Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 4218/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1333/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Februar 2007 abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 12. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2005 wird insoweit aufgehoben, als von der Klägerin auch die Erstattung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 200,43 EUR verlangt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.06.2005 aufgehoben hat und die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 545,43 EUR verlangt.
Die 1949 geborene Klägerin, die aufgrund obdachlosenpolizeilicher Einweisungsverfügung vom 17.06.2002 eine Unterkunft der GWG-Wohnungsgenossenschaft R. (WGR) im T-Weg 12 in R. bewohnte (Nutzungsvertrag vom 13.06.2002) und dafür eine Nutzungsentschädigung zu entrichten hatte, bezog ab 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, wobei die Kosten für Unterkunft - insofern in den Bewilligungsbescheiden verfügt und nicht beanstandet - nicht an die Klägerin, sondern an andere Empfangsberechtigte (WGR, Fairenergie, Landratsamt Reutlingen) zur Auszahlung gelangten. Sowohl der erstmals erlassene Bewilligungsbescheid vom 23.12.2004 als auch die nachfolgenden Bescheide enthielten jeweils den Hinweis an die Klägerin, dass sie verpflichtet sei, alle Änderungen von Tatsachen, die für die Hilfegewährung maßgebend seien, unverzüglich anzuzeigen. Einen entsprechenden Hinweis enthielt auch der Änderungsbescheid vom 02.05.2005, mit dem der Klägerin für die Zeit vom 01.06. bis 30.06.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 545,43 EUR (Regelleistung in Höhe von 345,00 EUR und Kosten der Unterkunft in Höhe von 200,43 EUR) bewilligt wurden.
Wegen Störungen des Hausfriedens wurde die Klägerin durch obdachlosenpolizeiliche Umsetzungsverfügung vom 10.05.2005 mit Wirkung ab 01.06.2005 in eine andere Wohnung der WGR in der S. Straße 215 in R. eingewiesen, worauf sie am 30.05.2005 unter Vorlage der Umsetzungsverfügung beim Beklagten vorsprach und mitteilte, sie werde noch heute aus ihrer bisherigen Wohnung ausziehen, jedoch nicht in die ihr zugewiesene Wohnung einziehen; eine andere Wohnanschrift konnte sie bei der Gelegenheit nicht angeben. Erst mit der am 06.06.2005 beim Beklagten eingegangenen Veränderungsmitteilung vom 02.06.2005 teilte die Klägerin den am 31.05.2005 erfolgten Umzug nach Neckartailfingen mit, wo sie bis 07.07.2005 bei ihrem Sohn wohnte. Bei dem für diesen Wohnort zuständigen Jobcenter Landkreis Esslingen/Geschäftstelle Nürtingen sprach sie am 02.06.2005 zwar persönlich vor und stellte einen Leistungsantrag, gab jedoch in der Folgezeit die Leistungsunterlagen nicht zurück, weshalb von dort keine Leistungen bewilligt wurden. Nachdem die Klägerin ab 08.07.2005 wieder in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten (Bad Urach) verzogen war, wurden ihr antragsgemäß ab diesem Zeitpunkt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt (Bescheid vom 12.07.2005).
Mit dem streitbefangenen (weiteren) Bescheid vom 12.07.2005 hob der Beklagte die Entscheidung über die Leistungsbewilligung von 01.06. bis 30.06.2005 auf und verlangte von der Klägerin die Erstattung der für diesen Zeitraum erbrachten Leistungen in Höhe von 545,43 EUR, da der Leistungsanspruch mit dem Umzug in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers weggefallen sei und sie diese Änderung der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht unverzüglich mitgeteilt habe; über ihre diesbezüglichen Pflichten sei sie in dem ihr ausgehändigten Merkblatt "Grundsicherung für Arbeitsuchende" belehrt worden.
Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch wies die Klägerin auf ihre Antragstellung beim Jobcenter für den Landkreis Esslingen hin und erklärte sich für den Fall, dass ihr von dort noch Leistungen zustünden, mit einer Verrechnung einverstanden; außerdem müsse die WGR eine Gutschrift über Miete und Nebenkosten erteilen, da sie die Wohnung im T-Weg ab 01.06.2005 nicht mehr bewohnt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2005 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin aus den Gründen des angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides zurück.
Zur Begründung ihrer hiergegen am 08.12.2005 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin in Ergänzung ihres bisherigen Vortrages angegeben, trotz der sehr kurzfristig angeordneten Räumung ihrer Wohnung sei sie ihren Meldepflichten nachgekommen.
Das Jobcenter Landkreis Esslingen hat auf Anfrage des SG die Auskunft vom 02.03.2006 erteilt und die dort noch vorhandenen Computer-Vermerke vom 02.06. und 01.08.2005 (vgl. Bl. 18/20 SG-Akten) vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.02.2007 hat das SG der Klage unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide stattgegeben und hierzu ausgeführt, zwar sei mit dem Umzug der Klägerin in einen anderen Landkreis die örtliche Zuständigkeit des Beklagten nicht mehr gegeben gewesen und dessen Leistungspflicht damit entfallen, jedoch scheitere eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) daran, dass der Klägerin entgegen der Ansicht des Beklagten keine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht vorgeworfen werden könne. Zwar hätte die Klägerin unter Zuhilfenahme des Merkblattes "Grundsicherung für Arbeitsuchende" die Verpflichtung zur unverzüglichen und nicht erst sechs Tage später erfolgten Mitteilung eines Umzugs in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers ohne Schwierigkeiten entnehmen können, jedoch sei nicht aktenkundig, dass die Klägerin dieses Merkblatt erhalten habe; grobe Fahrlässigkeit sei damit nicht zu begründen. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X lägen nicht vor, denn grobe Fahrlässigkeit im Sinne dieser Vorschrift liege nur dann vor, wenn dem Begünstigten anhand der Umstände und ganz naheliegender Überlegungen einleuchten und auffallen müsse, dass die Leistungen rechtswidrig erbracht würden, was eine Information über den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen voraussetze, welche sich letztlich wiederum nur aus einem Merkblatt ergeben könnte. Mangels Vorliegens der Aufhebungsvoraussetzungen entfalle auch die Erstattungspflicht nach § 50 Abs. 1 SGB X.
Gegen den dem Beklagten am 21.02.2007 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich dieser mit der am 13.03.2007 eingelegten und im Wesentlichen damit begründeten Berufung, der Ansicht des SG könne nicht gefolgt werden, weil die Ausfüllung einer Veränderungsmitteilung durch die Klägerin am 02.06.2005 und die am selben Tag erfolgte Antragstellung beim Jobcenter Landkreis Esslingen belege, dass die Klägerin nicht nur gewusst habe, dass ein Umzug ein leistungserheblicher und damit mitzuteilender Umstand sei, sondern auch, dass sie die Anspruchsvoraussetzungen der Zuständigkeit des Leistungsträgers positiv gekannt habe.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Ihrer Meinung nach hat das SG zutreffend entschieden. Der Mitteilung des Jobcenters Landkreis Esslingen hat sie widersprochen und behauptet, die Antragsunterlagen bereits einen Tag nach deren Aushändigung wieder eingereicht zu haben; irgendwelche Unterlagen hierzu habe sie nicht.
Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Verfahrensakten beider Instanzen haben dem Senat vorgelegen. Auf den Inhalt dieser Akten sowie der Schriftsätze der Beteiligten wird zur näheren Darstellung des Sachverhalts verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Das Erstattungsverlangen des Beklagten ist nur hinsichtlich der Regelleistung, nicht jedoch der Kosten der Unterkunft berechtigt.
