L 2 R 362/05

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 6 RA 983/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 362/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 23/07 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die teilweise Rücknahme eines Rentenbescheides.

Die 1949 geborene Klägerin erhielt auf ihren Rentenantrag vom 13. Dezember 2000 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Januar 2001 (Rentenbescheid vom 26. Oktober 2001). Gegen den Rentenbescheid erhob die Klägerin im November 2001 Widerspruch, mit dem sie sich dagegen wandte, dass ihr lediglich von der Beklagten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gewährt wurde. Tatsächlich sei sie voll erwerbsgemindert. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 25. April 2001 zurück, da der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden sei. Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Während des Klageverfahrens legte sie das Formular S 17 b ausgefüllt dem Sozialgericht vor, in dem sie angab, Arbeitslosengeld in Höhe von 217,49 Euro wöchentlich vom Arbeitsamt G-Stadt zu beziehen. Diese Mitteilung ging bei der Beklagten am 6. September 2002 ein. Nach der Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen während des Klageverfahrens erkannte die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. Januar 2003 an, dass die Klägerin Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit habe aufgrund eines Leistungsfalles vom 13. Dezember 2002 ab Beginn des 7. Kalendermonats nach Eintritt des Leistungsfalles bis voraussichtlich 30. Juni 2006. Die Klägerin nahm das Anerkenntnis an und erklärte den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt. Im Mai 2003 ergab eine Überprüfung der Aktenlage für die Beklagte, dass die Klägerin ab 7. Januar 2002 Arbeitslosengeld bezog. Die Beklagte wandte sich daraufhin an das Arbeitsamt G-Stadt mit der Bitte um Angabe der Höhe des der Leistung zugrunde liegenden Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens monatlich oder wöchentlich ab 7. Januar 2002. Diese Auskünfte erteilte das Arbeitsamt G-Stadt unter dem 2. August 2003. Mit Bescheid vom 14. August 2003 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Oktober 2003 neu, weil sich der Hinzuverdienst geändert hatte und sich die mit der Rente zusammentreffenden anderen Ansprüche geändert hätten. Hieraus folgte, dass die Rente ab 1. Oktober 2003 nicht gezahlt wurde. Unter dem 20. August 2003 hörte die Beklagte die Klägerin zu ihrer Absicht an, den Bescheid vom 26. Oktober 2001 mit Wirkung vom 7. Januar 2002 nach § 48 Sozialgesetzbuch X (SGB X) aufzuheben und die Überzahlung für die Zeit vom 7. Januar 2002 bis 30. September 2003 in Höhe von 6.586,96 Euro nach § 50 SGB X zurückzufordern. Mit Bescheid vom 22. August 2003 führte die Beklagte das Anerkenntnis vom 23. Januar 2003 aus und gewährte der Klägerin ab 1. Juli 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Im Anhörungsverfahren vertrat die Klägerin die Auffassung, die Beklagte sei nicht berechtigt, den Rentenbescheid zurückzunehmen, da die Rücknahme nicht innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erklärt worden sei, die die Rücknahme für die Vergangenheit rechtfertigten. Die gesetzlich vorgesehene Jahresfrist sei abgelaufen gewesen. Die Beklagte habe spätestens am 6. September 2002 Kenntnis vom Arbeitslosengeldbezug der Klägerin gehabt, und zwar sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Zwar sei zu diesem Zeitpunkt noch keine positive Kenntnis von der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen vorhanden gewesen, diese Unkenntnis führe jedoch nicht dazu, dass die maßgebliche Frist nicht zu laufen beginne. Tatsächlich habe die Beklagte hinreichende Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen gehabt.