Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 25 AS 72/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 50/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 18/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 1. Dezember 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im vorliegenden Rechtsstreit Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2006.
Der Kläger wurde am 20.11.2002 im Hilfeverbund Wohnen und Arbeit (HWA) aufgenommen und verblieb dort bis zum 31.12.2006. Es handelt sich bei dem HWA um eine gemeinnützige Gesellschaft für soziale Dienste der Arbeiterwohlfahrt, Stadtkreis AStadt mbH. Die Einrichtung verfügt über 85 Plätze und bietet einen Aufenthalt bei Tag und Nacht. Die Bewohner leben in Einzelzimmern oder kleinen Appartements, die in der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden. Es gibt Gemeinschaftsverpflegung in einem Speisesaal, auf Wunsch ist in den Nebenhäusern auch Selbstverpflegung möglich. Ebenso sind Aufenthaltsräume vorhanden. Den Bewohnern wird ein Barbetrag und eine Bekleidungspauschale gezahlt. Nach der Gesamtkonzeption ist es das Ziel des HWA, Klienten, die aufgrund ihrer besonderen sozialen Schwierigkeiten nicht in der Lage sind, selbständig und eigenverantwortlich zu leben, Betreuung und auf den persönlichen Hilfebedarf zugeschnittene Hilfen in sämtlichen Lebensbereichen anzubieten und die Hilfeempfänger dadurch zu befähigen, im Laufe der Zeit wieder ein unabhängiges Leben zu führen.
Der Kläger wurde ausweislich des Aufnahmeantrags wegen folgender Problematik in die Einrichtung aufgenommen: Suchtabhängigkeit, finanzielle Probleme (Schulden), fehlende soziale Bindungen, keine ausreichende Unterkunft, Arbeitslosigkeit. Der Beigeladene zu 2. bewilligte sodann Leistungen nach § 72 BSHG. Unter dem 05.02.2003 vereinbarten der Kläger und der HWA einen Hilfeplan für die stationäre Maßnahme nach § 72 BSHG, wonach der HWA ein Einzelzimmer und Vollverpflegung bereitstellen und im einzelnen aufgeführte Hilfen in verschiedenen Bereichen (persönliche und soziale Angelegenheiten, Gesundheitsverhalten, Bildung und Arbeit, finanzielle Angelegenheiten) leisten sollte. Wegen des genauen Inhalts wird auf den Hilfeplan vom 05.02.2003 Bezug genommen.
Am 17.12.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.12.2004 ab mit der Begründung, der Kläger sei für länger als 6 Monate bei dem HWA und damit in einer stationären Einrichtung untergebracht, weshalb gemäß § 7 Abs. 4 SGB II ein Anspruch auf Leistungen nachdem SGB II ausscheide.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger rechtzeitig Widerspruch eingelegt und ausgeführt, er sei erwerbsfähig, denn er sei mehr als 3 Stunden täglich arbeitsfähig und auch arbeitswillig und wolle vermittelt werden. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2005 mit Hinweis auf die Begründung in dem Ausgangsbescheid zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger rechtzeitig mit am 24.03.2005 bei dem Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben.
Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, bei den ihm gewährten Hilfen handele sich nicht um eine Therapie. Es bestehe daher auch kein Therapiekonzept, sondern ein individueller Hilfeplan. Die Einrichtung trage auch keine Verantwortung für die tägliche Lebensführung, insbesondere bestehe nicht für alle Bewohner eine verbindliche Tagesstruktur.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten mit dem Hinweis, der HWA trage die Gesamtverantwortung für den Kläger im Rahmen eines Therapiekonzepts, im übrigen bestünden Gemeinschaftseinrichtungen, weshalb die Einrichtung nach der gängigen Definition als stationäre Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 4 SGB II bewertet werden müsse.
Der Beigeladene zu 1., der LWV, hat ebenfalls die Auffassung vertreten, es handele sich bei dem HWA um eine stationäre Einrichtung und verweist dabei auf eine allgemeine Stellungnahme zum Status von Einrichtungen nach den §§ 67 ff. SGB XII. Dennoch schließe im Falle des Klägers § 7 Abs. 4 SGB II Leistungen nach dem SGB II nicht aus, da es sich nur um eine gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit handele. Sei ein Hilfeempfänger – wie hier – eindeutig erwerbsfähig, so spiele der Ausschluss keine Rolle.
Der Beigeladene zu 2. ist dagegen der Meinung, eine stationäre Einrichtung liege nicht vor, da es insgesamt keine allgemein verbindliche Tagesstruktur gebe.
Das Sozialgericht hat am 1. Dezember 2006 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, im Rahmen derer der Sozialarbeiter E. vom HWA als Zeuge vernommen wurde. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Mit Urteil vom 1. Dezember 2006 ist die Beklagte verurteilt worden, unter Aufhebung des Ursprungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab 01.01.2005 zu bewilligen. Das Sozialgericht ist dabei davon ausgegangen, dass der Hilfeverbund Wohnen und Arbeit nicht als stationäre Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 4 SGB II angesehen werden könne. Die Einrichtung beschränke sich im Wesentlichen darauf, den Bewohnern eine Unterkunft und eine Essensmöglichkeit zu gewähren sowie bei Bedarf Betreuung in mannigfaltiger Weise zu leisten. Die Bewohner der Einrichtungen seien aber nicht typischerweise nicht erwerbsfähig. Die Zeugenaussage habe ergeben, dass ca. die Hälfte der 85 Bewohner 6 Stunden täglich angebotene Arbeiten verrichten könnten, auch hinsichtlich der übrigen Bewohner sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese nicht erwerbsfähig seien. Regelmäßig seien sogar 2 bis 3 Bewohner in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis angestellt. Bei dieser Sachlage lägen die Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II für Leistungen nach dem SGB II für den Kläger vor.
Gegen dieses am 17.01.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 07.02.2007 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese damit begründet, dass auch der Hilfeverbund Wohnen und Arbeit selbst davon ausgehe, eine stationäre Einrichtung zu betreiben. Vergleichbare Einrichtungen seien auch schon von anderen Landessozialgerichten als Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 4 SGB II bewertet worden. Im Übrigen habe auch der LWV Hessen die Einrichtung als vollstationäre Einrichtung anerkannt und eine Vergütungsvereinbarung abgeschlossen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 1. Dezember 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt im Berufungsverfahren vor, der Hilfeverbund Wohnen und Arbeit sei eine vollstationäre Einrichtung, wie sich auch aus der Stellungnahme des Landeswohlfahrtsverbandes ergebe. Es handele sich jedoch nicht um eine stationäre Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 4 SGB II. Die Einrichtung sei nämlich so organisiert, dass sie den sich dort aufhaltenden Personen Freiraum für eigenverantwortliches Handeln und aktive Hilfestellung zum Auffinden eines regulären Arbeitsplatzes gebe. Die Struktur der Einrichtung stehe einer Tätigkeit auf dem regulären Arbeitsmarkt auch nicht entgegen, sondern fördere eine solche eher noch.
