S 20 AS 807/07

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AS 807/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kein unabweisbarer Bedarf für Kosten der Bewirtung mehrerer Gäste anlässlich einer Jugendweihefeier in einer Gaststätte
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die im Zusammenhang mit der Jugendweihe des Klägers zu 2. entstandenen Kosten als Darlehen zu übernehmen hat.

Die Klägerin zu 1. beantragte mit Schreiben vom 18.08.2006 einen Zuschuss bzw. eine Hilfe für die Jugendweihe des Klägers zu 2. im Frühjahr des Jahres 2007. Diesem Antrag fügte sie eine Kopie der Rechnung über Teilnahmekosten in Höhe von 90,00 EUR bei. Des Weiteren benötige sie Geld für die Ausrichtung der Feier und zur Anschaffung eines Geschenkes.

Mit Bescheid vom 14.12.2006 lehnte die Beklagte den Antrag vom 18.08.2006 auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe zur Ausrichtung der Jugendweihefeier und zum Kauf eines Geschenkes für den Kläger zu 2. ab. Nach § 7 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) sei Hilfe zum Lebensunterhalt demjenigen zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten kann. Der beantragte Bedarf sei im Regelsatz bereits berücksichtigt (§§ 20, 28 SGB II). Auch sei die beantragte Leistung nicht in § 23 SGB II genannt.

Gegen diesen Ablehnungsbescheid erhob die Klägerin zu 1. am 15.01.2007 Widerspruch. Die ihr gewährte Regelleistung reiche gerade für die Kosten der täglichen Ernährung, Kleidung, Körperpflege und gegebenenfalls Hausratsbeschaffung, jedoch nicht für die Aufwendungen der Kosten einer vertretbaren und angemessenen Ausrichtung der Jugendweihe des Klägers zu 2. Mit der ablehnenden Entscheidung würden somit die Beziehung zur Umwelt und die Teilnahme an einem für den Kläger zu 2. wichtigen Lebensabschnitt im kulturellen Leben verwehrt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2007 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Leistungen für die Ausrichtung von Jugendweihefeiern bzw. Konfirmationen oder ähnlichem seien von der Regelleistung erfasst. Eine abweichende Erbringung der Kosten für die Jugendweihe sei gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II nicht möglich, da es sich hier um keinen unabweisbaren Bedarf zum Lebensunterhalt handele.

Die Jugendweihefeier des Klägers zu 2. fand am 21.04.2007 statt. Hierfür war eine Teilnahmegebühr in Höhe von 70,00 EUR zu zahlen. Im Rahmen der Vorbereitung der Jugendweihe wurde von den Teilnehmern eine gemeinsame Fahrt nach Buchenwald unternommen, für welche 20,00 EUR zu zahlen waren. Den Betrag von insgesamt 90,00 EUR hatte die Klägerin zu 1. bereits am 10.08.2006 an den Veranstalter der Jugendweihe von ihrem Girokonto überwiesen. Des Weiteren erwarben die Kläger Gästekarten für die Feier, welche insgesamt 35,00 EUR kosteten. Im Anschluss an die eigentliche Jugendweihefeier luden die Kläger ihre Gäste noch in eine Gaststätte ein. Dafür fielen Bewirtungskosten von insgesamt 155,80 EUR an. Zur Begleichung der Kosten hat die Klägerin bei einer Freundin am 25.02.2007 ein zinsloses Darlehen in Höhe von 500,00 EUR aufgenommen, welches in Raten rückzahlbar ist. Das Darlehen wurde bisher nicht zurückgezahlt.