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2003 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 7. Januar 2002 neu. Für die Zeit vom 7. Januar 2002 bis 30. September 2003 ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 6.586,96 Euro. Weiter entschied die Beklagte, der Rentenbescheid vom 26. Oktober 2001 werde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 7. Januar 2002 nach § 48 SGB X aufgehoben. Die entstandene Überzahlung sei von der Klägerin lediglich zu einem Betrag in Höhe von 4.676,29 Euro zu erstatten. Die Aufhebung des Rentenbescheides ab diesem Zeitpunkt sei statthaft, weil ein Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 SGB X gegeben sei und die Fristen des § 48 Abs. 4 SGB X noch nicht abgelaufen seien. Im Rahmen der Anhörung sei von der Klägerin vorgetragen worden, die Einjahresfrist des § 48 Abs. 4 SGB X sei bereits verstrichen bzw. die Aufhebung des Bescheides vom 22. August 2003 sei ausgeschlossen, weil nach dem Erlass des Bescheides keine Änderung eingetreten sei. Die von der Klägerin aufgeführten Gründe seien bei der Vertrauensschutzprüfung sowie bei der Ausübung des Ermessens beachtet worden. Eine Aufhebung des Bescheides vom 22. August 2003 aufgrund der Anwendung des § 96a SGB VI sei nicht beabsichtigt, sodass der entsprechende Einwand auf die Entscheidung ohne Auswirkung sei. Auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides vom 26. Oktober 2001 könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sie Einkommen erzielt habe, das zum Wegfall ihres Rentenanspruchs geführt habe und die Klägerin dies nach den gegebenen Informationen hätte erkennen können. Dem Vorbringen zum Ablauf der Einjahresfrist könne nicht gefolgt werden. Die Beklagte habe erst mit Eingang der Mitteilungen des Arbeitsamtes über die Höhe des der Leistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts vom 2. August 2003 positive Kenntnis im Sinne des § 48 Abs. 4 SGB X gehabt. Allerdings werde dem Vorbringen der Klägerin im Wege des Ermessens insoweit Rechnung getragen, als die Rückforderung auf den Betrag in Höhe von 4.676,29 Euro begrenzt werde. Über diesen Betrag hinaus könne nicht von einer Bescheidaufhebung abgesehen werden, weil nach Abwägung aller Umstände die rechtswidrige Rentenzahlung voll zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehe und nach Aktenlage und in der Äußerung zur Anhörung keine persönlichen oder wirtschaftlichen Gründe vorgetragen worden seien, die der Bescheidaufhebung entgegenstünden. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 26. Februar 2004 zurück.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 10. März 2004 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Sie vertrat hier weiterhin die Auffassung, die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 SGB X sei nicht eingehalten worden, sodass die Beklagte zur Rücknahme des Bescheides vom 26. Oktober 2001 nicht mehr berechtigt sei. Auch hätten die Arbeitslosengeldzahlungen die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen nicht überschritten. Diese tatsächlichen Zahlungen seien zu berücksichtigen, nicht die zugrunde liegenden Bemessungsentgelte. Im Übrigen sei die Vorschrift des § 96a SGB VI verfassungswidrig.

Mit Urteil vom 7. Oktober 2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im Wesentlichen aus, die Klage sei nicht begründet. Die Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass bezüglich des streitigen Zeitraums ab 7. Januar 2002 bis 30. September 2003 die gemäß § 96a SGB VI zulässigen Hinzuverdienstgrenzen bei gleichzeitigem Bezug einer Versichertenrente wegen teilweiser Erwerbsminderung durch den Bezug von Arbeitslosenentgelt in der konkret erfolgten Höhe überschritten seien und die Klägerin zur Zahlung des jedenfalls in der Höhe nicht zu beanstandenden Teilbetrages von 4.676,29 Euro verpflichtet sei. Durch den Hinzutritt der Arbeitslosengeldzahlung ab 7. Januar 2002 habe sich in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Bescheides vom 26. Oktober 2001 vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung durch Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen ergeben, sodass der Verwaltungsakt abzuändern gewesen sei. Die Hinzuverdienstgrenzen ergäben sich aus der Vorschrift des § 96a SGB VI. Bei der Prüfung der Einhaltung der konkreten Hinzuverdienstgrenze sei nicht das tatsächlich zugeflossene Arbeitslosengeld, sondern das diesem zugrunde liegende Bemessungsentgelt zugrunde zu legen. Dies begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und sei deshalb sachgerecht, weil ansonsten eine Bevorzugung oder Besserstellung dieser Adressatengruppe gegenüber den aktiv Erwerbstätigen vorgenommen werde, bei welchen das Brutto-Einkommen heranzuziehen sei. Die danach rechtswidrig zugeflossenen Rentenleistungen in der streitigen Zeit seien von der Beklagten auch zu Recht und in rechtlich zulässigem Umfang zurückgefordert worden.

