Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 73 KR 2005/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 35/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Versorgung mit dem Medikament mit dem Wirkstoff Alprostadil im Rahmen einer Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT) zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion. Diese ist die Folge einer operativen Prostataentfernung zur Behandlung eines Prostatakarzinoms.
Die Beklagte lehnte den entsprechenden Antrag, dem ein Attest vom 20. Februar 2007 beigefügt war, mit Bescheid vom 14. März 2007 ab. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 12. April 2007 Widerspruch und am 29. Juni 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), dass ohne Rechtfertigung die Versicherten schlechter gestellt seien als Beamte, die einen Anspruch auf Versorgung mit Medikamenten zur Behandlung der erektilen Dysfunktion hätten.
Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2007 zurückgewiesen zurück. Es handele sich um ein so genanntes Lifestyle-Medikament, das zum Jahresbeginn 2004 aufgrund des GKV- Modernisierungsgesetz aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen worden sei. Es diene überwiegend der Behandlung der erektilen Dysfunktion oder der Steigerung der sexuellen Potenz.
Das Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. November 2007 abgewiesen. Es verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung anders auszugestalten als die beamtenrechtlichen Vorschriften über die Beihilfe der Beamten in Krankheitsfällen. Der Ausschluss verstoße auch nicht Art. 2 Abs. 1 und 2 GG. Der Gesetzgeber verletze seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen ausschließe, die - wie hier - in erster Linie eine Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienten. Dies gelte umso mehr, als es sich um Bereiche handele, bei denen die Übergänge zwischen krankhaften und nicht krankhaften Zuständen maßgeblich vom subjektiven Befinden des einzelnen Versicherten abhingen (Bezugnahme auf BSG, 10. Mai 2005 - B 1 KR 25/03 R -).
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Die einschlägige Norm zum Leistungsausschluss, § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei verfassungswidrig weil die so genannten Lifestyle-Medikamente generell ausgeschlossen seien, ohne Ausnahmetatbestände vorzusehen für Fälle, in welchen die Medikamente medizinisch indiziert seien. Auch sei die Sonderstellung von Beamten im Gesundheitsbereich nicht gerechtfertigt. Es gäbe einen entscheidenden Unterschied zwischen der Behandlung der erektilen Dysfunktion und krankhaftem Zustand und der Medikamenteneinnahme lediglich zum Ausgleich der nachlassenden sexuellen Potenz als Folge natürlicher Alterungsprozesse zu treffen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2007 und des Bescheides der Beklagten vom 14. März 2007 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2007 zu verurteilen, ihn mit Arzneimittel mit dem Wirkstoff Alprostadil zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, weil dem Kläger generell eine Versorgung mit dem begehrten Medikament im Rahmen der Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT) nicht zusteht. Auf die Bedenken hinsichtlich der genauen Bestimmtheit des Klageantrages im Hinblick auf Verordnung und Menge braucht deshalb nicht eingegangen zu werden.
Das Bundessozialgericht hat zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (auf Grundlage einer Erkrankung und nicht auf Grund altersbedingter Potenzverminderung) speziell für Medikamente im Rahmen der SKAT Folgendes ausgeführt (Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 10/05 R - Rdnr. 9 ff):
"Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Begehren des Klägers dahin auszulegen ist, dass es nur für die Vergangenheit auf die Erstattung der selbst aufgewandten Kosten für Caverject gerichtet ist, für die Zukunft aber in erster Linie auf die Gewährung des Arzneimittels als Sachleistung, oder ob der Kläger entsprechend der wörtlichen Fassung seines Antrags auch für die Zukunft Kostenerstattung begehrt. Der einzig in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch ( ) reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben ( ). Daran fehlt es. Deshalb konnte die Beklagte auch vorsorglich den Bescheid vom 12. Juli 2002 mit Wirkung für die Zukunft aufheben, um einen hieraus abzuleitenden etwaigen Rechtsschein wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse zu beseitigen (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X). 10 2. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 1. Fall SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr 6 SGB V ausgeschlossen sind (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nach § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V sind von der Versorgung Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen (§ 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V). Das nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 (§ 34 Abs. 1 Satz 9 SGB V). Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (im Folgenden: Bundesausschuss) über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMRL) wiederholen unter Buchst F 18.2 den Text des § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V (). Nach F 18.3 AMRL sind die nach Nr 18.2 ausgeschlossenen Fertigarzneimittel in einer Übersicht als Anl 8 der AMRL zusammengestellt. In dieser Übersicht ist das Fertigarzneimittel Caverject (Wirkstoffe G 04 BE 01 Alprostadil) aufgeführt.
