L 6 SF 36/08

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 36/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung für das Gutachten des Erinnerungsführers vom 14. Januar 2008 wird auf 806,80 Euro festgesetzt.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

In dem Berufungsverfahren P. K .../. Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland (Az.: L 2 R 499/05) änderte der Berichterstatter des 2. Senats des Thüringer Landessozialgerichts (LSG) mit Verfügung vom 29. November 2007 seine Beweisanordnung vom 17. Oktober 2007 dergestalt ab, dass er den Erinnerungsführer, einen Facharzt für Orthopädie, mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufgrund ambulanter Untersuchung beauftragte. Übersandt wurden dem Erinnerungsführer insgesamt 447 Blatt Akten (237 Blatt Verwaltungsakte, davon 51 Blatt mit medizinischem Inhalt, 210 Blatt Gerichtsakte, davon 81 Blatt mit medizinischem Inhalt).

Der Erinnerungsführer fertigte unter dem 14. Januar 2008 sein Gutachten aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 20. Januar 2007 auf insgesamt 8 Blatt. In seiner Kostenrechnung machte er insgesamt 1.652,30 Euro geltend (19 Stunden Zeitaufwand zu einem Stundensatz von 85,00 Euro, Schreibauslagen 20,30 Euro, Telefon-, Porto und sonstige Kosten 17,00 Euro, Portoauslagen 7,00 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 20 des Kostenhefts verwiesen. Mit Verfügung vom 20. Mai 2008 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 817,30 Euro und legte dabei eine erforderliche Zeit von 13 Stunden und einen Stundensatz von 60,00 Euro zugrunde.

Am 9. Juni 2008 hat der Beschwerdeführer die richterliche Festsetzung beantragt und vorgetragen, er habe sich in seinem Gutachten mit dem des Dr. H. auseinandergesetzt und sei diesem in wesentlichen Punkten gefolgt. Aufgrund der fachfremden Diagnosen habe er die Einholung eines fachinternistisch-kardiologischen Gutachtens vorgeschlagen. Hierfür seien differentialdiagnostische Überlegungen und eine spezielle Begutachtung der Kausalzusammenhänge erforderlich gewesen.

Der Erinnerungsführer beantragt,

die Vergütung für das Gutachten vom 14. Januar 2008 auf 1.652,30 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Vergütung für das Gutachten vom 14. Januar 2008 auf 817,30 Euro festzusetzen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 20. Mai 2008.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 120. Juni 2008) und die Akten dem 6. Senat vorgelegt.

II.

Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz – JVEG -) erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG).

Im vorliegenden Fall hat der Erinnerungsführer unter dem 5. Juni 2008 die Festsetzung beantragt. Die Vergütung wird auf 806,80 Euro festgesetzt.

Bei der Erinnerung sind - wie bei der Beschwerde (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006 – Az.: L 6 B 22/06 SF in MedSach 2007, 180 f.) - alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen wurden (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 4. April 2005 – Az.: L 6 SF 83/05 in MedSach 2005, 137 ff., 27. Januar 2005 – Az.: L 6 SF 745/04, 17. Mai 2004 – Az.: L 6 SF 732/03, 1. August 2003 – Az.: L 6 SF 220/03 in MedSach 2004, 102 f; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. Oktober 2005 – Az.: 1 B 97.1352, nach juris). Insofern kommt es nicht darauf an, dass sich der Erinnerungsführer nur gegen den Zeitansatz und die Honorargruppe wendet. Der Senat ist bei der Festsetzung weder an die Höhe der Einzelansätze noch an die Gesamthöhe der Vergütung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gebunden, denn das Verschlechterungsverbot (sog. "reformatio in peius") gilt bei der erstmaligen richterlichen Festsetzung nicht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 13. April 2005 - Az.: L 6 SF 2/05 und vom 16. September 2002 - Az.: L 6 B 51/01 SF; Meyer/Höver/Bach, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, 24. Auflage 2007, § 4 Rdnr. 4.3).

Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs. 1).

Das Honorar des Sachverständigen errechnet sich nach den §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Es ist unerheblich, wie viele Stunden er tatsächlich aufgewendet hat; relevant ist vielmehr der erforderliche Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität (vgl. u.a. Bundesgerichtshof (BGH); Beschluss vom 16. Dezember 2003 – Az.: X ZR 206/98, nach juris; Senatsbeschlüsse vom 21. Dezember 2006, a.a.O., 27. Januar 2005, a.a.O., m.w.N. und 11. März 2004 – Az.: L 6 980/03; Hartmann in Kostengesetze, 38. Auflage 2008, § 8 JVEG Rdnr. 35). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006, a.a.O., Thüringer OVG, Beschluss vom 3. Juli 2006 – Az.: 4 VO 487/05, nach juris; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – Az.: L 2/9 SF 82/04, nach juris; LSG Baden-Württemberg vom 22. September 2004 – Az.: L 12 RJ 3686/04 KO-A, nach juris). Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings - wie hier - um mehr als 15 v.H. überschritten (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 21. Dezember 2006, a.a.O., und 4. April 2005, a.a.O.) oder bietet die Kostenrechnung keinen Anhalt für einen realistischen Ansatz (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2007 - Az.: L 6 B 172/07 SF), ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen.

Die Aufteilung der Sachverständigenleistung erfolgt entsprechend dem Thüringer "Merkblatt über die Entschädigung von medizinischen Sachverständigen" grundsätzlich in fünf Bereichen: a) Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten, b) Erhebung der Vorgeschichte, c) notwendige Untersuchungen, d) Abfassung der Beurteilung, e) Diktat sowie Durchsicht des Gutachtens.

