L 1 R 172/05

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 2 RA 2310/02
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 R 172/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RS 36/09 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Konstruktion und Herstellung von Rationalisierungsmitteln nach speziellen Wünschen der Auftraggeber außerhalb eines Typenprogramms sind keine betrieblichen Tätigkeiten, die auf die Massenproduktion von Bauwerken oder Gütern gerichtet sind. Die Herstellung von Erzeugnissen zur Wartung und Pflege von Straßen und Straßennebenanlagen für Bedarfsträger des Straßenwesens dienten der Erhaltung, Verbesserung und Erweiterung und letztlich der Effizienzsteigerung des Straßenwesens und sind nicht als standardisierte Massenproduktion zu werten.
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 18. Januar 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG weitere Beschäftigungszeiten vom 1. April 1989 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.

Der 1938 geborene Kläger erwarb im Juli 1966 das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Vom 1. September 1966 bis zum 31. März 1989 war er in verschiedenen Funktionen bei dem VEB Renak-Werke, dem VEB Feuerungsbau Greiz-Dölau und dann langjährig bei der SDAG Wismut tätig. Seit dem 1. April 1989 bis über den 30. Juni 1990 hinaus war er als Schweißingenieur bei dem VEB Rationalisierungsmittel des Straßenwesens Greiz tätig.

Der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) war er ab dem 1. März 1986 beigetreten. Eine Versorgungszusage zur Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem wurde ihm bis zum 30. Juni 1990 nicht erteilt.

Mit Bescheid vom 25. Januar 2002 stellte die Beklagte als nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz den Zeitraum vom 1. September 1966 bis zum 31. März 1989 fest. Die Berücksichtigung des Zeitraumes vom 1. April 1989 bis zum 30. Juni 1990 lehnte sie ab, weil die Beschäftigung nicht im Geltungsbereich des Zusatzversorgungssystems - volkseigener Produktionsbetrieb - ausgeübt worden sei.

Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. November 2002).

Dagegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Altenburg Klage erhoben. Hauptzweck des VEB sei die Herstellung von Maschinen, Vorrichtungen und Werkzeugen nach speziellen Kundenwünschen - außerhalb des Typenprogramms - gewesen. Mit Urteil vom 18. Januar 2005 hat das Sozialgericht Altenburg die Beklagte verurteilt, auch die Zeiten vom 1. April 1989 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einschließlich der tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte ausgeführt, der Beschäftigungsbetrieb des Klägers sei bereits nicht der Industrie oder dem Bauwesen zuzuordnen, es handele sich vielmehr um einen Betrieb zur Straßenunterhaltung nach der Wirtschaftsgruppe 41180. Hauptzweck des Betriebes sei die Entwicklung, Herstellung und der Vertrieb von Maschinen des Straßenwesens gewesen. Die Herstellung von zwei bis drei Schneefräsen, 20 Splittstreuern und 150 Schneepflügen pro Jahr stelle keine massenhafte Produktion dar, sondern sei eher als handwerksbetriebliche Individualfertigung anzusehen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil vom 18. Januar 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es sei die industrielle Produktion gewesen, die dem Betrieb das Gepräge gegeben habe. Der Betrieb sei auch nicht mit den Bezirksdirektionen des Straßenwesens vergleichbar, der die Instandhaltung des Straßennetzes oblegen habe, Aufgabe des VEB aber sei die Produktion der verschiedenen Geräte.

In dem Erörterungstermin am 25. April 2008 wurde der damalige technische Leiter des VEB, Karl-Heinz T., zu den Aufgaben des VEB als Zeuge gehört. Auf die Niederschrift zu dem Termin wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senates ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichts- und die Beklagtenakte, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Ein Rechtsstreit des Klägers gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund in ihrer Funktion als Rentenversicherungsträger ist zurzeit nicht anhängig. Deshalb war die Klage auch nach der geänderten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zulässig (Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 23. August 2007, Az.: B 4 RS 7/06 R).

Der angefochtene Bescheid ist in dem zur Überprüfung gestellten Umfang rechtmäßig; daher war das erstinstanzliche Urteil aufzuheben. Rechtswidrig ist der Bescheid vom 25. Januar 2002 soweit die Beklagte den Beschäftigungszeitraum vom 1. September 1966 bis zum 31. März 1989 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz festgestellt hat, weil der Kläger am Stichtag, dem 30. Juni 1990 weder in diesen Betrieben noch in einem anderen volkseigenen Produktionsbetrieb tätig war. Dies ist allerdings nicht streitgegenständlich.

Der Kläger hat keinen mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) verfolgbaren Anspruch auf Feststellung von weiteren Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie auf Feststellung der in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte (§ 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und 3 AAÜG).

Der Kläger fällt schon nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AAÜG; daher ist nicht in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AAÜG gegeben sind.

Der Kläger war am 1. August 1991 nicht Inhaber einer Versorgungsanwartschaft.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Versorgungsberechtigungen, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust von Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems diesen Verlust bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt er nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als nicht eingetreten. Der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen des Satzes 1 noch des Satzes 2. Er hatte bis zum Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft erworben, weil eine Einzelfallentscheidung, durch die ihm zum 1. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden ist, nicht vorliegt; und eine positive Statusentscheidung der Beklagten zu seinen Gunsten ist ebenso wenig ergangen wie eine frühere Versorgungszusage in Form eines nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsaktes.

Der Bescheid vom 25. Januar 2002 beinhaltet keine positive Statusentscheidung; die Beklagte hat lediglich die ihr nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG übertragenen Befugnisse ausgeübt, möglicherweise in der Rentenversicherung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) erhebliche Tatbestände - Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem sowie die entsprechenden Entgelte – vorab festzustellen. Sie hat damit allein versorgungsrechtliche Vorfragen geklärt, jedoch nicht die bindende Feststellung getroffen, der Kläger habe zum 1. August 1991 eine wirkliche oder fiktive Anwartschaft gehabt (BSG, Urteil vom 10. Februar 2005, Az.: B 4 RA 47/04 R).

Der Kläger war auch nicht aufgrund einer späteren Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden. - Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG liegen nicht vor, weil der Kläger vor dem 30. Juni 1990 keine Versorgungsanwartschaft erlangt hatte, die er bei seinem Ausscheiden hätte verlieren können (vgl. stellvertretend für viele: BSG, Urteil vom 29. Juli 2004, Az.: B 4 RA 4/04 R, m.w.N.).

Der Kläger hatte nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage aus der Sicht des am 1. August 1991 gültigen Bundesrechts auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage im Sinne der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG. Dieser fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Zusage hängt von der Ausgestaltung der zu Bundesrecht gewordenen leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme ab.

Für die Altersversorgung der technischen Intelligenz ist ein Anspruch auf Erteilung der Zusage nach § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (ZAVO-techInt) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB z. ZAVO-techInt unter folgenden drei Voraussetzungen gegeben: 1. der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), und 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung), und zwar 3. in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Der Kläger war berechtigt, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen; der Senat geht davon aus, dass er während seiner Tätigkeit als Schweißingenieur für den VEB Rationalisierungsmittel des Straßenwesens Greiz entsprechend dieser Qualifikation tätig war. In den streitgegenständlichen Zeiträumen aber war er weder bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb noch einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt. Der VEB Rationalisierungsmittel des Straßenwesens Greiz war kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB. Der hiernach versorgungsrechtliche maßgebliche Betriebstyp ist durch die drei Merkmale "Betrieb", "volkseigen" und "Produktion (Industrie, Bauwesen)" gekennzeichnet. Er erfasst nach dem letzten maßgeblichen Sprachgebrauch der DDR nur volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens.

Der Ausdruck "Betrieb" lässt erkennen, dass es sich um eine Organisationsform handeln musste, die im Wirtschaftrecht der DDR unter dem Oberbegriff "Wirtschaftseinheit" fiel (§ 2 des Vertragsgesetzes vom 25. März 1982, GBl. I S. 293). Als Wirtschaftseinheiten verstand man in der DDR solche "Organisationsformen der sozialistischen Volkswirtschaft, die geschaffen wurden, um als warenproduzierende Glieder der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Kollektive sozialistischer Werktätiger wirtschaftliche Leistungen zu erbringen, und die zu diesem Zweck auch über entsprechende Leitungsbefugnisse verfügen" (Autorenkollektiv unter Leitung von Heuer, Wirtschaftsrecht, Staatsverlag der DDR, Berlin 1985, S. 65 und 75). Soweit von "warenproduzierenden" Gliedern gesprochen wird, kann davon ausgegangen werden, dass der Ausdruck "Ware" nicht nur im Sinn von Sachgütern zu verstehen ist, sondern sowohl materielle als auch immaterielle Güter umschreibt. Ansonsten wären Betriebe im Bereich der Dienstleistung keine Betriebe im Sinne des DDR-Rechts gewesen. Bezogen auf den Betrieb erfasste der Ausdruck "Warenproduktion" in der DDR letztlich jede Form von wirtschaftlicher Tätigkeit. Dem entspricht auch die Bedeutung des Ausdrucks "Betrieb" nach marktwirtschaftlichem Verständnis. Hiernach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von persönlichen, sächlichen und materiellen Mitteln zur fortgesetzten Verfolgung eines "technischen" Zwecks (Herstellung bestimmter Güter oder Erbringung bestimmter Leistungen).

Eine Eingrenzung erfolgt durch das Merkmal "volkseigen". Hiermit werden Betriebe ausgeschlossen, die auf der Grundlage von Privateigentum wirtschafteten, sowie solche, die durch die beiden anderen Formen des sozialistischen Eigentums gekennzeichnet waren: das genossenschaftliche Gemeineigentum und das Eigentum gesellschaftlicher Organisationen der Bürger.

Schließlich erfolgt noch eine Begrenzung auf volkseigene "Produktionsbetriebe (der Industrie und des Bauwesens)". Die Maßgeblichkeit des Merkmals "Produktionsbetrieb" folgt unmittelbar aus § 1 Abs. 2 der 2. DB. Dass es dabei auf Produktionsbetriebe nur der "Industrie" und "Bauwesens" ankommt, ergibt sich mit Blick auf die Produktionsbetriebe der Industrie schon aus der Einbeziehung des Ministerium für Industrie in § 5 ZAVO-techInt und für die Produktionsbetriebe des Bauwesens aus der sprachlichen und sachlichen Gegenüberstellung von "Produktionsbetrieben der Industrie und des Bauwesens" einerseits und allen anderen "volkseigenen Betrieben" anderseits, welche die DDR spätestens ab den 60er Jahren und jedenfalls am 30. Juni 1990 in ihren einschlägigen Gesetzestexten vorgenommen hatte. Aus § 5 ZAVO-techInt (und § 1 der 1. DB) ergeben sich zwei Folgerungen für die Bedeutung des Wortes "volkseigener Produktionsbetrieb" in § 1 Abs. 2 der 2. DB: es muss sich bei dem betroffenen Betrieb erstens um einen VEB handeln, der organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR – Planwirtschaft zugeordnet war; ferner muss zweitens der verfolgte Hauptzweck des VEB auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung beziehungsweise Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein. Dem betrieblichen Anwendungsbereich der ZAVO-techInt unterlagen als "Produktionsbetriebe" somit nur VEB der Industrie, das heißt solche VEB die als Hauptzweck industrielle Fertigung von Sachgütern betrieben (BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az.: B 4 RA 41/01 R). Im Hinblick auf die in der Präambel zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17.8.1950 zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Versorgungssystems war allein die Beschäftigung in einem Betrieb, der die Massenproduktion im Bereich des Bauwesens oder den Massenausstoß standardisierter Produkte zum Gegenstand hatte, von Bedeutung für die Einbeziehung in die Versorgung. Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen basierte. Der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen (BSG, Urteile vom 8. Juni 2004, Az.: B 4 RA 57/03 R, 27. Juli 2004, Az.: B 4 RA 8/04 R und 23. August 2007, B 4 RS 3/06 R).

Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers war kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens nach § 1 Abs. 1 der 2. DB. Hauptzweck war weder die Herstellung von Bauwerken in Massenproduktion noch die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung oder Produktion von Sachgütern.

Vielmehr entwickelte, produzierte und verkaufte der VEB Rationalisierungsmittel des Straßenwesens Erzeugnisse zur Wartung und Pflege von Straßen und Straßennebenanlagen für Bedarfsträger des Straßenwesens. Ziel und Zweck war nicht der Massenausstoß standardisierter Produkte zur Ermöglichung hoher Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft, sondern die Erhaltung, Verbesserung und Erweiterung und letztendlich die Effizienzsteigerung des Straßenwesens. Wie der Zeuge T. sowohl in dem Erörterungstermin am 25. April 2008 wie auch in dem von der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. Oktober 2005 zu den Akten gereichten Schreiben mit der Überschrift "Produktionsablauf" bestätigt hat, wurde der VEB durch das Ministerium für Verkehrswesen beauftragt, Ersatzteile und komplette Geräte nach den konkreten Erfordernissen der Kreisstraßenmeistereien zu fertigen. Es wurde nicht auf Serie gefertigt, sondern nach den speziellen Bedürfnissen der Auftraggeber. Der VEB war ein Rationalisierungsbetrieb nach der Definition des § 2 Abs. 1 der Anordnung über die Aufgaben, die Arbeitsweise und die Finanzierung der volkseigenen Betriebe für Rationalisierung, der volkseigenen Ingenieurbüros für Rationalisierung und der volkseigenen Organisations- und Rechenzentren der Wirtschaftsräte der Bezirke vom 29. März 1973 (RationalisierungsAO, GBl. I Seite 152). Der VEB hat Rationalisierungsmittel nach speziellen Wünschen der Auftraggeber konstruiert und hergestellt. Unter Rationalisierungsmittel wurde in der ehemaligen DDR die Gesamtheit der Arbeitsmittel, die zur Steigerung der Arbeitsproduktivität durch Modernisierung und Automatisierung der vorhandenen Anlagen, Maschinen und Einrichtungen eingesetzt werden, verstanden (Wörterbuch der Ökonomie - Sozialismus, Neuausgabe 1989, S. 793). Nach § 8 RationalisierungsAO waren Rationalisierungsmittel Maschinen, Vorrichtungen und Werkzeuge, die nach speziellen Wünschen der Auftraggeber konstruiert, außerhalb eines Typenprogramms hergestellt oder ohne Null-Serien-Erprobung eingesetzt werden. Der Kläger selbst hat in seiner Klagebegründung vom 18. März 2003 erklärt: "Hauptzweck der Rationalisierungsmittelbetriebe war die Herstellung von Maschinen, Vorrichtungen und Werkzeugen nach speziellen Wünschen der Kunden, außerhalb des Typenprogrammes". Dementsprechend wurden nach § 3 Abs.1 Satz 1 RationalisierungsAO die Leistungen des Rationalisierungsbetriebes in erster Linie an der in den Anwenderbetrieben erreichten Effektivität gemessen. Nach § 3 Abs. 3 RationalisierungsAO fanden in den Rationalisierungsbetrieben die Rechtsvorschriften über die Produktionsfondsabgabe keine Anwendung. Die Produktionsfondsabgabe ist der Teil des in den sozialistischen Betrieben erwirtschafteten Bruttogewinns, der an den Staatshaushalt zu entrichten war. Die Abgabe sollte stimulierend auf die rationelle Auslastung der materiellen Fonds (beispielsweise Mehrschichtauslastung, Verkürzung der Stillstands- und Instandhaltungszeiten) wirken. Von ihr ausgenommen waren Grundmittel der Forschung und Entwicklung, sowie Grundmittel, die der Betreuung und Versorgung der Werktätigen dienten, weil in diesen Bereichen, die dem gesellschaftlichen Interesse dienten, eine Beeinträchtigung durch die Abgabe ausgeschlossen werden sollte (Wörterbuch der Ökonomie - Sozialismus, Neuausgabe 1989, S. 751, 752). Auch wenn Rationalisierungsbetriebe Produkte, sogenannte Rationalisierungsmittel, hergestellt haben, handelte es sich nicht um Sachgüter beziehungsweise bauliche Anlagen, die Gegenstand von volkseigenen Produktionsbetrieben im Sinne der 2. DB gewesen sind. Das heißt, Rationalisierungsbetriebe haben - soweit sie Güter hergestellt haben - keine Massengüter oder Bauwerke hergestellt. Sie wurden nach DDR-Recht ausdrücklich von Abgaben befreit, die ein besseres Betriebsergebnis und damit hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft gewährleisten sollten.

Dass der VEB Rationalisierungsmittel des Straßenwesens tatsächlich den Vorgaben der RationalisierungsAO entsprechend tätig war, wird besonders deutlich auch aus der Aufgabenstellung für die "Erweiterung des VEB Rationalisierungsmittel des Straßenwesens Greiz" vom 20. März 1980. Hierin werden die Grundlagen für die Entwicklungsparameter des Betriebes im Zeitraum 1981 bis 1985 aufgezählt: "- Intensivierungskonzeption des Straßenwesens der DDR, - Rationalisierungskonzeption des Straßenwesens der DDR, - Anweisung des Ministers für Verkehrswesen, die Rationalisierungsmittelproduktion im Bereich Verkehrswesen im Fünfjahresplanzeitraum 1981 bis 1985 auf 170% zu steigern, - Fünfjahresplanauflage 1981 bis 1985 des Betriebes und - Bedarfslage der Betriebe des Sw und Auflagen im Rahmen des RGW" Erläuternd wird ausgeführt, dass infolge struktureller Veränderungen in allen Betrieben des Straßenwesens der DDR zu Gunsten der Instandhaltung von Straßen und Straßennebenanlagen der Bedarf an Rationalisierungsmitteln der Gruppe 1 für Instandhaltung erheblich angestiegen sei. Dafür würden insbesondere bereichsspezifische Rationalisierungsmittel der Gruppe 1 benötigt: Schneeräumgeräte, Geräte zur Straßenoberflächenbehandlung sowie Geräte für die Straßennebenanlagen und weitere Ratiomittel. Daneben bestanden für den VEB auch Exportaufgaben im Bereich der Verträge mit den sogenannten RGW-Ländern auf dem Gebiet der Straßenbau- und Unterhaltungsgeräte.

Der VEB wurde diesen Vorgaben bis zum Schluss gerecht; das zeigt die Eintragung der Rechtsnachfolgerin, der Straßeninstandhaltungs- und Kommunaltechnik GmbH in das Handelsregister vom 15. August 1990. Hierin wird der Gegenstand des Unternehmens mit "Entwicklung, Herstellung, Vertrieb von Maschinen des Straßenwesens und der Straßeninstandhaltung, Reinigung und Räumung" angegeben. In dem Gründungsbericht der GmbH vom 11. Juni 1990 wird die Tätigkeit des VEB wie folgt analysiert: "Der VEB Rationalisierungsmittel des Straßenwesens Greiz, ein zentralgeleiteter Betrieb des Ministeriums für Verkehrswesen, Hauptverwaltung Straßenwesen, entwickelte, produzierte und verkaufte Erzeugnisse zur Wartung und Pflege von Straßen und Straßennebenanlagen. Bedarfsträger für diese Geräte waren Betriebe und Institutionen der Bereiche Straßenwesen, Landwirtschaft, Kommunen, sonstige Betriebe". Auch am 30. Juni 1990 bestand die Aufgabe des VEB in der Spezialfertigung für Bedarfsträger des Straßenwesens und gerade nicht in einem hohen Ausstoß standardisierter Massenprodukte.

Die Begrenzung der vom BSG vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG auf den Personenkreis, der nach der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage die drei Voraussetzungen der Altersversorgung der technischen Intelligenz erfüllte, steht im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 und 3 des Grundgesetzes (GG). Die Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber denjenigen, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen der Versorgungsverordnung erfüllten, und denjenigen, die bereits früher einmal in ein Versorgungssystem im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG einbezogen waren, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt.

Der Einigungsvertrag hat nur die Übernahme vor dem 1. Juli 1990 bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften vorgesehen und neue Einbeziehungen ab 1. Juli 1990 ausdrücklich verboten (Artikel 9 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. a EV; Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 EV i.V.m. § 22 des Rentenangleichungsgesetzes der DDR). Der Bundesgesetzgeber hat das grundsätzliche Verbot der Neueinbeziehung für den persönlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG modifiziert. Um einem Wertungswiderspruch zu begegnen, hat das Bundessozialgericht durch eine ausdehnende verfassungskonforme Auslegung die nicht in ein Versorgungssystem Einbezogenen, die am 30. Juni 1990 nach den Regelungen der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatten, aber im Regelfall aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürfen, nicht einbezogen waren, den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) gleichgestellt.

Eine Gleichstellung weiterer Personengruppen war nicht geboten. Der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung der Versorgungssysteme in der DDR sowie an die gegebene versorgungsrechtliche Lage der Betroffenen ohne Willkürverstoß anknüpfen und damit davon ausgehen, dass nur derjenige in das Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen werden durfte, der am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt war. Art. 3 Abs. 1 und 3 GG gebietet nicht, von jenen zu sekundärem Bundesrecht gewordenen Regelungen der Versorgungssysteme sowie den historischen Fakten, aus denen sich etwa die hier vorliegenden Ungleichheiten ergeben, abzusehen und sie "rückwirkend" zu Lasten der heutigen Beitrags- und Steuerzahler auszugleichen (vgl. unter anderem BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 18/03 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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