Auch der Landeswohlfahrtsverband bleibt im Berufungsverfahren bei seiner Auffassung, der HWA sei eine vollstationäre Einrichtung, allerdings könne der Ausschluss des § 7 Abs. 4 SGB II aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht durchgreifen.
Der in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nicht vertretene Landeswohlfahrtsverband hat schriftsätzlich keinen Antrag angekündigt.
Der Beigeladene zu 2.) pflichtet dem Urteil des Sozialgerichts bei und bleibt bei seiner Meinung, der HWA sei keine stationäre Einrichtung.
Der Beigeladene zu 2.) hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat am 03.09.2007 eine mündliche Verhandlung in den Räumlichkeiten des HWA in D-Straße in A-Stadt durchgeführt. Dabei wurde die Einrichtung in Augenschein genommen und der Einrichtungsleiter, der Zeuge D., als sachverständiger Zeuge vernommen. Der Kläger war persönlich anwesend und hat sich zur Sache geäußert. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten (2 Bände) Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gemacht wurden.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Beigeladene zu 1.) im Termin nicht vertreten war, da er rechtzeitig und ordnungsgemäß geladen worden war und durch seine kurzfristig erkrankte Terminsvertreterin telefonisch hat mitteilen lassen, dass trotz ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne.
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte sowie auch ansonsten statthafte Berufung der Beklagten (§§ 143, 144 SGG) hat Erfolg.
Das Sozialgericht hat in dem angegriffenen Urteil die Beklagte zu Unrecht verurteilt, unter Aufhebung ihres Bescheids vom 28.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2005 dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab 01.01.2005 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 SGB II für den streitigen Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2006, denn ein Anspruch ist im vorliegenden Fall durch § 7 Abs. 4 SGB II ausgeschlossen.
Die genannte Vorschrift bestimmte in der vom Sozialgericht zugrunde gelegten und bis zum 31.07.2006 gültigen Fassung, dass keine Leistungen nach diesem Buch (SGB II) erhält, wer für länger als 6 Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht.
In der durch das Fortentwicklungsgesetz geänderten Fassung des § 7 Abs. 4 SGB II ist seit 01.08.2006 bestimmt, dass Leistungen nach diesem Buch (SGB II) unter anderem nicht erhält, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Als Ausnahme dazu kann Leistungen dennoch erhalten, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Für den hier streitigen Zeitraum ist somit zunächst die alte, ab 01.08.2006 jedoch die neue Fassung des § 7 Abs. 4 SGB II zugrunde zu legen. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob § 7 Abs. 4 SGB II in der bis zum 31.07.2006 gültigen Fassung verfassungsgemäß war, entsprechende Zweifel sind im vorliegenden Verfahren unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs.1 GG von dem Beigeladenen zu 1.) geäußert worden. Zweifel an dem Sinn der Vorschrift tauchen auch an anderer Stelle auf, weil es sinnlos sei, unstreitig erwerbsfähige Personen mit Hilfebedarf bei der Arbeitsmarktintegration von SGB II-Leistungen auszuschließen, weil sie mit Aufenthalt in einer stationären Einrichtung als erwerbsunfähig gelten (vgl. Gutachten von Münder, Blatt 185 ff. der Akten, veröffentlicht unter dem Titel "Stationäre Einrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II" in SGb1/07, Seite 1 ff. zusammen mit Geiger). Eine gegebenenfalls verfassungskonforme Auslegung der ausgelaufenen Vorschrift im Sinne des nunmehr gültigen § 7 Abs. 4 SGB II, der erwerbsfähigen Personen den Zugang zu SGB IILeistungen ermöglicht, wenn diese tatsächlich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind, braucht hier nicht vorgenommen zu werden, denn ausweislich der abgegebenen Erklärung in der mündlichen Verhandlung ist der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht außerhalb der Einrichtung mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig gewesen.
Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist deshalb allein ausschlaggebend, ob die Einrichtung "Hilfeverbund Wohnen und Arbeit" (HWA) als stationäre Einrichtung zu qualifizieren ist. Dies ist aufgrund der Augenscheinsnahme und der erfolgten Beweisaufnahme sowie der Erklärungen der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.09.2007 zu bejahen.
Auszugehen ist dabei von der klassischen Definition einer stationären Einrichtung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in einer grundlegenden Entscheidung zu § 100 Abs. 1 BSHG geprägt hat (vgl. BVerwGE 95, 149 ff.). Danach ist unter einer stationären Einrichtung eine auf Dauer angelegte Kombination von sächlichen und personellen Mitteln zu verstehen, die zu einem besonderem Zweck und unter der Verantwortung eines Trägers zusammen gefasst wird und die für einen größeren wechselnden Personenkreis bestimmt ist. Der Einrichtungsbegriff ist grundsätzlich erfüllt, wenn neben der Vollunterbringung der Einrichtungsträger von der Aufnahme des Hilfeempfängers bis zu dessen Entlassung nach Maßgabe des angewandten Therapiekonzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers übernimmt und Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden sind. Diese Definition ist auch in der Sozialgerichtsbarkeit ausdrücklich übernommen worden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.03.2006 L 13 AS 4377/05 ER-B; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22.02.2007 L 8 AS 53/06).
Legt man diesen Einrichtungsbegriff zugrunde, ist der HWA als stationäre Einrichtung anzusehen. Auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erging für einen Hilfesuchenden, der in einer sozialtherapeutischen Außenwohngruppe Hilfe nach § 72 BSHG erhalten hatte, wie dies beim Kläger auch vor dem 01.01.2005 der Fall war.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung dargelegt, dass der Hilfesuchende nach einem Konzept untergebracht sei, bei dem ein sozialtherapeutisch begleitetes Wohnen bei regelmäßiger, wenn auch unterschiedlich intensiver Betreuung durch die Mitarbeiter der Einrichtung mit dem Ziel erfolge, den Hilfeempfänger zu selbständiger und selbstbestimmter Lebensgestaltung zu befähigen. Solange dieses Therapieziel noch nicht erreicht sei, habe die Verantwortung für die tägliche Lebensgestaltung des Hilfesuchenden bei dem Sozialzentrum gelegen, das auch begleitende Kontrollen wahrgenommen habe. Das Vorliegen einer stationären Einrichtung könne auch nicht deshalb verneint werden, weil die Betreuungsleistungen des Sozialzentrums in nicht unerheblichem Umfang am Tage in Ansprechbereitschaft und abends und in der Nacht in Rufbereitschaft der Mitarbeiter der Einrichtung bestanden habe, denn diese Leistungen seien selbst Bestandteil des vom Einrichtungsträger praktizierten Therapiekonzepts, wonach dem Hilfesuchenden der erforderliche psychologische Rückhalt im Prozess des Selbständigwerdens vermittelt werden solle.
Diese beschriebene Situation trifft nach den vom Senat gewonnenen Erkenntnissen exakt auf die Einrichtung HWA zu. Selbst wenn der Zeuge D. bekundet, er empfinde den Begriff "Therapiekonzept" als nicht zutreffend, da die Bewohner weder krank noch behindert seien, so zeigen aber seine nachfolgenden Ausführungen, dass die gesamte Einrichtung durchaus auf einem übergreifenden Konzept beruht, das lediglich in den einzelnen Hilfeplänen individuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Hilfeempfängers angepasst wird. Es wird danach versucht, mit sozialarbeiterischen Mitteln die Betreuung der Klienten zu gewährleisten, wobei man bestrebt ist, im Dialog mit den pädagogischen Mitarbeitern die gesteckten Ziele zu erreichen. Der Klient erklärt mit der Aufnahme seine Bereitschaft, an der Überwindung seiner besonderen sozialen Schwierigkeiten aktiv mitzuarbeiten. Wenn ein Klient seine Mitarbeit verweigert und sich der Hilfen entzieht, wird die gesamte Maßnahme abgebrochen. Die Hilfen bestehen in der Betreuung durch die Mitarbeiter mit unterschiedlicher Intensität. Bei schweren und krisenhaften Fällen kann die Betreuung mehrere Stunden täglich bis zu 8 Stunden und über Tage hinweg andauern, während eine geringe Betreuung bei fortgeschrittenen Klienten nur etwa einmal pro Woche erfolgt. Die Häufigkeit der Hilfen kann nicht pauschal ausgedrückt werden, insofern hat der Zeuge D. erklärt, es gebe durchaus auch "Wellenbewegungen". Unter Umständen könne ein großer Hilfebedarf auch erst nach längerer Zeit oder erst zum Auszug entstehen, während umgekehrt immer wieder auch eine Phase des "Inruhelassens" erforderlich sein könne. Für die Klienten, die geringere Betreuung benötigten, böten im Übrigen die alle 10 Tage stattfindenden Auszahlungen der Barbeträge eine Möglichkeit, die Klienten zu sehen und gegebenenfalls Probleme anzugehen. Im Übrigen seien auch immer ca. 20 Bewohner in dem von der Einrichtung betriebenen Arbeitsprojekt in unterschiedlichen Bereichen beschäftigt. Diese Beschäftigung erfordere die regelmäßige Anwesenheit des Hilfeempfängers, die wöchentliche Stundenzahl und die verschiedenen Arbeitsangebote seien hinterlegt, wenn jemand mehrfach seiner Tätigkeit nicht nachkomme, werde diese einem anderen Klienten angeboten. Es bestehe außerdem die Verpflichtung, sich im Arbeitsprojekt auch bei einem nur eintägigen Fernbleiben abzumelden, außerdem müssen sich die Klienten, die die Einrichtung mehrere Tage verlassen wollten, ebenfalls abmelden.
Die Ausführungen des Zeugen D., die dieser überzeugend vorgebracht hat, entsprechen auch den Angaben, die ein Sozialarbeiter, der Zeuge E., in der mündlichen Verhandlung in der 1. Instanz gemacht hat (vgl. insoweit Protokoll vom 1.12.2006). Auf die nochmalige Einvernahme des Zeugen wurde allseits verzichtet.
Die Gesamtschau der Angaben zeigt, dass das Ziel der Einrichtung nicht nur - wie das Sozialgericht meint – darin besteht, den Bewohnern eine Unterkunft und eine Essensmöglichkeit zu gewähren sowie bei Bedarf Betreuung in verschiedener Weise. Vielmehr ist klar erkennbar, dass hinter der Arbeit in der Einrichtung ein sozialpädagogisches Konzept steht, das zwar so angelegt ist, dass den Klienten eine größtmögliche Freiheit gewährt wird, da sie ja wieder an eine selbständige und eigenverantwortliche Lebensgestaltung herangeführt werden sollen, andererseits aber verschiedene tagesstrukturierende Maßnahmen und vor allen Dingen die Betreuungsangebote rund um die Uhr sicherstellen, dass die Klienten, insbesondere bei Suchtproblematik, stets aufgefangen werden. Der Eindruck bei der Ortsbegehung war auch so, dass für den Senat offenkundig war, dass die angetroffenen Hilfeempfänger noch der mannigfaltigen Hilfe bedürfen.
Daneben weist auch die räumliche Situation auf eine stationäre Einrichtung hin. Die Klienten sind entweder in Einzelzimmern untergebracht, Dusche und WC befinden sich für ca. 5 Zimmer jeweils auf dem Flur. Weiterhin gibt es kleine Appartements mit eigener Küche und Bad, die von 2 bis 3 Personen genutzt werden. Es gibt Gemeinschaftsverpflegung in einem Speisesaal, die auch die Klienten in den kleinen Appartements in Anspruch nehmen können, sofern sie sich nicht selbst verpflegen wollen. Außerdem existiert ein gesonderter Aufenthaltsraum mit Fernsehmöglichkeit. Die Wäsche wird zentral gewaschen, dies gilt auf Wunsch auch für die Appartement-Nutzer. Es handelt sich bei der Wäscherei ebenfalls um eine Beschäftigungsmöglichkeit im Rahmen des Arbeitsprojekts.
Demgegenüber gibt es für fortgeschrittene Klienten die Möglichkeit, in benachbarten regulären Mietshäusern, die demselben Träger gehören, im Rahmen des betreuten Wohnens ambulant nachbetreut zu werden. Eine Abgrenzung zum stationären Bereich ist also auch rein optisch nachvollziehbar.
Darüber hinaus spricht für das Vorliegen einer stationären Einrichtung, dass die Einrichtung bereits in den 70-iger Jahren vom Landeswohlfahrtsverband Hessen als stationäre Einrichtung für Hilfen nach § 72 BSHG anerkannt worden ist. Die Einrichtung ist im Übrigen seit dem Jahre 2003 zertifiziert nach DIN ISO 9000.
Der somit als stationäre Einrichtung einzustufende HWA ist auch als stationäre Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II sowohl alter als auch neuer Fassung anzusehen.
Ziel von § 7 Abs. 4 SGB II sowohl alter als auch neuer Fassung ist nach der gesetzgeberischen Konzeption letztlich, dass diejenigen Personen Hilfe nach dem SGB II nicht bekommen sollen, bei denen die Leistungen ins Leere gehen würden, weil sie aufgrund ihrer persönlichen Situation der Konzeption des Förderns und Forderns gar nicht nachkommen könnten. Die Richtigkeit dieser Sichtweise wird dadurch belegt, dass der Leistungsausschluss auch für solche Personen gilt, die Rente wegen Alters beziehen und damit aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Die Herausnahme von Personen, die in einer stationären Einrichtung untergebracht sind, erfolgt letztlich unter demselben Gesichtspunkt. Es ist nämlich davon auszugehen, dass eine Person, die sich in einer stationären Einrichtung befindet, dem regulären Arbeitsmarkt nicht zu den üblichen Bedingungen zur Verfügung steht, sei es, weil der Tagesablauf so gestaltet ist, dass die Person dem üblichen Instrumentarium des Forderns und Förderns gar nicht nachkommen könnte, oder sei es, weil die Person aufgrund der Problematik, wegen derer sie sich in der Einrichtung befindet, einen normal strukturierten Arbeitstag (z. B. wegen Suchtproblematik) gar nicht durchstehen könnte. Auch die im Rahmen des SGB II angebotenen Maßnahmen zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben erfordern, dass eine Person überhaupt in der Lage ist, pünktlich morgens zu erscheinen und einen ganzen Tag durchzuhalten.
Die Vorschrift des § 7 Abs. 4 SGB II ist deshalb so gestaltet worden, dass Personen, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind, vom Leistungsbezug nach diesem Buch grundsätzlich ausgeschlossen sind. Es sollte aber bewirkt werden, dass die langwierige und schwierige Feststellung, ob im Einzelfall Erwerbsfähigkeit vorliegt, entfällt (siehe BTDrucks. 16/1410, S. 20). Der zuvor bestehenden Problematik, dass Personen, die – wie der Kläger – länger als 6 Monate in der stationären Einrichtung untergebracht waren, auch bei fortschreitendem Therapieerfolg von den Hilfen nach dem SGB II ausgeschlossen waren, ist – wie bereits ausgeführt – durch die Neufassung der Vorschrift in der Weise begegnet worden, dass der Gegenbeweis zur vermuteten Nichterwerbsfähigkeit dadurch erbracht werden kann, dass eine Person unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 15 Stunden in der Woche erwerbstätig ist. Damit hat der Gesetzgeber einerseits zuvor bestehende verfassungsrechtliche Bedenken ausgeräumt, andererseits aber auch die Grenzen für Hilfen nach dem SGB II für Personen, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind, genau gezogen. Überlegungen dahingehend, dass stationäre Einrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II nur solche seien, in denen den untergebrachten Hilfebedürftigen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht möglich sei (vgl. dazu Münder/Geiger, a.a.O.) oder des Klägers im vorliegenden Verfahren, dass er willens und theoretisch in der Lage sei, mindestens 15 Stunden pro Woche zu arbeiten, gehen damit ins Leere. Offenbar aus Praktikabilitätsgründen hat der Gesetzgeber feste Grenzen gezogen. Eine andere Handhabung würde dazu führen, dass die Hilfebedürftigen in einer stationären Einrichtung praktisch ständig dahingehend überprüft werden müssten, ob sie durch Therapiefortschritt eine Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 8 SGB II erreicht haben, bzw. ob eine solche bei Rückfällen wieder verloren gegangen ist. Dies wäre kaum durchführbar und würde die Einrichtung überfordern. Im Übrigen würde ein solches Verständnis der Vorschrift des § 7 Abs. 4 SGB II dazu führen, dass dieselbe Einrichtung einmal als stationäre und einmal als nicht stationäre Einrichtung anzusehen wäre, je nachdem, welcher Hilfebedürftige zu welcher Zeit in dem jeweiligen Zustand einer Überprüfung zugeführt wird (vgl. dazu auch LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.).
Es reicht deshalb für den Ausschluss des § 7 Abs. 4 SGB II nicht aus, wenn der Kläger hier seinen guten Willen bekundet, zu den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts tätig sein zu wollen, solange er dies nicht in die Tat umsetzen kann. Angemerkt sei hier, dass der Kläger zwischenzeitlich in eine ambulante Wohnform desselben Trägers gewechselt hat und nach Auskunft der Beklagten auch seit 01.01.2007 Leistungen nach dem SGB II erhält. Dies zeigt, dass bei entsprechendem Therapiefortschritt der Schritt weg von der stationären Einrichtung in eine weitgehende Selbständigkeit vorgenommen werden kann und dass unter den neuen Voraussetzungen auch die entsprechenden Leistungen nach dem SGB II gewährt werden. Solange dies aber (noch) nicht der Fall ist, also das Therapieziel nicht erreicht ist, muss davon ausgegangen werden, dass ein Hilfeempfänger noch des Schutzes der Einrichtung bedarf, die letztlich die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung entsprechend dem individuellen Hilfeplan trägt (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.0), und er noch nicht in der Lage ist, selbständig eine Arbeit auf dem freien Arbeitsmarkt zu suchen und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben.
Dass im Übrigen auch Personen in stationären Einrichtungen, die mit ihrer Therapie bereits weit fortgeschritten sind, Leistungen der Arbeitsförderung von der Bundesagentur für Arbeit oder gegebenenfalls auch durch die Beklagte erhalten können, ergibt sich aus den allgemeinen Vorschriften des 1. Kapitels des SGB III. Dadurch kann letztlich das Therapieziel der Selbständigkeit gefördert und die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erreicht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im vorliegenden Rechtsstreit Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2006.
