L 12 AL 3917/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 2955/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 3917/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12.7.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger ab 11.5.2004 Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.

Der 1956 geborene Kläger war von 1970 bis 31.3.2004 als Staplerfahrer bzw. Lagerarbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde zunächst nach einer Erkrankung des Klägers bis 7.3.2004 wegen Nichterscheinen am Arbeitsplatz seit dem 8.3.2004 vom Arbeitgeber gekündigt, am 27.4.2004 wurde ein Aufhebungsvertrag mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.3.2004 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 2700 EUR geschlossen.

Der Kläger meldete sich am 20.4.2004 arbeitssuchend und am 11.5.2004 arbeitslos. In dem von ihm am 18.5.2004 ausgefüllten, unterschriebenen und eingereichten Antrag kreuzte er an "ich übe weiterhin eine Beschäftigung/Tätigkeit aus als Selbstständiger oder mithelfender Familienangehöriger unter 18 Stunden wöchentlich ". Dabei war "18 Stunden" von ihm selbst unterstrichen, er trug als Tätigkeit "Landwirt" ein und bei der wöchentlichen Stundenzahl "18".

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 8.6.2004 ab, weil der Kläger nicht arbeitslos sei, er übe eine mehr als kurzzeitige selbstständige Tätigkeit aus.

Im Widerspruchsverfahren gab der Kläger an, er habe trotz seiner Landwirtschaft dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden. Auf den schriftlichen Hinweis der Beklagten auf die eigenen Angaben des Klägers im Antrag teilte dieser mit Schreiben vom 17.8.2004 mit, seine Angaben zur Arbeitszeit in der Landwirtschaft könne er "inzwischen dahingehend relativieren, dass die Wochenarbeitszeit nur noch 10 Stunden beträgt". Zur Begründung gab er an, es arbeiteten auch seine Frau und andere Verwandte mit. Inzwischen habe sich jedoch sein gesundheitlicher Zustand weiter verschlechtert, er legte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit ab 16.8.2004 vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, auch die Erklärung des Klägers, seine Arbeitszeit in der Landwirtschaft betrage nur noch 10 Stunden wöchentlich, könne wegen der seit 16.8.2004 bestehenden Arbeitsunfähigkeit zu keinem Leistungsanspruch führen, da die Arbeitsunfähigkeit nicht während des Leistungsbezuges eingetreten sei.

Dagegen hat der Kläger am 7.12.2004 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Er hat im wesentlichen wiederholend vorgebracht, er habe mit seiner Angabe "unter 18 Stunden wöchentlich" zum Ausdruck gebracht, dass er verfügbar sei. Hätte er eine (Teilzeit-) Stelle vermittelt bekommen, hätte er diese zu jeder Zeit auch antreten können. Er habe auch zum Ausdruck gebracht, dass der zeitliche Gesamtaufwand für die Tätigkeit in der Landwirtschaft unter Einschluss seiner Frau und weiterer Personen 18 Stunden wöchentlich betragen habe. Der Umfang seiner eigenen Tätigkeit habe bei weniger als 18 Stunden gelegen. Soweit seine Angaben widersprüchlich gewesen seien, hätte die Beklagte darauf hinwirken müssen, dass der Widerspruch aufgeklärt werde. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nicht nachgekommen. Die Beklagte hätte im übrigen seine Angaben zu seinen Gunsten auslegen und "unter 18 Stunden wöchentlich" als maßgeblich ansehen müssen.