Die einzuhaltende Jahresfrist sei auch nicht verstrichen gewesen. Die Beklagte habe erst mit Schreiben des Arbeitsamtes vom 2. August 2003 das dem Arbeitslosengeld zugrunde liegende Bemessungsentgelt erfahren, sodass mit Rückforderungsbescheid vom 24. Oktober 2003 die Jahresfrist nicht verstrichen gewesen sei. Schließlich habe sich die Kammer auch nicht davon überzeugen können, dass die Beklagte im Rahmen der gebotenen Ermessensbetätigung bei der Festsetzung des Rückforderungsbetrages ermessensfehlerhaft gehandelt habe bzw. dass dieser Entscheidung sachfremde Erwägungen zugrunde gelegen hätten.

Mit ihrer am 27. Dezember 2005 eingelegten Berufung richtet sich die Klägerin gegen das ihr am 14. Dezember 2005 zugestellte Urteil. Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, die für die rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsakts maßgebende Jahresfrist sei verstrichen gewesen. Außerdem verstoße die Regelung des § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, indem sie unterschiedslos im Falle des Sozialleistungsbezugs einen Hinzuverdienst in Höhe des der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommen fingiere. Diese Auffassung werde auch vom Bundessozialgericht geteilt. In seinem Urteil vom 20. November 2003 (B 13 RJ 43/02 R) habe sich das BSG ausführlich mit der Regelung des § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI auseinandergesetzt. Dabei habe es verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung geäußert, jedoch festgestellt, dass die Vorschrift bei vorübergehendem Bezug von Lohnersatzleistungen noch mit der Verfassung vereinbar sein solle. Der Gesetzgeber habe in den Gesetzgebungsmaterialien zu § 96a Abs. 3 SGB VI ausgeführt, die Gesetzesänderung solle sicherstellen, dass ein Versicherter, dessen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen eines Hinzuverdienstes gekürzt werde, nicht bessergestellt werde, wenn an die Stelle des Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens eine kurzfristige Lohnersatzleistung trete. Im Falle der Klägerin sei die Lohnersatzleistung Arbeitslosengeld jedoch nicht nur kurzfristig an die Stelle des Arbeitsentgeltes getreten. Nach der Kündigung ihres letzten Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2001 sei sie praktisch aus dem Erwerbsleben ausgeschieden gewesen. Insoweit könne bei ihr nicht von einem nur vorübergehend eine Lohnersatzleistung beziehenden Arbeitslosenempfänger gesprochen werden. Eine Gleichbehandlung mit einem gewöhnlichen Arbeitslosen sei daher vom gesetzgeberischen Zweck der Regelung des § 96a Abs. 3 SGB VI nicht gedeckt und daher willkürlich. Bei ihr habe es sich nicht nur um eine vorübergehend beschäftigungslose Arbeitnehmerin gehandelt. Vielmehr sei sie voll erwerbsgemindert gewesen und habe aufgrund dessen dem Arbeitsmarkt überhaupt nicht mehr zur Verfügung gestanden. Sie habe Arbeitslosengeld nach § 125 SGB III bezogen. Es könne deshalb keine Rede davon sein, dass sie Entgeltersatzleistungen in Form von Arbeitslosengeld wegen einer nur vorübergehenden Arbeitslosigkeit bezogen habe. Die Berücksichtigung eines Hinzuverdienstes in Höhe des der Berechnung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegenden Bemessungsentgelts erweise sich daher als Ungleichbehandlung, zu deren Rechtfertigung es keinen sachlichen Grund gebe.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2004 aufzuheben,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als als Hinzuverdienst bei Renten wegen Erwerbsminderung im Falle des Sozialleistungsbezuges immer das der jeweiligen Sozialleistung zugrunde liegende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen ist.