für zusätzliche Fahrten zum Praktikumsort, die Zahlung weiterer 1,20 EUR monatlich ab 1. April 2004 bis 31. August 2004 wegen der Tariferhöhung der P Verkehrsbetriebe, die Zahlung der BAB auch ab 1. Juni 2004 bis 31. August 2004 sowie die Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab 31. August 2004 geltend gemacht.

Das Sozialgericht (SG) Potsdam hat, nachdem die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung den einen "Widerspruch" des Klägers gegen ein Anhörungsschreiben als unzulässig verwerfenden Widerspruchsbescheid vom 15. September 2004 aufgehoben hatte, "entsprechend dem Teilanerkenntnis der Beklagten" den "Widerspruchsbescheid vom 05. September 2004 (W 5703/04)" aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 14. Juli 2006). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit sie sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2004 richte, da sie nicht innerhalb der Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides erhoben worden sei. Die Klage sei auch unzulässig, soweit der Kläger die Zahlung von Fahrkosten während seines sechswöchigen Praktikums in B-S begehre, die Bewilligung höherer Fahrkosten ab dem 1. April 2004 wegen einer Erhöhung seines Monatstickets der P Verkehrsbetriebe von 23,20 EUR auf 24,40 EUR geltend mache sowie höhere BAB unter Änderung des Bescheides vom 6. November 2003 in Höhe von 8,00 EUR monatlich für acht Monate beanspruche. Die im Übrigen zulässige Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Weitergewährung der BAB über den 7. Mai 2004 hinaus. Denn er habe ab diesem Zeitpunkt unstreitig an dem Lehrgang bei dem IB nicht mehr teilgenommen. Anspruch auf BAB bestehe jedoch nur, solange der auszubildende Leistungsempfänger tatsächlich an der Maßnahme teilnehme. Da der Kläger keinen Anspruch auf weitere Zahlungen von der Beklagten habe, bestehe auch kein Zinsanspruch.

Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Bescheiden vom 15. Dezember 2006 u. a. den Bescheid vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2004 (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid hinsichtlich korrigierter Fahrkosten für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 7. Mai 2004) aufgehoben und die BAB für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 7. Mai 2004 unter Berücksichtigung weiterer Fahrkosten neu festgesetzt (1. Oktober 2003 bis 4. April 2004 = monatlich 265,00 EUR; 5. April 2004 bis 7. Mai 2004 = monatlich 321,00).

Nachdem die Beklagte den Bescheid vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2004 aufgehoben und der Kläger das Verfahren insoweit und auch hinsichtlich des im Berufungsverfahren noch angefochtenen – bereits mit Bescheid vom 15. Dezember 2006 aufgehobenen - Bescheides vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2004 für erledigt erklärt hat, beantragt der Kläger (nur) noch,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 14. Juli 2006 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2004 (W 5704/04) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die BAB-Akte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung in dem noch streitigen Umfang durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel insoweit einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers, die sich im Hinblick auf dessen mit Schriftsatz vom 21. Juli 2008 zum Ausdruck gebrachten Willen, das Verfahren weiter betreiben zu wollen, nicht durch (fiktive) Klagerücknahme gemäß den §§ 153 Abs. 1, 102 Abs. Satz 1 SGG erledigt hat, ist in dem noch zu entscheidenden Umfang (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 30. Januar 2009), und zwar hinsichtlich der insoweit statthaften isolierten Anfechtungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) gegen den Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 26. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2004 (W 5704/04), nicht begründet. Die – noch – angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

Die Beklagte war berechtigt, die BAB-Bewilligung für die Zeit ab 1. Juni 2004 (Bescheid vom 6. November 2003) in vollem Umfang aufzuheben. Die – bestandskräftige (vgl. § 77 SGG) – Erstbewilligung für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 31. August 2004 (192,00 EUR monatlich Bedarf für den Lebensunterhalt; 53,60 EUR Bedarf für Fahrkosten; 19,00- EUR Bedarf für sonstige Aufwendungen; gerundet 265,00 EUR monatlich) ist für den vorliegend noch streitigen Zeitraum vom 1. Juni 2004 bis 31. August 2004 nicht durch den Bewilligungsbescheid vom 15. Dezember 2006 iS der §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG ersetzt oder geändert worden; denn der Bescheid vom 15. Dezember 2006 verlautbart nur eine Regelung für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 7. Mai 2004.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft ohne Einräumung von Ermessen aufzuheben, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl. BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 48).

Eine solche Änderung ist durch die tatsächliche Beendigung der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme am 7. Mai 2004 auf Grund der Kündigung des IB eingetreten, in deren Folge der Kläger an der Maßnahme nicht mehr teilgenommen hat. Dass das "Ausbildungsverhältnis" nach Maßgabe des rechtskräftigen Versäumnisurteils des ArbG Potsdam vom 16. November 2004 ( - 5 Ca 2291/04 -) nicht mit dieser Kündigung, sondern fristgemäß mit Wirkung zum 31. August 2004 sein Ende gefunden, ändert hieran nichts. Denn Anspruch auf BAB besteht nur "während" (vgl. § 59 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung - SGB III) bzw. für die "Dauer" (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1 SGB III) der Maßnahme, wobei insoweit die tatsächliche Dauer der Ausbildung maßgebend ist (vgl. Stratmann in: Niesel, SGB III, 4. Auflage, § 73 Rz. 2 unter Hinweis auf BT-Drucks 13/4941 S 167). Ab 8. Mai 2004 fand eine Ausbildung des Klägers – was zwischen den Beteiligten im Übrigen unstreitig ist – aber tatsächlich nicht mehr statt. Hinsichtlich der mit Bescheid vom 6. November 2003 bewilligten Fahrkosten gilt dies gemäß § 67 Abs. 1 SGB III im Übrigen auch deshalb, weil in insoweit ein Bedarf ebenfalls nur bei tatsächlich anfallenden Pendelfahrten (§ 67 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) anfallen kann. Entsprechende Pendelfahrten hat der Kläger aber ab 8. Mai 2004 nicht mehr unternommen.

Ein Anspruch des Klägers für den vorliegend streitigen Aufhebungszeitraum folgt auch nicht aus § 73 Abs. 2 SGB III. § 73 Abs. 2 Nr. 3 SGB III ist schon deshalb nicht einschlägig, weil sich der Kläger nicht in einer beruflichen Ausbildung befand, sondern eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme iS von § 61 SGB III absolvierte; er bezog demgemäß auch keine Ausbildungsvergütung. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der – hier einzig in Betracht zu ziehenden - Regelung des § 73 Abs. 2 Nr. 4 SGB III, wonach für Fehlzeiten Anspruch auf BAB besteht, wenn bei einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme ein sonstiger wichtiger Grund für das Fernbleiben des Auszubildenden vorliegt, sind nicht erfüllt. Fehlzeiten iS der genannten Vorschrift können nach einem faktischen und endgültigen Abbruch der Maßnahme begrifflich schon deshalb nicht mehr vorliegen, weil sie die zumindest hypothetische Möglichkeit einer Fortsetzung der Bildungsmaßnahme nach dem Wegfall des Hinderungsgrundes voraussetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem ursprünglichen Klagebegehren teilweise hat durchdringen können, soweit dieses auf die Bewilligung höherer Fahrkosten für die Zeit nach der Aufnahme des Praktikums und die Aufhebung des Bescheides vom 22. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2004 (Aufhebung der BAB-Bewilligung für die Zeit vom 8. Mai 2004 bis 31. Mai 2004) gerichtet war.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved