Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 1012/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 64/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 22. August 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 3.754,82 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Abänderung bestandskräftiger Honorarbescheide für die Quartale IV/02, II/03 und III/03 und Neubescheidung der Honoraransprüche der Klägerin.
Die Mitglieder der Klägerin, einer mit Sitz in A-Stadt, sind als Ärzte für Neurologie bzw. Psychiatrie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Antrag vom 17. Februar 2006 begehrte die Klägerin eine Nachberechnung ihrer Honoraransprüche für die Quartale IV/02, II/03 bis III/03. Mit Schreiben vom 26. Januar 2006 habe ihr die Beklagte mitgeteilt, dass für das Quartal I/03, gegen dessen Abrechnung Widerspruch eingelegt worden sei, eine Nachberechnung mit einer Nachzahlung in Höhe von 3711,97 EUR erfolgt sei. Auch den Bescheiden für die Quartale IV/02, II/03 und III/03 liege eine fehlerhafte Berechnung zugrunde. Für die streitbefangenen Quartale sei im Vertrauen auf eine kompetente und fehlerfreie Quartalsabrechnung kein Widerspruch eingelegt worden, zumal offensichtliche Mängel nicht erkennbar gewesen seien.
Mit Bescheid vom 9. Mai 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Dies begründete sie damit, dass die von der Klägerin mit ihrem Antrag vom 17. Februar 2006 auch für die Quartale IV/02, II/03 bis III/03 angestrebte Stützung des Punktwertes für die allgemeinen Leistungen, sofern der Anteil der Psychotherapien unter 50% am Gesamthonorar ausmache, nur in anhängigen Verfahren erfolgen könne. Die Rückabwicklung der bestandskräftigen Honorarbescheide sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Die Rücknahme von rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakten richte sich nach § 44 Sozialgesetzbuch, 10. Buch - SGB X -. Eine Rücknahme für die Vergangenheit scheide jedoch schon immer dann aus, wenn der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Erfolg unverhältnismäßig hoch wäre. Wenn die Beklagte im Falle der Klägerin eine Rücknahme vornehmen würde, wäre sie nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz gehalten, auch alle anderen bestandskräftigen Honorarbescheide rückabzuwickeln. Dies würde neben einem immensen Verwaltungsaufwand zu derartigen finanziellen Belastungen führen, dass diese mit einem hohen Punktwertverfall in den aktuellen Quartalen verbunden wären. Nach buchhalterischen Grundsätzen sei die Beklagte lediglich verpflichtet, für anhängige Verfahren Rückstellungen zu bilden. Ein anderes Ergebnis könne unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht akzeptiert werden. Das BSG habe in einem vergleichbaren Fall bereits mit Urteil vom 18. März 1998 (Az.: B 6 KA 69/97 R) entschieden, dass kein Anspruch auf Rückabwicklung bestandskräftiger Honorarbescheide bestehe. Mit weiterem Urteil vom 22. Juni 2005 (Az.: B 6 KA 21/04 R) habe das BSG seine bisherige Rechtsauffassung bestätigt.
Hiergegen hat die Klägerin am 24. Mai 2006 Widerspruch eingelegt und zur Begründung ausgeführt, den Entscheidungen des BSG hätten andere Sachverhalte zu Grunde gelegen. Im vorliegenden Fall habe der Vorstand der Beklagten, ohne vom Gericht hierzu verurteilt worden zu sein, von sich aus die Punktwertreduktion der allgemeinen Leistungen aufgehoben, nachdem er nach "gründlicher Bewertung der durchgeführten Honoraranalysen" festgestellt habe, dass die durch die Stützung von psychotherapeutischen Leistungen verursachte Punktwertreduktion der allgemeinen Leistungen zu einem unerwünschten und nicht vertretbaren Ergebnis beim Punktwert für die allgemeinen Leistungen führte. Es liege somit ein gänzlich anderer Sachverhalt vor, der als atypischer Fall anzusehen sei. Die Verpflichtung der angemessenen Vergütung psychotherapeutischer Leistungen dürfe nicht dazu führen, dass durch die Fachgruppentopfbildung die anderen allgemeinen Leistungen einen nicht zu rechtfertigenden Punktwertverfall erlitten. Dies sei vorhersehbar gewesen. Der Beklagten stehe daher kein Ermessen zu. Die überwiegende Mehrzahl der jetzigen Ärzteschaft habe durch die seinerzeitige Regelung profitiert und könne deshalb auch dafür einstehen. Auch würden der Beklagten durch nachträgliche Honorarberichtigungen erhebliche Mittel zufließen, die aus zurückliegenden Gesamtvergütungen der Krankenkassen resultierten. Die Beklagte verfüge über nicht zu vernachlässigende Zinseinnahmen aus festgelegten Tagesgeldern für vereinnahmte, aber noch nicht ausgekehrte Gelder. Das Honorar könne auch in Teilzahlung nachvergütet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sowohl die Vertragsärzte als auch die die Gesamtvergütung entrichtenden Krankenkassen hätten ein Rechtsanspruch darauf, dass die für ein bestimmtes Quartal geleistete Gesamtvergütung ungeschmälert für die Honorierung der in diesem Quartal erbrachten Leistungen verwendet werde. Eine Rückabwicklung komme nur dann in Betracht, wenn eine Rücknahme für die Vergangenheit aus Billigkeitsgesichtspunkten zwingend notwendig erscheine. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Hiergegen hat die Klägerin am 9. November 2006 Klage beim Sozialgericht Marburg (SG) erhoben und ergänzend vorgetragen, die Beklagte habe ihre Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da sie die atypischen Umstände nicht berücksichtigt habe. Die Tatsache der freiwilligen Neuregelung der Honorarverteilung durch die Beklagte müsse als atypischer Umstand betrachtet werden. Neu beschieden müssten auch die Ärzte werden, die einen entsprechenden Antrag gestellt hätten. Aus den Beschlüssen der Beklagten sei nicht zwingend zu entnehmen, dass diese nur für laufende Widerspruchs- und Klageverfahren gelten sollten.
Mit Urteil vom 22. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Klägerin weder Anspruch auf Abänderung der bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale IV/02, II/03 und III/03 noch auf Neubescheidung ihrer Honoraransprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts habe. Es fehle bereits an einem rechtswidrigen Honorarbescheid für die strittigen Quartale im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB X, weshalb es auf eventuelle Ermessensfehler nicht ankomme. Bei dem Vorstandsbeschluss zur Stützung der psychotherapeutischen Leistungen handele es sich um eine honorarpolitische Maßnahme der Beklagten. Die insofern ergangene Rechtsprechung des BSG habe eine bestimmte Vergütung ausdrücklich nur auf die Vertragsbehandler bezogen, die mehr als 90 v.H. ihres Honorarumsatzes mit genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen erzielt hätten (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 28. Januar 2004, B 6 KA 52/03 R). Würden Festvergütungen für bestimmte Leistungen vorgesehen, so liege es im Gestaltungsspielraum einer KÄV zu entscheiden, ob diese bei Bildung von auf das für diese Honoraruntergruppe zur Verfügung stehende Honorarvolumen angerechnet würden oder nicht. Auch die nachträgliche Entscheidung, für bestimmte Praxen eine Punktwertstützung einzuführen, führe nicht zur Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Honorarverteilung. Die Rechtswidrigkeit der entsprechenden Satzungsbestimmungen der Beklagten folge auch nicht daraus, dass die Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen zu einem festen Punktwert zulasten der Honorargruppe der Klägerin erfolgt sei. Es liege im Gestaltungsermessen des Satzungsgebers, ob er dies tue oder nicht. Auf die Folgen für den Punktwert allein komme es jedenfalls dann nicht an, wenn eine ausreichende Vergütung insgesamt erzielt werden könne. Die Klägerin habe in den streitbefangenen Quartalen Nettohonorare von 100.828,10 EUR, 91.414,53 EUR und der 89.357,22 EUR erzielt. Soweit die Beklagte die Stützung auf noch anhängige Verfahren beschränkt habe, liege darin auch ein hinreichender sachlicher Grund. Es obliege der Entscheidungsfreiheit des Vertragsarztes, ob er Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsentscheidungen einlege. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, bereits bestandskräftige Honorarbescheide einzubeziehen. Ein Widerruf nach den §§ 46 und 47 SGB X sei nur für die Zukunft möglich. Ferner sei ein Widerruf ausgeschlossen, wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erlassen werden müsste. Der Antrag der Klägerin vom 17. Februar 2006 sei auch nicht als Widerspruch gegen die Quartalshonorarbescheide für die strittigen Quartale anzusehen. Die Klägerin habe dies nicht geltend gemacht. Auch lägen keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor (vgl. § 67 Abs. 1 bis 3 i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGG). Gegen das ihr am 5. September 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Oktober 2007 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht (HLSG) eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, entgegen der Auffassung des SG seien die streitgegenständlichen Honorarbescheide rechtswidrig und die Entscheidung der Beklagten, mit der eine Rücknahme der Bescheide abgelehnt worden sei, ermessensfehlerhaft. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG treffe die Beklagte grundsätzlich eine verstärkte Beobachtungs- und gegebenenfalls Reaktions- bzw. Nachbesserungspflicht, wenn die von ihr getroffenen Verteilungsregelungen unter dem Gesichtspunkt der Honorarverteilungsgerechtigkeit nach Artikel 12 Abs. 1 i.V.m. Artikel 3 Abs. 1 GG das von ihr verfolgte Ziel nicht erreichen. Nach der Rechtsprechung des BSG könne jedoch von den Leistungserbringern eine Nachbesserung regelmäßig nur für die Zukunft gefordert werden. In Ausübung der ihr obliegenden Beobachtungspflicht habe die Beklagte im vorliegenden Fall nach gründlicher Bewertung der durchgeführten Honoraranalysen ihre Honorarverteilungsregelung als rechtswidrig erkannt und sie daher durch Beschluss vom 12. Dezember 2005 hinsichtlich der Honorargruppe B 2.7.1 nicht nur wie vom BSG gefordert für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit abgeändert. Die Verteilungsregelung habe im Rahmen ihrer Umsetzung gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoßen. Unabhängig davon sei der vorliegende Fall als atypisch einzustufen. Der Umstand der Freiwilligkeit und der Allgemeinverbindlichkeit der Änderung der Honorarverteilung durch den Vorstand der Beklagten sowie die Tatsache, dass die Änderungen allein einen bestimmten Honorartopf betreffen, rechtfertigten die Annahme eines atypischen Falles. Die Tatsache, dass bei Nervenärzten die Punktwertstützung der psychotherapeutischen Leistungen durch ihre allgemeinen Leistungen honorartopfintern erfolgt sei, sei den Honorarbescheiden tatsächlich nicht zu entnehmen gewesen. Insofern habe die Beklagte durch ihre wenig transparenten Honorarbescheide indirekt darauf Einfluss genommen, dass die Klägerin von der Einlegung von Widersprüchen gegen die streitigen Honorarbescheide Abstand genommen habe. Sie habe folglich für den Mangel ihrer Honorarbescheide einzustehen, so dass atypische Umstände im Sinne der Rechtsprechung des BSG auch aus diesem Grunde vorlägen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 22. August 