Der Kläger wurde am 20.11.2002 im Hilfeverbund Wohnen und Arbeit (HWA) aufgenommen und verblieb dort bis zum 31.12.2006. Es handelt sich bei dem HWA um eine gemeinnützige Gesellschaft für soziale Dienste der Arbeiterwohlfahrt, Stadtkreis AStadt mbH. Die Einrichtung verfügt über 85 Plätze und bietet einen Aufenthalt bei Tag und Nacht. Die Bewohner leben in Einzelzimmern oder kleinen Appartements, die in der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden. Es gibt Gemeinschaftsverpflegung in einem Speisesaal, auf Wunsch ist in den Nebenhäusern auch Selbstverpflegung möglich. Ebenso sind Aufenthaltsräume vorhanden. Den Bewohnern wird ein Barbetrag und eine Bekleidungspauschale gezahlt. Nach der Gesamtkonzeption ist es das Ziel des HWA, Klienten, die aufgrund ihrer besonderen sozialen Schwierigkeiten nicht in der Lage sind, selbständig und eigenverantwortlich zu leben, Betreuung und auf den persönlichen Hilfebedarf zugeschnittene Hilfen in sämtlichen Lebensbereichen anzubieten und die Hilfeempfänger dadurch zu befähigen, im Laufe der Zeit wieder ein unabhängiges Leben zu führen.
Der Kläger wurde ausweislich des Aufnahmeantrags wegen folgender Problematik in die Einrichtung aufgenommen: Suchtabhängigkeit, finanzielle Probleme (Schulden), fehlende soziale Bindungen, keine ausreichende Unterkunft, Arbeitslosigkeit. Der Beigeladene zu 2. bewilligte sodann Leistungen nach § 72 BSHG. Unter dem 05.02.2003 vereinbarten der Kläger und der HWA einen Hilfeplan für die stationäre Maßnahme nach § 72 BSHG, wonach der HWA ein Einzelzimmer und Vollverpflegung bereitstellen und im einzelnen aufgeführte Hilfen in verschiedenen Bereichen (persönliche und soziale Angelegenheiten, Gesundheitsverhalten, Bildung und Arbeit, finanzielle Angelegenheiten) leisten sollte. Wegen des genauen Inhalts wird auf den Hilfeplan vom 05.02.2003 Bezug genommen.
Am 17.12.2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.12.2004 ab mit der Begründung, der Kläger sei für länger als 6 Monate bei dem HWA und damit in einer stationären Einrichtung untergebracht, weshalb gemäß § 7 Abs. 4 SGB II ein Anspruch auf Leistungen nachdem SGB II ausscheide.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger rechtzeitig Widerspruch eingelegt und ausgeführt, er sei erwerbsfähig, denn er sei mehr als 3 Stunden täglich arbeitsfähig und auch arbeitswillig und wolle vermittelt werden. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2005 mit Hinweis auf die Begründung in dem Ausgangsbescheid zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger rechtzeitig mit am 24.03.2005 bei dem Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz Klage erhoben.
Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, bei den ihm gewährten Hilfen handele sich nicht um eine Therapie. Es bestehe daher auch kein Therapiekonzept, sondern ein individueller Hilfeplan. Die Einrichtung trage auch keine Verantwortung für die tägliche Lebensführung, insbesondere bestehe nicht für alle Bewohner eine verbindliche Tagesstruktur.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten mit dem Hinweis, der HWA trage die Gesamtverantwortung für den Kläger im Rahmen eines Therapiekonzepts, im übrigen bestünden Gemeinschaftseinrichtungen, weshalb die Einrichtung nach der gängigen Definition als stationäre Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 4 SGB II bewertet werden müsse.
Der Beigeladene zu 1., der LWV, hat ebenfalls die Auffassung vertreten, es handele sich bei dem HWA um eine stationäre Einrichtung und verweist dabei auf eine allgemeine Stellungnahme zum Status von Einrichtungen nach den §§ 67 ff. SGB XII. Dennoch schließe im Falle des Klägers § 7 Abs. 4 SGB II Leistungen nach dem SGB II nicht aus, da es sich nur um eine gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit handele. Sei ein Hilfeempfänger – wie hier – eindeutig erwerbsfähig, so spiele der Ausschluss keine Rolle.
Der Beigeladene zu 2. ist dagegen der Meinung, eine stationäre Einrichtung liege nicht vor, da es insgesamt keine allgemein verbindliche Tagesstruktur gebe.
Das Sozialgericht hat am 1. Dezember 2006 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, im Rahmen derer der Sozialarbeiter E. vom HWA als Zeuge vernommen wurde. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Mit Urteil vom 1. Dezember 2006 ist die Beklagte verurteilt worden, unter Aufhebung des Ursprungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab 01.01.2005 zu bewilligen. Das Sozialgericht ist dabei davon ausgegangen, dass der Hilfeverbund Wohnen und Arbeit nicht als stationäre Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 4 SGB II angesehen werden könne. Die Einrichtung beschränke sich im Wesentlichen darauf, den Bewohnern eine Unterkunft und eine Essensmöglichkeit zu gewähren sowie bei Bedarf Betreuung in mannigfaltiger Weise zu leisten. Die Bewohner der Einrichtungen seien aber nicht typischerweise nicht erwerbsfähig. Die Zeugenaussage habe ergeben, dass ca. die Hälfte der 85 Bewohner 6 Stunden täglich angebotene Arbeiten verrichten könnten, auch hinsichtlich der übrigen Bewohner sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese nicht erwerbsfähig seien. Regelmäßig seien sogar 2 bis 3 Bewohner in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis angestellt. Bei dieser Sachlage lägen die Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II für Leistungen nach dem SGB II für den Kläger vor.
Gegen dieses am 17.01.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 07.02.2007 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese damit begründet, dass auch der Hilfeverbund Wohnen und Arbeit selbst davon ausgehe, eine stationäre Einrichtung zu betreiben. Vergleichbare Einrichtungen seien auch schon von anderen Landessozialgerichten als Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 4 SGB II bewertet worden. Im Übrigen habe auch der LWV Hessen die Einrichtung als vollstationäre Einrichtung anerkannt und eine Vergütungsvereinbarung abgeschlossen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 1. Dezember 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt im Berufungsverfahren vor, der Hilfeverbund Wohnen und Arbeit sei eine vollstationäre Einrichtung, wie sich auch aus der Stellungnahme des Landeswohlfahrtsverbandes ergebe. Es handele sich jedoch nicht um eine stationäre Einrichtung i.S.d. § 7 Abs. 4 SGB II. Die Einrichtung sei nämlich so organisiert, dass sie den sich dort aufhaltenden Personen Freiraum für eigenverantwortliches Handeln und aktive Hilfestellung zum Auffinden eines regulären Arbeitsplatzes gebe. Die Struktur der Einrichtung stehe einer Tätigkeit auf dem regulären Arbeitsmarkt auch nicht entgegen, sondern fördere eine solche eher noch.