Der Kläger stellte am 29.3.2005 erneut Antrag auf Arbeitslosengeld. Bis 28.3.2005 sei er arbeitsunfähig erkrankt gewesen, ab dem 22.4.2005 sei er erneut arbeitsunfähig gewesen. Die Landwirtschaft habe er am 30.4.2005 endgültig aufgegeben. Die Beklagte bewilligte daraufhin Arbeitslosengeld vom 29.3.2005 bis 21.4.2005 (Bescheid vom 22.6.2005). Arbeitslosengeld wurde dem Kläger danach bewilligt für die Zeit vom 1.12.2005 bis 20.12.2005 und für die Zeit bis 12.1.2006 bis 1.1.2007. Zu dem Zeitpunkt bestand noch ein Restanspruch von 31 Tagen. In der Zeit vom 2.1.2007 bis 18.3.2007 bezog der Kläger Verletztengeld. Seinem Antrag auf Weitergewährung des Arbeitslosengeldes ab 19.3.2007 wurde von der Beklagten durch Bescheid vom 13.4.2007 "vorläufig nicht entsprochen". Es sei die Entscheidung im laufenden Klageverfahren abzuwarten. Sollte nämlich entschieden werden, dass für einen früheren Zeitraum noch Arbeitslosengeld nachzuzahlen sei, müsse die Restanspruchsdauer von 31 Tagen dafür verwendet werden. Ab 19.4.2007 bezog der Kläger laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Das SG hat am 7.3.2007 die inzwischen geschiedene Ehefrau des Klägers, S. B. als Zeugin vernommen, wegen des Inhalts der Aussage wird auf die Niederschrift Blatt 42/44 der SG-Akten Bezug genommen.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 12.7.2007 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG nach ausführlicher Zitierung der hier anzuwendenden Rechtsnormen, insbesondere §§ 117 und 118 SGB III, ausgeführt, es sei nicht erwiesen, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 11.5.2004 bis zum Eingang seiner Erklärung bei der Beklagten, dass er nur noch 10 Stunden wöchentlich in der Landwirtschaft tätig sei, arbeitslos gewesen sei. Es stehe vielmehr zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum eine mindestens 18 Stunden wöchentlich umfassende selbstständige Tätigkeit mindestens im bisherigen Umfang fortgeführt habe. Dafür sprächen insbesondere die ersten, "unbefangenen" Angaben des Klägers im Antragsvordruck. Seine Erklärungsversuche, er habe sich auf den Einsatz der gesamten Familie bezogen, während er mit dem Ankreuzen von "unter 18 Stunden wöchentlich" seinen eigenen Beitrag habe beschreiben wollen, überzeugten nicht. Denn die Fragen im Antragsvordruck bezögen sich erkennbar nur auf den Selbstständigen selbst. schließlich habe er im Schreiben vom 17.8.2004 auch mitgeteilt, dass er seinen Arbeitsaufwand in der Landwirtschaft nunmehr auf 10 Wochenstunden reduziert habe.

Dass der Kläger schon am 11.5.2004 nur noch kurzzeitig als Landwirt selbstständig tätig gewesen sei, ergebe sich auch nicht aus der Aussage der Zeugin S. B ... Abgesehen davon, dass sie, selbst angegeben, Schwierigkeiten gehabt habe, sich an Einzelheiten zu erinnern, sei ihre Aussage erkennbar von dem Bemühen geprägt gewesen, den Arbeitsaufwand des Klägers zu bagatellisieren. In Anbetracht der Größe und der Struktur des Betriebes - es seien ständig 20 Stück Vieh gehalten und das entsprechende Grünland bewirtschaftet worden -, ihres eigenen bescheidenen Beitrags (sechs bis acht Stunden wöchentlich) und des nicht näher beschriebenen Umfangs der - sporadischen - Mithilfe von Verwandten, erscheine der von ihr genannte Arbeitsaufwand des Klägers von lediglich 10 bis 12 Stunden pro Woche nicht plausibel.

Da somit nicht festgestellt werden könne, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld ab 11.5.2004 vollständig vorgelegen hätten, trage der Kläger nach den Regeln über die objektive Beweislast die Folgen der Nichterweislichkeit.

Arbeitslosengeld könne auch nicht ab dem 18.8.2004 (Eingang des Schreibens vom 17.8.2004) beansprucht werden, da der Kläger zu dieser Zeit und danach arbeitsunfähig gewesen sei. Im übrigen hätte ein ab 11.5.2004 bestehender Anspruch auf Arbeitslosengeld möglicherweise wegen des Eintritts einer Sperrzeit zeitweise geruht.