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2006 zu verurteilen, die bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale IV/02, II/03 und III/03 abzuändern und die Honoraransprüche der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass es allein aufgrund des Umstandes der nachträglich vorgenommenen Neutralisation des Effektes der Punktwertstützung innerhalb der Honorargruppe B 2.7.1. für zeitbezogene genehmigungspflichtige Leistungen nicht per se zu einer Rechtswidrigkeit der bisherigen Honorarverteilung komme. Vertrete man dennoch diese Auffassung, so habe die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung der bereits bestandskräftigen Honorarbescheide. Insoweit werde auf das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 12. März 2008, Az.: S 12 KA 1008/06 verwiesen. Es handele sich um eine gleich gelagerte Fallgestaltung, bei der das SG Marburg das klageabweisende Urteil primär auf den Gesichtspunkt der Ermessensausübung im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB X gestützt habe. Danach sei die Entscheidung einer KÄV, bestandskräftige Honorarbescheide zurückzunehmen, bereits dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn die betreffende KÄV keine Rückstellungen für bereits bestandskräftig abgeschlossene Verfahren gebildet habe und die Gesamtvergütung für das laufende Quartal nicht ohne Rechtspflicht durch Vorwegabzüge gemindert werden solle. Ferner habe das SG in der dortigen Entscheidung das Vorliegen eines atypischen Falles als Voraussetzung für eine andere Ermessensausübung deshalb verneint, weil nicht ersichtlich gewesen sei, dass die Beklagte Betroffene tatsächlich von einer Rechtsverfolgung aktiv abgehalten habe. Hinsichtlich der Atypik komme es stets nur darauf an, inwieweit seitens der Beklagten vorhandener Rechtsschutz zur Verhinderung der Bestandskraft von Verwaltungsakten durch ihr Handeln faktisch beeinträchtigt werde. Die klägerischen Ausführungen seien nicht geeignet, eine Atypik zu begründen.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Urteil des SG vom 22. August 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2006 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Abänderung der bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide für die Quartale IV/02, II/03 und III/03 und noch auf Neubescheidung ihrer Honoraransprüche.
Zu Recht ist das SG davon ausgegangen, dass gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X die Entscheidung über die Abänderung der bestandskräftigen nicht begünstigenden Honorarbescheide im Ermessen der Beklagten steht, und von den Gerichten nur auf Ermessensnichtgebrauch, -fehlgebrauch und Ermessensüberschreitung zu prüfen ist.
Letztendlich kann dahingestellt bleiben, ob die angefochtenen Honorarbescheide für die Quartale IV/02, II/03 und III/03 rechtswidrig sind, soweit das Honorar dort ohne die aufgrund des Vorstandsbeschlusses der Beklagten vom 12. Dezember 2005 bei noch anhängigen Verfahren rückwirkend durchgeführte Stützung des Punktwerts für allgemeine Leistungen berechnet wurde. Selbst wenn insoweit eine Rechtswidrigkeit unterstellt würde, hat die Beklagte ihre Entscheidung ermessensfehlerfrei getroffen.
Zur Ermessensausübung in den Fällen des § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X bei Bescheiden über vertragsärztliches Honorar hat das BSG unter anderem ausgeführt, dass die der KÄV durch diese Vorschrift eingeräumte Möglichkeit, bestandskräftige, zwischenzeitlich als rechtswidrig erkannte nicht begünstigende Bescheide für die Vergangenheit zurückzunehmen, nicht zur Folge hat, dass sie damit für den Regelfall gehalten werde, sich dieses Instruments zu Gunsten der betroffenen Leistungserbringer zu bedienen. Vielmehr eröffne diese Vorschrift der KÄV überhaupt erst die Befugnis, von dem § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V zu Grunde liegenden Gebot abzuweichen, die von den Krankenkassen für ein Quartal geleistete Gesamtvergütung an die in diesem Quartal an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten zu verteilen und Gesamtvergütungsbestandteile solchen Leistungserbringern zugute zu bringen, die in der Vergangenheit auf der Grundlage bestandskräftiger Honorarbescheide zu niedrige Vergütungen erhalten haben. Ohne Berücksichtigung der in § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X eröffneten Möglichkeit ergebe sich die Frage, ob eine KÄV überhaupt berechtigt wäre, zulasten der Gesamtvergütung für ein bestimmtes Quartal Nachvergütungen an Ärzte und Psychotherapeuten vorzunehmen, die zum Teil nicht mehr vertragsärztlich tätig sind, soweit dazu keine Rechtspflicht besteht. Jeder Vorwegabzug von Gesamtvergütungsanteilen vermindere in mehr oder weniger großem Ausmaß den Auszahlungspunktwert, der der Honorierung der im laufenden Quartal erbrachten vertragsärztlichen Leistungen zu Grunde liege. Grundsätzlich hätten sowohl die Vertragsärzte als auch die die Gesamtvergütung entrichtenden Krankenkassen einen Rechtsanspruch darauf, dass die für ein bestimmtes Quartal geleistete Gesamtvergütung möglichst ungeschmälert für die Honorierung der in diesem Quartal erbrachten Leistungen verwendet werde. Das Ermessen der KÄV, ob sie inzwischen als rechtswidrig erkannte Honorarbescheide zurücknehme und Nachvergütungen leiste, sei nur im atypischen Fall von vornherein im Sinne der Bescheidkorrektur und Nachvergütung vorgeprägt, soweit sie nämlich auf die Entscheidung ihrer Mitglieder, Rechtsmittel einzulegen, direkten oder indirekten Einfluss genommen und für ihre entsprechenden Auskünfte gegebenenfalls einzustehen habe (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 21/04 R, Juris Rdnrn. 