Auch der Landeswohlfahrtsverband bleibt im Berufungsverfahren bei seiner Auffassung, der HWA sei eine vollstationäre Einrichtung, allerdings könne der Ausschluss des § 7 Abs. 4 SGB II aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht durchgreifen.
Der in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nicht vertretene Landeswohlfahrtsverband hat schriftsätzlich keinen Antrag angekündigt.
Der Beigeladene zu 2.) pflichtet dem Urteil des Sozialgerichts bei und bleibt bei seiner Meinung, der HWA sei keine stationäre Einrichtung.
Der Beigeladene zu 2.) hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat am 03.09.2007 eine mündliche Verhandlung in den Räumlichkeiten des HWA in D-Straße in A-Stadt durchgeführt. Dabei wurde die Einrichtung in Augenschein genommen und der Einrichtungsleiter, der Zeuge D., als sachverständiger Zeuge vernommen. Der Kläger war persönlich anwesend und hat sich zur Sache geäußert. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten (2 Bände) Bezug genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gemacht wurden.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Beigeladene zu 1.) im Termin nicht vertreten war, da er rechtzeitig und ordnungsgemäß geladen worden war und durch seine kurzfristig erkrankte Terminsvertreterin telefonisch hat mitteilen lassen, dass trotz ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne.
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte sowie auch ansonsten statthafte Berufung der Beklagten (§§ 143, 144 SGG) hat Erfolg.
Das Sozialgericht hat in dem angegriffenen Urteil die Beklagte zu Unrecht verurteilt, unter Aufhebung ihres Bescheids vom 28.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2005 dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab 01.01.2005 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 SGB II für den streitigen Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2006, denn ein Anspruch ist im vorliegenden Fall durch § 7 Abs. 4 SGB II ausgeschlossen.
Die genannte Vorschrift bestimmte in der vom Sozialgericht zugrunde gelegten und bis zum 31.07.2006 gültigen Fassung, dass keine Leistungen nach diesem Buch (SGB II) erhält, wer für länger als 6 Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht.
In der durch das Fortentwicklungsgesetz geänderten Fassung des § 7 Abs. 4 SGB II ist seit 01.08.2006 bestimmt, dass Leistungen nach diesem Buch (SGB II) unter anderem nicht erhält, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Als Ausnahme dazu kann Leistungen dennoch erhalten, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Für den hier streitigen Zeitraum ist somit zunächst die alte, ab 01.08.2006 jedoch die neue Fassung des § 7 Abs. 4 SGB II zugrunde zu legen. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob § 7 Abs. 4 SGB II in der bis zum 31.07.2006 gültigen Fassung verfassungsgemäß war, entsprechende Zweifel sind im vorliegenden Verfahren unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs.1 GG von dem Beigeladenen zu 1.) geäußert worden. Zweifel an dem Sinn der Vorschrift tauchen auch an anderer Stelle auf, weil es sinnlos sei, unstreitig erwerbsfähige Personen mit Hilfebedarf bei der Arbeitsmarktintegration von SGB II-Leistungen auszuschließen, weil sie mit Aufenthalt in einer stationären Einrichtung als erwerbsunfähig gelten (vgl. Gutachten von Münder, Blatt 185 ff. der Akten, veröffentlicht unter dem Titel "Stationäre Einrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II" in SGb1/07, Seite 1 ff. zusammen mit Geiger). Eine gegebenenfalls verfassungskonforme Auslegung der ausgelaufenen Vorschrift im Sinne des nunmehr gültigen § 7 Abs. 4 SGB II, der erwerbsfähigen Personen den Zugang zu SGB IILeistungen ermöglicht, wenn diese tatsächlich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind, braucht hier nicht vorgenommen zu werden, denn ausweislich der abgegebenen Erklärung in der mündlichen Verhandlung ist der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht außerhalb der Einrichtung mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig gewesen.
Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist deshalb allein ausschlaggebend, ob die Einrichtung "Hilfeverbund Wohnen und Arbeit" (HWA) als stationäre Einrichtung zu qualifizieren ist. Dies ist aufgrund der Augenscheinsnahme und der erfolgten Beweisaufnahme sowie der Erklärungen der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 03.09.2007 zu bejahen.
Auszugehen ist dabei von der klassischen Definition einer stationären Einrichtung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in einer grundlegenden Entscheidung zu § 100 Abs. 1 BSHG geprägt hat (vgl. BVerwGE 95, 149 ff.). Danach ist unter einer stationären Einrichtung eine auf Dauer angelegte Kombination von sächlichen und personellen Mitteln zu verstehen, die zu einem besonderem Zweck und unter der Verantwortung eines Trägers zusammen gefasst wird und die für einen größeren wechselnden Personenkreis bestimmt ist. Der Einrichtungsbegriff ist grundsätzlich erfüllt, wenn neben der Vollunterbringung der Einrichtungsträger von der Aufnahme des Hilfeempfängers bis zu dessen Entlassung nach Maßgabe des angewandten Therapiekonzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers übernimmt und Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden sind. Diese Definition ist auch in der Sozialgerichtsbarkeit ausdrücklich übernommen worden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.03.2006 L 13 AS 4377/05 ER-B; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22.02.2007 L 8 AS 53/06).
