Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 21 AS 955/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 99/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Gerichtsbescheid-Zurückverweisung
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. April 2008 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Magdeburg zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Bewilligung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Monate Januar und Juni 2006. Für diese Zeit hat das Sozialgericht das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und damit die Anrechnung von Einkommen verneint.
Der am 2x. September 19xx geborene Kläger ist Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von 60 qm. Dort waren seit dem 22. Mai 1993 auch die am x. Dezember 19xx geborene R. E. und ihre volljährige Tochter M. sowie später der am x. Januar 19xx geborene gemeinsame Sohn S. polizeilich gemeldet. Die Ehe der Frau E. war am 1x. November 19xx geschieden worden. Sie bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
In seinem Antrag vom 7. September 2004 auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II hatte der Kläger angegeben, mit Frau E. seit 2003 in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2004 war der Antrag zunächst mangels Hilfebedürftigkeit wegen des Einkommens der Frau E. abgelehnt worden. In dem dagegen gerichteten Widerspruch hatte der Kläger geltend gemacht, er habe sich vor längerer Zeit von E. trennen müssen, weil sie ihn nicht ernähren wolle. Sie sei am 1. November 2004 ausgezogen. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2004 hatte der Beklagte daraufhin dem Kläger Leistungen vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 in Höhe von 566,79 EUR/Monat bewilligt. Im Rahmen eines Hausbesuchs am 17. Mai 2005 waren Frau E. und der gemeinsame Sohn in der Wohnung angetroffen worden, seien jedoch nach Einlassung des Klägers nur zu Besuch gewesen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2005 zurückgewiesen, weil ein Auszug von Frau E. nicht glaubhaft gemacht sei.
Im Rahmen von Fortzahlungsanträgen wurde mit Bescheid vom 10. Juni 2005 eine Weiterbewilligung abgelehnt und mit weiterem Bescheid vom 5. Juli 2005 dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2005 ein Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung bewilligt. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger einen nur von ihm unterschriebenen Mietvertrag vom 1. Januar 2005 mit Frau E. vor, wonach diese seit 1. Januar 2002 für zwei Zimmer, Küche und Bad mit einer Wohnfläche von 45 qm 300,00 EUR/Monat entrichte. Gegen den Bescheid vom 10. Juni 2005 erhob der Kläger am 17. Juni 2005 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (S 21 AS 251/05); der Widerspruchsbescheid wurde unter dem 23. Januar 2006 erteilt. Im Rahmen eines Erörterungstermins am 24. Juli 2007 ist der streitgegenständliche Zeitraum auf 1. Juli 2005 bis 31. Januar 2006 beschränkt worden. Über diese Klage hat das Sozialgericht bislang noch nicht entschieden.
Im Rahmen eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz (S 22 AS 511/05 ER) wurde im Termin zur Erörterung des Sachverhalts und Beweisaufnahme am 27. September 2005 der Kläger gehört und Frau E. als Zeugin vernommen. Das Sozialgericht verpflichtete den Beklagten mit Beschluss vom 4. Oktober 2005, dem Kläger für September und Oktober 2005 vorläufig 104,00 EUR/Monat wegen eines Anspruchs auf befristeten Zuschlag zu leisten. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab, weil mit Wahrscheinlichkeit eine eheähnliche Gemeinschaft vorliege. Die Angabe, die Zeugin sei am 1. November 2004 ausgezogen, entspreche offensichtlich nicht der Wahrheit, da diese noch unter der Anschrift des Klägers gemeldet sei. Der gemeinsame Sohn werde im gemeinsamen Haushalt versorgt. Für die behauptete Trennung 1996 bzw. 1998 sprächen keine erkennbaren Indizien. Der Kläger habe nach eigener Aussage noch im Jahr 2004 eine Lebensversicherung zugunsten der Zeugin als Berechtigte im Todesfall gehabt. Ferner habe die Zeugin angegeben, sie fühle sich für den Kläger verantwortlich und würde für den Fall, dass dieser eine neue Partnerin hätte, ausziehen. Seine Beschwerde beschränkte der Kläger auf die Wohnkosten. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 20. Dezember 2005 (L 2 B 64/05 AS ER) für die Monate September und Oktober 2005 vorläufig 176,08 EUR bzw. 87,08 EUR, wobei die Erwerbsunfähigkeitsrente von Frau E. als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen sei. Angesichts des langjährigen Zusammenlebens in einer Wohnung, des gemeinsamen Sohnes und der von der Zeugin in der Vernehmung vor dem Sozialgericht bekundeten emotionalen Verbundenheit bestünden keine Zweifel am Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft. Mit Bescheid vom 5. Januar 2006 ist der Beschluss umgesetzt worden.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2006 bewilligte der Beklagte für den Kläger und den Sohn S. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Februar bis Juli 2006 in Höhe von 13,48 EUR/Monat und berücksichtigte die Rente von Frau E. als Einkommen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 zurückgewiesen.