20, 21). Soweit keine atypischen Umstände im Einzelfall gegeben sind, etwa ein betroffener Arzt durch Hinweise der KÄV von der Einlegung von Rechtsmitteln abgehalten worden ist oder die KÄV sich insoweit zumindest mehrdeutig verhalten hat, ist es danach grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn sich die KÄV bei ihrer Weigerung zur Rücknahme bestandskräftiger Honorarbescheide "nur" darauf beruft, die Gesamtvergütung für das laufende Quartal nicht ohne Rechtspflicht durch Vorwegabzüge mindern zu wollen (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, a. a. O., Juris Rdnr. 26).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat die Beklagte ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie hat erkannt, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, und ist sich insoweit ihrer Handlungsfreiheit bewusst gewesen. Auch wenn sie im Ergebnis davon ausgegangen ist, dass eine Rückabwicklung rechtlich nicht möglich ist, war sie sich eines Entscheidungsspielraums bewusst. Indem sie die Rückabwicklung bzw. Nachberechnung zur Punktwertstützung für allgemeine Leistungen auf die Fälle beschränkt hat, in denen ein Rechtsbehelf eingelegt worden war, hat sie ihr Ermessen ausreichend und sachgerecht ausgeübt, zumal sie auch nicht verpflichtet war, für die geltend gemachten Honorarrückforderungsansprüche Rückstellungen zu bilden. Eine solche Verpflichtung ist allenfalls in den Fällen und in dem Umfang zu erwarten, in denen Honorarbescheide angefochten worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 1998, B 6 KA 16/97 R, Juris Rdnr. 20). Die Beklagte konnte sich nach der Rechtsprechung des BSG darauf berufen, die Gesamtvergütung für das laufende Quartal nicht ohne Rechtspflicht durch Vorwegabzüge mindern zu wollen, da atypische Umstände im Einzelfall nicht gegeben sind. Die Klägerin ist weder durch Hinweise der Beklagten von der Einlegung von Rechtsmitteln abgehalten worden noch hat sich die Beklagte insoweit zumindest mehrdeutig verhalten. Der Umstand der "Freiwilligkeit und der Allgemeinverbindlichkeit" der Änderung der Honorarverteilung durch den Vorstand der Beklagten sowie die Tatsache, dass die Änderungen allein einen bestimmten Honorartopf betreffen, rechtfertigen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Annahme eines atypischen Falles. Ebenso wenig kann der Argumentation der Klägerin gefolgt werden, die Beklagte habe durch ihre wenig transparenten Honorarbescheide indirekt darauf Einfluss genommen, dass die Klägerin von der Einlegung von Widersprüchen gegen die streitigen Honorarbescheide Abstand genommen habe. Nachdem die Aufhebung der Punktwertreduktion für allgemeine Leistungen erst nach "gründlicher Bewertung der durchgeführten Honoraranalysen" durch entsprechenden Vorstandsbeschluss erfolgte, (vgl. Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 26. Januar 2006), damit zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Honorarbescheide also noch kein Erfordernis zu einer Punktwertstützung der allgemeinen Leistungen gesehen wurde, kann auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte durch ihr Verhalten direkt oder indirekt auf die Entscheidung der Klägerin, keinen Widerspruch gegen die streitgegenständlichen Bescheide einzulegen, Einfluss genommen hat. Schließlich hat das BSG in einer Fallgestaltung, in der die beklagte KÄV damit rechnen musste, bei einer dem Begehren des Klägers stattgebenden Entscheidung in zahlreichen weiteren Fällen Anträgen auf rückwirkende Aufhebung von Honorarkürzungsbescheiden ausgesetzt zu sein, eine Ermessensausübung dergestalt als sachgerecht angesehen, dass die beklagte KÄV die finanziellen Auswirkungen im Falle einer dem Kläger positiven Entscheidung für die Gesamtheit ihrer Mitglieder berücksichtigt und als ausschlaggebend angesehen hat (BSG, Urteil vom 18. März 1998, a. a. O., Rdnr. 19). Vergleichbar liegt der Fall hier: Allein im Hinblick auf den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung wäre die Beklagte bei einer stattgebenden Entscheidung in zahlreichen weiteren Fällen Anträgen auf rückwirkende Rückabwicklung und Nachberechnung von Honorarbescheiden ausgesetzt gewesen, eine Beschränkung der Nachberechnung auf die anhängigen Verfahren, in denen Honorarbescheide angefochten waren, ist daher als ermessensgerecht anzusehen.
Andere Anspruchsgrundlagen für eine Rückabwicklung bzw. Nachberechnung der bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale IV/02, II/03 bis III/03 kommen nicht in Betracht, auf die zutreffenden Ausführungen des SG wird insoweit ergänzend gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Klägerin hinsichtlich der Nachberechnung die (volle) Aufhebung der Punktwertreduktion bei den allgemeinen Leistungen anstrebt, sodass die Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach bei einer Bescheidungsklage der Rückforderungsbetrag zu halbieren ist, nicht zur Anwendung kommt.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 3.754,82 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Abänderung bestandskräftiger Honorarbescheide für die Quartale IV/02, II/03 und III/03 und Neubescheidung der Honoraransprüche der Klägerin.