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Den Ausführungen der Klägerin zur Verfassungsmäßigkeit von § 96a Abs. 3 Satz 3 SGB VI könne nicht gefolgt werden. Insbesondere überzeuge die Argumentation der Klägerin, das BSG halte die Vorschrift nur für verfassungskonform, soweit ein nur vorübergehend arbeitsloser Arbeitnehmer betroffen sei, die Klägerin aber nach § 125 SGB III arbeitslos gewesen sei, nicht. Der Bezug des BSG beruhe vielmehr auf der grundsätzlichen Einordnung des Arbeitslosengeldes im Sozialversicherungsrecht als kurzfristige Lohnersatzleistung, während beispielsweise Rente eine dauerhafte Ersatzleistung sei. Wer Arbeitslosengeld beziehe, erhalte grundsätzlich eine kurzfristige Lohnersatzleistung. Dabei werde keine Differenzierung danach gemacht, auf welcher Rechtsgrundlage das Arbeitslosengeld geleistet werde. Im Übrigen sei auch die Jahresfrist für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Zukunft nicht verstrichen gewesen. Da das Bemessungsentgelt Grundlage für die Anwendungen des § 96a SGB VI sei, könne eine Überprüfung des Hinzuverdienstes erst nach Kenntnis der Höhe des Bemessungsentgeltes erfolgen. Vom Bemessungsentgelt habe die Beklagte erst Kenntnis durch die entsprechende Mitteilung des Arbeitsamtes vom 2. August 2003 erhalten. Die Jahresfrist sei daher durch die Beklagte mit Bescheiderteilung vom 24. Oktober 2003 eingehalten worden. Die Einwände der Klägerin seien im Übrigen bei der Ermessensausübung und Reduzierung der Forderung angemessen berücksichtigt worden.
Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber sachlich unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte berechtigt ist, den Bescheid vom 26. Oktober 2001 mit Wirkung für die Zeit vom 7. Januar 2002 bis 30. September 2003 teilweise zurückzunehmen und zuviel gezahlte Rentenleistungen gemäß § 50 SGB X zurückzufordern.

Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, u. a. soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Nach Erlass des Rentenbescheides vom 26. Oktober 2001, der ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten dadurch, dass die Klägerin in der Zeit vom 7. Januar 2002 bis 30. September 2003 Arbeitslosengeld bezog, wodurch die nach § 96a SGB VI maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen überschritten wurden.

§ 96a SGB VI bestimmt, dass eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet wird, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Dabei wird auch Arbeitslosengeld als Einkommen gewertet, das nur bis zu gesetzlich festgelegten Grenzen ohne Auswirkung auf die Höhe einer gleichzeitig bezogenen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bleibt. So sieht § 96a Abs. 3 SGB VI vor, dass bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes, der neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erzielt wird, dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gleichstehen der Bezug u. a. von den in § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV genannten Sozialleistungen, zu denen das Arbeitslosengeld gehört. Dabei wird nicht unterschieden zwischen Arbeitslosengeld im Sinne des § 119 SGB III und Arbeitslosengeld nach § 125 SGB III. Die in § 96a Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB VI genannten Sozialleistungen stehen bei der Feststellung eines Hinzuverdienstes nicht in ihrer tatsächlich geleisteten Höhe dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gleich, sondern in Höhe des der Sozialleistung zugrunde liegenden monatlichen Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens. Damit wird sicher gestellt, dass ein Versicherter, dessen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen eines Hinzuverdienstes gekürzt wird, nicht besser gestellt wird, wenn an die Stelle des Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens eine kurzfristige Lohnersatzleistung tritt (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand 1.September 2006, § 96a SGB VI, Rdnr. 27 m. w. H.). Allerdings ist auch zu gewährleisten, dass der Versicherte nicht schlechter gestellt wird als im Falle der tatsächlichen Erzielung des der Lohnersatzleistung zugrunde liegenden Bemessungsentgeltes als Arbeitnehmer (BSG, Urteil vom 20.November 2003, Az.: B 13 RJ 43/02 R).