Mit Bescheiden vom 13. Februar 2006 und vom 21. Juni 2006 bewilligte der Beklagte für Januar 2006 Leistungen in Höhe von 148,59 EUR und für Juli 2006 in Höhe von 45,12 EUR und ging von einer fortbestehenden Lebensgemeinschaft mit Frau E. aus. Die Widersprüche gegen die beiden Bescheide wies der Beklagte mit den beiden Widerspruchsbescheiden vom 24. Juli 2006 zurück.
Gegen die beiden Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 22. August 2006 beim Sozialgericht Magdeburg die vorliegende Klage (S 21 AS 955/06) erhoben und geltend gemacht, Frau E. und deren volljährige Tochter bewohnten die unteren Räume des Hauses, während er und der gemeinsame Sohn oben wohnten. Nach einem gerichtlichen Hinweis auf den Beschluss vom 4. Oktober 2005 (S 5 AS 511/05 ER) hat er angegeben, mit Frau E. allenfalls zwischen 1993 und 1996 eheähnlich zusammengelebt zu haben. Etwa 1996 sei auch ein Mietvertrag geschlossen worden. Man habe durch die Geburt des gemeinsamen Kindes keine Familie gründen wollen. Zu keinem Zeitpunkt habe Frau E. Verfügungsbefugnis über sein Einkommen oder Vermögensgegenstände gehabt. Entgegen der Feststellung des Gerichts in dem angeführten Beschluss habe er keine Lebensversicherung zugunsten Frau E. abgeschlossen. Im Rahmen eines weiteren Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz (S 5 AS 755/07 ER) hat der Kläger am 3. Mai 2007 eidesstattlich erklärt, der Auszug von Frau E. sei zum 1. April 2007 und die Ummeldung zum 1. Mai 2007 erfolgt. Ferner wurden die Abmeldebestätigung sowie die Kopie eines Mietvertrages vorgelegt.
Daraufhin hat der Beklagte mit Bescheid vom 8. Mai 2007 für die Zeit von Mai bis September 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 449,36 EUR/Monat für die aus dem Kläger und seinem Sohn bestehende Bedarfsgemeinschaft ohne Anrechnung von Einkommen von Frau E. bewilligt.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidungsform mit Gerichtsbescheid vom 11. April 2008 die Bescheide des Beklagten vom 13. Februar 2006 und 21. Juni 2006, jeweils in der Form der Widerspruchsbescheide vom 24. Juli 2006 aufgehoben, den Beklagten verurteilt, die Anträge des Klägers unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und ihm die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Des Weiteren hat das Gericht die Berufung zugelassen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Gericht folge der Auffassung des Sozialgerichts Düsseldorf, wonach gegen § 7 Abs. 3 S. 2 SGB II im Hinblick auf die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft bei eheähnlicher Gemeinschaft verfassungsrechtliche Bedenken bestünden. Der Kreis derjenigen, die einander in Zeiten der Hilfebedürftigkeit finanziellen Einstand schuldeten, sei bei der Novellierung des SGB II zu weit gezogen worden. Nur wenn zwei Personen eine soziale Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft bildeten, dürfe von ihnen in den Notfällen des Lebens die Verwendung ihres Einkommens und Vermögens zur Beseitigung oder Linderung der Hilfebedürftigkeit des jeweils anderen erwartet werden. Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben sei der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Bedarfsgemeinschaften im SGB II nicht gerecht geworden. Ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliege, lasse sich nur anhand von Indizien feststellen. Danach liege hier keine Bedarfsgemeinschaft vor. Zwar spreche das gemeinsame Kind zunächst dafür. Jedoch sei 1996 eine erste Trennung vollzogen worden, was sich in dem Abschluss eines Mietvertrages dokumentiert habe. Weiter spreche dagegen, dass sich Frau E. bereits im Jahre 2006 um eine eigene Wohnung bemüht habe. Dieses Bemühen werde dadurch unterstrichen, dass sie tatsächlich im April 2007 ausgezogen sei. Entscheidend spreche jedoch dagegen, dass der Kläger und Frau E. zu keinem Zeitpunkt die Befugnis gehabt hätten, über das Vermögen des Partners zu verfügen. Die Entscheidung durch Gerichtsbescheid sei zulässig gewesen, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und der Sachverhalt geklärt sei. Die Zulassung der Berufung ist nicht begründet worden.
Gegen den ihm am 26. Mai 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 20. Juni 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Sozialgerichts teile er nicht. Der in Bezug genommene Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf sei vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen aufgehoben worden. Dass für den streitigen Zeitraum von einer eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen sei, sei bereits mit Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 4. Oktober 2005 (S 5 AS 511/05 ER) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt worden. Die im Klageverfahren vorgebrachten weiteren Argumente überzeugten nicht. So weit vorgetragen worden sei, nach der Verhandlung vom 27. Dezember 2005 hätten der Kläger und Frau E. ihr Wirtschaften noch deutlicher voneinander abgetrennt, sei dies offensichtlich in der Absicht geschehen, den äußeren Eindruck einer Trennung zu erzeugen. Dieser Eindruck werde verstärkt durch das prozessuale Verhalten des Klägers. In seiner Beschwerde gegen den Beschluss vom 4. September 2005 habe er sich ausdrücklich auf die Wohnkosten beschränkt und das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht geklärt haben wollen.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Der Tatbestand sei richtig und vollständig wiedergegeben. Er lebe nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau E ... Nach den bekannten Umständen spreche lediglich das gemeinsame Kind dafür, alle anderen Indizien sprächen dagegen. Schlussfolgerungen aus seinem prozessualen Verhalten dürften nicht gezogen werden, zumal er in beiden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht anwaltlich vertreten gewesen sei. Auch er habe Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II.