11 Nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck unterliegt keinem Zweifel, dass Caverject als Arzneimittel, das nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG), sich aus dem Gesamtzusammenhang ergebenden Feststellungen des LSG überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dient, von der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist. Mit der Regelung in § 34 Abs. 1 Satz 7 bis 9 SGB V wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die betreffenden Arzneimittel, die bereits vor Inkrafttreten des GMG nach den AMRL des Bundesausschusses von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen waren, nicht Gegenstand des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung sind ( ). Klarstellungsbedürfnis bestand, weil nach der auch vom Gesetzgeber zitierten ( ) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bis zum Inkrafttreten des GMG davon auszugehen war, dass grundsätzlich die Behandlung der ua auf somatischer Grundlage beruhenden erektilen Dysfunktion mit SKAT trotz der abweichenden Regelung in den AMRL zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörte ( ). Danach hatte der Bundesausschuss durch den Ausschluss von Arzneimitteln zur Behandlung der erektilen Dysfunktion seinen ihm im Bereich des Wirtschaftlichkeitsgebotes zustehenden Beurteilungsspielraum oder seinen Kompetenzrahmen überschritten ( - ). Demgegenüber zielte Art 1 Nr. 22 GMG mit der Einfügung der Sätze 7 bis 9 in § 34 Abs 1 SGB V darauf ab, sämtliche Arzneimittel, die überwiegend der Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen ( ). 12 3. Die dagegen erhobenen Einwendungen des Klägers greifen nicht durch: Der gezielte gesetzliche Ausschluss von Arzneimitteln wie Caverject zur Behandlung der erektilen Dysfunktion aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung lässt keinen Raum dafür, § 34 Abs. 1 Satz 7 bis 9 SGB V teleologisch auf Fälle zu reduzieren, in denen Arzneimittel bei entsprechender Anspannung aller Willenskräfte nicht erforderlich sind. Gerade weil der Gesetzgeber den umfassenden Ausschluss der aufgeführten Arzneimittel sicherstellen wollte, hat er dies detailliert im Gesetz geregelt. Gemeinsam ist der Gruppe der danach ausgeschlossenen Arzneimittel, dass bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht (§ 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V). Auch aus der gegenüber Viagra abweichenden Applikationsform von SKAT ( ) kann der Kläger für sich nichts herleiten. Allenfalls stellte sich insoweit bis zur Neuregelung durch das GMG die Frage, ob unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) und der Pflicht der Krankenkassen und Leistungserbringer, durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken (§ 70 Abs. 2 SGB V), SKAT gegenüber etwa der Behandlungsalternative Viagra ausgeschlossen war ( ). 13 4. Nach der Rechtsprechung des Senats verstößt der Leistungsausschluss gemäß § 34 Abs. 1 Satz 7 bis 9 SGB V nicht gegen Art 2 Abs. 1 und 2 GG ( - ). Aus diesen Bestimmungen des GG folgt zwar eine objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen (). Darüber hinaus ist verfassungsrechtlich grundsätzlich jedoch nur geboten, eine medizinische Versorgung für alle Bürger bereit zu halten. Dabei hat der Gesetzgeber aber einen so weiten Gestaltungsspielraum, dass sich originäre Leistungsansprüche aus Art 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig nicht ableiten lassen. Aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten ( ) folgt jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen ( ). Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum auch im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen aus dem Leistungskatalog herausnimmt, die - wie hier - in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen (). Daran hat sich auch durch den Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, NZS 2006, 84 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164) nichts Grundsätzliches geändert. Dort wurde lediglich der Leistungsausschluss neuer Behandlungsmethoden im Fall regelmäßig tödlicher oder lebensbedrohlicher Krankheiten beim Fehlen anerkannter Therapien in der gesetzlichen Krankenversicherung verfassungsrechtlich beanstandet (). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats führen - im Einklang damit - selbst schwere Erkrankungen nicht zur Leistungsausweitung durch grundrechtsorientierte Auslegung, wenn keine notstandsähnliche Extremsituation zu Grunde liegt, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden kann ( ). Einen solchen Grad der Betroffenheit erreicht der Kläger mit der streitbefangenen Behandlung der erektilen Dysfunktion indes nicht."
Der hier erkennende Senat macht sich diese Ausführungen als überzeugend zu Eigen.
Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus mit Nichtannahmebeschluss vom 28. Februar 2008 (1 BvR 178/05) eine Ungleichbehandlung zwischen gesetzlich Versicherten und Beamten ohne verfassungsrechtliche Grundlage verneint.
Nur ergänzend sei der Kläger darauf hingewiesen, dass mittlerweile nach den einschlägigen Beihilfevorschriften auch den Beamten die Kosten für Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion (auch als Folge von Prostataentfernungen) nicht mehr erstattet werden (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Mai 2008 - 2 C 108/07 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Versorgung mit dem Medikament mit dem Wirkstoff Alprostadil im Rahmen einer Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT) zur Behandlung einer erektilen Dysfunktion. Diese ist die Folge einer operativen Prostataentfernung zur Behandlung eines Prostatakarzinoms.