Die Mitglieder der Klägerin, einer mit Sitz in A-Stadt, sind als Ärzte für Neurologie bzw. Psychiatrie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Antrag vom 17. Februar 2006 begehrte die Klägerin eine Nachberechnung ihrer Honoraransprüche für die Quartale IV/02, II/03 bis III/03. Mit Schreiben vom 26. Januar 2006 habe ihr die Beklagte mitgeteilt, dass für das Quartal I/03, gegen dessen Abrechnung Widerspruch eingelegt worden sei, eine Nachberechnung mit einer Nachzahlung in Höhe von 3711,97 EUR erfolgt sei. Auch den Bescheiden für die Quartale IV/02, II/03 und III/03 liege eine fehlerhafte Berechnung zugrunde. Für die streitbefangenen Quartale sei im Vertrauen auf eine kompetente und fehlerfreie Quartalsabrechnung kein Widerspruch eingelegt worden, zumal offensichtliche Mängel nicht erkennbar gewesen seien.
Mit Bescheid vom 9. Mai 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Dies begründete sie damit, dass die von der Klägerin mit ihrem Antrag vom 17. Februar 2006 auch für die Quartale IV/02, II/03 bis III/03 angestrebte Stützung des Punktwertes für die allgemeinen Leistungen, sofern der Anteil der Psychotherapien unter 50% am Gesamthonorar ausmache, nur in anhängigen Verfahren erfolgen könne. Die Rückabwicklung der bestandskräftigen Honorarbescheide sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Die Rücknahme von rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakten richte sich nach § 44 Sozialgesetzbuch, 10. Buch - SGB X -. Eine Rücknahme für die Vergangenheit scheide jedoch schon immer dann aus, wenn der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Erfolg unverhältnismäßig hoch wäre. Wenn die Beklagte im Falle der Klägerin eine Rücknahme vornehmen würde, wäre sie nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz gehalten, auch alle anderen bestandskräftigen Honorarbescheide rückabzuwickeln. Dies würde neben einem immensen Verwaltungsaufwand zu derartigen finanziellen Belastungen führen, dass diese mit einem hohen Punktwertverfall in den aktuellen Quartalen verbunden wären. Nach buchhalterischen Grundsätzen sei die Beklagte lediglich verpflichtet, für anhängige Verfahren Rückstellungen zu bilden. Ein anderes Ergebnis könne unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht akzeptiert werden. Das BSG habe in einem vergleichbaren Fall bereits mit Urteil vom 18. März 1998 (Az.: B 6 KA 69/97 R) entschieden, dass kein Anspruch auf Rückabwicklung bestandskräftiger Honorarbescheide bestehe. Mit weiterem Urteil vom 22. Juni 2005 (Az.: B 6 KA 21/04 R) habe das BSG seine bisherige Rechtsauffassung bestätigt.
Hiergegen hat die Klägerin am 24. Mai 2006 Widerspruch eingelegt und zur Begründung ausgeführt, den Entscheidungen des BSG hätten andere Sachverhalte zu Grunde gelegen. Im vorliegenden Fall habe der Vorstand der Beklagten, ohne vom Gericht hierzu verurteilt worden zu sein, von sich aus die Punktwertreduktion der allgemeinen Leistungen aufgehoben, nachdem er nach "gründlicher Bewertung der durchgeführten Honoraranalysen" festgestellt habe, dass die durch die Stützung von psychotherapeutischen Leistungen verursachte Punktwertreduktion der allgemeinen Leistungen zu einem unerwünschten und nicht vertretbaren Ergebnis beim Punktwert für die allgemeinen Leistungen führte. Es liege somit ein gänzlich anderer Sachverhalt vor, der als atypischer Fall anzusehen sei. Die Verpflichtung der angemessenen Vergütung psychotherapeutischer Leistungen dürfe nicht dazu führen, dass durch die Fachgruppentopfbildung die anderen allgemeinen Leistungen einen nicht zu rechtfertigenden Punktwertverfall erlitten. Dies sei vorhersehbar gewesen. Der Beklagten stehe daher kein Ermessen zu. Die überwiegende Mehrzahl der jetzigen Ärzteschaft habe durch die seinerzeitige Regelung profitiert und könne deshalb auch dafür einstehen. Auch würden der Beklagten durch nachträgliche Honorarberichtigungen erhebliche Mittel zufließen, die aus zurückliegenden Gesamtvergütungen der Krankenkassen resultierten. Die Beklagte verfüge über nicht zu vernachlässigende Zinseinnahmen aus festgelegten Tagesgeldern für vereinnahmte, aber noch nicht ausgekehrte Gelder. Das Honorar könne auch in Teilzahlung nachvergütet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sowohl die Vertragsärzte als auch die die Gesamtvergütung entrichtenden Krankenkassen hätten ein Rechtsanspruch darauf, dass die für ein bestimmtes Quartal geleistete Gesamtvergütung ungeschmälert für die Honorierung der in diesem Quartal erbrachten Leistungen verwendet werde. Eine Rückabwicklung komme nur dann in Betracht, wenn eine Rücknahme für die Vergangenheit aus Billigkeitsgesichtspunkten zwingend notwendig erscheine. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Hiergegen hat die Klägerin am 9. November 2006 Klage beim Sozialgericht Marburg (SG) erhoben und ergänzend vorgetragen, die Beklagte habe ihre Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da sie die atypischen Umstände nicht berücksichtigt habe. Die Tatsache der freiwilligen Neuregelung der Honorarverteilung durch die Beklagte müsse als atypischer Umstand betrachtet werden. Neu beschieden müssten auch die Ärzte werden, die einen entsprechenden Antrag gestellt hätten. Aus den Beschlüssen der Beklagten sei nicht zwingend zu entnehmen, dass diese nur für laufende Widerspruchs- und Klageverfahren gelten sollten.