Mit Beschluss vom 20. August 2008 ist die Vollstreckung aus dem Gerichtsbescheid bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens ausgesetzt worden.
Mit Schreiben vom 29. Dezember 2008 sind die Beteiligten auf die beabsichtigte Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheides und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht hingewiesen worden. Die Beteiligten haben sich mit den Schreiben vom 5. und vom 7. Januar 2009 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die weiteren Gerichtsakten S 5 AS 251/05, L 2 B 64/05 AS ER und S 22 AS 511/05 ER sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese haben bei der Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben und auch zulässig gemäß § 144 Abs. 2, Abs. 3 SGG. Der erkennende Senat ist an die ausdrückliche Zulassung der Berufung im Gerichtsbescheid vom 11. April 2008 gebunden, auch wenn nicht ersichtlich ist, auf welche Zulassungsgründe im Sinne von § 144 Abs. 2 Ziff. 1 oder 2 SGG das Sozialgericht die Zulassung der Berufung gestützt hat (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 144 Rdnr. 43a).
Der Senat durfte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung des Beklagten ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. April 2008 war aufzuheben und der Rechtsstreit zurückzuverweisen.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein Verfahrensmangel in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist ein solcher Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts darauf beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 159, Rdnr. 3, 3 a).
Der angefochtene Gerichtsbescheid leidet an wesentlichen Verfahrensmängeln.
1. Das Sozialgericht hat verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mit Gerichtsbescheid ohne die grundsätzlich vorgesehene Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 SGG entschieden.
Nach § 105 Abs. 1 SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheids daran geknüpft, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Letzteres ist der Fall, wenn sich dem Gericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG keine weiteren Ermittlungen aufdrängen (Pawlak in Henning, SGG, § 105 Rdnr. 34), sowie aufgrund fehlender Aufklärungsmöglichkeiten keine Beweislastentscheidung getroffen werden muss.
a. Hier war – entgegen der Auffassung des Sozialgerichts – der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht nicht geklärt. Vielmehr bestand nach dem Vorbringen der Beteiligten weiterer Ermittlungsbedarf hinsichtlich der für die Beurteilung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erforderlichen Beweistatsachen.
Zunächst hätte es dem Sozialgericht oblegen, das Protokoll über die Vernehmung der Frau E. im Rahmen des Termins zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 27. September 2005 beizuziehen. Zwar lässt sich dem Tatbestand des Gerichtsbescheids entnehmen, dass das Sozialgericht Kenntnis von dem Beschluss vom 4. Oktober 2005 hatte, in dem das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Wahrscheinlichkeit angenommen wurde. Eine Auseinandersetzung mit dieser Auffassung und auch mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme findet sich jedoch in dem Gerichtsbescheid nicht.
Weiter aufklärungsbedürftig in tatsächlicher Hinsicht war die Behauptung des Klägers im Schriftsatz vom 4. Dezember 2007, schon 1996 sei ein Mietvertrag abgeschlossen worden. Auf diese Behauptung hat das Sozialgericht seine Erwägungen maßgeblich gestützt. Allerdings ist in der Verwaltungsakte des Beklagten nur ein Mietvertrag vom 1. Januar 2005 enthalten, der jedoch schon nach seinem Vertragsinhalt kein Mietverhältnis ab 1996 begründet hat. Im Übrigen hätte es angesichts der widersprüchlichen und teilweise wahrheitswidrigen Aussagen des Klägers im bisherigen Verwaltungsverfahren zu einem Auszug bzw. einem Mietvertragsverhältnis mit Frau E. weiterer Ermittlungen hinsichtlich des Wahrheitsgehalts der Behauptung bedurft.
Darüber hinaus ist das Sozialgericht nicht der Behauptung des Klägers im Schriftsatz vom 4. Dezember 2007 nachgegangen, entgegen seinen im Protokoll des Termins vom 27. September 2005 festgehaltenen Äußerungen habe im Jahre 2004 keine Lebensversicherung mit der Zeugin als Berechtigte im Todesfall existiert. Dies wäre ein wesentliches Indiz für die Annahme einer Einstandsgemeinschaft und würde das Argument, Frau E. habe zu keinem Zeitpunkt über das Vermögen des Klägers verfügen können, relativieren. b. Sollte sich das Sozialgericht im Gerichtsbescheid auf die Unvereinbarkeit vom § 7 Abs. 3 Ziff. 3b, Abs. 3a SGB II (wohl in der Fassung vom 20. Juli 2006) gestützt haben, waren diese Erwägungen nicht einfacher rechtlicher Art im Sinne von § 105 Abs. 1 SGG. Zwar lässt sich den Entscheidungsgründen nicht eindeutig entnehmen, ob das Sozialgericht von der Verfassungswidrigkeit der Norm ausgegangen ist. In diesem Fall hätte es gemäß § 100 Grundgesetz (GG) die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Anwendbarkeit der Norm einholen müssen. Ein solcher Beschluss über eine Richtervorlage ist aber der Kammer vorbehalten (Leitherer, a.a.O., § 41 Rdnr. 24, 25).