Mit der Klage vom 23.03.2007 verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Da nach § 23 SGB II die Kosten für Kommunions- und Konfirmationsfeiern zu ersetzen seien, sei dies gemäß Art. 4 Grundgesetz (GG) auch für die Kosten der Jugendweihe der Fall. Dies stelle eine zwingende Gleichbehandlung zwischen Christen und Atheisten dar. Gemäß § 23 Abs. 1 SGB II sei die Beklagte daher verpflichtet, den Klägern ein Darlehen für die aufgewendeten Kosten in Höhe von 280,80 EUR zu gewähren. Entscheidend sei bei der Auslegung der maßgeblichen Anspruchsnormen auch der jeweilige Kulturkreis, in welchem der Hilfebedürftige lebt. Dieser sehe es in der Bundesrepublik Deutschland vor, an einer solchen Jugendweihefeier teilzunehmen. Es gehöre zum kulturellen Mindeststandard, eine Jugendweihefeier zu veranstalten, wozu auch die Bewirtung der Gäste in einer Gaststätte gehöre. Die im vorliegenden Fall angefallenen Bewirtungskosten seien unter Berücksichtigung der finanziellen und sozialen Stellung der Kläger auch durchaus angemessen. Die abgerechneten Essen sowie Getränke lägen im unteren Preisniveau. Zu Feierlichkeiten aus Anlass einer Konfirmation oder Hochzeit sei es allgemein üblich, dass die geladenen Gäste aus dem Verwandten-, Bekannten- und Freundeskreis an einem Mittagessen, einer Kaffeetafel und einem Abendbrot teilnehmen. Diese Vorstellung von einer Feier habe sich trotz der auflösenden Wertegemeinschaft bis heute erhalten. Auf Grund der weltanschaulichen und religiösen Neutralität des Staates stehe die Jugendweihefeier einer Konfirmation gleich. Die Frage, was unabweisbare Kosten seien, könne sich mithin lediglich danach beantworten, was ein Mensch auf Grund seiner kulturellen Identität und der Kultur des Staates, in dem er lebt, bei einmal im Leben auftretenden Ereignissen beanspruchen könne. Es liege auf der Hand, dass zur Kultur eines Landes und zum kulturellen Selbstverständnis nicht nur die Vorbereitung der Feier und die ausgerichtete Feier, sondern auch das Festmahl zu einer Feier gehöre. Schon die Verwendung des Wortes "Festmahl" mache deutlich, dass es sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch um solches Essen und solche Getränke handele, die nicht mit den üblichen Speisen und Getränken des Alltages im Zusammenhang stehen. Insoweit könne von den Klägern nicht verlangt werden, dass die Speisen und Getränke am Existenzminimum hätten ausgerichtet werden müssen und hierfür Sachmittel in einer den täglichen Normalbedarf nicht übersteigenden Weise einzusetzen gewesen wären. Des Weiteren sei davon auszugehen, dass eine Bewirtung zu Hause zu keinem niedrigeren Kostenansatz geführt hätte, als im konkreten Fall durch die Bewirtung in der Gaststätte angefallen sind.

Die Gewährung eines Darlehens für die angefallenen Kosten stehe den Klägern zu, obwohl die entstandenen Kosten bereits durch ein privates Darlehen abgedeckt sind. Dieses Darlehen sei bisher nicht an die Freundin der Klägerin zu 1. zurückgezahlt worden. Sollte dies nicht alsbald erfolgen, drohe ein Verfahren vor dem Amtsgericht mit einer entsprechenden Zinsbelastung im Falle der nicht rechtzeitigen Rückzahlung.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruchsbescheid vom 23.02.2007 und den Ausgangsbescheid vom 14.12.2006 aufzuheben bzw. abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der rechtlichen Auffassung des erkennenden Gerichtes, einen neuen Bescheid zu erlassen, worin die Beklagte verpflichtet wird, die Kosten der Jugendweihe in Höhe von 280,80 EUR als Darlehen zu tragen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

§ 23 Abs. 3 SGB II bestimme abschließend Zuschussleistungen zur Regelleistung nach dem SGB II. Weder eine Sachleistung noch ein Geldzuschuss zur Jugendweihefeier sei im SGB II nach Abs. 3 vorgesehen. Zu prüfen sei daher, inwieweit ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen des Einzelfalles unabweisbarer Bedarf nach § 23 Abs. 1 SGB II vorliege. Dies sei der Fall, wenn auf Grund des bestehenden Bedarfes eine aktuelle Notlage von existenzieller Bedeutung besteht, die dringend beseitigt werden muss, also unaufschiebbar ist. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Jugendweihe stelle keinen unabweisbaren Bedarf dar. Ein besonderes Schutzbedürfnis bestehe insoweit nicht, da die abweichenden Leistungen ohnehin nur darlehenshalber erbracht würden und mit der künftigen Regelleistung aufgerechnet würden. Bevor eine darlehensgestützte Absicherung unabweisbarer Bedarfe erfolgen könne, sei der Hilfebedürftige zunächst auf die Ansparleistungen im Rahmen des Vermögens für notwendige Anschaffungen zu verweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid vom 14.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

1. Ein Anspruch der Klägerin zu 1. auf Erstattung der Kosten im Zusammenhang mit der Jugendweihe des Klägers zu 2. kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil es insofern nicht um einen Bedarf der Klägerin zu 1. geht, sondern lediglich um einen solchen des Klägers zu 2. Es geht um die Teilnahmekosten sowie die weiteren Kosten im Zusammenhang mit dessen Jugendweihe.