Mit Urteil vom 22. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Klägerin weder Anspruch auf Abänderung der bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale IV/02, II/03 und III/03 noch auf Neubescheidung ihrer Honoraransprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts habe. Es fehle bereits an einem rechtswidrigen Honorarbescheid für die strittigen Quartale im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB X, weshalb es auf eventuelle Ermessensfehler nicht ankomme. Bei dem Vorstandsbeschluss zur Stützung der psychotherapeutischen Leistungen handele es sich um eine honorarpolitische Maßnahme der Beklagten. Die insofern ergangene Rechtsprechung des BSG habe eine bestimmte Vergütung ausdrücklich nur auf die Vertragsbehandler bezogen, die mehr als 90 v.H. ihres Honorarumsatzes mit genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen erzielt hätten (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 28. Januar 2004, B 6 KA 52/03 R). Würden Festvergütungen für bestimmte Leistungen vorgesehen, so liege es im Gestaltungsspielraum einer KÄV zu entscheiden, ob diese bei Bildung von auf das für diese Honoraruntergruppe zur Verfügung stehende Honorarvolumen angerechnet würden oder nicht. Auch die nachträgliche Entscheidung, für bestimmte Praxen eine Punktwertstützung einzuführen, führe nicht zur Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Honorarverteilung. Die Rechtswidrigkeit der entsprechenden Satzungsbestimmungen der Beklagten folge auch nicht daraus, dass die Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen zu einem festen Punktwert zulasten der Honorargruppe der Klägerin erfolgt sei. Es liege im Gestaltungsermessen des Satzungsgebers, ob er dies tue oder nicht. Auf die Folgen für den Punktwert allein komme es jedenfalls dann nicht an, wenn eine ausreichende Vergütung insgesamt erzielt werden könne. Die Klägerin habe in den streitbefangenen Quartalen Nettohonorare von 100.828,10 EUR, 91.414,53 EUR und der 89.357,22 EUR erzielt. Soweit die Beklagte die Stützung auf noch anhängige Verfahren beschränkt habe, liege darin auch ein hinreichender sachlicher Grund. Es obliege der Entscheidungsfreiheit des Vertragsarztes, ob er Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsentscheidungen einlege. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, bereits bestandskräftige Honorarbescheide einzubeziehen. Ein Widerruf nach den §§ 46 und 47 SGB X sei nur für die Zukunft möglich. Ferner sei ein Widerruf ausgeschlossen, wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erlassen werden müsste. Der Antrag der Klägerin vom 17. Februar 2006 sei auch nicht als Widerspruch gegen die Quartalshonorarbescheide für die strittigen Quartale anzusehen. Die Klägerin habe dies nicht geltend gemacht. Auch lägen keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor (vgl. § 67 Abs. 1 bis 3 i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGG). Gegen das ihr am 5. September 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Oktober 2007 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht (HLSG) eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, entgegen der Auffassung des SG seien die streitgegenständlichen Honorarbescheide rechtswidrig und die Entscheidung der Beklagten, mit der eine Rücknahme der Bescheide abgelehnt worden sei, ermessensfehlerhaft. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG treffe die Beklagte grundsätzlich eine verstärkte Beobachtungs- und gegebenenfalls Reaktions- bzw. Nachbesserungspflicht, wenn die von ihr getroffenen Verteilungsregelungen unter dem Gesichtspunkt der Honorarverteilungsgerechtigkeit nach Artikel 12 Abs. 1 i.V.m. Artikel 3 Abs. 1 GG das von ihr verfolgte Ziel nicht erreichen. Nach der Rechtsprechung des BSG könne jedoch von den Leistungserbringern eine Nachbesserung regelmäßig nur für die Zukunft gefordert werden. In Ausübung der ihr obliegenden Beobachtungspflicht habe die Beklagte im vorliegenden Fall nach gründlicher Bewertung der durchgeführten Honoraranalysen ihre Honorarverteilungsregelung als rechtswidrig erkannt und sie daher durch Beschluss vom 12. Dezember 2005 hinsichtlich der Honorargruppe B 2.7.1 nicht nur wie vom BSG gefordert für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit abgeändert. Die Verteilungsregelung habe im Rahmen ihrer Umsetzung gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoßen. Unabhängig davon sei der vorliegende Fall als atypisch einzustufen. Der Umstand der Freiwilligkeit und der Allgemeinverbindlichkeit der Änderung der Honorarverteilung durch den Vorstand der Beklagten sowie die Tatsache, dass die Änderungen allein einen bestimmten Honorartopf betreffen, rechtfertigten die Annahme eines atypischen Falles. Die Tatsache, dass bei Nervenärzten die Punktwertstützung der psychotherapeutischen Leistungen durch ihre allgemeinen Leistungen honorartopfintern erfolgt sei, sei den Honorarbescheiden tatsächlich nicht zu entnehmen gewesen. Insofern habe die Beklagte durch ihre wenig transparenten Honorarbescheide indirekt darauf Einfluss genommen, dass die Klägerin von der Einlegung von Widersprüchen gegen die streitigen Honorarbescheide Abstand genommen habe. Sie habe folglich für den Mangel ihrer Honorarbescheide einzustehen, so dass atypische Umstände im Sinne der Rechtsprechung des BSG auch aus diesem Grunde