Sollte das Sozialgericht von der Anwendbarkeit der Vorschrift ausgegangen sein und deshalb das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft geprüft haben, ist auch diese Frage rechtlich nicht einfach zu beantworten und hätte der Entscheidung durch die Kammer bedurft. Insoweit hat sich das Sozialgericht auch widersprüchlich verhalten, weil es die Berufung zugelassen hat, was – aus seiner Sicht – nur auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 144 Abs. 2 Ziff. 1 SGG gestützt werden konnte.
c. Klärungsbedürftig war prozessrechtlich darüber hinaus, ob der streitgegenständliche Monat Januar 2006 bereits rechtshängig in einem anderen Verfahren ist (vgl. Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Juli 2007 (S 5 AS 251/05), in der der Streitgegenstand auf die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Januar 2006 beschränkt wurde).
2. Darüber hinaus hat das Sozialgericht auch unter dem 18. Dezember 2007 die Beteiligten nicht ordnungsgemäß gemäß § 105 Abs. 1 S. 2 SGG zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Die Notwendigkeit einer Anhörung gewährleistet den Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Aus dieser Anhörungsmitteilung muss sich die Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Vorgehensweise ergeben. Ferner muss im Rahmen der Anhörung dargelegt werden, dass das Gericht im konkreten Fall vom Vorliegen der Voraussetzung des § 105 Abs. 1 SGG ausgeht und eine mündliche Verhandlung nicht beabsichtigt. Den Beteiligten muss für ihren konkreten Fall deutlich gemacht werden, dass spätestens nun Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorzutragen bzw. Beweisanträge zur Aufklärung eines möglicherweise ungeklärten Sachverhalts zu stellen oder die rechtlichen Schwierigkeiten des Falls dazulegen sind. Eine formularmäßige Mitteilung, ohne Bezug auf den konkreten Fall, genügt nach einhelliger Auffassung diesen Anforderungen nicht (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 6. März 1990, 9 C 90/89; Leitherer, a.a. O., § 105 Rdnr. 10a; Pawlak a.a.O., § 105 Rdnr. 48).
Vorliegend hat das Sozialgericht unter dem 18. Dezember 2007 lediglich darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und die Berufung zuzulassen. Das Anhörungsschreiben genügt den formellen Anforderungen nicht. Den Beteiligten ist schon nicht ausdrücklich die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Darüber hinaus enthält das Anhörungsschreiben keinerlei Hinweis, weshalb die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid vorliegen sollen bzw. von welcher Tatsachengrundlage der Kammervorsitzende ausgeht.
3. Der Besetzungsmangel ist hier auch wesentlich, da nicht ausgeschlossen ist, dass die Kammer in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung sowohl hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 7 Abs. 3 Ziffer 3b SGB II mit der Verfassung als auch hinsichtlich des Vorliegens einer Einstandsgemeinschaft gekommen wäre.
Der Anhörungsmangel ist ebenfalls wesentlich, weil bei ordnungsgemäßer Darlegung der Auffassung des Kammervorsitzenden eines vollständig geklärten, einfachen Sachverhalts sowie einer einfachen rechtlichen Würdigung nicht auszuschließen ist, dass von Seiten des Beklagten weitere Beweisanträge gestellt worden wären. Dies gilt um so mehr, als das Sozialgericht unter dem 8. Oktober 2007 hinsichtlich des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft auf den Beschluss S 5 AS 511/05 ER vom 4. Oktober 2005 verwiesen und damit den Eindruck erweckt hat, diesen Beschluss im vorliegenden Rechtsstreit für beachtlich zu halten.
4. Im Rahmen des nach § 159 SGG auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse der Beteiligten in einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits einerseits gegenüber dem Nachteil, der ihnen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits entstehen kann, abgewogen. Angesichts der erheblichen Mängel des sozialgerichtlichen Verfahrens und des Umstands, dass die Beteiligten der beabsichtigten Zurückverweisung an das Sozialgericht nicht widersprochen haben, hat der Senat sich für eine Zurückverweisung entschieden. Für diese Vorgehensweise spricht auch, dass der Senat selbst für den Fall einer Sachentscheidung weitere Sachverhaltsaufklärung betreiben müsste und aufgrund der derzeitigen Belastungssituation zunächst über eine Vielzahl von früher eingegangenen Berufungen zu entscheiden ist. Daher wiegt ein eventueller Zeitverlust durch die Zurückverweisung nicht so schwer, als dass der Nachteil des Entzugs des gesetzlichen Richters hinzunehmen wäre.
5. Da das Verfahren nicht beendet ist, bleibt die Frage der Kostentragung der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen hier nicht vor.
Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Magdeburg zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung zur Bewilligung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Monate Januar und Juni 2006. Für diese Zeit hat das Sozialgericht das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und damit die Anrechnung von Einkommen verneint.
Der am 2x. September 19xx geborene Kläger ist Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einer Wohnfläche von 60 qm. Dort waren seit dem 22. Mai 1993 auch die am x. Dezember 19xx geborene R. E. und ihre volljährige Tochter M. sowie später der am x. Januar 19xx geborene gemeinsame Sohn S. polizeilich gemeldet. Die Ehe der Frau E. war am 1x. November 19xx geschieden worden. Sie bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
In seinem Antrag vom 7. September 2004 auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II hatte der Kläger angegeben, mit Frau E. seit 2003 in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2004 war der Antrag zunächst mangels Hilfebedürftigkeit wegen des Einkommens der Frau E. abgelehnt worden. In dem dagegen gerichteten Widerspruch hatte der Kläger geltend gemacht, er habe sich vor längerer Zeit von E. trennen müssen, weil sie ihn nicht ernähren wolle. Sie sei am 1. November 2004 ausgezogen. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2004 hatte der Beklagte daraufhin dem Kläger Leistungen vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 in Höhe von 566,79 EUR/Monat bewilligt. Im Rahmen eines Hausbesuchs am 17. Mai 2005 waren Frau E. und der gemeinsame Sohn in der Wohnung angetroffen worden, seien jedoch nach Einlassung des Klägers nur zu Besuch gewesen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2005 zurückgewiesen, weil ein Auszug von Frau E. nicht glaubhaft gemacht sei.
Im Rahmen von Fortzahlungsanträgen wurde mit Bescheid vom 10. Juni 2005 eine Weiterbewilligung abgelehnt und mit weiterem Bescheid vom 5. Juli 2005 dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2005 ein Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung bewilligt. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger einen nur von ihm unterschriebenen Mietvertrag vom 1. Januar 2005 mit Frau E. vor, wonach diese seit 1. Januar 2002 für zwei Zimmer, Küche und Bad mit einer Wohnfläche von 45 qm 300,00 EUR/Monat entrichte. Gegen den Bescheid vom 10. Juni 2005 erhob der Kläger am 17. Juni 2005 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (S 21 AS 251/05); der Widerspruchsbescheid wurde unter dem 23. Januar 2006 erteilt. Im Rahmen eines Erörterungstermins am 24. Juli 2007 ist der streitgegenständliche Zeitraum auf 1. Juli 2005 bis 31. Januar 2006 beschränkt worden. Über diese Klage hat das Sozialgericht bislang noch nicht entschieden.
Im Rahmen eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz (S 22 AS 511/05 ER) wurde im Termin zur Erörterung des Sachverhalts und Beweisaufnahme am 27. September 2005 der Kläger gehört und Frau E. als Zeugin vernommen. Das Sozialgericht verpflichtete den Beklagten mit Beschluss vom 4. Oktober 2005, dem Kläger für September und Oktober 2005 vorläufig 104,00 EUR/Monat wegen eines Anspruchs auf befristeten Zuschlag zu leisten. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab, weil mit Wahrscheinlichkeit eine eheähnliche Gemeinschaft vorliege. Die Angabe, die Zeugin sei am 1. November 2004 ausgezogen, entspreche offensichtlich nicht der Wahrheit, da diese noch unter der Anschrift des Klägers gemeldet sei. Der gemeinsame Sohn werde im gemeinsamen Haushalt versorgt. Für die behauptete Trennung 1996 bzw. 1998 sprächen keine erkennbaren Indizien. Der Kläger habe nach eigener Aussage noch im Jahr 2004 eine Lebensversicherung zugunsten der Zeugin als Berechtigte im Todesfall gehabt. Ferner habe die Zeugin angegeben, sie fühle sich für den Kläger verantwortlich und würde für den Fall, dass dieser eine neue Partnerin hätte, ausziehen. Seine Beschwerde beschränkte der Kläger auf die Wohnkosten. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 20. Dezember 2005 (L 2 B 64/05 AS ER) für die Monate September und Oktober 2005 vorläufig 176,08 EUR bzw. 87,08 EUR, wobei die Erwerbsunfähigkeitsrente von Frau E. als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen sei. Angesichts des langjährigen Zusammenlebens in einer Wohnung, des gemeinsamen Sohnes und der von der Zeugin in der Vernehmung vor dem Sozialgericht bekundeten emotionalen Verbundenheit bestünden keine Zweifel am Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft. Mit Bescheid vom 5. Januar 2006 ist der Beschluss umgesetzt worden.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2006 bewilligte der Beklagte für den Kläger und den Sohn S. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Februar bis Juli 2006 in Höhe von 13,48 EUR/Monat und berücksichtigte die Rente von Frau E. als Einkommen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2006 zurückgewiesen.