Die Beklagte lehnte den entsprechenden Antrag, dem ein Attest vom 20. Februar 2007 beigefügt war, mit Bescheid vom 14. März 2007 ab. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 12. April 2007 Widerspruch und am 29. Juni 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), dass ohne Rechtfertigung die Versicherten schlechter gestellt seien als Beamte, die einen Anspruch auf Versorgung mit Medikamenten zur Behandlung der erektilen Dysfunktion hätten.
Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2007 zurückgewiesen zurück. Es handele sich um ein so genanntes Lifestyle-Medikament, das zum Jahresbeginn 2004 aufgrund des GKV- Modernisierungsgesetz aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen worden sei. Es diene überwiegend der Behandlung der erektilen Dysfunktion oder der Steigerung der sexuellen Potenz.
Das Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. November 2007 abgewiesen. Es verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung anders auszugestalten als die beamtenrechtlichen Vorschriften über die Beihilfe der Beamten in Krankheitsfällen. Der Ausschluss verstoße auch nicht Art. 2 Abs. 1 und 2 GG. Der Gesetzgeber verletze seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen ausschließe, die - wie hier - in erster Linie eine Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienten. Dies gelte umso mehr, als es sich um Bereiche handele, bei denen die Übergänge zwischen krankhaften und nicht krankhaften Zuständen maßgeblich vom subjektiven Befinden des einzelnen Versicherten abhingen (Bezugnahme auf BSG, 10. Mai 2005 - B 1 KR 25/03 R -).
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Die einschlägige Norm zum Leistungsausschluss, § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei verfassungswidrig weil die so genannten Lifestyle-Medikamente generell ausgeschlossen seien, ohne Ausnahmetatbestände vorzusehen für Fälle, in welchen die Medikamente medizinisch indiziert seien. Auch sei die Sonderstellung von Beamten im Gesundheitsbereich nicht gerechtfertigt. Es gäbe einen entscheidenden Unterschied zwischen der Behandlung der erektilen Dysfunktion und krankhaftem Zustand und der Medikamenteneinnahme lediglich zum Ausgleich der nachlassenden sexuellen Potenz als Folge natürlicher Alterungsprozesse zu treffen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2007 und des Bescheides der Beklagten vom 14. März 2007 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2007 zu verurteilen, ihn mit Arzneimittel mit dem Wirkstoff Alprostadil zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Das SG hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, weil dem Kläger generell eine Versorgung mit dem begehrten Medikament im Rahmen der Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT) nicht zusteht. Auf die Bedenken hinsichtlich der genauen Bestimmtheit des Klageantrages im Hinblick auf Verordnung und Menge braucht deshalb nicht eingegangen zu werden.
Das Bundessozialgericht hat zur Behandlung der erektilen Dysfunktion (auf Grundlage einer Erkrankung und nicht auf Grund altersbedingter Potenzverminderung) speziell für Medikamente im Rahmen der SKAT Folgendes ausgeführt (Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 10/05 R - Rdnr. 9 ff):
"Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Begehren des Klägers dahin auszulegen ist, dass es nur für die Vergangenheit auf die Erstattung der selbst aufgewandten Kosten für Caverject gerichtet ist, für die Zukunft aber in erster Linie auf die Gewährung des Arzneimittels als Sachleistung, oder ob der Kläger entsprechend der wörtlichen Fassung seines Antrags auch für die Zukunft Kostenerstattung begehrt. Der einzig in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch ( ) reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben ( ). Daran fehlt es. Deshalb konnte die Beklagte auch vorsorglich den Bescheid vom 12. Juli 2002 mit Wirkung für die Zukunft aufheben, um einen hieraus abzuleitenden etwaigen Rechtsschein wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse zu beseitigen (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X). 10 2. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 1. Fall SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr 6 SGB V ausgeschlossen sind (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nach § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V sind von der Versorgung Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen (§ 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V). Das nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 (§ 34 Abs. 1 Satz 9 SGB V). Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (im Folgenden: Bundesausschuss) über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMRL) wiederholen unter Buchst F 18.2 den Text des § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V (). Nach F 18.3 AMRL sind die nach Nr 18.2 ausgeschlossenen Fertigarzneimittel in einer Übersicht als Anl 8 der AMRL zusammengestellt. In dieser Übersicht ist das Fertigarzneimittel Caverject (Wirkstoffe G 04 BE 01 Alprostadil) aufgeführt.
