S 165 SF 99/09 E

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
165
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 165 SF 99/09 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 28. Dezember 2007 wird zurückgewiesen. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens hat der Erinnerungsführer den Erinnerungsgegnern zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Erinnerung ist unbegründet. Die 165. Kammer teilt zur Möglichkeit des hier ausschließlich streitigen Gebührentausches grundsätzlich die von der 164. Kammer in deren (gleich gelagertem) Beschluss vom 21. Januar 2009 – S 164 SF 10/09 E- dargelegte Auffassung und macht sich deren Begründung zu eigen. In dieser Grundsatzentscheidung heißt es:

"Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die von der Urkundsbeamtin vorgenommene Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG, obgleich diese Gebühr in dem Kostenfestsetzungsantrag des Bevollmächtigten der Erinnerungsgegnerin nicht benannt ist. Der Erinnerungsführer rügt einen fundamentalen Verstoß gegen geltendes Prozessrecht. Dem kann die Kammer im Ergebnis nicht beitreten.

Bereits nach dem Wortlaut des § 197 Abs. 1 SGG setzt der Urkundsbeamte den BETRAG der zu erstattenden Kosten fest. Daraus folgt, dass auch nur der (Gesamt-)Betrag an dem Festsetzungstenor des Beschlusses teilnimmt. Wie sich dieser Betrag zusammensetzt, ist Teil und Sache der Begründung, sowohl des Kostenfestsetzungsantrages, auch als des Kostenfestsetzungsbeschlusses. Dem Urkundsbeamten ist es von Gesetzes wegen verwehrt, über den Betrag der zu erstattenden Kosten, welcher beantragt worden ist, bei der Festsetzung hinaus zu gehen. Dies ist vorliegend jedoch nicht geschehen,. Insoweit kann es sich auch nicht um eine Überraschungsentscheidung gehandelt haben.

Die Kammer weist darauf hin, dass sie nicht die Ansicht des Erinnerungsführers teilt, es sei in Verfahren nach § 197 SGG ausgeschlossen, eine Gebühr festzusetzen, die nicht beantragt war. Der Umstand, dass der Urkundsbeamte in Anlehnung an § 308 Abs. 1 ZPO an den Festsetzungsantrag des Bevollmächtigten des Klägers gebunden ist, bedeutet zwar, dass eine Festsetzung über den von dem Rechtsanwalt beantragten Betrag hinaus nicht zulässig ist. Beantragt in diesem Sinne ist aber der Betrag, dessen Festsetzung der Rechtsanwalt nach dem Gesamtinhalt des Antrags verlangt (so Hamburgisches OVG, Beschluss vom 22.08.2007, Az.: 3 So 79/07 – JURIS -). Die Bindung an den Antrag bedeutet somit - ebenso, wie ein Zivilgericht nicht durch § 308 Abs. 1 ZPO an eine vom Kläger genannte unzutreffende Rechtsgrundlage für den eingeklagten Anspruch gebunden ist - nicht, dass der Urkundsbeamte rechtlich daran gehindert wäre, innerhalb des beantragten Betrags und im Rahmen des zugrunde gelegten Sachverhalts einen Positionsaustausch dahin vorzunehmen, statt einer geforderten, aber nicht entstandenen eine nicht geforderte, aber ersichtlich entstandene (gleich hohe oder niedrigere) Gebühr zu berücksichtigen (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl. 2008, § 55 Rdnr. 24; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, § 55 Rdnr. 24; Hartung in: Hartung/Römermann/Schoms, RVG, 2. Aufl. 2006, § 55 Rdnr. 57; jeweils für das Verfahren der Festsetzung der Vergütung des Rechtsanwalts aus der Staatskasse)."