Mit Bescheiden vom 13. Februar 2006 und vom 21. Juni 2006 bewilligte der Beklagte für Januar 2006 Leistungen in Höhe von 148,59 EUR und für Juli 2006 in Höhe von 45,12 EUR und ging von einer fortbestehenden Lebensgemeinschaft mit Frau E. aus. Die Widersprüche gegen die beiden Bescheide wies der Beklagte mit den beiden Widerspruchsbescheiden vom 24. Juli 2006 zurück.
Gegen die beiden Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 22. August 2006 beim Sozialgericht Magdeburg die vorliegende Klage (S 21 AS 955/06) erhoben und geltend gemacht, Frau E. und deren volljährige Tochter bewohnten die unteren Räume des Hauses, während er und der gemeinsame Sohn oben wohnten. Nach einem gerichtlichen Hinweis auf den Beschluss vom 4. Oktober 2005 (S 5 AS 511/05 ER) hat er angegeben, mit Frau E. allenfalls zwischen 1993 und 1996 eheähnlich zusammengelebt zu haben. Etwa 1996 sei auch ein Mietvertrag geschlossen worden. Man habe durch die Geburt des gemeinsamen Kindes keine Familie gründen wollen. Zu keinem Zeitpunkt habe Frau E. Verfügungsbefugnis über sein Einkommen oder Vermögensgegenstände gehabt. Entgegen der Feststellung des Gerichts in dem angeführten Beschluss habe er keine Lebensversicherung zugunsten Frau E. abgeschlossen. Im Rahmen eines weiteren Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz (S 5 AS 755/07 ER) hat der Kläger am 3. Mai 2007 eidesstattlich erklärt, der Auszug von Frau E. sei zum 1. April 2007 und die Ummeldung zum 1. Mai 2007 erfolgt. Ferner wurden die Abmeldebestätigung sowie die Kopie eines Mietvertrages vorgelegt.
Daraufhin hat der Beklagte mit Bescheid vom 8. Mai 2007 für die Zeit von Mai bis September 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 449,36 EUR/Monat für die aus dem Kläger und seinem Sohn bestehende Bedarfsgemeinschaft ohne Anrechnung von Einkommen von Frau E. bewilligt.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidungsform mit Gerichtsbescheid vom 11. April 2008 die Bescheide des Beklagten vom 13. Februar 2006 und 21. Juni 2006, jeweils in der Form der Widerspruchsbescheide vom 24. Juli 2006 aufgehoben, den Beklagten verurteilt, die Anträge des Klägers unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und ihm die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Des Weiteren hat das Gericht die Berufung zugelassen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Gericht folge der Auffassung des Sozialgerichts Düsseldorf, wonach gegen § 7 Abs. 3 S. 2 SGB II im Hinblick auf die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft bei eheähnlicher Gemeinschaft verfassungsrechtliche Bedenken bestünden. Der Kreis derjenigen, die einander in Zeiten der Hilfebedürftigkeit finanziellen Einstand schuldeten, sei bei der Novellierung des SGB II zu weit gezogen worden. Nur wenn zwei Personen eine soziale Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft bildeten, dürfe von ihnen in den Notfällen des Lebens die Verwendung ihres Einkommens und Vermögens zur Beseitigung oder Linderung der Hilfebedürftigkeit des jeweils anderen erwartet werden. Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben sei der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Bedarfsgemeinschaften im SGB II nicht gerecht geworden. Ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliege, lasse sich nur anhand von Indizien feststellen. Danach liege hier keine Bedarfsgemeinschaft vor. Zwar spreche das gemeinsame Kind zunächst dafür. Jedoch sei 1996 eine erste Trennung vollzogen worden, was sich in dem Abschluss eines Mietvertrages dokumentiert habe. Weiter spreche dagegen, dass sich Frau E. bereits im Jahre 2006 um eine eigene Wohnung bemüht habe. Dieses Bemühen werde dadurch unterstrichen, dass sie tatsächlich im April 2007 ausgezogen sei. Entscheidend spreche jedoch dagegen, dass der Kläger und Frau E. zu keinem Zeitpunkt die Befugnis gehabt hätten, über das Vermögen des Partners zu verfügen. Die Entscheidung durch Gerichtsbescheid sei zulässig gewesen, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und der Sachverhalt geklärt sei. Die Zulassung der Berufung ist nicht begründet worden.
Gegen den ihm am 26. Mai 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 20. Juni 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Sozialgerichts teile er nicht. Der in Bezug genommene Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf sei vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen aufgehoben worden. Dass für den streitigen Zeitraum von einer eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen sei, sei bereits mit Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 4. Oktober 2005 (S 5 AS 511/05 ER) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt worden. Die im Klageverfahren vorgebrachten weiteren Argumente überzeugten nicht. So weit vorgetragen worden sei, nach der Verhandlung vom 27. Dezember 2005 hätten der Kläger und Frau E. ihr Wirtschaften noch deutlicher voneinander abgetrennt, sei dies offensichtlich in der Absicht geschehen, den äußeren Eindruck einer Trennung zu erzeugen. Dieser Eindruck werde verstärkt durch das prozessuale Verhalten des Klägers. In seiner Beschwerde gegen den Beschluss vom 4. September 2005 habe er sich ausdrücklich auf die Wohnkosten beschränkt und das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht geklärt haben wollen.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Der Tatbestand sei richtig und vollständig wiedergegeben. Er lebe nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Frau E ... Nach den bekannten Umständen spreche lediglich das gemeinsame Kind dafür, alle anderen Indizien sprächen dagegen. Schlussfolgerungen aus seinem prozessualen Verhalten dürften nicht gezogen werden, zumal er in beiden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht anwaltlich vertreten gewesen sei. Auch er habe Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II.