Legt man diesen Einrichtungsbegriff zugrunde, ist der HWA als stationäre Einrichtung anzusehen. Auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erging für einen Hilfesuchenden, der in einer sozialtherapeutischen Außenwohngruppe Hilfe nach § 72 BSHG erhalten hatte, wie dies beim Kläger auch vor dem 01.01.2005 der Fall war.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung dargelegt, dass der Hilfesuchende nach einem Konzept untergebracht sei, bei dem ein sozialtherapeutisch begleitetes Wohnen bei regelmäßiger, wenn auch unterschiedlich intensiver Betreuung durch die Mitarbeiter der Einrichtung mit dem Ziel erfolge, den Hilfeempfänger zu selbständiger und selbstbestimmter Lebensgestaltung zu befähigen. Solange dieses Therapieziel noch nicht erreicht sei, habe die Verantwortung für die tägliche Lebensgestaltung des Hilfesuchenden bei dem Sozialzentrum gelegen, das auch begleitende Kontrollen wahrgenommen habe. Das Vorliegen einer stationären Einrichtung könne auch nicht deshalb verneint werden, weil die Betreuungsleistungen des Sozialzentrums in nicht unerheblichem Umfang am Tage in Ansprechbereitschaft und abends und in der Nacht in Rufbereitschaft der Mitarbeiter der Einrichtung bestanden habe, denn diese Leistungen seien selbst Bestandteil des vom Einrichtungsträger praktizierten Therapiekonzepts, wonach dem Hilfesuchenden der erforderliche psychologische Rückhalt im Prozess des Selbständigwerdens vermittelt werden solle.
Diese beschriebene Situation trifft nach den vom Senat gewonnenen Erkenntnissen exakt auf die Einrichtung HWA zu. Selbst wenn der Zeuge D. bekundet, er empfinde den Begriff "Therapiekonzept" als nicht zutreffend, da die Bewohner weder krank noch behindert seien, so zeigen aber seine nachfolgenden Ausführungen, dass die gesamte Einrichtung durchaus auf einem übergreifenden Konzept beruht, das lediglich in den einzelnen Hilfeplänen individuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Hilfeempfängers angepasst wird. Es wird danach versucht, mit sozialarbeiterischen Mitteln die Betreuung der Klienten zu gewährleisten, wobei man bestrebt ist, im Dialog mit den pädagogischen Mitarbeitern die gesteckten Ziele zu erreichen. Der Klient erklärt mit der Aufnahme seine Bereitschaft, an der Überwindung seiner besonderen sozialen Schwierigkeiten aktiv mitzuarbeiten. Wenn ein Klient seine Mitarbeit verweigert und sich der Hilfen entzieht, wird die gesamte Maßnahme abgebrochen. Die Hilfen bestehen in der Betreuung durch die Mitarbeiter mit unterschiedlicher Intensität. Bei schweren und krisenhaften Fällen kann die Betreuung mehrere Stunden täglich bis zu 8 Stunden und über Tage hinweg andauern, während eine geringe Betreuung bei fortgeschrittenen Klienten nur etwa einmal pro Woche erfolgt. Die Häufigkeit der Hilfen kann nicht pauschal ausgedrückt werden, insofern hat der Zeuge D. erklärt, es gebe durchaus auch "Wellenbewegungen". Unter Umständen könne ein großer Hilfebedarf auch erst nach längerer Zeit oder erst zum Auszug entstehen, während umgekehrt immer wieder auch eine Phase des "Inruhelassens" erforderlich sein könne. Für die Klienten, die geringere Betreuung benötigten, böten im Übrigen die alle 10 Tage stattfindenden Auszahlungen der Barbeträge eine Möglichkeit, die Klienten zu sehen und gegebenenfalls Probleme anzugehen. Im Übrigen seien auch immer ca. 20 Bewohner in dem von der Einrichtung betriebenen Arbeitsprojekt in unterschiedlichen Bereichen beschäftigt. Diese Beschäftigung erfordere die regelmäßige Anwesenheit des Hilfeempfängers, die wöchentliche Stundenzahl und die verschiedenen Arbeitsangebote seien hinterlegt, wenn jemand mehrfach seiner Tätigkeit nicht nachkomme, werde diese einem anderen Klienten angeboten. Es bestehe außerdem die Verpflichtung, sich im Arbeitsprojekt auch bei einem nur eintägigen Fernbleiben abzumelden, außerdem müssen sich die Klienten, die die Einrichtung mehrere Tage verlassen wollten, ebenfalls abmelden.
Die Ausführungen des Zeugen D., die dieser überzeugend vorgebracht hat, entsprechen auch den Angaben, die ein Sozialarbeiter, der Zeuge E., in der mündlichen Verhandlung in der 1. Instanz gemacht hat (vgl. insoweit Protokoll vom 1.12.2006). Auf die nochmalige Einvernahme des Zeugen wurde allseits verzichtet.
Die Gesamtschau der Angaben zeigt, dass das Ziel der Einrichtung nicht nur - wie das Sozialgericht meint – darin besteht, den Bewohnern eine Unterkunft und eine Essensmöglichkeit zu gewähren sowie bei Bedarf Betreuung in verschiedener Weise. Vielmehr ist klar erkennbar, dass hinter der Arbeit in der Einrichtung ein sozialpädagogisches Konzept steht, das zwar so angelegt ist, dass den Klienten eine größtmögliche Freiheit gewährt wird, da sie ja wieder an eine selbständige und eigenverantwortliche Lebensgestaltung herangeführt werden sollen, andererseits aber verschiedene tagesstrukturierende Maßnahmen und vor allen Dingen die Betreuungsangebote rund um die Uhr sicherstellen, dass die Klienten, insbesondere bei Suchtproblematik, stets aufgefangen werden. Der Eindruck bei der Ortsbegehung war auch so, dass für den Senat offenkundig war, dass die angetroffenen Hilfeempfänger noch der mannigfaltigen Hilfe bedürfen.
Daneben weist auch die räumliche Situation auf eine stationäre Einrichtung hin. Die Klienten sind entweder in Einzelzimmern untergebracht, Dusche und WC befinden sich für ca. 5 Zimmer jeweils auf dem Flur. Weiterhin gibt es kleine Appartements mit eigener Küche und Bad, die von 2 bis 3 Personen genutzt werden. Es gibt Gemeinschaftsverpflegung in einem Speisesaal, die auch die Klienten in den kleinen Appartements in Anspruch nehmen können, sofern sie sich nicht selbst verpflegen wollen. Außerdem existiert ein gesonderter Aufenthaltsraum mit Fernsehmöglichkeit. Die Wäsche wird zentral gewaschen, dies gilt auf Wunsch auch für die Appartement-Nutzer. Es handelt sich bei der Wäscherei ebenfalls um eine Beschäftigungsmöglichkeit im Rahmen des Arbeitsprojekts.
Demgegenüber gibt es für fortgeschrittene Klienten die Möglichkeit, in benachbarten regulären Mietshäusern, die demselben Träger gehören, im Rahmen des betreuten Wohnens ambulant nachbetreut zu werden. Eine Abgrenzung zum stationären Bereich ist also auch rein optisch nachvollziehbar.