Maßgebende Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten ist zunächst § 48 SGB X, dessen Voraussetzungen das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend dargestellt hat; hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Anders als das SG sieht der Senat indessen den Aufhebungstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X als erfüllt an. Aus der Tatsache, dass die Klägerin schon am 02.06.2005 bei dem für ihren neuen Wohnort zuständigen Jobcenter Landkreis Esslingen einen Leistungsantrag gestellt und eine Veränderungsmitteilung erstattet hat, ist zu schließen, dass sie gewusst hat, dass ihr Leistungsanspruch gegenüber dem Beklagten nach erfolgtem Wohnungswechsel in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers weggefallen war; anders ließe sich ihr Verhalten schwerlich erklären. Ob ihr außerdem eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) vorgehalten werden kann, braucht angesichts dessen nicht entschieden zu werden. Dagegen spricht immerhin, dass sie anlässlich ihrer Vorsprache beim Beklagten am 30.05.2005 selbst noch nicht gewusst hat, wo sie ab 01.06.2005 wohnen, und vor allem nicht, dass sie den Zuständigkeitsbereich des Beklagten verlassen wird. Die ihr bekannten Tatsachen, nämlich dass sie mit Wirkung ab 01.06.2005 gemäß obdachlosenpolizeilicher Umsetzungsverfügung eine neue Unterkunft zugewiesen erhalten hatte, diese jedoch keinesfalls beziehen wollte, hatte sie dem Beklagten mitgeteilt. Damit hatte der Beklagte jedenfalls Kenntnis davon, dass der Nutzungsvertrag der Klägerin mit der WGR mit Ablauf des auf deren Vorsprache am 30.05.2005 folgenden Tages beendet und auch kein Folgevertrag mit der selben Wohnungsgenossenschaft zustande gekommen war.
Das nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X begründete Recht des Beklagten zur Aufhebung der Bewilligungsentscheidung verpflichtet die Klägerin gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X grundsätzlich zur Erstattung erbrachter Leistungen, jedoch erstreckt sich diese Verpflichtung im vorliegenden Fall nur auf die für den Monat Juni 2005 zu Unrecht erbrachte Regelleistung, hingegen nicht auf die Kosten der Unterkunft.
Für den Senat ist hierfür maßgebend, dass der Beklagte die Kosten der Unterkunft für den Monat Juni 2005 nur auf eine vermeintliche Verpflichtung der Klägerin gegenüber der WGR direkt an diese (und andere Empfangsberechtigte) gezahlt hat, eine solche Verpflichtung in Wirklichkeit aber nicht (mehr) bestanden hat, nachdem der Nutzungsvertrag mit Ablauf des Monats Mai 2005 beendet worden war. Dem kann weder entgegen gehalten werden, der Beklagte habe mit der Direktzahlung nur eine Verpflichtung der Klägerin erfüllt, noch, der Direktzahlung habe ein zum Zeitpunkt der Zahlungsausführung wirksamer Bewilligungsbescheid zugrunde gelegen. Eine Zahlung "für" die Klägerin kann nämlich schon deswegen nicht angenommen werden, weil diese nach Beendigung des Nutzungsvertrages mit Ablauf des Monats Mai 2005 keine eigenen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der WGR (und anderen Leistungsberechtigten) mehr hatte. Mit der Aufhebung des Bewilligungsbescheides rückwirkend zum 01.06.2005 hat auch dieser keine Grundlage mehr für die Direktzahlung durch den Beklagten gebildet. Letztlich ist auch nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, wann genau die Direktzahlung erfolgt ist; § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II bestimmt hierzu, dass Leistungen monatlich im Voraus erbracht werden sollen. Zumindest in Fällen wie dem der Klägerin, in denen die Direktzahlung "von Amts wegen" erfolgt und nicht etwa aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Leistungsbezieher und seinem Vermieter, spielt der Zahlungszeitpunkt nach Auffassung des Senats keine Rolle, da der Leistungsträger insoweit gewissermaßen auf eigenes Risiko leistet und deswegen nicht maßgebend sein kann, ob es dem Beklagten im vorliegenden Fall noch möglich gewesen wäre, nach Erlangung der Kenntnis von der Beendigung des Nutzungsverhältnisses die Direktzahlung an andere Leistungsberechtigte noch rechtzeitig anzuhalten.
Für den Beklagten kommt unter den gegebenen Umständen ein auf dem Rechtsgedanken des zivilrechtlichen Instituts der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) beruhender öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegenüber der WGR (und anderen Leistungsberechtigten) in Betracht (vgl. SG Lüneburg, Leitsatzurteil vom 27.08.2008 - S 24 AS 722/08 -, in Juris).
Die Berufung der Beklagten hat daher nur teilweise Erfolg, weshalb sowohl der angefochtene Gerichtsbescheid als auch die angefochtenen Bescheide abzuändern sind und die Klage im Übrigen abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, insbesondere wegen der bislang höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage der Behandlung von Direktzahlungen bei Rückabwicklung des Leistungsverhältnisses zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.06.2005 aufgehoben hat und die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 545,43 EUR verlangt.