Mit Beschluss vom 20. August 2008 ist die Vollstreckung aus dem Gerichtsbescheid bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens ausgesetzt worden.
Mit Schreiben vom 29. Dezember 2008 sind die Beteiligten auf die beabsichtigte Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheides und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht hingewiesen worden. Die Beteiligten haben sich mit den Schreiben vom 5. und vom 7. Januar 2009 mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die weiteren Gerichtsakten S 5 AS 251/05, L 2 B 64/05 AS ER und S 22 AS 511/05 ER sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese haben bei der Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben und auch zulässig gemäß § 144 Abs. 2, Abs. 3 SGG. Der erkennende Senat ist an die ausdrückliche Zulassung der Berufung im Gerichtsbescheid vom 11. April 2008 gebunden, auch wenn nicht ersichtlich ist, auf welche Zulassungsgründe im Sinne von § 144 Abs. 2 Ziff. 1 oder 2 SGG das Sozialgericht die Zulassung der Berufung gestützt hat (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 144 Rdnr. 43a).
Der Senat durfte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung des Beklagten ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. April 2008 war aufzuheben und der Rechtsstreit zurückzuverweisen.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein Verfahrensmangel in diesem Sinne ist anzunehmen, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist ein solcher Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts darauf beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 159, Rdnr. 3, 3 a).
Der angefochtene Gerichtsbescheid leidet an wesentlichen Verfahrensmängeln.
1. Das Sozialgericht hat verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mit Gerichtsbescheid ohne die grundsätzlich vorgesehene Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 SGG entschieden.
Nach § 105 Abs. 1 SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheids daran geknüpft, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Letzteres ist der Fall, wenn sich dem Gericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG keine weiteren Ermittlungen aufdrängen (Pawlak in Henning, SGG, § 105 Rdnr. 34), sowie aufgrund fehlender Aufklärungsmöglichkeiten keine Beweislastentscheidung getroffen werden muss.
a. Hier war – entgegen der Auffassung des Sozialgerichts – der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht nicht geklärt. Vielmehr bestand nach dem Vorbringen der Beteiligten weiterer Ermittlungsbedarf hinsichtlich der für die Beurteilung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erforderlichen Beweistatsachen.
Zunächst hätte es dem Sozialgericht oblegen, das Protokoll über die Vernehmung der Frau E. im Rahmen des Termins zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 27. September 2005 beizuziehen. Zwar lässt sich dem Tatbestand des Gerichtsbescheids entnehmen, dass das Sozialgericht Kenntnis von dem Beschluss vom 4. Oktober 2005 hatte, in dem das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Wahrscheinlichkeit angenommen wurde. Eine Auseinandersetzung mit dieser Auffassung und auch mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme findet sich jedoch in dem Gerichtsbescheid nicht.
Weiter aufklärungsbedürftig in tatsächlicher Hinsicht war die Behauptung des Klägers im Schriftsatz vom 4. Dezember 2007, schon 1996 sei ein Mietvertrag abgeschlossen worden. Auf diese Behauptung hat das Sozialgericht seine Erwägungen maßgeblich gestützt. Allerdings ist in der Verwaltungsakte des Beklagten nur ein Mietvertrag vom 1. Januar 2005 enthalten, der jedoch schon nach seinem Vertragsinhalt kein Mietverhältnis ab 1996 begründet hat. Im Übrigen hätte es angesichts der widersprüchlichen und teilweise wahrheitswidrigen Aussagen des Klägers im bisherigen Verwaltungsverfahren zu einem Auszug bzw. einem Mietvertragsverhältnis mit Frau E. weiterer Ermittlungen hinsichtlich des Wahrheitsgehalts der Behauptung bedurft.
Darüber hinaus ist das Sozialgericht nicht der Behauptung des Klägers im Schriftsatz vom 4. Dezember 2007 nachgegangen, entgegen seinen im Protokoll des Termins vom 27. September 2005 festgehaltenen Äußerungen habe im Jahre 2004 keine Lebensversicherung mit der Zeugin als Berechtigte im Todesfall existiert. Dies wäre ein wesentliches Indiz für die Annahme einer Einstandsgemeinschaft und würde das Argument, Frau E. habe zu keinem Zeitpunkt über das Vermögen des Klägers verfügen können, relativieren. b. Sollte sich das Sozialgericht im Gerichtsbescheid auf die Unvereinbarkeit vom § 7 Abs. 3 Ziff. 3b, Abs. 3a SGB II (wohl in der Fassung vom 20. Juli 2006) gestützt haben, waren diese Erwägungen nicht einfacher rechtlicher Art im Sinne von § 105 Abs. 1 SGG. Zwar lässt sich den Entscheidungsgründen nicht eindeutig entnehmen, ob das Sozialgericht von der Verfassungswidrigkeit der Norm ausgegangen ist. In diesem Fall hätte es gemäß § 100 Grundgesetz (GG) die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Anwendbarkeit der Norm einholen müssen. Ein solcher Beschluss über eine Richtervorlage ist aber der Kammer vorbehalten (Leitherer, a.a.O., § 41 Rdnr. 24, 25).