11 Nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck unterliegt keinem Zweifel, dass Caverject als Arzneimittel, das nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG), sich aus dem Gesamtzusammenhang ergebenden Feststellungen des LSG überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dient, von der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist. Mit der Regelung in § 34 Abs. 1 Satz 7 bis 9 SGB V wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die betreffenden Arzneimittel, die bereits vor Inkrafttreten des GMG nach den AMRL des Bundesausschusses von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen waren, nicht Gegenstand des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung sind ( ). Klarstellungsbedürfnis bestand, weil nach der auch vom Gesetzgeber zitierten ( ) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bis zum Inkrafttreten des GMG davon auszugehen war, dass grundsätzlich die Behandlung der ua auf somatischer Grundlage beruhenden erektilen Dysfunktion mit SKAT trotz der abweichenden Regelung in den AMRL zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörte ( ). Danach hatte der Bundesausschuss durch den Ausschluss von Arzneimitteln zur Behandlung der erektilen Dysfunktion seinen ihm im Bereich des Wirtschaftlichkeitsgebotes zustehenden Beurteilungsspielraum oder seinen Kompetenzrahmen überschritten ( - ). Demgegenüber zielte Art 1 Nr. 22 GMG mit der Einfügung der Sätze 7 bis 9 in § 34 Abs 1 SGB V darauf ab, sämtliche Arzneimittel, die überwiegend der Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen ( ). 12 3. Die dagegen erhobenen Einwendungen des Klägers greifen nicht durch: Der gezielte gesetzliche Ausschluss von Arzneimitteln wie Caverject zur Behandlung der erektilen Dysfunktion aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung lässt keinen Raum dafür, § 34 Abs. 1 Satz 7 bis 9 SGB V teleologisch auf Fälle zu reduzieren, in denen Arzneimittel bei entsprechender Anspannung aller Willenskräfte nicht erforderlich sind. Gerade weil der Gesetzgeber den umfassenden Ausschluss der aufgeführten Arzneimittel sicherstellen wollte, hat er dies detailliert im Gesetz geregelt. Gemeinsam ist der Gruppe der danach ausgeschlossenen Arzneimittel, dass bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht (§ 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V). Auch aus der gegenüber Viagra abweichenden Applikationsform von SKAT ( ) kann der Kläger für sich nichts herleiten. Allenfalls stellte sich insoweit bis zur Neuregelung durch das GMG die Frage, ob unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) und der Pflicht der Krankenkassen und Leistungserbringer, durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken (§ 70 Abs. 2 SGB V), SKAT gegenüber etwa der Behandlungsalternative Viagra ausgeschlossen war ( ). 13 4. Nach der Rechtsprechung des Senats verstößt der Leistungsausschluss gemäß § 34 Abs. 1 Satz 7 bis 9 SGB V nicht gegen Art 2 Abs. 1 und 2 GG ( - ). Aus diesen Bestimmungen des GG folgt zwar eine objektiv-rechtliche Pflicht des Staates, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen (). Darüber hinaus ist verfassungsrechtlich grundsätzlich jedoch nur geboten, eine medizinische Versorgung für alle Bürger bereit zu halten. Dabei hat der Gesetzgeber aber einen so weiten Gestaltungsspielraum, dass sich originäre Leistungsansprüche aus Art 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig nicht ableiten lassen. Aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten ( ) folgt jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen ( ). Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum auch im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen aus dem Leistungskatalog herausnimmt, die - wie hier - in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen (). Daran hat sich auch durch den Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98, NZS 2006, 84 = NJW 2006, 891 = MedR 2006, 164) nichts Grundsätzliches geändert. Dort wurde lediglich der Leistungsausschluss neuer Behandlungsmethoden im Fall regelmäßig tödlicher oder lebensbedrohlicher Krankheiten beim Fehlen anerkannter Therapien in der gesetzlichen Krankenversicherung verfassungsrechtlich beanstandet (). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats führen - im Einklang damit - selbst schwere Erkrankungen nicht zur Leistungsausweitung durch grundrechtsorientierte Auslegung, wenn keine notstandsähnliche Extremsituation zu Grunde liegt, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden kann ( ). Einen solchen Grad der Betroffenheit erreicht der Kläger mit der streitbefangenen Behandlung der erektilen Dysfunktion indes nicht."
Der hier erkennende Senat macht sich diese Ausführungen als überzeugend zu Eigen.
Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus mit Nichtannahmebeschluss vom 28. Februar 2008 (1 BvR 178/05) eine Ungleichbehandlung zwischen gesetzlich Versicherten und Beamten ohne verfassungsrechtliche Grundlage verneint.
Nur ergänzend sei der Kläger darauf hingewiesen, dass mittlerweile nach den einschlägigen Beihilfevorschriften auch den Beamten die Kosten für Medikamente zur Behandlung erektiler Dysfunktion (auch als Folge von Prostataentfernungen) nicht mehr erstattet werden (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Mai 2008 - 2 C 108/07 -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
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