2. Aber auch der Kläger zu 2. hat keinen Anspruch darauf, von der Beklagten ein Darlehen für die im Zusammenhang mit seiner Jugendweihe entstandenen Kosten zu erhalten.

Ein solcher Anspruch könnte sich allenfalls aus § 23 Abs. 1 SGB II ergeben, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen. Hinsichtlich der Teilnahmekosten an der eigentlichen Jugendweihefeier sowie an der Fahrt nach Buchenwald in Höhe von insgesamt 90,00 EUR scheitert ein solcher Anspruch bereits am erforderlichen rechtzeitigen Antrag (a). Bei den übrigen angefallenen Kosten – 35,00 EUR für Gästekarten sowie 155,80 EUR Bewirtungskosten – handelt es sich um keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes, welcher weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden konnte (b).

(a) Ein Ersatz der Teilnahmekosten an der Jugendweihefeier am 21.04.2007 sowie an der vorherigen Fahrt nach Buchenwald scheitert im vorliegenden Fall bereits daran, dass die Klägerin zu 1. diese Kosten in Höhe von insgesamt 90,00 EUR am 10.08.2006, also vor Stellung des Antrages auf Übernahme dieser Kosten bei der Beklagten am 18.08.2006, an den Ausrichter der Jugendweihe überwiesen hat. Denn bei den Leistungen des SGB II handelt es sich, wie § 37 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II belegt, um antragsabhängige Leistungen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien zu § 37 SGB II hat der Antrag auf Leistungen konstitutive Wirkung, sodass dem erwerbstätigen Hilfebedürftigen Leistungen erst ab Antragstellung zustehen (BT-Drs. 15/1516, S. 62 zu § 37).

§ 37 SGB II gilt auch für die Leistungen des § 23 SGB II (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil v. 17.04.2008, L 3 AS 107/07). Nach § 37 Abs. 1 SGB II werden "Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende" auf Antrag erbracht. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden als Dienst-, Geld- und Sachleistungen erbracht (§ 4 Abs. 1 SGB II). Die Leistungen sind im Einzelnen in Kapitel 3 des SGB II (§§ 14 bis 35 SGB II) geregelt. In diesem Kapitel findet sich auch die Regelung des § 23 Abs. 1 SGB II über die darlehensweise Gewährung von Leistungen bei unabweisbarem Bedarf. Aus diesem Grund gilt das Antragserfordernis aus § 37 Abs. 1 SGB II für alle Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl. Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., 2008, § 37 Rn. 2), mithin auch für die im vorliegenden Fall begehrte darlehensweise Leistung wegen unabweisbaren Bedarfs.

Die Klägerin zu 1. als gesetzliche Vertreterin des Klägers zu 2. hat erst am 18.08.2006 einen Antrag auf Übernahme der Kosten im Zusammenhang mit der Jugendweihe des Klägers zu 2. gestellt. Angesichts dessen, dass der Antrag gemäß § 37 Abs. 1 SGB II konstitutive Wirkung hat, d.h. ohne ihn keine Leistungen zu erbringen sind (vgl. Link, a. a. O., § 37 Rn. 24), und dass der Antrag ex nunc wirkt, d.h. grundsätzlich keine rückwirkende Leistungserbringung erfolgt (vgl. Link, a.a.O.,), hat dies zur Folge, dass die bis zu diesem Tage entstandenen Kosten nicht von der Beklagten zu erstatten sind. Für die in § 23 Abs. 3 S. 5 eröffnete Ermessensbetätigung ist kein Raum. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Leistungserbringung gemäß § 37 Abs. 2 S. 2 SGB II liegen, was unstreitig ist, nicht vor.

(b) Im vorliegenden Fall stellten die Kosten im Zusammenhang mit der Jugendweihe des Klägers zu 2. aber auch keinen von den Regelleistungen umfassten und nach den Umständen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II dar, welcher weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden konnte.