Sollte das Sozialgericht von der Anwendbarkeit der Vorschrift ausgegangen sein und deshalb das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft geprüft haben, ist auch diese Frage rechtlich nicht einfach zu beantworten und hätte der Entscheidung durch die Kammer bedurft. Insoweit hat sich das Sozialgericht auch widersprüchlich verhalten, weil es die Berufung zugelassen hat, was – aus seiner Sicht – nur auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 144 Abs. 2 Ziff. 1 SGG gestützt werden konnte.
c. Klärungsbedürftig war prozessrechtlich darüber hinaus, ob der streitgegenständliche Monat Januar 2006 bereits rechtshängig in einem anderen Verfahren ist (vgl. Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Juli 2007 (S 5 AS 251/05), in der der Streitgegenstand auf die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Januar 2006 beschränkt wurde).
2. Darüber hinaus hat das Sozialgericht auch unter dem 18. Dezember 2007 die Beteiligten nicht ordnungsgemäß gemäß § 105 Abs. 1 S. 2 SGG zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Die Notwendigkeit einer Anhörung gewährleistet den Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Aus dieser Anhörungsmitteilung muss sich die Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Vorgehensweise ergeben. Ferner muss im Rahmen der Anhörung dargelegt werden, dass das Gericht im konkreten Fall vom Vorliegen der Voraussetzung des § 105 Abs. 1 SGG ausgeht und eine mündliche Verhandlung nicht beabsichtigt. Den Beteiligten muss für ihren konkreten Fall deutlich gemacht werden, dass spätestens nun Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorzutragen bzw. Beweisanträge zur Aufklärung eines möglicherweise ungeklärten Sachverhalts zu stellen oder die rechtlichen Schwierigkeiten des Falls dazulegen sind. Eine formularmäßige Mitteilung, ohne Bezug auf den konkreten Fall, genügt nach einhelliger Auffassung diesen Anforderungen nicht (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 6. März 1990, 9 C 90/89; Leitherer, a.a. O., § 105 Rdnr. 10a; Pawlak a.a.O., § 105 Rdnr. 48).
Vorliegend hat das Sozialgericht unter dem 18. Dezember 2007 lediglich darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und die Berufung zuzulassen. Das Anhörungsschreiben genügt den formellen Anforderungen nicht. Den Beteiligten ist schon nicht ausdrücklich die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Darüber hinaus enthält das Anhörungsschreiben keinerlei Hinweis, weshalb die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid vorliegen sollen bzw. von welcher Tatsachengrundlage der Kammervorsitzende ausgeht.
3. Der Besetzungsmangel ist hier auch wesentlich, da nicht ausgeschlossen ist, dass die Kammer in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung sowohl hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 7 Abs. 3 Ziffer 3b SGB II mit der Verfassung als auch hinsichtlich des Vorliegens einer Einstandsgemeinschaft gekommen wäre.
Der Anhörungsmangel ist ebenfalls wesentlich, weil bei ordnungsgemäßer Darlegung der Auffassung des Kammervorsitzenden eines vollständig geklärten, einfachen Sachverhalts sowie einer einfachen rechtlichen Würdigung nicht auszuschließen ist, dass von Seiten des Beklagten weitere Beweisanträge gestellt worden wären. Dies gilt um so mehr, als das Sozialgericht unter dem 8. Oktober 2007 hinsichtlich des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft auf den Beschluss S 5 AS 511/05 ER vom 4. Oktober 2005 verwiesen und damit den Eindruck erweckt hat, diesen Beschluss im vorliegenden Rechtsstreit für beachtlich zu halten.
4. Im Rahmen des nach § 159 SGG auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse der Beteiligten in einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits einerseits gegenüber dem Nachteil, der ihnen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits entstehen kann, abgewogen. Angesichts der erheblichen Mängel des sozialgerichtlichen Verfahrens und des Umstands, dass die Beteiligten der beabsichtigten Zurückverweisung an das Sozialgericht nicht widersprochen haben, hat der Senat sich für eine Zurückverweisung entschieden. Für diese Vorgehensweise spricht auch, dass der Senat selbst für den Fall einer Sachentscheidung weitere Sachverhaltsaufklärung betreiben müsste und aufgrund der derzeitigen Belastungssituation zunächst über eine Vielzahl von früher eingegangenen Berufungen zu entscheiden ist. Daher wiegt ein eventueller Zeitverlust durch die Zurückverweisung nicht so schwer, als dass der Nachteil des Entzugs des gesetzlichen Richters hinzunehmen wäre.
5. Da das Verfahren nicht beendet ist, bleibt die Frage der Kostentragung der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen hier nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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