Die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ist auch entstanden. Die Gebühr entsteht u. a. auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll sich die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG bestimmen (Bundestagsdrucksache 15/1971). Hintergrund dieser Regelung ist, dass die Neuregelungen im RVG für den Bereich des Sozialrechts eine drastische Gebührenreduzierung nach sich ziehen und zudem viele Verfahren ihren Abschluss ohne Anberaumung eines Termins finden. Daher hat der Gesetzgeber für bestimmte Fälle den Anfall der Terminsgebühr angeordnet ohne dass ein Termin überhaupt stattfindet. Diese sog. fiktive Terminsgebühr ist in Nr. 3106 VV RVG geregelt (Guhl, NZS 2005, 193, 194). Danach entsteht die Terminsgebühr auch, wenn das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Allerdings handelt es sich im Rahmen einer Untätigkeitsklage nicht stets um ein Anerkenntnis im Sinne von § 101 Abs. 2 SGG und VV 3106 Satz 2 Nr. 3, wenn die Beklagte den Antrag bzw. den Widerspruch des Klägers durch Erlass eines - wie auch immer gearteten - Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides bescheidet, auch wenn die Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG auf bloße Bescheidung gerichtet ist. Da eine Untätigkeitsklage nur dann begründet ist, wenn die Beklagte ohne zureichenden Grund über den Antrag bzw. den Widerspruch nicht innerhalb einer Frist von 6 bzw. 3 Monaten entschieden hat, und auch nur dann eine Verurteilung des Beklagten zu der beantragten Bescheidung erfolgen kann (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 88 Rn. 9), liegt ein Anerkenntnis im Rechtssinne vielmehr nur vor, wenn die Frist des § 88 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGG abgelaufen ist und der Beklagte zusätzlich zum Erlass des Bescheids bzw. des Widerspruchsbescheids uneingeschränkt zugesteht, dass er keinen zureichenden Grund für die verspätete Entscheidung hatte. Dies kann sich nicht nur aufgrund einer ausdrücklichen Erklärung des Beklagten, sondern auch aus den gesamten Umständen der Bescheiderteilung ergeben. So liegt es nahe, dass der Beklagte eingesteht, dass er ohne zureichenden Grund binnen angemessener Frist nicht entschieden hat, wenn er nichts zum Vorliegen eines zureichenden Grundes vorträgt, da er grundsätzlich zureichende Gründe darzulegen hat (vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 7a). Gleiches gilt, wenn der Beklagte ohne Einschränkungen oder Erläuterungen ein Kostenanerkenntnis dem Grunde nach abgibt, da er damit eingesteht, dass die Untätigkeitsklage begründet war und er Anlass zur Klage gegeben hat. Ansonsten müsste er nämlich die außergerichtlichen Kosten des Klägers nicht übernehmen (vgl. SG Köln, Beschluss vom 02.11.2007, Az.: S 6 AS 231/06).

Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte (= Erinnerungsführer) durch Erlass des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2007 ein Anerkenntnis abgegeben. Zudem hat der Beklagte nicht geltend gemacht, es habe für die verspätete Entscheidung einen zureichenden Grund gegeben, und sich folgerichtig auch bereit erklärt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach zu übernehmen.

Die Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren beruht auf § 193 SGG.

Die Kammer hält eine gesonderte Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren für erforderlich, da das Erinnerungsverfahren im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren eine gesonderte Angelegenheit i.S.d § 18 Nr. 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) darstellt (ebenso: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. September 2005 - L 2 B 40/04, AnwBl 2006, 146; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. November 2006 - L 6 B 221/06 SB, jeweils für das Beschwerdeverfahren; vgl. zur Verfahrensgebühr für sozialgerichtliche Verfahren über die Beschwerde und die Erinnerung, wenn in dem Verfahren Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen: Nr. 3501 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG; überdies Rohwer-Kahlmann, SGG, 4. Auflage, 42. Lieferung 2004, § 197 RdNr. 18; Schneider, KostRsp., Nr. 1 § 18 Nr. 5 RVG, Lieferung 264, Februar 2007; Schneider/Wolf, RVG, 3. Auflage 2006, § 16 RdNr. 108 ff.).

Die Kammer folgt ausdrücklich nicht dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg (VG Regensburg, 11. Kammer, Beschluss vom 01.07.2005, Az.: RN 11 S 03.2905), wonach nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nur Verfahren über eine Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses richten, eine besondere Angelegenheit nach § 18 Nr. 5 RVG darstellen sollen. Das SGG kennt den Rechtspfleger nicht. Aus dem Gebührentatbestand Nr. 3501 VV RVG ergibt sich eindeutig, dass eine Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit über die Beschwerde und die Erinnerung, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, umfasst ist. Dass der Gesetzgeber in § 18 Nr. 5 RVG vom "Rechtspfleger" spricht, darf als glattes (redaktionelles) Versehen des Gesetzgebers gewertet werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18.06.2007 (Az.: 4 KSt 1002/07) und am 21.06.2007 (Az.: 4 KSt 1001/07) entschieden, dass § 18 Nr. 5 RVG auch Erinnerungen gegen Kostenfestsetzungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in der Verwaltungsgerichtsbarkeit umfasst (entgegen VG Regensburg, a. a. O.).

Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§ 197 S. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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