Gegen diesen am 20.7.3007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 2.8.2004 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und wendet sich insbesondere gegen die seines Erachtens unrichtige Würdigung der Zeugenaussage seiner früheren Ehefrau. Aus dieser Zeugenaussage sei eine Bagatelisierung des Arbeitsaufwands des Klägers in der Landwirtschaft nicht nachvollziehbar. Die Zeugin habe glaubhaft geschildert, welche Tätigkeiten in der Landwirtschaft erforderlich gewesen seien und wer welche Arbeiten in welchem zeitlichen Umfang verrichtet habe. Durch die Zeugenaussage werde eindeutig bewiesen, dass der Kläger weit weniger als 18 Stunden für seine Landwirtschaft aufgebracht habe. Im Gerichtsbescheid sei auch nichts hinsichtlich der Beratungspflicht auf Grund der widersprüchlichen Angaben im Antragsvordruck ausgeführt. Auf Grund der Widersprüche im Antragsvordruck hätte von der Beklagte darauf hingewirkt werden müssen, diese Widersprüche aufzuklären. Auch die Ausführungen hinsichtlich eines Arbeitslosengeldanspruchs ab dem 18.8.2004 seien nicht nachvollziehbar. Laut dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten des Dr. S. vom 18.8.2004 habe ein vollschichtiges Leistungsbild bestanden.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12.7.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2004 sowie des Bescheides vom 13.4.2007 zu verurteilen, ihm ab 11.5.2004 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.

Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid die hier anzuwendenden Rechtsnormen, insbesondere §§ 117 und 118 SGB III ausführlich und zutreffend zitiert. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Das SG hat auch ausführlich und zutreffend begründet, dass und aus welchen Gründen der Kläger keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 11.5.2004 hat.

Der Senat weist nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Er nimmt auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die im wesentlichen wiederholende Berufungsbegründung des Klägers ist nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung als unrichtig erscheinen zu lassen. Insbesondere ist der Senat nach eigener Überprüfung wie das SG der Überzeugung, dass der Kläger in der Zeit ab 11.5.2004 nicht arbeitslos war. Dies ergibt sich aus den eindeutigen Erklärungen des Klägers im Antragsformular, das er selbst und ohne Beeinflussung von Bediensteten der Beklagten so ausgefüllt hat. Daraus ist eindeutig zu entnehmen, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben 18 Wochenstunden in der eigenen Landwirtschaft (weiterhin) tätig war. Diese Angaben des Klägers sind auch so eindeutig, dass sie einer Umdeutung oder Auslegung im Sinne des klägerischen Begehrens nicht zugänglich sind.

Deswegen ist auch der Hinweis des Klägers auf § 16 Abs. 3 SGB I nicht zielführend. Nach dieser Rechtsnormen sind die Leistungsträger verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger einen klaren und sachdienlichen Antrag gestellt und er hat vollständige Angaben gemacht. Im übrigen ist die Beklagte ihrer Beratungspflicht durch die Aushändigung des Merkblatts 1 für Arbeitslose, das erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben der Kläger unterschriftlich bestätigt hat, ausreichend nachgekommen.

Auch der Senat hält die Zeugenaussage der früheren Ehefrau des Klägers für nicht plausibel. Selbst wenn man sie für glaubhaft hielte, wäre sie keinesfalls inhaltlich präzise genug, um die zeitnahen und unbedrängt gemachten eigenen Angaben des Klägers im Antragsformular zweifelsfrei zu widerlegen.

Der Senat weist schließlich auch darauf hin, dass der Kläger die objektive Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für einen Arbeitslosengeldanspruch trägt. Selbst wenn also der Senat eine weiterhin mehr als geringfügige selbstständige Tätigkeit des Klägers als Landwirt nicht als nachgewiesen ansehen würde, gingen auf Grund der unplausiblen und inhaltlich unpräzisen Zeugenaussage der früheren Ehefrau verbleibende Zweifel zu Lasten des Klägers.

Dem SG ist auch zuzustimmen, dass auch für die Zeit ab 18.8.2004 ein Arbeitslosengeldanspruch nicht besteht, weil der Kläger ab diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Darauf, dass nach dem arbeitsamtsärztliches Gutachten des Dr. S. vom 18.8.2004 ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit qualitativen Einschränkungen bestand, kommt es nicht an, weil insoweit die tagesaktuelle Arbeitsfähigkeit für die dem Kläger zumutbaren Arbeiten maßgebend ist. Eine insoweit vom behandelnden Arzt bescheinigte Arbeitsunfähigkeit wird nicht durch das vom Arbeitsamtsarzt festgestellte Leistungsvermögen widerlegt.

Auch der gem. § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheides vom 13.4.1007, mit dem die Beklagte dem Antrag des Klägers vom 19.3.2007 auf Weitergewährung des (restlichen) Arbeitslosengeldes "vorläufig nicht entsprochen" hat, ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte wird allerdings nach Abschluss des Verfahrens endgültig über den Restanspruch zu entscheiden haben.

Die Berufung des Klägers ist damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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