Die 1949 geborene Klägerin, die aufgrund obdachlosenpolizeilicher Einweisungsverfügung vom 17.06.2002 eine Unterkunft der GWG-Wohnungsgenossenschaft R. (WGR) im T-Weg 12 in R. bewohnte (Nutzungsvertrag vom 13.06.2002) und dafür eine Nutzungsentschädigung zu entrichten hatte, bezog ab 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, wobei die Kosten für Unterkunft - insofern in den Bewilligungsbescheiden verfügt und nicht beanstandet - nicht an die Klägerin, sondern an andere Empfangsberechtigte (WGR, Fairenergie, Landratsamt Reutlingen) zur Auszahlung gelangten. Sowohl der erstmals erlassene Bewilligungsbescheid vom 23.12.2004 als auch die nachfolgenden Bescheide enthielten jeweils den Hinweis an die Klägerin, dass sie verpflichtet sei, alle Änderungen von Tatsachen, die für die Hilfegewährung maßgebend seien, unverzüglich anzuzeigen. Einen entsprechenden Hinweis enthielt auch der Änderungsbescheid vom 02.05.2005, mit dem der Klägerin für die Zeit vom 01.06. bis 30.06.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 545,43 EUR (Regelleistung in Höhe von 345,00 EUR und Kosten der Unterkunft in Höhe von 200,43 EUR) bewilligt wurden.
Wegen Störungen des Hausfriedens wurde die Klägerin durch obdachlosenpolizeiliche Umsetzungsverfügung vom 10.05.2005 mit Wirkung ab 01.06.2005 in eine andere Wohnung der WGR in der S. Straße 215 in R. eingewiesen, worauf sie am 30.05.2005 unter Vorlage der Umsetzungsverfügung beim Beklagten vorsprach und mitteilte, sie werde noch heute aus ihrer bisherigen Wohnung ausziehen, jedoch nicht in die ihr zugewiesene Wohnung einziehen; eine andere Wohnanschrift konnte sie bei der Gelegenheit nicht angeben. Erst mit der am 06.06.2005 beim Beklagten eingegangenen Veränderungsmitteilung vom 02.06.2005 teilte die Klägerin den am 31.05.2005 erfolgten Umzug nach Neckartailfingen mit, wo sie bis 07.07.2005 bei ihrem Sohn wohnte. Bei dem für diesen Wohnort zuständigen Jobcenter Landkreis Esslingen/Geschäftstelle Nürtingen sprach sie am 02.06.2005 zwar persönlich vor und stellte einen Leistungsantrag, gab jedoch in der Folgezeit die Leistungsunterlagen nicht zurück, weshalb von dort keine Leistungen bewilligt wurden. Nachdem die Klägerin ab 08.07.2005 wieder in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten (Bad Urach) verzogen war, wurden ihr antragsgemäß ab diesem Zeitpunkt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt (Bescheid vom 12.07.2005).
Mit dem streitbefangenen (weiteren) Bescheid vom 12.07.2005 hob der Beklagte die Entscheidung über die Leistungsbewilligung von 01.06. bis 30.06.2005 auf und verlangte von der Klägerin die Erstattung der für diesen Zeitraum erbrachten Leistungen in Höhe von 545,43 EUR, da der Leistungsanspruch mit dem Umzug in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers weggefallen sei und sie diese Änderung der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht unverzüglich mitgeteilt habe; über ihre diesbezüglichen Pflichten sei sie in dem ihr ausgehändigten Merkblatt "Grundsicherung für Arbeitsuchende" belehrt worden.
Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch wies die Klägerin auf ihre Antragstellung beim Jobcenter für den Landkreis Esslingen hin und erklärte sich für den Fall, dass ihr von dort noch Leistungen zustünden, mit einer Verrechnung einverstanden; außerdem müsse die WGR eine Gutschrift über Miete und Nebenkosten erteilen, da sie die Wohnung im T-Weg ab 01.06.2005 nicht mehr bewohnt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2005 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin aus den Gründen des angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides zurück.