Zwar handelt es sich bei den im Zusammenhang mit einer Jugendweihe notwendigerweise anfallenden Kosten um einen Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes, der normalerweise von der Regelleistung umfasst ist. Hierzu zählen gemäß § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Aufwendungen für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Bei der Teilnahme an einer Jugendweihefeier kann es sich grundsätzlich um eine solche Teilhabe am kulturellen Leben handeln.

Zum einen war dieser Bedarf aber nicht in vollem Umfang unabweisbar im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II (aa). Zum anderen konnte der Bedarf anderweitig gedeckt werden (bb).

(aa) Ein Ersatz der Bewirtungskosten in Höhe von 155,80 EUR scheidet aus, weil es sich insoweit nicht um einen unabweisbaren Bedarf handelte. Es ist bereits fraglich, ob solche Bewirtungskosten zum notwendigen Bedarf, welcher von den Regelleistungen gedeckt ist, gehören. Zumindest liegt aber insoweit kein unabweisbarer Bedarf vor.

In zeitlicher Hinsicht handelt es sich beim unabweisbaren Bedarf um einen Bedarf, dessen Abdeckung keinen Aufschub duldet. Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an den Begriff der Unabweisbarkeit ist zu berücksichtigen, dass eine schlichte Bedarfsunterdeckung den in Rede stehenden Bedarf noch nicht unabweisbar im Sinne von § 23 Abs. 1 SGB II macht. Dies ergibt sich in dieser Härte aus dem systematischen Zusammenhang der Regelungen in den §§ 20 und 23 SGB II. Da es bereits Aufgabe des § 20 SGB II ist, den notwendigen Bedarf sicher zu stellen, und § 23 SGB II gleichwohl das Tatbestandsmerkmal der Unabweisbarkeit aufweist, kann Unabweisbarkeit nicht bereits dann vorliegen, wenn ein nach § 20 SGB II an sich notwendiger Bedarf nicht befriedigt werden kann. Unabweisbarkeit liegt deshalb nur vor, wenn es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bedarfe kommt, die auch nicht durch Mittelumschichtung innerhalb der Regelleistung beseitigt bzw. aufgefangen werden kann (vgl. Lang/Blüggel, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 23 Rn. 27ff.).

Die Kammer geht nicht davon aus, dass ein in diesem Sinne unabweisbarer Bedarf hinsichtlich der Übernahme der Bewirtungskosten in einem Restaurant in Höhe von 155,80 EUR im Zusammenhang mit einer Jugendweihefeier besteht.

Unabweisbar ist ein Bedarf immer dann, wenn es sich um einen unaufschiebbaren Bedarf handelt. Ein solcher unaufschiebbarer Bedarf liegt vor, wenn aufgrund des ungedeckten Bedarfs eine aktuelle Notlage von existentieller Bedeutung besteht, die dringend beseitigt werden muss (SG Berlin, Beschluss v. 19.07.2006, S 106 AS 6175/06 ER). Eine solch akute Notlage wäre nicht eingetreten, wenn die kostenaufwändige Bewirtung von, ausweislich der eingereichten Rechnung, neun Personen in einer Gaststätte mangels verfügbarer Geldmittel nicht stattgefunden hätte.

Außerdem waren nach Ansicht der Kammer solch hohe Bewirtungskosten, wie sie geltend gemacht wurden, nicht erforderlich und damit auch nicht unabweisbar im Sinne der oben genannten Definition. Zu beachten ist dabei stets, dass durch die Leistungen nach dem SGB II lediglich das Existenzminimum gesichert werden soll (Lang, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., 2008 § 23 Rn. 31). Luxusausgaben sind von dem Regelbedarf im Sinne von § 20 und § 23 Abs. 1 SGB II jedoch nicht umfasst, denn Aufgabe des Regelbedarfes nach § 20 SGB II ist es lediglich, den notwendigen Bedarf sicherzustellen (Lang, aaO, § 23 Rn. 28). Die Bewirtung anlässlich der Jugendweihe hätte ohne weiteres in der Wohnung der Kläger stattfinden können, ohne dass hierfür Sachmittel in einer den täglichen Normalbedarf für Lebensmittel übersteigenden Weise eingesetzt werden müssten (vgl. SG Berlin, aaO). Es war deshalb nicht notwendig, auf die kostenintensivere Bewirtung in einer Gaststätte zurückzugreifen. Insofern wäre es den Klägern zur Überzeugung der Kammer möglich gewesen, die anfallenden Kosten wesentlich zu verringern.