Die Beklagte hat vorliegend auf der Grundlage des § 96a SGB VI das der Berechnung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegende monatliche Arbeitsentgelt der Klägerin berücksichtigt und den maßgeblichen Hinzuverdienst sowie die Beträge errechnet, um die sich der Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mindert. Fehler in der Berechnung sind nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht behauptet worden. In dem streitigen Zeitraum war von der Klägerin eine Lohnersatzleistung bezogen worden, durch die die maßgebliche Hinzuverdienstgrenze überschritten wurde und deshalb Auswirkungen auf die Rentenhöhe hatte. Dies bedeutete eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, wie sie beim Erlass des Bescheides vom 26. Oktober 2001 vorgelegen hatten. Der Bezug des Arbeitslosengeldes hatte eine Minderung des Rentenanspruchs zur Folge und berechtigt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X die Beklagte zur Aufhebung des Bescheides mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, hier ab 7. Januar 2002. Die Vorschrift des § 48 SGB X gestattet es der zuständigen Behörde, die Bestandkraft des ursprünglichen Verwaltungsaktes sachlich in dem Umfang zu durchbrechen, in dem die entscheidungserhebliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten ist. Die Behörde ist nach einer Soll-Vorschrift für den Regelfall verpflichtet, den Verwaltungsakt mit Wirkung auch für die Vergangenheit aufzuheben. Die Aufhebung erfolgt zwingend bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Nur für außergewöhnliche Sachverhalte räumt die generelle Soll-Bestimmung der zuständigen Behörde eine Ermessenskompetenz ein. Ein atypischer Fall kann durch Tatsachen aus dem Verantwortungsbereich der Verwaltung begründet werden. Dazu rechnen z. B. grobe Behördenfehler, die dazu führen, dass eine entscheidungserhebliche Änderung von Verhältnissen übersehen wird. Allerdings ist nicht jeder Fehler einer aktenführenden Behörde dazu geeignet, den Sachverhalt als atypisch einzuordnen. Liegt ein atypischer Fall vor, folgt daraus für die korrigierende Behörde eine Ermessensbefugnis dahin gehend, ob und in welchem Umfang sie mit der Rückwirkung den ursprünglichen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufhebt. In diesem Zusammenhang sind dann ggf. die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen zu untersuchen. Hier kann von Bedeutung sein, ob die Aufhebung des Bescheides und Rückforderung erbrachter Leistungen eine besondere Härte für den Betroffenen auslösen. Dies ist wiederum dann gegeben, wenn und soweit eine Rückforderung von Sozialleistungen als Folge rückwirkender Bescheidaufhebung den Betroffenen etwa sozialhilfebedürftig macht. Vorliegend hat die Beklagte eingeräumt, es könne ihr vorgeworfen werden, nicht bereits in engerem zeitlichen Zusammenhang mit dem Erhalt der Mitteilung über den Arbeitslosengeldbezug die Ermittlungen über die dem zugrundeliegenden Arbeitsentgelte veranlasst und bereits früher die Berechnung der Rente auf der Grundlage des § 96a SGB VI durchgeführt zu haben. Die Beklagte hat den nach § 50 SGB X geforderten ursprünglichen Rückzahlungsbetrag reduziert. Mit diesem Vorgehen hat die Beklagte ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt. Die Beklagte war nicht verpflichtet, im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens von der Aufhebung des Bescheides vom 26. Oktober 2001 für den Zeitraum vom 7. Januar 2002 bis 30. September 2003 abzusehen und auf die Rückforderung zuviel gezahlter Rentenbeträge in größerem Umfang oder insgesamt zu verzichten. Denn der von der Beklagten eingestandene Behördenfehler war nicht derartig grob. Die Mitteilung der Klägerin im Formular S 17b über den Arbeitslosengeldbezug erfolgte im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit über den Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, also