Zur Begründung ihrer hiergegen am 08.12.2005 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin in Ergänzung ihres bisherigen Vortrages angegeben, trotz der sehr kurzfristig angeordneten Räumung ihrer Wohnung sei sie ihren Meldepflichten nachgekommen.
Das Jobcenter Landkreis Esslingen hat auf Anfrage des SG die Auskunft vom 02.03.2006 erteilt und die dort noch vorhandenen Computer-Vermerke vom 02.06. und 01.08.2005 (vgl. Bl. 18/20 SG-Akten) vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.02.2007 hat das SG der Klage unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide stattgegeben und hierzu ausgeführt, zwar sei mit dem Umzug der Klägerin in einen anderen Landkreis die örtliche Zuständigkeit des Beklagten nicht mehr gegeben gewesen und dessen Leistungspflicht damit entfallen, jedoch scheitere eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) daran, dass der Klägerin entgegen der Ansicht des Beklagten keine grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht vorgeworfen werden könne. Zwar hätte die Klägerin unter Zuhilfenahme des Merkblattes "Grundsicherung für Arbeitsuchende" die Verpflichtung zur unverzüglichen und nicht erst sechs Tage später erfolgten Mitteilung eines Umzugs in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers ohne Schwierigkeiten entnehmen können, jedoch sei nicht aktenkundig, dass die Klägerin dieses Merkblatt erhalten habe; grobe Fahrlässigkeit sei damit nicht zu begründen. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X lägen nicht vor, denn grobe Fahrlässigkeit im Sinne dieser Vorschrift liege nur dann vor, wenn dem Begünstigten anhand der Umstände und ganz naheliegender Überlegungen einleuchten und auffallen müsse, dass die Leistungen rechtswidrig erbracht würden, was eine Information über den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen voraussetze, welche sich letztlich wiederum nur aus einem Merkblatt ergeben könnte. Mangels Vorliegens der Aufhebungsvoraussetzungen entfalle auch die Erstattungspflicht nach § 50 Abs. 1 SGB X.
Gegen den dem Beklagten am 21.02.2007 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich dieser mit der am 13.03.2007 eingelegten und im Wesentlichen damit begründeten Berufung, der Ansicht des SG könne nicht gefolgt werden, weil die Ausfüllung einer Veränderungsmitteilung durch die Klägerin am 02.06.2005 und die am selben Tag erfolgte Antragstellung beim Jobcenter Landkreis Esslingen belege, dass die Klägerin nicht nur gewusst habe, dass ein Umzug ein leistungserheblicher und damit mitzuteilender Umstand sei, sondern auch, dass sie die Anspruchsvoraussetzungen der Zuständigkeit des Leistungsträgers positiv gekannt habe.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Ihrer Meinung nach hat das SG zutreffend entschieden. Der Mitteilung des Jobcenters Landkreis Esslingen hat sie widersprochen und behauptet, die Antragsunterlagen bereits einen Tag nach deren Aushändigung wieder eingereicht zu haben; irgendwelche Unterlagen hierzu habe sie nicht.
Die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Verfahrensakten beider Instanzen haben dem Senat vorgelegen. Auf den Inhalt dieser Akten sowie der Schriftsätze der Beteiligten wird zur näheren Darstellung des Sachverhalts verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Das Erstattungsverlangen des Beklagten ist nur hinsichtlich der Regelleistung, nicht jedoch der Kosten der Unterkunft berechtigt.