Darüber hinaus spricht für das Vorliegen einer stationären Einrichtung, dass die Einrichtung bereits in den 70-iger Jahren vom Landeswohlfahrtsverband Hessen als stationäre Einrichtung für Hilfen nach § 72 BSHG anerkannt worden ist. Die Einrichtung ist im Übrigen seit dem Jahre 2003 zertifiziert nach DIN ISO 9000.
Der somit als stationäre Einrichtung einzustufende HWA ist auch als stationäre Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II sowohl alter als auch neuer Fassung anzusehen.
Ziel von § 7 Abs. 4 SGB II sowohl alter als auch neuer Fassung ist nach der gesetzgeberischen Konzeption letztlich, dass diejenigen Personen Hilfe nach dem SGB II nicht bekommen sollen, bei denen die Leistungen ins Leere gehen würden, weil sie aufgrund ihrer persönlichen Situation der Konzeption des Förderns und Forderns gar nicht nachkommen könnten. Die Richtigkeit dieser Sichtweise wird dadurch belegt, dass der Leistungsausschluss auch für solche Personen gilt, die Rente wegen Alters beziehen und damit aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Die Herausnahme von Personen, die in einer stationären Einrichtung untergebracht sind, erfolgt letztlich unter demselben Gesichtspunkt. Es ist nämlich davon auszugehen, dass eine Person, die sich in einer stationären Einrichtung befindet, dem regulären Arbeitsmarkt nicht zu den üblichen Bedingungen zur Verfügung steht, sei es, weil der Tagesablauf so gestaltet ist, dass die Person dem üblichen Instrumentarium des Forderns und Förderns gar nicht nachkommen könnte, oder sei es, weil die Person aufgrund der Problematik, wegen derer sie sich in der Einrichtung befindet, einen normal strukturierten Arbeitstag (z. B. wegen Suchtproblematik) gar nicht durchstehen könnte. Auch die im Rahmen des SGB II angebotenen Maßnahmen zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben erfordern, dass eine Person überhaupt in der Lage ist, pünktlich morgens zu erscheinen und einen ganzen Tag durchzuhalten.
Die Vorschrift des § 7 Abs. 4 SGB II ist deshalb so gestaltet worden, dass Personen, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind, vom Leistungsbezug nach diesem Buch grundsätzlich ausgeschlossen sind. Es sollte aber bewirkt werden, dass die langwierige und schwierige Feststellung, ob im Einzelfall Erwerbsfähigkeit vorliegt, entfällt (siehe BTDrucks. 16/1410, S. 20). Der zuvor bestehenden Problematik, dass Personen, die – wie der Kläger – länger als 6 Monate in der stationären Einrichtung untergebracht waren, auch bei fortschreitendem Therapieerfolg von den Hilfen nach dem SGB II ausgeschlossen waren, ist – wie bereits ausgeführt – durch die Neufassung der Vorschrift in der Weise begegnet worden, dass der Gegenbeweis zur vermuteten Nichterwerbsfähigkeit dadurch erbracht werden kann, dass eine Person unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 15 Stunden in der Woche erwerbstätig ist. Damit hat der Gesetzgeber einerseits zuvor bestehende verfassungsrechtliche Bedenken ausgeräumt, andererseits aber auch die Grenzen für Hilfen nach dem SGB II für Personen, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind, genau gezogen. Überlegungen dahingehend, dass stationäre Einrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II nur solche seien, in denen den untergebrachten Hilfebedürftigen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht möglich sei (vgl. dazu Münder/Geiger, a.a.O.) oder des Klägers im vorliegenden Verfahren, dass er willens und theoretisch in der Lage sei, mindestens 15 Stunden pro Woche zu arbeiten, gehen damit ins Leere. Offenbar aus Praktikabilitätsgründen hat der Gesetzgeber feste Grenzen gezogen. Eine andere Handhabung würde dazu führen, dass die Hilfebedürftigen in einer stationären Einrichtung praktisch ständig dahingehend überprüft werden müssten, ob sie durch Therapiefortschritt eine Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 8 SGB II erreicht haben, bzw. ob eine solche bei Rückfällen wieder verloren gegangen ist. Dies wäre kaum durchführbar und würde die Einrichtung überfordern. Im Übrigen würde ein solches Verständnis der Vorschrift des § 7 Abs. 4 SGB II dazu führen, dass dieselbe Einrichtung einmal als stationäre und einmal als nicht stationäre Einrichtung anzusehen wäre, je nachdem, welcher Hilfebedürftige zu welcher Zeit in dem jeweiligen Zustand einer Überprüfung zugeführt wird (vgl. dazu auch LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.).
Es reicht deshalb für den Ausschluss des § 7 Abs. 4 SGB II nicht aus, wenn der Kläger hier seinen guten Willen bekundet, zu den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts tätig sein zu wollen, solange er dies nicht in die Tat umsetzen kann. Angemerkt sei hier, dass der Kläger zwischenzeitlich in eine ambulante Wohnform desselben Trägers gewechselt hat und nach Auskunft der Beklagten auch seit 01.01.2007 Leistungen nach dem SGB II erhält. Dies zeigt, dass bei entsprechendem Therapiefortschritt der Schritt weg von der stationären Einrichtung in eine weitgehende Selbständigkeit vorgenommen werden kann und dass unter den neuen Voraussetzungen auch die entsprechenden Leistungen nach dem SGB II gewährt werden. Solange dies aber (noch) nicht der Fall ist, also das Therapieziel nicht erreicht ist, muss davon ausgegangen werden, dass ein Hilfeempfänger noch des Schutzes der Einrichtung bedarf, die letztlich die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung entsprechend dem individuellen Hilfeplan trägt (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.0), und er noch nicht in der Lage ist, selbständig eine Arbeit auf dem freien Arbeitsmarkt zu suchen und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben.
Dass im Übrigen auch Personen in stationären Einrichtungen, die mit ihrer Therapie bereits weit fortgeschritten sind, Leistungen der Arbeitsförderung von der Bundesagentur für Arbeit oder gegebenenfalls auch durch die Beklagte erhalten können, ergibt sich aus den allgemeinen Vorschriften des 1. Kapitels des SGB III. Dadurch kann letztlich das Therapieziel der Selbständigkeit gefördert und die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erreicht werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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