in einem Streit um einen Rentenanspruch dem Grunde nach und nicht der Höhe nach, sodass der Arbeitslosengeldbezug insoweit von untergeordneter Bedeutung war. Der Beklagten kann deshalb nachgesehen, nicht sogleich Nachforschungen zu dem Arbeitslosengeld zugrundeliegenden Arbeitsentgelt eingeleitet, sondern die erforderlichen Ermittlungen erst im Zusammenhang mit der Ausführung des Anerkenntnisses und der Erteilung eines neuen Rentenbescheides aufgenommen zu haben. Weitere Gesichtspunkte, die vorliegend einen atypischen Fall begründen könnten, bestehen nicht. Insbesondere ergibt sich weder nach Aktenlage noch dem Vortrag der Klägerin, dass sie durch eine mit der Aufhebung des Bescheides verbundene Rückforderung in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen unzumutbar beeinträchtigt würde.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte auch die Frist des § 48 Abs. 4 SGB X eingehalten. Die Verweisung auf die Rechtsfolge des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X bedeutet, dass nach Ablauf einer Ausschlussfrist von einem Jahr die rückwirkende Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 bis 4 SGB X nicht mehr zulässig ist. Maßgebend für den Fristbeginn ist hier der Zeitpunkt, in dem die Behörde Kenntnis von allen entscheidungserheblichen Umständen (Tatsachen) hat, die für eine konkrete Rücknahmeentscheidung erforderlich sind, so dass keine weiteren Ermittlungen mehr geführt werden müssen. Gefordert ist dabei eine positive Kenntnis der Behörde, nicht nur ein Kennenmüssen. Zu den Tatsachen gehören weiterhin auch alle Umstände, die für eine Ermessensentscheidung im gegebenen Einzelfall maßgebend sein können. Da es für eine Prüfung der Voraussetzungen des § 96a SGB VI auf die Kenntnis der dem Arbeitslosengeld zugrundeliegenden monatlichen Arbeitsentgeltes ankommt, und die Beklagte diese Kenntnis erst im August 2003 durch das Arbeitsamt G-Stadt erhielt, begann die Frist des § 48 Abs. 4 SGB X auch erst im August 2003, so dass der Bescheid vom 24. Oktober 2003 rechtzeitig ergangen ist.

Der Senat hat sich auch nicht verpflichtet gesehen, entsprechend dem Hilfsantrag der Klägerin das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 96a SGB VI vorzulegen, weil sich der Senat den verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin nicht anschließen konnte. Zwar sind die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld nach § 119 SGB III andere als die für den Bezug von Arbeitslosengeld nach § 125 SGB III; es handelt sich um zwei verschiedene Sachverhalte, die einen Anspruch auf die Lohnersatzleistung wegen Arbeitslosigkeit begründen. Es gibt aber keine sachlich zwingenden Gründe dafür, diese unterschiedlichen Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln; die Hinzuverdienstgrenzen derjenigen, die Arbeitslosengeld nach § 125 SGB III beziehen, müssen nicht nach Art. 3 des Grundgesetzes auf einer anderen Grundlage (etwa nach der tatsächlich gewährten Sozialleistung) berechnet werden als die der Arbeitslosengeldbezieher, deren Anspruch auf § 119 SGB III beruht. In beiden Fällen wird eine Lohnersatzleistung bei Arbeitslosigkeit lediglich für einen vorübergehenden Zeitraum gewährt, sei es bis zum Ende der Arbeitslosigkeit oder bis zum Ablauf des Anspruchs, sei es bis zur Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Bei der Anwendung des § 96a Abs.3 Satz 2 SGB VI sind daher auch Versicherte, die Arbeitslosengeld nach § 125 SGB III erhalten, nicht besser und nicht schlechter zu stellen als wenn sie beschäftigte Arbeitnehmer wären, so dass für sie § 96a Abs.3 Satz 2 SGB VI in gleicher Weise gilt wie für Abeitslosengeldbezieher nach § 119 SGB III.

Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision aus den Gründen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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