vorlägen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 22. August 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2006 zu verurteilen, die bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale IV/02, II/03 und III/03 abzuändern und die Honoraransprüche der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass es allein aufgrund des Umstandes der nachträglich vorgenommenen Neutralisation des Effektes der Punktwertstützung innerhalb der Honorargruppe B 2.7.1. für zeitbezogene genehmigungspflichtige Leistungen nicht per se zu einer Rechtswidrigkeit der bisherigen Honorarverteilung komme. Vertrete man dennoch diese Auffassung, so habe die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung der bereits bestandskräftigen Honorarbescheide. Insoweit werde auf das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 12. März 2008, Az.: S 12 KA 1008/06 verwiesen. Es handele sich um eine gleich gelagerte Fallgestaltung, bei der das SG Marburg das klageabweisende Urteil primär auf den Gesichtspunkt der Ermessensausübung im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB X gestützt habe. Danach sei die Entscheidung einer KÄV, bestandskräftige Honorarbescheide zurückzunehmen, bereits dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn die betreffende KÄV keine Rückstellungen für bereits bestandskräftig abgeschlossene Verfahren gebildet habe und die Gesamtvergütung für das laufende Quartal nicht ohne Rechtspflicht durch Vorwegabzüge gemindert werden solle. Ferner habe das SG in der dortigen Entscheidung das Vorliegen eines atypischen Falles als Voraussetzung für eine andere Ermessensausübung deshalb verneint, weil nicht ersichtlich gewesen sei, dass die Beklagte Betroffene tatsächlich von einer Rechtsverfolgung aktiv abgehalten habe. Hinsichtlich der Atypik komme es stets nur darauf an, inwieweit seitens der Beklagten vorhandener Rechtsschutz zur Verhinderung der Bestandskraft von Verwaltungsakten durch ihr Handeln faktisch beeinträchtigt werde. Die klägerischen Ausführungen seien nicht geeignet, eine Atypik zu begründen.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Urteil des SG vom 22. August 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2006 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Abänderung der bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide für die Quartale IV/02, II/03 und III/03 und noch auf Neubescheidung ihrer Honoraransprüche.
Zu Recht ist das SG davon ausgegangen, dass gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X die Entscheidung über die Abänderung der bestandskräftigen nicht begünstigenden Honorarbescheide im Ermessen der Beklagten steht, und von den Gerichten nur auf Ermessensnichtgebrauch, -fehlgebrauch und Ermessensüberschreitung zu prüfen ist.
Letztendlich kann dahingestellt bleiben, ob die angefochtenen Honorarbescheide für die Quartale IV/02, II/03 und III/03 rechtswidrig sind, soweit das Honorar dort ohne die aufgrund des Vorstandsbeschlusses der Beklagten vom 12. Dezember 2005 bei noch anhängigen Verfahren rückwirkend durchgeführte Stützung des Punktwerts für allgemeine Leistungen berechnet wurde. Selbst wenn insoweit eine Rechtswidrigkeit unterstellt würde, hat die Beklagte ihre Entscheidung ermessensfehlerfrei getroffen.
Zur Ermessensausübung in den Fällen des § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X bei Bescheiden über vertragsärztliches Honorar hat das BSG unter anderem ausgeführt, dass die der KÄV durch diese Vorschrift eingeräumte Möglichkeit, bestandskräftige, zwischenzeitlich als rechtswidrig erkannte nicht begünstigende Bescheide für die Vergangenheit zurückzunehmen, nicht zur Folge hat, dass sie damit für den Regelfall gehalten werde, sich dieses Instruments zu Gunsten der betroffenen Leistungserbringer zu bedienen. Vielmehr eröffne diese Vorschrift der KÄV überhaupt erst die Befugnis, von dem § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V zu Grunde liegenden Gebot abzuweichen, die von den Krankenkassen für ein Quartal geleistete Gesamtvergütung an die in diesem Quartal an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten zu verteilen und Gesamtvergütungsbestandteile solchen Leistungserbringern zugute zu bringen, die in der Vergangenheit auf der Grundlage bestandskräftiger Honorarbescheide zu niedrige Vergütungen erhalten haben. Ohne Berücksichtigung der in § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X eröffneten Möglichkeit ergebe sich die Frage, ob eine KÄV überhaupt berechtigt wäre, zulasten der Gesamtvergütung für ein bestimmtes Quartal Nachvergütungen an Ärzte und Psychotherapeuten vorzunehmen, die zum Teil nicht mehr vertragsärztlich tätig sind, soweit dazu keine Rechtspflicht besteht. Jeder Vorwegabzug von Gesamtvergütungsanteilen vermindere in mehr oder weniger großem Ausmaß den Auszahlungspunktwert, der der Honorierung der im laufenden Quartal erbrachten vertragsärztlichen Leistungen zu Grunde liege. Grundsätzlich hätten sowohl die Vertragsärzte als auch die die Gesamtvergütung entrichtenden Krankenkassen einen Rechtsanspruch darauf, dass die für ein bestimmtes Quartal geleistete Gesamtvergütung möglichst ungeschmälert für die Honorierung der in diesem Quartal erbrachten Leistungen verwendet werde. Das Ermessen der KÄV, ob sie inzwischen als rechtswidrig erkannte Honorarbescheide zurücknehme und Nachvergütungen leiste, sei nur im atypischen Fall von vornherein im Sinne der Bescheidkorrektur und Nachvergütung vorgeprägt, soweit sie nämlich auf die Entscheidung ihrer Mitglieder, Rechtsmittel einzulegen, direkten oder indirekten Einfluss genommen und für ihre entsprechenden Auskünfte gegebenenfalls einzustehen habe (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 21/04 R, Juris Rdnrn. 20, 21). Soweit keine atypischen Umstände im Einzelfall gegeben sind, etwa ein betroffener Arzt durch Hinweise der KÄV von der Einlegung von Rechtsmitteln abgehalten worden ist oder die KÄV sich insoweit zumindest mehrdeutig verhalten hat, ist es danach grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn sich die KÄV bei ihrer Weigerung zur Rücknahme bestandskräftiger Honorarbescheide "nur" darauf beruft, die Gesamtvergütung für das laufende Quartal nicht ohne Rechtspflicht durch Vorwegabzüge mindern zu wollen (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, a. a. O., Juris Rdnr. 26).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat die Beklagte ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie hat erkannt, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, und ist sich insoweit ihrer Handlungsfreiheit bewusst gewesen. Auch wenn sie im Ergebnis davon ausgegangen ist, dass eine Rückabwicklung rechtlich nicht möglich ist, war sie sich eines Entscheidungsspielraums bewusst. Indem sie die Rückabwicklung bzw. Nachberechnung zur Punktwertstützung für allgemeine Leistungen auf die Fälle beschränkt hat, in denen ein Rechtsbehelf eingelegt worden war, hat sie ihr Ermessen ausreichend und sachgerecht ausgeübt, zumal sie auch nicht verpflichtet war, für die geltend gemachten Honorarrückforderungsansprüche Rückstellungen zu bilden. Eine solche Verpflichtung ist allenfalls in den Fällen und in dem Umfang zu erwarten, in denen Honorarbescheide angefochten worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 18. März 1998, B 6 KA 16/97 R, Juris Rdnr. 20). Die Beklagte konnte sich nach der Rechtsprechung des BSG darauf berufen, die Gesamtvergütung für das laufende Quartal nicht ohne Rechtspflicht durch Vorwegabzüge mindern zu wollen, da atypische Umstände im Einzelfall nicht gegeben sind. Die Klägerin ist weder durch Hinweise der Beklagten von der Einlegung von Rechtsmitteln abgehalten worden noch hat sich die Beklagte insoweit zumindest mehrdeutig verhalten. Der Umstand der "Freiwilligkeit und der Allgemeinverbindlichkeit" der Änderung der Honorarverteilung durch den Vorstand der Beklagten sowie die Tatsache, dass die Änderungen allein einen bestimmten Honorartopf betreffen, rechtfertigen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Annahme eines atypischen Falles. Ebenso wenig kann der Argumentation der Klägerin gefolgt werden, die Beklagte habe durch ihre wenig transparenten Honorarbescheide indirekt darauf Einfluss genommen, dass die Klägerin von der Einlegung von Widersprüchen gegen die streitigen Honorarbescheide Abstand genommen habe. Nachdem die Aufhebung der Punktwertreduktion für allgemeine Leistungen erst nach "gründlicher Bewertung der durchgeführten Honoraranalysen" durch entsprechenden Vorstandsbeschluss erfolgte, (vgl. Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 26. Januar 2006), damit zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Honorarbescheide also noch kein Erfordernis zu einer Punktwertstützung der allgemeinen Leistungen gesehen wurde, kann auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte durch ihr Verhalten direkt oder indirekt auf die Entscheidung der Klägerin, keinen Widerspruch gegen die streitgegenständlichen Bescheide einzulegen, Einfluss genommen hat. Schließlich hat das BSG in einer Fallgestaltung, in der die beklagte KÄV damit rechnen musste, bei einer dem Begehren des Klägers stattgebenden Entscheidung in zahlreichen weiteren Fällen Anträgen auf rückwirkende Aufhebung von Honorarkürzungsbescheiden ausgesetzt zu sein, eine Ermessensausübung dergestalt als sachgerecht angesehen, dass die beklagte KÄV die finanziellen Auswirkungen im Falle einer dem Kläger positiven Entscheidung für die Gesamtheit ihrer Mitglieder berücksichtigt und als ausschlaggebend angesehen hat (BSG, Urteil vom 18. März 1998, a. a. O., Rdnr. 19). Vergleichbar liegt der Fall hier: Allein im Hinblick auf den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung wäre die Beklagte bei einer stattgebenden Entscheidung in zahlreichen weiteren Fällen Anträgen auf rückwirkende Rückabwicklung und Nachberechnung von Honorarbescheiden ausgesetzt gewesen, eine Beschränkung der Nachberechnung auf die anhängigen Verfahren, in denen Honorarbescheide angefochten waren, ist daher als ermessensgerecht anzusehen.
Andere Anspruchsgrundlagen für eine Rückabwicklung bzw. Nachberechnung der bestandskräftigen Honorarbescheide für die Quartale IV/02, II/03 bis III/03 kommen nicht in Betracht, auf die zutreffenden Ausführungen des SG wird insoweit ergänzend gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Klägerin hinsichtlich der Nachberechnung die (volle) Aufhebung der Punktwertreduktion bei den allgemeinen Leistungen anstrebt, sodass die Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach bei einer Bescheidungsklage der Rückforderungsbetrag zu halbieren ist, nicht zur Anwendung kommt.
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