Für das Gutachten vom 14. Januar 2008 war angesichts der dem Beschwerdeführer übersandten Unterlagen und unter Berücksichtigung der üblichen Erfahrungswerte nach der Senatsrechtsprechung ein Zeitaufwand von 13 Stunden erforderlich.

Für das Aktenstudium ist ein Zeitaufwand von 5 ¾ Stunden für das Studium von 447 Blatt Akten anzusetzen. Nach der Senatsrechtsprechung wird unterstellt, dass ein Sachverständiger für das Aktenstudium und vorbereitende Maßnahmen einschließlich der Fertigung von Notizen und Exzerpten einen Zeitaufwand von etwa einer Stunde für etwa 80 Blatt mit ca. 1/4 medizinischem Inhalt benötigt (vgl. u. a. Beschluss vom 19. Dezember 2007, a.a.O.). Ist der medizinische Anteil höher (wie hier - ca. 30 v.H.), sind die Akten mit allgemeinem und mit medizinischem Inhalt getrennt zu erfassen und unterschiedlich zu bewerten (vgl. Senatsbeschluss vom 1. August 2003, a.a.O.): medizinische Unterlagen ca. 1 Stunde für 50 Blatt, sonstige Unterlagen ca. 1 Stunde für 100 Blatt. Im vorliegenden Fall errechnet sich bei beiden Berechnungen ein Zeitaufwand von ca. 5 ¾ Stunden.

Zusätzlich zu berücksichtigen ist ein Zeitaufwand von ca. 1 Stunde für die Auswertung der Röntgenaufnahmen, des MRT und des CT (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2007, a.a.O.) ... Gegen die Ansätze für die Erhebung der Vorgeschichte und die Untersuchung (2 bzw. 2 ½ Stunden) hat der Erinnerungsgegner keine Bedenken erhoben. Anhaltspunkte für eine Kürzung bestehen nicht.

Für die Abfassung der Beurteilung kann angesichts der Schreibweise ½ Stunde berücksichtigt werden. Sie umfasst grundsätzlich die Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen und die nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können, also die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung. Bei einem durchschnittlichen Sachverständigen ist nach der ständigen Senatsrechtsprechung ein Zeitaufwand von in der Regel 3 Seiten pro Stunde angemessen (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 19. Dezember 2007, a.a.O., und 1. August 2003, a.a.O.). Hier beginnt die Beurteilung ab Nr. 4.; es handelt sich um ca. 1 ½ Seiten. Eine weitere Kürzung durch eine Umrechnung auf "Standardseiten mit 2.700 Anschlägen" (so LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. April 2005 – Az.: L 12 SB 795/05 KO-A, nach juris) kommt mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2006, a.a.O.).

Für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens wird ein zeitlicher Aufwand von ca. 1 ¼ Stunden angesetzt; erfahrungsgemäß kommt für ca. 5 bis 6 Seiten etwa 1 Stunde Zeitaufwand in Betracht (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 1. August 2003, a.a.O.). Entgegen den Ausführungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle umfasste das Gutachten (ohne Anschreiben) tatsächlich knapp 7 ½ Seiten.

Der Vergütungsberechnung ist die Honorargruppe M 2 (60,00 Euro) zugrunde zu legen. Sie wird wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad. In den weiter aufgeführten Beispielsfallgruppen werden die Gutachten zur Feststellung einer Erwerbsminderung nicht genannt. Diese Zustandsgutachten sind im Regelfall in die Honorargruppe M 2 einzuordnen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. Dezember 2007, a.a.O., 21. Dezember 2006, a.a.O:, und 4. April 2005, a.a.O.; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005, a.a.O.; Keller, "Die Vergütung ärztlicher Sachverständigengutachten im sozialgerichtlichen Verfahren nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz" in MedSach 2005, 154, 156).

Ein Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad, das mit der Honorargruppe M 3 vergütet wird, liegt nicht vor. Die Definition des Gesetzes lautet: "Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge und / oder differenzialdiagnostischer Probleme und / oder Beurteilung der Prognose und / oder strittiger Kausalitätsfragen" angenommen. Entgegen der Ansicht des Erinnerungsführers sind diese Voraussetzungen nicht gegeben: Um die Klärung von Kausalitätsfragen ging es offensichtlich nicht; tatsächlich hatte der Erinnerungsführer "nur" ein Zustandsgutachten über das Leistungsvermögen der Klägerin zu erstatten. In sozialgerichtlichen Verfahren sind in den Akten üblicherweise Vorgutachten enthalten; der Anschluss an sie begründet allein keinen hohen Schwierigkeitsgrad. Dass der Erinnerungsführer tatsächlich differentialdiagnostische Probleme zu lösen hatte, kann nicht festgestellt werden. Der Vorschlag an den 2. Senat, ein internistisch-kardiologisches Gutachten einzuholen, impliziert sie nicht. Im Übrigen sind dem Gutachten keine entsprechenden Erörterungen zu entnehmen.

Zusätzlich zu erstatten sind die verauslagten Portoauslagen (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG), die sonstigen besonderen Aufwendungen (§ 12 JVEG) und die Schreibauslagen (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 JVEG). Die Kopierkosten können nur für 8 Seiten erstattet werden; das Anschreiben wird von der Pauschale nach § 7 Abs. 2 S. 1 JVEG nicht erfasst.

Danach errechnet sich die Vergütung wie folgt: 13 Stunden zu 60,00 Euro 780,00 Euro Portoauslagen 7,00 Euro Schreibauslagen 11,80 Euro Ablichtungen 8,00 Euro 806,80 Euro

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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