Des Weiteren gehört es nach Auffassung der Kammer auch nicht mehr zur im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II zu schützenden Teilnahme am kulturellen Leben, nach der Teilnahme an dem Festakt der Jugendweihe noch eine Bewirtung von – hier insgesamt neun – Gästen in einer Gaststätte durchzuführen. Die eigentliche Teilnahme an der Jugendweihe beschränkte sich insofern auf den Festakt, welchen der Kläger zu 2. mit Gleichaltrigen und Familienangehörigen zusammen erlebte. Der Übergang von der Kindheit in das Erwachsenendasein bzw. die Aufnahme in den Kreis der Erwachsenen vollzog sich symbolisch während dieses Festaktes. Die danach erfolgte Bewirtung der Gäste bzw. die dadurch entstehenden Kosten werden durch die Kammer nicht als unabweisbarer Bedarf angesehen, weil insofern nicht erkennbar ist, dass eine im Rahmen von § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II besonders schützenswerte Teilnahme am kulturellen Leben stattgefunden hat.

(bb) Die Übrigen geltend gemachten Kosten stellen ebenfalls keinen unabweisbaren Bedarf im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II dar, weil diese durch die Kläger auf andere Weise gedeckt werden konnten. Für die Teilnahmekosten an der Jugendweihefeier sowie an der Fahrt nach Buchenwald scheitert eine darlehensweise Gewährung bereits an der verspäteten Antragstellung (s.o.).

Die Kosten für den Erwerb der Gästekarten in Höhe von 35,00 EUR können aber ebenfalls nicht als unabweisbarer Bedarf im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II angesehen werden. Aus den eingereichten Kontoauszügen des Girokontos der Klägerin zu 1. ergibt sich, dass sowohl die Teilnahmegebühr als auch die Kosten für die Fahrt nach Buchenwald in Höhe von insgesamt 90,00 EUR von ihrem Girokonto überwiesen wurden ohne dass hierdurch ein Sollguthaben auf dem Konto entstand. Somit konnte zumindest dieser Bedarf auf andere Weise als durch Gewährung eines Darlehens durch die Beklagte gedeckt werden. Ebenso verhält es sich auch mit dem restlichen geltend gemachten Betrag von 35,00 EUR für die Gästekarten, für den ebenfalls die Gewährung eines Darlehens beantragt wurde. Auch diesen Betrag hat die Klägerin zu 1. als gesetzliche Vertreterin des Klägers zu 2. an den Ausrichter der Jugendweihe gezahlt, ohne ein Sollguthaben hervorzurufen. Demnach konnten die Kläger durch eine Mittelumschichtung innerhalb der Regelleistung die angefallenen Kosten begleichen. Eine Gewährung darlehensweiser Leistungen durch die Beklagte war daher nicht erforderlich.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die gesamten geltend gemachten Kosten bereits durch die Gewährung eines privaten Darlehens abgedeckt wurden. Dieses private Darlehen wurde zinsfrei gewährt und konnte ausweislich des eingereichten Darlehensvertrages in Raten zurückgezahlt werden. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II wäre selbst bei Vorliegen eines unabweisbaren Bedarfes durch die Beklagte ebenfalls nur ein Darlehen zu gewähren gewesen. Auch dieses Darlehen wäre gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 SGB II zurückzuzahlen gewesen, und zwar durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 v.H. der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlenden Regelleistung. Aus diesem Grund erfolgte bereits eine anderweitige Abdeckung dieses Bedarfes, wodurch auch insofern eine der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II für die Gewährung eines Darlehens durch die Beklagte entfallen ist. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin dieses private Darlehen alsbald zurückzahlen muss und hierfür das Darlehen der Beklagten einsetzen will, um eventuellen Zinsforderungen in Folge verspäteter Rückzahlung zu entgehen. Denn, wie bereits oben erwähnt, wäre auch das durch die Beklagte zu zahlende Darlehen sogleich in monatlichen Raten von bis zu 10 v.H. an die Beklagte zurückzuzahlen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen ist und vom Sozialgericht nicht zugelassen wurde.

Die Nichtzulassung der Berufung kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Sächsischen Landessozialgericht, Parkstraße 28, 09120 Chemnitz, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Die Vorsitzende der 20. Kammer

Rothe Richterin
Rechtskraft
Aus
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