Maßgebende Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten ist zunächst § 48 SGB X, dessen Voraussetzungen das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend dargestellt hat; hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Anders als das SG sieht der Senat indessen den Aufhebungstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X als erfüllt an. Aus der Tatsache, dass die Klägerin schon am 02.06.2005 bei dem für ihren neuen Wohnort zuständigen Jobcenter Landkreis Esslingen einen Leistungsantrag gestellt und eine Veränderungsmitteilung erstattet hat, ist zu schließen, dass sie gewusst hat, dass ihr Leistungsanspruch gegenüber dem Beklagten nach erfolgtem Wohnungswechsel in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Leistungsträgers weggefallen war; anders ließe sich ihr Verhalten schwerlich erklären. Ob ihr außerdem eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Mitteilungspflicht (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) vorgehalten werden kann, braucht angesichts dessen nicht entschieden zu werden. Dagegen spricht immerhin, dass sie anlässlich ihrer Vorsprache beim Beklagten am 30.05.2005 selbst noch nicht gewusst hat, wo sie ab 01.06.2005 wohnen, und vor allem nicht, dass sie den Zuständigkeitsbereich des Beklagten verlassen wird. Die ihr bekannten Tatsachen, nämlich dass sie mit Wirkung ab 01.06.2005 gemäß obdachlosenpolizeilicher Umsetzungsverfügung eine neue Unterkunft zugewiesen erhalten hatte, diese jedoch keinesfalls beziehen wollte, hatte sie dem Beklagten mitgeteilt. Damit hatte der Beklagte jedenfalls Kenntnis davon, dass der Nutzungsvertrag der Klägerin mit der WGR mit Ablauf des auf deren Vorsprache am 30.05.2005 folgenden Tages beendet und auch kein Folgevertrag mit der selben Wohnungsgenossenschaft zustande gekommen war.
Das nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X begründete Recht des Beklagten zur Aufhebung der Bewilligungsentscheidung verpflichtet die Klägerin gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X grundsätzlich zur Erstattung erbrachter Leistungen, jedoch erstreckt sich diese Verpflichtung im vorliegenden Fall nur auf die für den Monat Juni 2005 zu Unrecht erbrachte Regelleistung, hingegen nicht auf die Kosten der Unterkunft.
Für den Senat ist hierfür maßgebend, dass der Beklagte die Kosten der Unterkunft für den Monat Juni 2005 nur auf eine vermeintliche Verpflichtung der Klägerin gegenüber der WGR direkt an diese (und andere Empfangsberechtigte) gezahlt hat, eine solche Verpflichtung in Wirklichkeit aber nicht (mehr) bestanden hat, nachdem der Nutzungsvertrag mit Ablauf des Monats Mai 2005 beendet worden war. Dem kann weder entgegen gehalten werden, der Beklagte habe mit der Direktzahlung nur eine Verpflichtung der Klägerin erfüllt, noch, der Direktzahlung habe ein zum Zeitpunkt der Zahlungsausführung wirksamer Bewilligungsbescheid zugrunde gelegen. Eine Zahlung "für" die Klägerin kann nämlich schon deswegen nicht angenommen werden, weil diese nach Beendigung des Nutzungsvertrages mit Ablauf des Monats Mai 2005 keine eigenen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der WGR (und anderen Leistungsberechtigten) mehr hatte. Mit der Aufhebung des Bewilligungsbescheides rückwirkend zum 01.06.2005 hat auch dieser keine Grundlage mehr für die Direktzahlung durch den Beklagten gebildet. Letztlich ist auch nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, wann genau die Direktzahlung erfolgt ist; § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II bestimmt hierzu, dass Leistungen monatlich im Voraus erbracht werden sollen. Zumindest in Fällen wie dem der Klägerin, in denen die Direktzahlung "von Amts wegen" erfolgt und nicht etwa aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Leistungsbezieher und seinem Vermieter, spielt der Zahlungszeitpunkt nach Auffassung des Senats keine Rolle, da der Leistungsträger insoweit gewissermaßen auf eigenes Risiko leistet und deswegen nicht maßgebend sein kann, ob es dem Beklagten im vorliegenden Fall noch möglich gewesen wäre, nach Erlangung der Kenntnis von der Beendigung des Nutzungsverhältnisses die Direktzahlung an andere Leistungsberechtigte noch rechtzeitig anzuhalten.
Für den Beklagten kommt unter den gegebenen Umständen ein auf dem Rechtsgedanken des zivilrechtlichen Instituts der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) beruhender öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegenüber der WGR (und anderen Leistungsberechtigten) in Betracht (vgl. SG Lüneburg, Leitsatzurteil vom 27.08.2008 - S 24 AS 722/08 -, in Juris).
Die Berufung der Beklagten hat daher nur teilweise Erfolg, weshalb sowohl der angefochtene Gerichtsbescheid als auch die angefochtenen Bescheide abzuändern sind und die Klage im Übrigen abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, insbesondere wegen der bislang höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage der Behandlung von Direktzahlungen bei Rückabwicklung des Leistungsverhältnisses zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved